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Vorschlag der Regierung auch die verfassungsmäßige Wirk samkeit der Ständeversammlung hinsichtlich der Aufbrin gung und Vertheilung von Abgabenbetragen, wegen des Eisenbahnbaues, auf ewige Zeiten ausschließt. Je eifriger aber im gegenwärtigen Augenblick in allen Ländern Deutscher Junge die Ausführung der Eisenbah nen betrieben wird, und je näher von Tag zu Tag in Folge dieser Bestrebungen das Eisenbahnnetz seiner Voll endung entgegenrückt, welches uns, wenn wir den rich tigen Zeitpunkt zum Anschluß an dasselbe unbenutzt vor über gehen lassen sollten, zu umgarnen und vom grö ßern Verkehr auszuschließen droht, um so dringender fühlt sich jeder Vaterlandsfrcund gemahnt, in diesem kri tischen Augenblicke dem wichtigen Gegenstände seine ern steste Aufmerksamkeit zu widmen und mit allen Kräften dahin zu wirken, ihm eine fürKurheffen günstige Lösung zu geben. Ueber den Nutzen und die Nothwendigkeit der Eisenbahnen einen weitläufigen Bortrag zu halten, wird Referent um so eher hier überhoben werden können, als diese Frage schon überall und zwar praktisch entschieden ist. Welchen kühnen Hoffnungen man sich auch hinsicht lich derselben hingegeben haben mag, die Wirklichkeit hat sie alle weit übertroffen und einen Personen- und Waa- renverkehr darauf hervvrgerufen, den man früher gar nicht geahnet, ja nicht einmal für möglich gehalten hatte, und den selbst die einsichtigsten und scharfsinnigsten Köpfe des Zeitalters sich nicht träumen lassen. Der hohe, noch immer steigende Cours fast aller Bahnactien liefert den unzweifelhaften und factischen Beweis, wie vortheilhaft und rentabel für den Unternehmer eine Kapitalanlage zu solchen Zwecken sich herausstellt; noch größer ist aber jedenfalls der Gewinn, der aus einer Eisenbahnanlage für das von ihr durchschnittene Land erwächst, indem sie ihm Gelegenheit giebt, seine Producte durch wohl feile Transporte über einen größern Landstrich zu ver breiten und dadurch höher zu verwerthen, die benöthig- ten Rohstoffe und Consumtionsartikel aber sich wohlfei ler zu beschaffen. In letzterer Hinsicht hat sich nament lich der vortheilhafte und ausgleichende Einfluß der Ei senbahnen sehr heilsam bei Beseitigung des nahe an Hungersnoth grenzenden Nothstandes in Folge der miß- rathenen Erndte des Jahres >842 bewährt, da nur durch sie dem Mangel an den unentbehrlichsten Lebensmitteln abgeholfen zu werden vermochte, indem sie zu einer Zeit, wo wegen des Frostes die Schifffahrt gehemmt war, die dichtbevölkerten, gewerbreichen, aber unfruchtbaren Ge biete wie das Erzgebirge, aus den reichen Fruchtländern des Ostens mit Lebensbedarf versorgten und so die sonst unfehlbare Hungersnoth verhütheten. Diese Rücksichten und die auch in Deutschland durch eine nun mehrjährige Erfahrung gewonnene Ueberzeu- gung von der Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit der Ei senbahnen haben bei allen Staaten einen regen Wett eifer in der Ausführung und Anlage derselben hervorge rufen, und es spricht wohl nichts bündiger dafür, daß sich dabei nicht die Nachtheile und Bedenken ergeben, welche ängstliche und besorgte Gemüther von der Ver wirklichung der Eisenbahnen erwarten, als daß grade diejenigen Staatsregierungen, welche bereits am weite sten mit dem Bau ihrer Bahnen vorangeschritten