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WMM für UM Beilage zu Nr. 141. Donnerstag, den S. Dezember 1918. Kcko'k von Wenzel. (Zu seinem hundertsten Geburtstag am 8. Dezember.) Adolf von Menzel, der große Maler, hat sich mehrmals stolz geäußert, daß er, wie Bismarck, in dem großen Ernte jahr 1815 geboren sei. Es müsse dies doch ein guter Jahr gang gewe'en sein, der zwei solche Kerle, wie er humoristisch beifügte, hervorgebracht habe. In der Tat verdankt Deutsch land diesem Jahre zwei seiner bedeutendsten Männer des 19. Jahrhunderts, zwei gewaltige Könner, die weit über ihre Zeit hinaus fortleben werden und die der ganzen Well eine unbedingte Achtung vor ihrer Persönlichkeit, ihrer Arbeit und ihrem Deutschtum abgernngen haben. Die beiden Altersgenossen selbst waren sich ehrlich zugetan; einer bewunderte den anderen und freute sich aufrichtig an seinen Erfolgen. Bismarck, der Riese, schmiedete Deutsch lands Einheit, das deutsche Reich; Menzel, die „kleine Ex- zekenz,"schuf die deutsche Kunst des IS. Jahrhunderts. Er war unter all' seinen künstlerischen Zeitgenossen der deutscheste, der liefteste und der echteste. Er hat seinen Stil, der mit unbedingter Nainrnotweudigkeit ans ihm herauswuchs und der unniittelbar Ausdruck seiner starken Persönlichkeit war, me von irgendwelchen künstlerischen Moderichtungen beirren lassen. Schon in seinen ersten Zeichnungen und Lithographien drückte sich das persönliche Empfinden, die eigene Anschauungs- und AuSdrncksweise Menzel« in klaren ruhigen und regelmäßigen Weise. Jeden Morgen, bevor er an Heine eigentliche Arbeit herantrat, übte er sich etwa zwei Stunden lang im Zeichnen oder Malen nach der Natur. Dann erst ging er an die Ausarbeitung seiner künstlerischen Entwürfe. In seiner Werkstatt ließ er sich nur selten und nur in absolut notwendigen Fällen stören. Er arbeitete durch, wie man zu sagen pflegt, und wies auch den Mahlzeiten während det Tages nur einen ganz geringen Zeitraum an. Abends dagegen gönnte er sich, wenigstens in den späteren Lebensjahren, in einer bekannten Berliner Weinstube einige Stunden Ruhe. Tageszeitungen las er nicht, dagegen studierte er mit lebhaftem Interesse die illustrierten und humoristischen Blätter. Menzel hat auch sehr viel bei Nacht gearbeitet, und er meinte einst, daß er es nur diesen nächtlichen Arbeitsstunden verdanke, daß er ein so stattliches Lebenswerk habe schaffen können. 'Vor 3 Uhr ging er nie zu Bett. Man hat Menzel hier und da vorgeworfen, daß er keinen Sinn für Schönheit gehabt habe. Diese Kritiker meinten wohl, daß Menzel der Frauenschönheit gegenüber sehr kühl gewesen sei. Sein Freund Paul Meyerheim gesteht, daß Menzel in der Tat darüber ziemlich eigentüm lich gedacht habe, obgleich er nicht blind dafür war. Als er einmal auf den besonders schönen Kopf eines jungen Mädchens aufmerksam gemacht wurde, verhielt er sich in seinem Urteil ablehnend und meinte, sie habe doch vom Zum 100. Geburtstage Adolf von Menzels am 8. Dezember 1915. Ansähen ans. Von Zahr zu Jahr schälte sich sein Wesen schärfer hervor, ohne die korrigierende Hand eines Lehr meisters, die Beeinflussung von Kritikern und Freunden. Seine Kunst wuchs organisch und stetig wie ein Baum, sy reifte aus einem starken Innenleben heraus zur schönsten Frucht. Man will zwar in den, Schaffen Menzels mehrere Periode i oder Manieren unterscheiden, . und man will namentlich einem Pariser Aufenthalt einen bestimmt»!