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Von dieser Zeitschrift erscheint wöchentlich eine Nnmmcr in Jm- Perial-Quart, welcher zu öfterm erläuternde Zeichnungen, Karten, Pläne und Ansichten beigegeben werden. Der Abonnementsprcis beträgt hier Orts drei Thaler für das Halbjahr, und nehmen alle Buchhandlungen, Postämter und Zeitung« - Expeditionen de« In- und Auslandes Bestellungen entgegen. Planmäßige Beiträge werden anständig honorirt und unter Adresse der Redaktion oder, wem Leipzig näher gelegen, durch Vermittelung des Herrn Buch händler Wilh. Engelmann da selbst erbeten. Eisenbahn-Jeitutlg. Draunschweig, 14. Juli. 1844. Meine Erfahrungen und Verbesse rungen im Eisenbahnwesen. Nachdem die Nützlichkeit des Eisenbahnwesens nicht allein in den Vereinigten Staaten Nord- amerika's und in Großbritannien, sondern nun auch in den meisten Theilen des europäischen Fest landes, namentlich in Belgien und Deutschland, allgemein anerkannt ist, sind in der neuesten Zeit viele Eisenbahnen ins Leben gerufen worden, die mannoch vorwenigenJahrcn für unausführbar ge halten hatte. Diese größere Verbreitung des wich tigen modernen Communieationsmittels hat mäch tig rückgewirkt auf die Fortschritte der Chemie, Phy sik und Mechanik. Es sind auf diese Weise Vervoll kommnungen in allen Theilen des Eisenbahnbaues zu Tage gefördert worden, die — wie z. B. das atmosphärische Eisenbahnsystem und die neuesten Verbesserungen der Locomotiven — geeignet sind, eine neue Epoche im Eisenbahnwesen hervorzu rufen. Daß die meisten dieser Verbesserungen aus Großbritannien und Nordamerika stammen, ist sehr natürlich, da in ersterem — der Heimath großarti ger Erfindungen — die vorhandenen Geldmittel alle Unternehmungen mehr als in irgend einem an dern Lande unterstützen, und der dortige Zustand der Fabriken sie tausendfach fördert, während in Amerika die Nothwendigkcit — die Mutter der mei sten Erfindungen — den industriellen und specula- tiven Geist der Bewohner darauf hinwies. Eine Uebersicht aller ausgeführten oder vorgeschlagcnen Verbesserungen kann nur durch persönliche Anschau ung an Ort und Stelle erlangt werden, weil es da durch allein möglich wird,alleZweifel und Einwen dungen durch mündliche Rücksprache und gegensei tigen Ideenaustausch zu heben. Dies war einer der Hauptbeweggründe, die mich bestimmten, nach dem ich den Bau der Berlin-Frankfurter Bahn voll endet und die Vorarbeiten zu verschiedenen Bahn linien durch die Provinz Neumark und das Groß- herzogthnm Posen, zur Verbindung der Oder mit der Weichsel, im Auftrage des König!. Preußischen Finanzministeriums ausgeführt hatte, eine Reise u. aus eigenem Antriebe zu unternehmen um mich im Eisenbahnfache, dem ich mich seit dreizehnJahren in Amerika und Europa fast ausschließlich gewidmet, zeitgemäß zu vervollkommnen. Ich habe zu diesem Zwecke seit dem 15. Jan. d. I. bis zu meiner nach Deutschland kürzlich erfolgten Rückkehr alle Eisen bahnen von Belgien, England, Irland, Schottland und die meisten Bahnen in den Vereinigten Frei staaten von Nordamerika sowie die Bahnen in Frankreich, und auch inDeutschland, so weit sie mir fremd waren, bereist, und soviel es mir nvthwendig schien, genau geprüft. Sehr unterstützt durch meine frühere ausgedehnte Lokal- und Persvnalkenntniß in jenen Ländern, besonders während meines acht jährigen Wirkens als