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Sicherheit des Publikums, die ganz ihrer Will- kühr Preis gegeben ist, ausgeübten Despotismus betrachten; wenn wir sehen, daß die Fahrpreise bis zu der äußersten Tare, zu deren Entrichtung sich das Publikum wird entschließen können, ge steigert werden, und daß die Kosten des Rei sens mit der Schnelligkeit, die das Land billiger Weise erwarten kann, in gar keinem Verhält- niß stehen; wenn wir in öffentlichen Blättern Klagen über Klagen, die bald wiederholte Fälle von empörenden Nachlässigkeiten, bald die eigen sinnigsten und ungerechtesten Verfügungen be treffen, erhoben finden, so müssen wir uns mit tiefster Wehmuth darüber beschweren, daß eine für das Gemeinwesen so wichtige Angelegenheit nicht von Anfang an zu einer Sache des Staats gemacht worden ist. „Wir geben die Wahrheit des Satzes zu, daß der Gewinn deS Kapitalisten selten ein Verlust für das Vaterland sein kann; aber wenn ein Land keinem andern zur Förderung seiner Blüthe mitwirkenden Umstande so viel verdankt, wie je dem neuen Erleichterungsmittel allgemeiner Cvm- munication, wenn Zunahme des Handels, Er weiterung des Verkehrs, Belebung des Umsatzes und Vermehrung der Staatseinkünfte die un mittelbare und unausbleibliche Folge solcher Erleichterungsmittel ist; wenn der Gewinn der Nation in einem solchen Falle so hoch steigt, daß er den größten Nutzen, den die einzelnen Eigener ziehen können, überragt, ist es dann nicht klar, daß jeder Pfennig Gewinn, den die Eigner der Eisenbahnen machen, eine Einbuße für die Wohlfahrt des Volkes ist, weil der Com- munication dadurch ein unnöthiger Hemmschuh angelegt wird? Wenn die Einnahmen einer Ei senbahn die Kosten ihrer Erhaltung und Repa ratur und die Zinsen des hineingesteckten Capi- tals decken, so begreifen wir, daß genug gelei stet worden ist; dies Ergebniß herbeizuführen, nicht aber Gewinnst zu erwirken, ist der Grund satz, wonach sich der Betrag der Fahrpreise rich ten sollte. Nach diesem Grundsätze hat die Bel gische Regierung bei der Gründung des erfolg reichen Eisenbahnsystcms, dessen treffliche Anla gen dieses schöne Land bereits nach allen Sei ten hin durchschneidcn, gehandelt; der Zweck, den man dort im Auge hat, ist nicht dieser Ge winn des Einzelnen, sondern die Ausdehnung des Handelsverkehrs und der Communication im Lande bis zu den äußersten Gränzen dessen, was die Nation leisten kann, und zwar zu den nie drigsten Preisen, wobei irgend eine Erstattung der ursprünglichen Auslagen möglich ist. „So ist die Belgische Regierung dadurch, daß sie die Sache selbst in die Hände genommen hat, in Stand gesetzt worden, im Laufe weni ger Jahre ein System von Eisenbahncommuni- cation zu bewerkstelligen, dessen einziger Zweck das Beste der gejammten Societät ist, während Eng land vermöge der Privatunternehmern ertheilten Erlaubniß, ein solches Triebrad des Handels verkehrs als Monopol zu behandeln, ein allge meines System fortschreitender industrieller Cul- tur entbehrt und zu spät zu der Erkenntniß gekom men ist, daß es in Beziehung auf die Commu- nicationswege seines so großartigen Handels die Wohlfahrt der ganzen Nation Privatmonovo- lien aufgeopfert hat."*) Warum sollte eS „zu spät" sein, jede Veränderung zu machen, die ein mal als sehr wünschenswerth erscheint? Wenn es nöthig wäre, zum Besten der Nation alle Eisenbahnen von der Oberfläche des Landes weg zutilgen oder sie morgen im Tage von der Re gierung in Besitz nehmen, oder die Eigner zum unentgeltlichen Transporte von Gütern und Pas sagieren zwingen zu lassen, — wenn der Staat irgend eine dieser Verfahrungsarten für wün schenswerth halten sollte, so „schirmt ja doch kein Gottesbann" das Eigenthumsrecht auf die Eisen bahnen, eben so wenig, wie das auf andres Be sitzthum; ein Parlamentsschluß hat es ertheilt, und ein Parlamentsschluß kann eS wieder weg nehmen, oder die Bedingungen abändern, unter welchen man das Recht genießt; wobei eS sich freilich von selbst versteht, daß die Eigner für den durch die eintretende Veränderung herbeige führten Verlust vollständig entschädigt werden. Indessen müßte ein sehr in die Augen sprin gender Fall erst ausfindig gemacht werden, um die Einmischung der Regierung in Handelsspe- culationen irgend einer Art zu rechtfertigen, und ich bin keineswegs überzeugt, daß die Regierung Unrecht gethan hat, den Bau der Eisenbahnen nicht selbst zu übernehmen. Bei jeder merkanti- lischen Unternehmung muß der Kapitalist die freie Benutzung sowohl seines Kapitals, als sei ner Unternehmung haben, und wenn sein Werk vollendet, und der Gewinn oder Verlust, der dabei herauskommt, genau auögemittelt ist, dann mag die Regierung mit