« Ein fluß auf seine künstlerische Art zugestehen. ES läßt sich gewiß nicht wegleugnen, daß vom Jahre 1867, der Zeit seines Pariser Aufenthaltes an, seine Bilder etwa- farbiger, in der Tongebung pikanter geworden sind; aber es wäre doch eine gründliche Verkennung des Menzelschen Wesens, wenn man eine tiefergreifende stilistische Wandlung heraus klügeln wollte. Menzel erweiterte nur seine künstlerischen Probleme, er löste sie aber stets auf die eigene deutsche Weise. Aus diesem Grunde darf man Menzel stets vor allen ausländischen Kunstrichtungen als leuchtendes Vor bild einer echt nationalen, lebendigen Kunst hinstellen. In ihm mar die vielgepriesene französische JmpressionSkunst lauge vor der Einschleppung aus Frankreich im Prinzip« wirksam, wenn auch nach einer anderen Seite hin und — was mehr sagen will — aus einem echt deutschen Empfinden nnd Denken heraus. Die äußeren Lebensschicksale Menzels bestricken nicht durch Vielgestaltigkeit oder unruhiges Hin und Her. Er ivar nicht, wie so viele andere Künstler, der Ansicht, daß nur durch lebhafte äußere Wechsel die Kunst lebendig er halten bleiben müsse. Schon als Fünfzehnjähriger kam er mit seinem Vater nach Berlin und er blieb dieser Stadt mit Ausnahme weniger Reisen bis an sein LebenSende «reu. Sein Tagewerk verlief jahraus, jahrein in der gleichen Nasenflügel bis zum Ohr eine entsetzliche Einöde, in de* garnichts passiere. Ein anderes Mal 'agte Menzel, er habe wohl deshalb keine Bilder von schönen Frauen gemacht, weil diese, wenn sie seine Werkstatt beträten, immer bean spruchten, vom Künstler wie Wesen aus einer anderen Welt mit ganz anderen Augen angesehen zu werden. Um zu zeigen, wie objektiv der Maler sehen müsse, schloß er die Unterhaltung mit der Frage: „Na, siehst Du Dir denn ein weibliches Krokodil mit anderen Augen an als ein männliches?" Menzel war sein Leben lang ein einge fleischter und etwas hagestolzer Junggeselle. Eingeweihte Freunde behaupteten jedoch, daß er sich einst für eine schöne junge Dame, deren Bild jetzt in der Berliner National- galerie hängt, etwas mehr interessiert hätte. Jedenfalls mußten alle übrigen Lebensfragen hinter seiner Knnst zurückstehen. Ueber seine künstlerischen Prinzipien äußerte er sich einst folgendermaßen: er lasse sich in seiner Kunst von drei Grundsätzen leiten; zunächst würde er nie auf Goldgrund malen, ferner würde er nie um einen Auftrag konkurieren, und schließlich würde er auch für goldene Berge niemals einen Fries malen, da er Friese für eine abgeschmackte Er findung der Architekten halte. Der Hauptreiz eines Kunst werks bestehe darin, daß der Künstler ein Stück aus ber Natur möglichst knapp Herausschnitte. Danach hat er auch stet» gehandelt. Große leere Stellen auf Bildern konnte er nicht ausstehen. Vor solchen fehlerhaften Gemälden blieb er dann hie und da kopfschüttelnd stehen und meinte: „Was hätte man da noch alles hinmalen können!" Auch für öde Landschaftsmotive hatte er nicht viel übrig, und er faßte sein Urteil darin zusammen: „Die Natur hat wohl oft so schwache Momente, aber dann malt man sie nicht" Mieäer Nmäenburg. Der Generalfeldmarjchall über Krieg und Frieden. Wien, 6. Dezember. Der Berliner Vertreter der „Neuen Freien Presse", Dr. Paul Goldmann teilt seinem Blatte mancherlei In» teressames von seinem zweiten Besuche mit, den er Mitte November im Hauptquartier Hindenburgs gemacht hat. Das Hauptquartier befindet sich jenseits der russischen Grenze an einem Ort, der einen der wichtigsten Punkte in