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Sachsens Wohnungsbauprogramm. DI« WohmuiMwiklschaft »»r dem Lan»Iag. 8. Nov. Auf der Tagesordnung imLandtag tehrn zunächst Fragen der Wohnungswtrtschaft. Ein so». Antrag, der vom Abg. Edel begründet wird, fordert Rückgängigmachung der von der Reichsregie, rung verordneten Mieterhöhung und Durchkreuzung der Absicht, in Kürze eine weitere Steigerung der Friedensmieten festzusetzen. Abg. Dr. Kastner (Dem), begründet die Anträge seiner Partei auf Schaffung obligatorischer Schiedsge richte. Auf eine kommunistische Anfrage wegen derDurchfüh. rung des Wohnungsbauprogrammes anwortet Oberregierungsrat Hoppe: Der Ertrag der Aufwertungs- steuer war für 1927 auf rund 107 Millionen angesetzt worden. Bei Annahme einer durchschnittlichen Beihilfe von 6000 RM. können daraus gegen 18 000 Wohnungen neu er- stellt werden. Ueber den tatsächlichen Ertrag der Woh. nungsbaumittel liegt der Abschluß des ersten Halbjahres vor. Danach läßt sich mit einiger Sicherheit annehmen, daß der veranschlagte Betrag annähernd eingehen wird. Sichere Zah- len zu gewinnen, ist jetzt inmitten des Baujahres nicht mög- lich. DieDauwirtschaftist jetzt dauernd bis zur Grenz« ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt gewesen. Um die Heranziehung weiterer Mittel für den Wohnungsbau zu ermöglichen, hat das Ministerium durch Verordnung vom 28. April 1027 die Gemeinde- und Bezirks- Verwaltungen ermächtigt, Anleihen für den Woh- nungsbau bis zu dem Betrage aufzunehmen, besten Ver zinsung aus den Rückflüssen aus früher gewährten Baudar lehm gedeckt werden kann. Die Summe, die hiernach über den Ertrag der Wohnungsbaumittel hinaus für den Woh nungsbau verwendet werden können, belaufen sich auf gegen GO 000 000 RM., so daß selbst bei Annahme einer durchschnitt lichen Beihilfe von 6000 M. mehr als 25 000 Wohnungen er stellt werden könnten. Das Ministerium hatte bis zum 1. Ok tober Berichte angefordert, in welchem Umfange von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht worden ist. Auch aus diesen Berichten ergibt sich, daß von der Ermächtigung nur in ge ringem Umfange Gebrauch gemacht worden ist. Zahlreiche Städte und Bezirksverbände berichten, daß sie zwar die Ab sicht haben, Anleihen aufzunehmen, daß es ihnen aber wegen Ler ungünstigen Lage des Geldmarktes nicht gelungen sei, die Mittel zu beschaffen. Eine Anzahl Bezirksverwaltungen be richten ferner, daß sie den Versuch gemacht haben, durch Zu sage von Zinszuschüssen oder Mietzuschüssen die Mittel des freien Geldmarktes für den Wohnungsbau heranzuziehen. Die Aussprache eröffnet Dr. Dünger (DP.). Er hält es für ausgeschlossen, daß die Reichsregierung sich ent- schließen könnte eine Erhöhung der gesetzlichen Miete vorzu- nehmen. Auch in Sachsen werde das tm nächsten Jahre nicht geschehen. Abg. Dr. Eckardt (Dntl.) erklärte, er sei nicht der An- sicht, daß die den Hausbesitzern gewährte Freiheit In unan- gemessener Weise ausgeübt worden wäre. Im einzelnen Falle werde das Gericht zu entscheiden haben, ob ein angemessener Mietpreis vorliege. An und für sich müsse es dem Haus besitzer unbenommen sein, seine Räume dem Mehrzahlenden Mieter zu überlassen. Das Privatkapital müsse durch Gewäh rung verlorener Zuschüsse am Wohnungsbau interessiert wer den. Es sei eine irrige Ansicht, daß damit der Arbeiterschaft ein Dienst erwiesen werde, wenn man die Mieten so niedrig wie möglich halte, denn es würden dann vom Prioatkapital keine Wohnungen gebaut werden. Zu dem sozialdemokratischen Antrag erklärte einRegie - rungsoertreter, der Antrag sei durch die inzwischen eingetrctene tatsächliche Erhöhung des Mietzinses überholt. Um Härten zu vermeiden, die durch Mietzinser- höhungen entstehen, habe die Negierung mehrfach die Dezirks- fürsorgeverbände angewiesen. Hilfsbedürftigen durch