dem Eigenthumsrecht auf jede Weise schalten und walten, welche die Wohlfahrt des Staats verlangt, vorausgesetzt, daß sie Sorge dafür trägt, daß der Besitzer durch solche Einmischung keinen Schaden leidet. Es wäre z. B. durchaus keine Ungerechtigkeit, wenn die Regierung eine Eisenbahn-Compagnie, die 5 Proc. an ihre Interessenten zahlte, dazu nöthigte, die Passagiere nach einer Tare, wobei sich nur 4 Proc. ergeben, zu befördern, indem der Staat natürlich das 1 Procent Ueberschuß zahlen müßte. Die vor einigen Jahren von der damaligen Regierung erwählten Commiffaire, die über die Zweckmäßigkeit einer vom Staate zu überneh menden Anlage von Eisenbahnen in Irland Un tersuchungen anstellen sollten, setzten einen lan gen und wohldurchdachten Bericht über den Ge genstand auf, welcher beiden Parlamentshäusern überreicht wurde. Nach einer Schilderung der mannichfaltigen Segnungen, welche die vollstän dige Entwicklung der Hülfsquellen eines Lan des über alle Classen verbreitet, setzt der Bericht in nachdrücklicher Sprache den schneidenden Ge gensatz auseinander, der zwischen dem Privat interesse des Monopolinhabers und dem allge meinen Besten stattfindet, wenn Compagnicen, und nicht der Staat selbst, das Eigenthum an den Eisenbahnen haben. So groß sind die Kräfte, „sagen die Com- missaire," von solchem Umfange die Leistungen einer Eisenbahn, daß sie, wo sie auch irgend angelegt sein mag, auf einmal die Frequenz der gewöhnlichen Heerstraße zerstören muß; und nicht *) Lilinburgk Leviev, ^pril >839. s allein werden alle gegenwärtig in Gebrauch ste henden Fuhrwerke verschwinden, sondern selbst die Mittel zum Postreisen werden aller Wahr- scheinlichkeit nach sehr schnell in Verfall kommen, und am Ende vielleicht aushören, die Bahnlinie ! entlang noch aufgetrieben werden zu können. Der Vorzug dieser Anstalten ist zu offenbar und entschieden, um noch irgend Etwas, das damit wetteisern könnte, übrig zu lassen; da sie säst unbeschränkte Mittel, allen Bedürfnissen abzu helfen, besitzen, so giebt es auf keiner Heerstraße einen Waarenverkehr, und kann auch künftig ! keinen geben, den eine einzige Eisenbahn nicht be streiten könnte, und kein Zusammcnströmen von ! Passagieren, womit sie nicht schnell genug fertig zu werden im Stande wäre. Die Geschwindig keit der Locomotive, wenn sie auch mit bedeuten- i der Ermäßigung ihrer gesammten Kraft in Bewe- ! gung gesetzt wird, übertrifft die größte Eilsertig- keit, die eine wenn auch noch so gut eingerichtete Post auf der trefflichsten Heerstraße erreichen kann. „Das Monopol der Eisenbahn ist von dem Au genblicke ihrer Eröffnung an vollkommen entschie den. Die heilsame Furcht vor der Concurrenz kann nie die Thätigkeit des Monopolinhabers einer Eisenbahn wecken oder ihn aus seiner Ruhe aufrütteln, wenn er sich in einem Augenblicke mit einer despotischen Gewalt bekleidet sieht, der die wichtigsten Interessen der Societät erliegen müssen. Der Unternehmungsgeist der Privatpersonen er wählt sich daher zum Felde seines Treibens die jenigen Theile des Königreiches, wo der ausge dehnteste Verkehr den reichsten Gewinn verheißt. Die Hauptstraßen, die durch das ganze Land fuh ren, hören auf Eigenthum des StaatS zu sein, und werden dem unumschränkten Besitze von Mo nopolinhabern überliefert, die sich außerhalb alles Bereiches einer wetteifernden Thätigkeit oder Be aufsichtigung befinden. „Sie sind im Stande ein Monopol im aus gedehntesten Sinne zu begründen, und den Ver kehr des Landes gänzlich von sich abhängig zu erhalten. Der Grad der Geschwindigkeit, die Wahl der Abfahrtsstunden, die Zahl der Tage reisen, Alles bleibt ihrem Gutdünken überlassen; ! und da sie das unbegränzte Recht haben, die Preise für die Beförderung von Personen sowohl, als Gütern zu bestimmen, so bekommen sie da durch eine Gelegenheit, sich nicht allein für die gesetzmäßigen Kosten der Anlage und Erhaltung der Eisenbahn bezahlt zu machen, sondern auch für alle die schweren Ausgaben, wozu sie entwe der durch ihre eigene Verschwendung, oder in Folge der mancherlei gegen sie ausgeübten Ueber- vortheilungen genöthigt werden, zu entschädigen. . So fällt jeder unnöthige Ausgabeposten am Ende unfehlbar dem Publikum zur Last*). Wie gegründet diese Bemerkungen, in so wei! sie die falsche Politik, die alleinige und von Nie mandem beaufsichtigte Verwaltung für die ganze Nation wichtiger Anstalten Privatcompagnieen anzuvertrauen betreffen, auch sein mögen, so glaube ich doch, daß dabei in den angenomme nen Grundsätzen gewisse, sowohl klar am Tage liegende, als versteckte Jrrthümer von bedeuten der Erheblichkeit obwalten, welche um so mehr ') Bericht der Irländischen Commiffaire 1838.