sind, und deshalb doch wohl die meisten Erfahrungen über Vortheile und Nachtheile dieses so höchst vollkommenen Communicationsmittels gemacht haben müssen, nicht vor der weitern Ausdehnung der begonnenen Traten zurück schrecken, sondern darin im Gegentheil grade am rüstig sten fortschreiten und immer neue Richtungen und Linien in Angriff nehmen. Als Beispiel braucht man nur auf die so einsichtigen und von den ersten Staatsmännern Deutschlands geleiteten Regierungen von Oesterreich, Preußen, Baiern, Sachsen rc. hinzuweisen, von denen jede seit den letzten sechs Monaten wieder neue, nicht in den früherer Planen begriffene Bahnen projectirt hat und zur Ausführung bringt. Unter allen diesen beab sichtigten Bahnen bedroht indessen keine die Kurhessischen Interessen in gefährlicherer Weise als die Eisenbahn, welche von Bamberg nach Aschaffenburg intendirt wird, und zu deren Baue bereits die erforderlichen Einleitun gen, nach sicherer Kunde, getroffen werden. Kommt diese Bahn zur Ausführung, so ist den finanoiellen Ergebnis sen der Eisenbahnen in Kurheffen ein außerordentlicher Nachtheil für alle Zukunft beigebracht, denn es wendet^ sich dann der Verkehr von Frankfurt nach Leipzig min-! bestens theilweise dieser Bahn zu und geht der durch Kur heffen zur Verbindung von Leipzig und Frankfurt zu bauenden Eisenbahn verloren. Je größer die Kosten der Hessischen Eisenbahnen ausfallen, desto mehr ist aber alle Anstrengung nöthig, um nichts zu verlieren, was ihr Einnahmen zuführen kann. Das höchste Interesse des Landes in financieller und staatswirthschaftlicher Hinsicht erheischt es daher, daß die hohe Staatsregie rung hinsichtlich des Baues der Eisenbahnen in Kur heffen rasch eine Entschließung fasse und dieselbe, in Ge stalt einer gründlichen Vorlage über diesen Gegenstand, der Ständeversammlung zur Prüfung und Entscheidung ! übergebe. In der, der Ständeversammlung auf ihre Anfrage ! zu Theil gewordenen Mittheilung hoher Staatsregie- ! rung vom 4. Januar 1844 vermag indeß der Eisen bahnausschuß, wie er oben ausführlicher entwickelt, eine solche gründliche Vorlage nicht zu erblicken, indem > darin alle Fragen, d. h. Zeitpunkt, Richtung der Bah nen, Kosten, Entscheidung der Frage, ob auf Staatsko- ! sten oder mittels Actien gebaut werden soll, Verzinsung der Actien, Verwaltung des Baufonds, Leitung des Bahn- s betriebs rc. unbestimmt gelassen werden und lediglich dem Ermessen der Staatsregierung überlassen bleiben sollen. Diese Mittheilung kann um so weniger befriedigen, wenn erwogen wird, daß ungeachtet offenkundigen, zehnjähri gen Untersuchens und Handels Seitens der Regierung jetzt ein Bild von der Lage der Sache der Ständever sammlung vorgeführt wird, welches Alles, als noch im Dunkeln liegend und keiner Entscheidung näher geführt, darstellt. Seit dem Frühjahr 1840 besteht eine Eisen bahncommission dahier, von der wohl vorausgesetzt wer den darf, daß sie das Land in allen Richtungen hinsicht lich des Eisenbahnbaues untersucht hat, dessen Beschaf fenheit in dieser Hinsicht also genau bekannt sein muß. Im Herbst 1840 hat man hier Preußische Commiffarien gesehen, welche mit der diesseitigen Commission die Bahn linie untersucht haben. Am 20. Dec. 1841 ist in der That zwischen Hessen, Preußen, Weimar und Gotha ein Vertrag über eine Eisenbahn von Halle