Gewäh rung von Mitteln aus der Aufwertungssteuer die Mietzins- erhöhung tragbar zu machen. Bisher seien keine Verhand- lungen mit der Ncichsregierung über weitere Erhöhung der Mieten gepflogen worden. Soweit bekannt sei, beabsichtigt die Ncichsregierung vielmehr nicht, für das Jahr 1928 den Mietzins zu erhöhen. Die Anträge werden schließlich an den Rechtsausschuß überwiesen. * Auf der Tagesordnung steht noch ein Antrag und eine Anfrage der Kommunisten über die Bekämpfung der Ge schlechtskrankheiten und das Auftreten der spi nalen Kinderlähmung. Der erste Antrag wurde dem Haushaltausschuß überwie sen, auf die Anfrage erklärte Obcrmedizinalrat Dr. Endler vom Landesoesundheitsamt, daß die Behörden die Krankheit nach bestem Wissen und Gewissen bekämpft hätten. Die Re gierung habe keine Veranlassung, Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Nächste Sitzung Donnerstag, den 17. November. Gin schöner Enswnrf. Ein Hut voll Vorbehalte. Genf, 3. Nov. Das Redaktionskomitee der Konferenz für die Aufhebung der Ein- und Ausfuhrver bot c hat den Entwurf einer internationalen Konvention ser- tiggestellt, die Las Ergebnis der Verhandlungen zusammenfaßt. Die Unterzeichner verzichten innerhalb 6 Monaten nach In krafttreten auf jede Beschränkung oder jedes Verbot der Ein- und Ausfuhr. Ausgenommen sind Beschränkungen tm Verkehr mit Waffen sowie solche, die aus hygienischen Gründen zum Schuhe nationalen Erbgutes oder zum Schutze von Regierungsmonopolen erlassen sind oder Len Verkehr mit Gold, Silber und Werttitteln regeln. Wo außerordent lich« Verhältnisse zur Wahrung der LÄensinteressen des Landes Ein- und Ausfuhrbeschränkungen notwendig ma chen, sinL sie zuzulassen. Artikel 6 bildet «in Kompromiß, da einzeln« Staaten die Ansicht vertreten haben, daß unter den jetzigen Verhältnissen die gestatteten Ausnahmen nicht aus reichend seien. Infolgedessen sind einzelne Ausnahmen (Farbstoffe, Kohlen, Eisenwaren) zugelassen worden, die zeitlich begrenzte Gültigkeit haben. Sie sollen teilweise für drei Jahre, in anderen weniger wesentlichen Fällen für fünf Jahre zuge lassen sein. Nach Ablauf dieser Frist kann jede Partei die Konvention kündigen. Zu Lem Artikel 6 des Konventionsentwurfes werden aller hand Vorbehalte gemacht: Deutschland erklärt: Falls die britische Delegation die gegenwärtig in Kraft befindlichen Be schränkungen für Li« Einfuhr von Farbstoffen aufrecht erhalten sollte, macht die deutsche Delegation den Vorbehalt, daß die ge- genwärtigen Ein- und Ausfuhrverbote für Steinkohle, Torf, Braunkohle, Koks und Briketts beibehalten werden. Falls an- der« Länder Vorbehalte für die Ausfuhr von Abfällen von Eisen oder anderen Metallen machen wollen, wäre die deutsche Dele gation gezwungen, die zurzeit in Kraft befindlichen Verbote für Alteisen und Eisenblechabfälle aufrecht zu erhalten. Ebenso haben Lie Delegationen der anderen Länder zahl reiche Vorbehalte ausgesprochen. Etwas über unsere Flotte. Wilhelmshaven, 3. Nov. Mit dem kürzlich an die Marine werft erteilten Bauauftrag für den Kreuzer „bl" ist vorläufig der letzte Schritt zur Durchführung des Modern i- sierungsprogramms der Flotte im Rahmen der bischer bewilligten Mittel getan. Der Kreuzer „2" wird .zu Beginn des kommenden Jahres auf Stapel gelegt werden, während der Rumpf des Kreuzers „v^, der noch im Laufe die ses Winters vom Stapel laufen wird, seiner Vollendung ent- gegengeht. Diese beiden letzten Neubauten sind ebenso wie der im Sommer in Kiel vom Stapel gelaufene Kreuzer „Karls- ruhe" vom Typ der „Königsberg", werden also mit 15-Zcnti- meter-Tllrmen ausgerüstet. Der Kreuzer „Königsberg" wird voraussichtlich im Dezember 1928 dienstbereit sein. Mit sriner Indienststellung wird dann einer der ganz alten kleinen Kreuzer der Reichsmarine, die 28 Jahre alte „Nymphe", außer Dienst gestellt