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220 Winnen, wenn sie morgen aufgehoben, und die Brief- befördcrung dem Publikum als freies Gewerbe ge stattet würde ? Die täglich auf unsern Eisenbahnen in Arbeit gesetzte Kraft reicht vollkommen hin, das Geschäft zu besorgen, selbst wenn Passagiere und Waaren frei mitgenommen würden. Würde es ein Vortheil für die Nation sein, wenn mit den bereits angelegten parallel laufende Linien eingerichtet wür den, und auf denselben eine Kraft in Thätigkeit ge bracht würde, die mehr als zehnmal hinreichend wäre, das von der Nation verlangte Geschäft zu besorgen? Wenn das von mir aufgestellte Princip richtig ist, daß „wo irgend eine Verschwendung stattfindet, auch ein Verlust damit verbunden sein muß," so würde ein solcher unnöthiger Aufwand an Capital, und eine solche Kraftverschwenduug, den wesentlich sten Interessen der Nation in hohem Grade nach- theilig sein. Wir könnten dieses Princip dadurch erläutern, daß wir uns auf die Concurrenz bezie hen, welche zwischen den Eignern rivalisirender Dampfboote stattfindet, bis die eine oder andere Partei zu Grunde gerichtet, und einstweilen ein in der Praris selbst begründetes Monopol feftgestellt ist. Einige von unseren großen Dampfpaketboot- Compagnieen, nachdem sie enorme Summen in einer Reihefolge von verderblichen Wetteiferungcn mit andern Compagnieen aufgewandt haben, welche! zu ruim'ren, ihnen am Ende gelingt, stiften ein Mo-, nopol auf ihren respectiven Linien, und, wie es sich von selbst versteht, und auch nicht mehr als billig ist, lassen sie sich vom Publikum für das Geld, wel ches sie wegzuwerfen genöthigt waren, entschädi gen. Man betrachte z. B. die Menge von prächti gen Dampfbooten, die seit einigen Jahre« zwischen England und Amerika gingen, und hinreichend wa ren, wenigstens fünfmal so viel Passagiere zu be fördern, als wirklich bei den von ihnen angenom menen Preisen dazu im Stande waren, oder Lust dazu hatten, mit ihnen zu reisen. Wenn halb so vie len Fahrzeugen, unter der Bedingung, Passagiere für die Hälfte deö jetzt bestehenden Preises zu be fördern, ein Monopol bewilligt worden wäre, so würden Tausende von Actionairen vom Untergange gerettet, und Zehntausenden von Passagieren und Auswanderern 50 Proc. erspart worden sein. Aus der letzten Fahrt, welche die „BritishQueen" machte, hatte sie nur siebenundzwanzig Passagiere, obgleich die Anstalten vollkommen für 200 hinreich- ten; und diese Anzahl würde bei niedrigen Preisen sehr gern mit ihr gefahren sein; aber die Eigner mußten hohe Preise ansetzen, weil sich mehrere in das Gewerbe theilten. Ich führe diese Fälle nur an, um zu zeigen, daß nicht alle Monopole noth wendige Uebel sind. Bei der Dampfschifffahrt hat das Monopol, wie praktisch begründet es auch für die laufende Zeit sein mag, immer den Anschein eines freien Gewerbes; und wo eine Compagnie zu weit geht, wird der Anschein zur Wirklichkeit, und eine verderbliche Concurrenz ist der Erfolg davon. Mit den Eisenbahnen ist es eine andere Sache, hier ist das Monopol vollständig absolut, von keinen Bedingungen abhängig, keiner Beschränkung oder Beaufsichtigung von Seiten der Nation oder des Parlaments unterworfen, wie alle Corporativnen, von der öffentlichen Meinung unerreichbar, und der Wohlfahrt der Societät ebenso nachtheilig, wie es in vielen Fällen für die Eigner selbst verderblich ist. Es ist kaum nöthig, zu bemerken, daß diese Frage mit der „Handelsfreiheit und dem Mono pole" in der weit umfassenden allgemeinen Bedeu tung des Ausdrucks, nichts zu thun hat; denn die Eisenbahnen müssen nothwendig Monopole sein, in welche Hände auch ihre Verwaltung gelegt sein mag. Die einzige Frage ist nur Vie, wie ein solches Monopol eingerichtet und gehandhabtwerden kann, um es der Wohlfahrt der Nation so förderlich als möglich zu machen. 5. Verschiedenes Verwaltungssystem bei der Compagnie von London und Bir mingham, und der Great Western. Der Leser wird bemerkt haben, daß diese beiden Compagnieen in Hinsicht der Behandlung ihrer Passagiere zweiter und dritter Gasse sehr verschie dene Maßregeln befolgen. Beide haben natürlich dasselbe Ziel vor Augen, so viele Passagiere als mög lich dazu zu bewegen, daß sie ihre Plätze in Wagen der ersten Classe nehmen, suchen es aber auf etwas verschiedenen Wegen zu erreichen. Die London- Birminghamer und die Great Western sind die bei den größten Eisel.lbahncompagnieen im Königreiche, und man kann von ihnen sagen, daß sie an der Spitze zweier einander entgegengesetzter Schulen stehen. Die „Great Western" führt ihre Pläne, geradezu auf ihren Zweck losgeheno, aus; sie be obachtet ein festes, kühnes, entschlossenes Verfahren; die „London-Birminghamer" dagegen bewirkt das selbe durch größere Leutseligkeit und wohl berechnete Verwaltung. Die „Great Western" bietet der öf fentlichen Meinung Trotz; sie behauptet eine gänz liche Unabhängigkeit von ihr; sie macht „mit