über Weimar, Gotha, Eisenach, Rotenburg, Kassel, bis zum Anschluß an die Rhein-Weserbahn in Berlin abgeschlossen worden, wovon die Regierung den Ständen zwar bis dahin noch keine Mittheilung gemacht hat, der sich aber in der be kannten Schrift des Hrn. v. Groß zu Weimar (die Ver hältnisse der projectirten Eisenbahn von Halle rc.) sowie anderwärts abgedruckt findet. Andererseits hat man im Sommer 1841 Commissare von Darmstadt und Frankfurt hier verweilen sehen, welche, wie dieselben kein Hehl daraus gemacht, über eine von Kassel nach Frankfurt zu bauende Eisenbahn mit einem hiesigen Commiffar Verhandlungen gepflogen haben. Dieselben Commissare befanden sich im Spätjahr 1842 wieder hier zur Fortsetzung der Verhandlungen, und die Ständeversammlung hat sie bei Eröffnung des Landtags vorgefunden. Später, im Sommer vorigen Jahres, ist ein diesseitiger Commiffar in Frankfurt Monate lang an wesend gewesen, und die öffentlichen Blätter haben ver lautbart, daß die Verhandlungen über die Erbauung von Eisenbahnen zwischen den drei Staaten nahe zum Ab schlusse ständen, sie haben sogar Nachrichten von einigen der Bedingungen im Publicum verbreitet, und wer in der Nähe von Darmstadt oder Frankfurt wohnt oder auch nur dort durchgekommen, hat noch mehr und Nä heres darüber hören können. Also auch hinsichtlich die ser Richtung der Eisenbahnen kann nicht Alles mehr im Dunkeln liegen. Endlich ist auch noch ein berühmter Engl. Eisenbahningenieur hier im vorigen Jahre anwe send gewesen und hat einige Theile des Landes bereist. Alles dies zusammengenomme» zeigt, daß die Regierung bereits sehr viel gehandelt hat, und wissen muß, was im Interesse des Landes zu thun sei. Jnmittels haben an dere Staaten bereits alle ihre Hauptbahnrichtungen fest gestellt und bauen daran, und es ist nicht anzunehmen, daß in Hessen, wo eine viel längere Zeit auf diesen Ge genstand verwendet worden, weniger geleistet und ins Klare gebracht worden wäre als anderwärts. Die na türlichen Verhältnisse in Kurhessen können die Lösung der Frage nicht so schwierig machen; denn wenn auch, wie in der Vorlage gesagt worden, der Eisenbahnbau in Kurheffen Schwierigkeiten bietet, so hat doch die Natur die Furchen sehr deutlich gezeichnet, wo nur Eisenbahnen in Kurhessen möglich sind, und je beschränkter in dieser Beziehung die Wahl ist, desto weniger Zweifel können über die Richtungen selbst bestehen. Wenn, wie gesagt, das Terrain in Kurhessen bei dem Eisenbahnbaue Schwie rigkeiten darbietet, so gehört es doch keineswegs zu den schwierigsten, vielmehr sind in Würtenberg, in Oesterreich und selbst in Baiern, viel größere Schwierigkeiten zu über winden , und die hiesigen Hindernisse des Terrains sind viel weniger groß als diejenigen, welche zwischen Ver- viers und Köln besiegt werden mußten. Obgleich die Eisenbahnen in Kurheffen nicht zu den wohlfeilen gehören, vielmehr die Kosten höher als nach der gewöhnlichen Berechnung von 300,000 Lhlr. die Meile zu stehen kommen werden, so scheint doch der in der Mittheilung hoher Staatsregierung enthaltene An schlag von 800,000 Thlr. die Meile nur ein ungefährer Anschlag zu sein, indem andererseits wohl die Regierung speciellere Mittheilungen gemacht hätte. Wenn aber noch Alles so im Unklaren, wie die Vorlage besagt, so ist nicht zu erwarten, daß der Kostenanschlag