werden. Leider ist die denll^'e Marine gezwungen, Kriegsschiffe eines so hohen Alters, wie es bei keiner anderen Flotte -ugelossen wird, im Dienst zu be- halten. Das jüngste unserer Linienschiffe ist mehr als 21 Jahre alt. Bei den Torpey» booten sind von den Neubauten der sogenannten Tierkla-'e vier im Dienst, während vier wei tere im Laufe dus kommenden Jahres in Dienst gestellt werden sollen. Reval, 3. Nov. Der «stländische Außenminister Akel bat seine Demission ein gereicht. Frankreichs Bündnis mit den Serben. Paris, 3. Nov. Fu der Nachricht, daß die Regierung am 15. November einen Bündnisvertrag mit Süd slaw i e n abschließen und damit dieses Land zum Pfeiler der französischen Dalkanpolitik machen werde, wird erklärt, die Regierungen von Paris und Belgrad verhan delten seit mehreren Monaten über den Abschluß eines Schiedsgerichts- und Freundschaftsvertrages, doch sei der Zeit punkt für die Unterzeichnung noch nicht festgesetzt. Diese Ver handlungen könnten übrigens weder Italien noch England beunruhigen, -a beide Länder durch Frank reich über den Gegenstand der Verhandlungen auf dem Laufen den erhalten worden seien. * Pertinax drahtet dem Daily Telegraph aus Paris, Laß der französisch-jugoslawische Vertrag, der mehr oder weni ger den französisch-rumänischen Vertrag zum Vorbild habe und eine Art diplomatischen Zusammenwirkens zwischen beiden Ländern schaffe, wahrscheinlich Ende desIahresunter- zeichnet werden dürfte. Sein formeller Abschluß sei seit fast 20 Monaten aus Rücksicht oLf dieOefühleItaliens verschoben worden, Las damals bi« Negierung von Belgrad ge drängt habe, einen Vertrag umfassenden Charakters zu unter zeichnen und in dieser Hinsicht eine Art Priorität beansprucht habe. Der Parteistreit in Frankreich. Paris, 3. Nov. Franklin Bouillon hat seinen Austritt aus der Radikalen Partei erklärt. Gleich zeitig legte er sein Amt als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten nieder, weil die Radikale Partei bedingungslos ein Bündnis mit den Sozialisten, also der französischen Sektion der Zweiten Internationale, eingegangen sei, ohne von den Sozialisten die Garantie einer eventuellen Beteiligung an der Regierung erhalten zu haben. Nun habe sich aber die Zweite International« klar verpflichtet, für die unverzügliche Räumung des Rheinlandes und für den Anschluß Oesterreichs an Deutschland ein zutreten. (?) Dies sei die größte Gefahr, die das französische Volk bedrohen könnte, denn es bedeute den sicheren Krieg vor Ablauf von zehn Jahren. Franklin Bouillon hat eine neue Partei, die Radikal-Unionistische Partei, gegründet. Sie macht sich zur Ausgabe, die Negierung Poincarezuunterstützen und lehnt jedes Zusammengehen mit den Sozialisten ab. Der Kern der neuen Partei sind Radikal.Sozialisten, die gemein sam mit Frunklin Bouillon ausgetreten sind. Parts, 8. Nov. In der Kammer wandte sich der Justiz- Minister Barthau gegen einen Antrag auf sofortige Frei- lassung der Gefängnisstrafen verbüßenden kommuni - stischen Abgeordneten. Trotzdem wurde -er Antrag mit 264 gegen 221 Stimmen angenommen. Minister Darthou gegen einen Antrag auf sofortige Frei- Wi« Echo aus Rochefort erfährt, hat dort die Polizei bei einigen kommunistischen Führern Haussuchungen abgchal- ten, wobei belastende Dok unente antimilitaristi schen Charakters gefunden wurden. Die Flugschriften wurde« heimlich tu die Kasernen der Kolmüal-Jnftmterie und auf Lie Kriegsschiffe eingeschmuggelt. „Parlamentarismus" i« Polen. Da» bekannte Pilsudski-Mauöver. Warschau, 3. Nov. Der Landtag,-er heute zu seiner verfassungsmäßig vorgesehenen Dudgettagung zusammen getreten ist, wurde einige Minuten nach Eröffnung der Sitzung durch ein Dekret des Staatspräsidenten bis zum 28. dieses Monats, also dem Tage des Ablaufens der Le- gislaturperiode, vertagt. Wie in parlamentarischen Kreisen