der Verteidigungslinie bildete, die Rußland gegen Deutsch land angelegt hatte. Als Arbeitsstätte dient eins der russischen Amtsgebäude. Das Quartier hat Hindenburg in dem Hause eines reichen Privatmannes, eineS Millionärs. Der Generalfeldmarschall sieht vorzüglich aus: die Ge» sichtsfarbe braun, die Reckengestalt ungebeugt; „der Krieg bekommt mir wie eine Badereise", meint Hindenburg. Tischgespräche ernste» Inhalts. Beim Abendessen, an dem mebr als zwanzig Offiziere teilnahmen, kommt die Rede auf die Popularität des Marschalls. Hindenburg wehrt jedoch ab: „Man ist sehr gütig zu mir. Ich bin den Leuten sehr dankbar; aber ich habe doch nur meine Pflicht getan." Und als das Ge spräch auf den künftigen Einzug in Berlin kam, bemerkte der Heerführer launig: „Mir ist heute schon bange davor. Wenn es nach mir ginge, würde ich gar nicht in Berlin einziehen, sondern Zivil anlegen und in Kottbus aus steigen. Ich liebe es nicht, mich feiern zu lassen. Cincinnatus, der zu seinem Pfluge heimkehrt, ist eine hübsche Figur." Die Haltung unsrer Gegner. Dann wurde Hindenburg ernster und zählte die Hoff nungen und Wünsche unserer Gegner auf, indem er fortfuhr: „Aber so rasch geht das doch nicht mit dem Einzug in Berlin. Vorläufig wollen die Gegner keinen Frieden machen, sie sind noch nicht mürbe genug. Wir müssen ihnen also weiter zusetzen, da sie keinen unserer Erfolge gelten lassen wollen. Am ärgsten treiben es die Franzosen. Heute noch wollen sie Elsaß-Lothringen wiederhaben, dabei stehen doch nicht sie in Straßburg, sondern wir stehen in Lille. Das ist schon beinahe keine normale Geistesverfassung mehr. Übrigens wenn sie Elsaß- Lothringen durchaus haben wollen, so sollen sie es sich doch holen kommen. Die Engländer scheinen ebenfalls entschlossen, den Krieg fortzusetzen. Allerdings kommen Nachrichten aus Indien, welche die englische Kriegslast vielleicht ein wenig dämpfen könnten. Aber man mutz doch erst abwarten, ob sie sich bewahrheiten. Immerhin, England hat seine Achillesferse: ich denke dabei nicht nur an Indien. Auch in Rutz land wollen offenbar Zar und Regierung die Fortsetzung des Kampfes. Das Seltsamste ist, daß alle diese Völker nicht merken, wie sie nur für England sich aufopfern." „Es sieht nicht nach Frieden aus", so schloß Hindenburg diesen Teil der Unterhaltung, und fügte noch ergänzend hinzu: „Und so kann denn auch Deutschland sein Schwert nicht in die Scheide stecken. Gewiß, es gibt wohl keinen Deutschen, der es nicht mit Freuden begrüßen würde, wenn dem schrecklichen Blutvergießen ein Ende gemacht werden könnte, aber wir tragen nicht die Schuld daran, daß noch weiter Blut vergossen wird. Wie man uns zum Kriege gezwungen hat, so zwingt man uns zu seiner Fortsetzung. Wir müssen weiterkämpfen und werden auch weiterkämpsen, bis wir die Gegner von der Niederlage überzeugt haben, die sie uns heute noch nicht glauben wollen." Und als jemand an der Tafel bemerkte, daß demnach i die Parole nach wie vor lautet „Durchhalten", erwiderte der Marschall: „Nein, die Parole heißt nicht allein „durch- halten", sondern „siegen"." Die militärische Lage ist nach den Worten Hindenburgs ausg ezeichnet. „Nament lich im Osten hat das deutsche Heer die denkbar günstigste strategische Linie erreicht." Den militärischen Wert des russischen Materials bezeichnet er als erheblich geringer wie den der russischen Soldaten des ersten Kriegsjahres: „Die Bouillon wird immer dünner. Mit den jetzt eingezogenen Reserven