Civilingenieur in Nord amerika, sah ich meine Erfahrungen im Eisenbahn bau durch eine reiche Erndtc neuer Anschauungen vermehrt. Ich bin bei dieser Reise von dem Grund sätze auSgcgangen, daß man auf jeder, selbst der mangelhaftesten Bahn etwas lernen kann, sei es zuweilen auch nur, um zu erfahren, wie man es nicht machen soll, waS unter manchen Umständen nicht wenig vortheilbringend ist. Es war dies na mentlich bei einigen Bahnen in Amerika der Fall, wo ein dringendes Bcdürfniß die Bahn hervorge- rufcn, ohne daß die Unternehmer die Zeit und die Geldmittel hätten aufwenden können, welche zur Erlangung größerer Vollkommenheit in Bahnan lage undBetrieb nvthwendig gewesen wären — ein Verfahren, das schon zu manchen voreiligen und nachthciligen Urtheilen nicht nur über diese Bah nen, sondern über denAmerikanischcn Eisenbahnbau im Allgemeinen bei solchen Veranlassung gegeben hat, welche nicht wissen, daß eS sich bei Anlage sol- cherBahnen oft nur darum handelt, durch unermeß liche Wildnisse, die noch völlig unbewohnt sind, der Bevölkerung und der Bodencultur den Weg zu bahnen. Unter solchen Umständen entspringt dann natürlich für den Ingenieur die Aufgabe, mit den möglich geringsten Mitteln und in der möglich kür zesten Zeit die Bahn der öffentlichen Benutzung zu übergeben. Ist aber der erste Zweck — ein solches wenn gleich anfangs unvollkommenes Communica- tionsmittel zu besitzen — erreicht, so unterläßt man eS nie, die Bahn den Verhältnissen angemessen mit dem bereits darauf gewonnenen Geld oder, sobald ein größeres Anlagekapital gerechtfertigt ist, zu ver vollkommnen. Dieses kluge Verfahren führt da her oft zu mehrfachen Wechseln; es werden z. B. schwächere Schienen gegen stärkere vertauscht, was wiederum zu vielen nützlichen Erfahrungen über einen wichtigen Zweig des Eisenbahnbaues Gele genheit giebt. Bei Prüfung der besuchten Bahnen habe ich meinAugenmerk hauptsächlich auf folgende Gegenstände gerichtet. 1) Erwägung der obwaltenden Local- und Terrainverhältnisse. Dieö ist von höchster Wichtigkeit, indem sehr oft der Fall eintritt, daß, was in einem Verhältnisse zweckmäßig ist, in einem andern durchaus unzweck mäßig erscheint. Die Aufgabe für den Eiscnbahn- baumcister ist: inallenFällencine richtige Wahl der Mittel zu treffen, namentlich um beim Bau einer Bahn das Anlagekapital nicht un- nölhigerweise zu vermehren. 2) Leistungen der Locomotiven. Natürlich kann es nicht in der Absicht dieser Zei len liegen eine theoretische Abhandlung zu liefern oder überhaupt in Formelrechnungen einzugchen, vielmehr will ich hier nur unwiderlegbare Thatsa- chen aufführen. Bei der Konstruktion der Lokomo tiven alsZugmaschinen aufEisenbahncn nahm man anfangs die möglich geringste Abweichung von einer horizontalen Bahnlinie als unumstößliche Regel an. Diesen Grundsatz hielten die meisten Engli schen Ingenieure bei Anlage ihrer Bahn um so mehr fest, als ihnen die nöthigcn Geldmittel zu Gebot standen und sie bestrebt waren, ihren Bahnen den höchsten Grad von Vollkommenheit zu geben. Spä ter jedoch bewies unter andern der erfahrene und praktische Eisenbahningenieur Charles VignolcS durch That und Schrift, daß zweckmäßig angeord- netc wellenförmige Bahnen und stärkere Steigun gen zulässig seien, und deren Anwendung im Inter esse der Unternehmer liege. Noch gründlicher wurde diese Behauptung durch Capitain S.