erklärt wird, fürchtet die Regierung offenbar, daß der Haus- Haltausschuß das von der Regierung eingebrachte stark abge kürzte und oberflächliche Budget als nicht geeignet ansehen werd«. Die Vertagung ist von den Abgeordneten aller Par teien mit Entrüstung ausgenommen worden. Als Dr. Bartel das Dekret verlesen hatte, sprangen die Abgeordneten von. ihren Sitzen, und man hörte Rufe wie „Feiglinge! Ihr fürchtet Euch vor der Kontrolle über Eure Finanzwirtschastl" Mazedonier und Südslaweu. Wien, 3. Nov. Die Polizei hat in den letzten Tagen fest- gestellt, daß offenbar von mazedonischen Organi sationen ein Anschlag auf die jugoslawische Ge- sandtschaft bezw. auf den Geschäftsträger Gjorgjevitsch geplant war. Der Geschäftsträger war in letzter Zeit wieder- holt von anrüchigen Persönlichkeiten in der Gesandtschaft be sucht und auf offener Straße von unbekannten Personen photographiert worden. Anscheinend wollte man den Diplo- motrn auf offener Straße überfallen. Die Polizei hat das GrsanLlschüfrsaebäude unter besondere Bewachung gestellt und auch im Innern sind Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Belgrad, 3. Nov. Nach Meldungen aus Uesküb wur- den dort Studenten verhaftet, die Mitglieder eine« jungmazedonischen revolutionären Organisation sein sollen, deren Tätigkeit sich auf mazedonisches Gebiet er streckt. Einige Mitglieder sollen Dokumente über den Stand der südslawischen Armee nach Bulgarien gesandt haben. Die Organisation soll in Verbindung mit einer in Wien wohnhaften bulgarischen Persönlichkeit stehen. Baldwin über Völkerbund und Abrüstung. Loudon, 3. Nov. Premierminister Baldwin führte in einer Rede in Edinburgh aus: Die letzte Völkerbunds»«»- sammlung habe dazu beigstragen, den Weg zu zeigen, wie ein größeres Gefühl der Sicherheit in Europa hervorgeru fen werden könne. Der Völkerbund müsse sich in den Grenzen des Möglichen halten. Locarno habe viel Lazu getan, die Be sorgnisse und den Argwohn abzuschwächen, aber es sei noch viel zu tun übrig. Der Abrüstung müsse zunächst eine Beschränkung der Rüstungen vorangehen. Diese Frage sei von der Vorbereitenden Abrüstungskommission gründ lich geprüft worden. Wichtige Punkte seien bereits erörtert und gegensätzliche Ansichten offen daraelegt worden. Es lieg« kein Grund vor, an einem schließlich. Abkommen zu zweifeln. (!) Wenn die erste 'Abrüstungskonferenz zu einer Beschränkung der Rüstungen führen würde, so wäre das ein großer Schritt vorwärts. Mainz, 3. Nov. Die Räumung der Stadt Diez beginnt heute. Ein Bataillon des 150. Infanterie-Regiments mit dem Stab bezieht in Landau Quartier, ein anderes in Neustadt. Des weiteren verlassen in der Zeit vom 4. bis 7. November drei Artillerie-Bataillone Düren mit Bestim mung Trier. * Idstein, 3. Nov. Die Stadt wurde heute vondenEng- l ändern geräumt. Infolge des Abmarsches wurden 60 Wohnungen, das Landesbauamt, 3 Volksschulklassen und eine Turnhalle frei. Straßburg. 3. Nov. Baron Klaus Zorn v on Bulach hat in seiner Zeitung Die Wahrheit die Einstcl l u n g des Erscheinens dieses Vlaties angekündigt, weil t scharfe Ueberwachung durch die Polizei ein weiteres Erscheinen unmöglich mache. Bukarest, 3. Nov. Oberst Theodoreseu, der zu glei cher Zeit wie Manoilescu verhaftet wurde, wird u. <r beschul digt, vor drei Jahren, als der ehemalige Kronprinz Carol das Flugwesen unter sich hatte, in der Angelegenheit der Liefe rung von Fokkerflugzeugen di« Hand im Spiele gehabt zu haben. Angora, 3. Nov. Zwilchen Polen und Afghani stan wurde heute hier ein Freundschaftsvcrtrag unterzeichnet. Angora, 3. Nov. Nach Lem Ergebnis der allge- meinen Volkszählung vom 28. Oktober beträgt dis Einwohnerzahl der Türkei, ausgenommen Stambul, etwas über 12 Millionen-, die Bevölkerung Stambuls wird auf 800 000 bis 1 Million geschätzt. Die Bevölkerung Angoras beträgt 74 784.