so sicher sei, das nicht eben so wohl ein geringerer Aufwand vorausgesetzt werden dürfte. In welcher Weise die 30 Meilen Länge der Eisenbahnen herauskommen, liegt nicht vor, man muß aber annehmen, daß diese Länge alle Eisenbahnlinie» in sich schließt» welche wohl einmal in Kurhessen zur Ausführung kommen könnten. Alle diese Bahnen schon jetzt als Aufgabe anzunehmcn, ist aber nicht wohl denk bar, und noch weniger wird von einem Kostenaufwande von 15. Mill. Thlr. die Rede sein können. Es scheint vielmehr nur nothwendig zu sein, eine Hauptlinie rasch zu Stande zu bringen, denn nach der Erfahrung hat der Anschluß anderer Bahnen dann weit weniger Schwierig keiten, und es ist vielleicht die Voraussetzung nicht zu ge wagt, daß, wenn die Hauptlinie in Angriff genommen und im Ucbrigen von Seiten der Regierung Entgegen kommen beobachtet wird, dem Staat aus de» übrige» Linien gar keine oder doch nur geringe Lasten erwachse» werden. Die Bausumme von 15 Mill. Thlr. verliert demnach bei näherer Betrachtung viel von ihrer Schrecb barkeit. Mit Rücksicht auf alle diese Verhältnisse, ins besondere auf die durch den gegenwärtigen Stand der Eisenbahnangclegenheit ernstlich bedrohte Wohlfahrt des Landes, wird es für die Ständeversammlung zur unab weisbaren Pflicht, die hohe Staatsregierung dringend anzugehen, rasch Entschließungen zu fassen, und ihr nä here Mittheilungen zu machen, denn nur durch ein ra sches Handeln wird den Vorschritten anderer Regierun gen, zum Nachtheil Hessens, vorgebeugt werden könne». Es scheint dazu sehr spät zu sein, und darf daher nicht länger gewartet werden, zumal noch in Betracht kommt, daß die Beschaffung der Geldmittel immer schwieriger wird, je mehr Geld die Eisenbahnen in ganz Deutsch land absorbiren. Durch die vorliegende Eröffnung wird die fragliche, für die Interessen des Landes hochwichtige Angelegen heit ihrer Entscheidung nicht näher gebracht. Denn in soweit dieselbe als Erwiderung auf das ständische Schrei ben vom II. Nov. v. I. betrachtet werden kann—und darauf bezieht sich der Hauptinhalt derselben — findet sich auch keine einzige der Fragen, worüber Auskunft er beten wurde und worauf die Entscheidung der Sache wesentlich beruht, auf irgend eine befriedigende Weise be antwortet und die mit wenigen Worten beigefügtc Be gründung der Proposition ist nach obiger Ausführung so wenig ausreichend, daß der Ausschuß nur den Antrag zu stellen vermag: der hohen Staatsregierung zu eröff nen, daß die Ständeversammlung auf die Proposition: im Allgemeinen ihre Zustimmung zu crtheilcn, daß die Regierung zum Zwecke der Erbauung von Eisenbahnen, Lasten und Verbindlichkeiten auf die Staatskasse über nehmen könne, umsowohl Zinsen und andere Garantie!» zu versprechen und zu leisten, als auch nach Bedürfmß Anleihen aufzunehmen oder sich bei Actienunternehmun- gen zu betheiligen, wegen ihrer Allgemeinheit nicht ein zugehen vermöge, sich vielmehr nur veranlaßt sehen könne, die hohe Staatsregicrung dringend zu ersuchen, die nö- thige Einleitung zu treffen, damit den Ständen die durch Schreiben vom 14. Rov. 1843 erbetene Auskunft über Richtung, Zeit des Beginnens und der muthmaßlichen Vollendung der Bahn, als Privat- oder Staatsbau, über die Größe der Kosten und Beschaffung der Mittel, zur Verzinsung und Tilgung einer etwanigen Anleihe, über