ihrem Eigenthum, waS sie will," und läßt den strengsten Tadel ihrer Maßregeln von Seilender einflußreich sten Factivn der Presse unbeachtet. Die „London- Birminghamer" dagegen nimmt denSchein an, als ob sie sich „den Wünschen des Publikums unter ordnete." Sie erklärt mit großer Offenheit, daß „Eisenbahnen nicht bloß zum Vortheil der Actio- naire vorhanden wären;" und der wohldenkende Präsident hat mitten unter dem Beifallsrufe einer ganz mit ihm einstimmenden Versammlung ausge sprochen, „daß die Directoren es für ihre Pflicht hielten, das Interesse der unbemittelten Classen durch die Hinzufügung von Zügen dritter Classe zu be rücksichtigen," wobei er jedoch hinzuzusetzen vergaß, daß sie an diesen Theil ihrer Pflicht nur durch den j Umstand erinnert worden sind, daß die Posten da-! mals, wie auch noch jetzt, zwei Schillings wohlfei ler, als selbst ihre Wagen dritter Classe, fuhren. Die „Great Western" machtwciterkeineUmstände; sie giebt sich gar nicht das Ansehen, als ob sie sich irgend um Passagiere zweiter und dritter Classe kümmerte; sie tolerirt sie nur aus ihren Fahrten; die gesetzgebende Gewalt hat ja nie im Geringsten auf solche Leute Bedacht genommen. Warum sollte es die Compagnie denn thun? Das Parlament hat für Niemanden, als die Passa giere erster Classe etwas ausbedungen. Das Par lament muß doch wohl besser wissen, was den Be dürfnissen des Vaterlandes angemessen ist, als eine Gesellschaft von Privatunternehmern, die sich zu- sammengethan baben, Geld zu verdienen, nicht aber, theoretische MildthätigkeitSplane zur Ausführung zu bringen. Die Argumente der „Great Western" sind so leicht nicht zu widerlegen. Aber wie geht es zu, daß die „London-Birming hamer," ebenso gute, wo nicht noch bessere Geschäfte macht, was die Ausführung ihres gemeinschaftlichen Planes betrifft? Es ist die natürliche Folge davon, daß das von der ersteren beobachtete System von beiden das bessere ist; denn es gründet sich auf eine richtigere Kenntniß der menschlichen Natur. Sar kastisches Hohnlächeln, Achselzucken, verächtliche Mienen, und übermüthiges Vornehmthun ist sür die meisten Menschen verletzender, als die roheste GrobheitinderBehandlung.*) Die beider „Great Western" Angestellten verstehen von dem Allen nichts. Der erste beste wohlgekleidete Mann, und wenn er auch Hiob's Geduld zu besitzen glaubt, möge nur einmal eine einzige Fahrt auf einer jeden dieser Eisenbahnen mit einem Wagcnzuge dritter Classe machen, und er wird, denke ich, die Richtig keit meiner Bemerkung anerkennen. „Ich habe bemerkt," sagte der scharf beobachtende Secretair der „Great Western", bei einer der Zu sammenkünfte der Directoren, „daß sich Personen auf die Wagen der dritten Classe gesetzt haben, die nicht dahin gehörten!" Warum nicht? Etwa, weil sie nicht bczahlthatten? Keinesweges, sondern weil sie zu gut gekleidet waren! Man solltedoch glauben, wenn nicht eine so gewichtige Stimme dagegen spräche, daß ein „gut gekleideter Mann", wenn er für gut findet, sich mit der Einrichtung der dritten Classe zu begnügen, und wenn er dafür bezahlt hat, dasselbe Recht hat, Platz darauf zu nehmen, wie ein schlecht gekleideter. Aber wir wollen hören, was der Herausgeber der Railway Times in einer seiner letzten Nummern darüber sagt. In Beziehung auf eine von den Schottischen Bahnen sagt er: „Wir haben uns von einem Freunde, der eine genaue Kenntniß davon hat, sagen lassen, daß neulich nicht weniger als fünf Glasgower Amtsvoigte (ziemlich dasselbe, wie bei uns die Aelterleute) auf den Wa gen dritter Classe ihrer dortigen Eisenbahn gesehen worden sind; ja noch mehr, vaß Leute ähnlichen Ranges kein Bedenken tragen, ein Billet dritter Ei- senbahnclasse, und eins für den Platz am Steuer ruder auf dem Dampfschiffe zu nehmen, um bann nach der Kajüte oder dem Hauptverdeck des Fahr zeugs hinzugehen, als ob sie etwas Rechtes wären. Man sollte fast wünschen, daß Herrn Cravshay's „Schlottfeger" System nach Glasgow verpflanzt würde, um diesen spießbürgerlichen Auctoritäten so viel Ehrgefühl beizubringen, daß sie eine anständi gere Aufführung lernten." Jede Eisenbahn hat ihre eigne Weise, Passagiere zweiter und dritter Classe zu behandeln. Auf der Southampton Eisenbahn sind die Wagen so einge richtet, daß man, wie über einen Feldwegsteg hin- einstcigt, und an den Seiten offen, so daß ein ge waltiger Luftzug bindurchgeht. Auf einigen Eisen bahnen sind die Sitze so knapp, daß man sich kaum darauf niederlassen kann. Auf andern, z. B. der von Greenwich, giebt es gar keine Sitze, sondern man befördert sie darauf, wie in einer Schafhürde. Auf mehreren Eisenbahnen hört man die Passagiere dritter Classe beständig klagen, daß ihnen das Zeug durch die Funken, die aus der Maschine sprühen, verbrannt oder doch verdorben wird. Es geht wirk lich ins Unendliche, wie vielerlei Mittel und Wege ') Die London-Birminghamer Officianten find i allen diesen Dingen sehr wohl erfahren.