können die Russen nur die bereits vorhandenen Kadres auffüllen, aber keine neuen Heere mehr schaffen. Auch der Offiziersmangel hindert sie daran. Es ist eine faule Ausrede, wenn die Ruffen ihre Nieder lagen init Munitionsmangel entschuldigen wollen. ... In Kowno haben wir ganze Berge davon gefunden, und ge rade dort hatte sich gezeigt, daß nur die Demoralisierung der Armee schuld an dem Aufgeben einer solchen Stellung war. Es hat nicht den Anschein, daß sich der moralische Zustand des russischen Heeres seitdem sehr gehoben hat." Eine neue russische Offensive bezeichnet Hindenburg nicht als wahrscheinlich: „Aber kommen kann sie schon. Im Kriege gewöhnt man sich am besten das Prophezeien ganz ab." Was den Italienern zu wünschen ist. Mit warmen Worten gedenkt Hindenburg auch der österreichisch-ungarischen Armee, die jetzt wieder in der Verteidigung der Südwestfront Großartiges leiste und sicherlich auch ferner gegen die Italiener siegreich bleibe« werde: „über eine vernichtendeNiederlage derJtaliener würde ich mich ganz besonders freuen. Dieser Krie« soll nicht seinen Abschluß finden, ohne daß die drei Haupt» schuldigen: England, Serbien und Italien, ihr« gerecht« Strafe erleiden." Einer aus der Tafelmnde wirst die Frage aus, oi nicht die Ausdehnung des Krieges über ganz Europa die kriegführenden Mächte zu einer Zersplitterung der Truppen nötige, die unter Umständen für eine von ihn« eine Gefahr bedeuten könnte. „Die Ausdehnung des Krieges über ganz Europa", meint Hindenburg, „war eine Gefahr kür Napoleon und ein Grund seines Sturzes. Heute, im Zeitalter der Eisen bahnen, bedeuten die Entfernungen keine Gefahr mehr für die Kriegführung." Nach dem Mahl wird das Gesvräch in einem an» stoßenden Zimmer fortgesetzt. Das Gespräch wendet sich wieder dem Frieden zu, und der Besucher ist überrascht zu hören, wie hier auch auf diesem Gebiete alles bis inS einzelne erwogen, bis in seine fernsten Folgen beacht wüch. Aus Stack uncl Lanä. — Kartoffeln statt Hafer für die Pferde. Ein er- fahrener Fachmann, Herr Oberstallmeister Hegewald, Dres den, äußerst sich darüber wie folgt: Da man wahrgenom men hat, daß leider die diesjährige Haferernte nicht besonders gut ausgefallen ist und wir uns genötigt sehen, für unsere Kriegspferde die unbedingt erforderlichen Mengen Hafer zu sichern, würde es sich empfehlti«, unsere Pferde, besonders die in landwirtschaftlichem Besitz befindlichen, mit Kartoffeln zu füttern. Obwohl dies« Art der Fütterung bis jetzt nur einzeln bekannt sein dürfte, wären Versuch« und Verbreitung sehr beachtenswert und erwünscht. Ich selbst als lang jähriger Leiter großer Marställe habe die mir anvertrauten Pferd«, Marstallbestand 60—70 Stück, darunter Vollblut pferde, mehrere Jahre mit leils gedämpften und getrockneten Kartoffeln gefüttert und ich kann sagen mit den Kisten Er- fslgen und ohne Zugabe von Körnerfutter. Obgleich von diesen Pferden gerade die höchsten Anforderungen von Kraft und Intelligenz verlangt wurden, konnte ich doch das gün stigste Ergebnis betreffs der Leistungsfähigkeit, Ausdauer, Energie, gutes Aussehen und Gesundheit notieren. Eben so habe ich bemerkt, daß die Freßlust und Verdauung viel besser war als bei Haftrfütteruug. — Hierzu könnm wir bemerken, daß diese Art der Fütterung bereits von vielen Pferdebesitztrn ausgenommen worden ist, denn in letzter Zeit war an der Berliner Produktenbörse eine lebhaft« Nach frage für Futterkartoffeln zwecks Verwendung als Pferde»