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WenM für Wvmfs Beilage zu Nr. 125. Sonnabend, den 30. Oktober 1915. Betrachtung zum Beformationsfest. Colos. 2, 7: Seid fest im Glauben. Eine Mahnung des Reformationsfestes. Denn die Re formation hat ja den rechten Glauben wieder ans Licht gebracht und der Ehristenhsit das ewige Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben aus der Gnade Gottes in Ehristo Jesu wieder geoffenbaret. Durch dis Re formation ist der Glaube wieder als ein Grund, Mittel und Ziel des Lebens erkannt und hingestellt, so daß die Ehristenhsit weiß, was sie zu ihrer Seligkeit zu tun und zu lassen hat. Seit den Tagen der Reformation gilt es nun für den einzelnen Ehristen, den der Welt wieder ge- offenbarten rechten Glauben sich anzucignen und darin fo sehr wie nur möglich sich festigen zu lassen, bez. an der Festigung im Glauben zu arbeiten. Darauf zielt der in diesen Tagen beginnende Aonfirmandenunterricht, aber auch jede predigt und Verkündigung des göttlichen Wortes; denn der Glaube hat ja für unser ganzes Leben einen Wert, wie ihn so manche nicht erkennen. Wir Menschen sind zum Glauben geschaffen; es ist auch kein Mensch ohne Glauben; was der Mensch glaubt, das lebt er. Das Glauben ist das innerste Leben, das sich denn nach außen in Worten und Tun offenbart. Auch der sogenannte Un glaube ist ein Glaube, aber ein verkehrter oder falscher Glaube oder ein Nichtglauben dessen, was nacd Gottes Wort zu recht besteht. Ferner steht dies fest, daß, wo der Unglaube herrscht, der Aberglaube einzieht und mächtig wird. Nun verteidigt der Unglaube sich gern mit den Schriftworten: Der Glaube ist nicht jedermanns Ding, aber der Glaube soll Sache jedes werden, denn Gott will ja, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkennt nis der Wahrheit kommen. Vhne Glauben aber ist's un möglich Gott zu gefallen, ohne Glauben ist keine Selig keit. Die heilige Schrift, das Wort des ewigen Lebens, sagt uns nun, was der rechte Glaube ist, was wir zu glauben haben und was nicht. Der Inhalt und das Maß des Glaubens sind an der Schrift zu messen, danach zu ändern und zu vertiefen. Das hat uns Luther gelehrt, das ist Pflicht des lutherischen Ehristen, das immer wieder zu tun und so an seiner eigenen Reformation d. i. Besse rung zu arbeiten, verlangt der Reformationstag. Es ist nun die Frage: Stehst du, lieber Leser, schon fest im Glauben? Felsenfest, daß kein Unglück, kein Leid, kein Sturm im Glauben dich irre macht? Gder gleichst du dem schwankendeu Rohre, das schon dem leisen Winde der Tagesmeinung und des Zeitgeistes nachgibt? Man kann im Glauben nicht genug gefestigt werden, denn eine Welt voll des Un- und Aberglaubens steht wider den Glauben. Und doch ist nur dem Glauben der Sieg beschieden, der die Welt überwunden hat und überwindet. In jedem Herzen muß darum die Bitte erklingen: Herr, ich glaube, wehre allem Unglauben bei mir. Wer da ringet im Glauben uni Glauben, wer darin beharrt, der soll selig werden. Und nach der vorbildlichen Fürbitte des Heilandes für Petrus: Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre, trete jeder so sür den anderen mit ein. Wohl dir, wenn du an deiner und der deinigen Glaubensbefestigung stetig arbeitest, dann wirst du einst das beseligende Wort, das der Herr zur Sünderin sprach, hören dürfen: dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden. Aus Stadt und Land. Mitteilungen aus dem Leserkreise für diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. — Leutnant und Adjutant Alfred Stange, Mathe matiklehrer am Real-Gymnasium Meisten, erhielt das Ritterkreuz des Militär-St. Heinrichsorden. -— Die stellv. Generalkommandos des XII. und XIX. Armeekorps haben einen Nachtrag zu den Bekannt machungen, betreffend Beschlagnahme, Meldepflicht und Ablieferung von fertigen, gebrauchten und ungebrauchten Gegenständen aus Kupfer, Messing und Reinnickel vom 30. Juli 1915 und vom 24. September 1915 erlassen. — LI. I. Vom 15. Oktober ab wird der Privatpaket- und Frachtstückgutverkehr an alle Truppen des öst lichen und westlichen Kriegsschauplatzes freigegeben; er bleibt vorläufig nur noch nach den auf dem Balkan kämpfenden Truppenteilen ausge'chlossen. Im Verkehr nach dem Nordosten muß noch mit verlangsamter Beförderung gerechnet werden, weshalb es sich empfiehlt, insoweit den Versand einstweilen ans die notwendigsteil Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke zu beschränken. — LI. I. Warnung vor Nußbaumeinkäufern! Dem Vernehmen nach durchziehen seit kurzer Zeit Händler unser Sachsen nnd die Nachbarländer, um unter unwahren An gaben die Nußbäume, die eine besondere und kostbare Zierde unserer engeren Heimat bilden, aufzukaufen, und zwar zu Preisen, die zu dem tatsächlichen Wert der Bäume in gar keinem Verhältnis stehen. Sie behaupten, daß das Vater land das Holz zu Gewehrschäften brauche, und daß der Staar, falls man die Nußbäume nicht freiwillig hergebe, diese zwangsweise enteignen werde. Es wird vermutet, daß diese Behauptungen nur dazu dienen sollen, um das wert volle Nußbaumholz für Möbelgeschäfte billig einzukaufen. Es ist also — immer vorausgesetzt, daß Ne Angaben über das Vorgehen der Händler zutreffen — dringend davor zu warnen, die schönen Nußbäume, die wir als Schmuck unserer Heimat erhalten müssen, auf solche Weise zu verschleudern. Man weise also in Stadt nnd Land den Nußbaumeinkäufern die Tür. Ein schon abgeschlossener Kaufvertrag würde übrigens dann als ungültig anfechtbar sein, wenn der Verkäufer durch unwahre Angaben zur Veräußerung bestimmt worden ist. — Den Kulturzustand eines Bölkes kennzeichnet der Verbrauch an Seife, lautet der Ausspruch eiues berühmten Mannes. Wir modernen Menschen müssen sagen: „Ter Gebrauch einer Seifensorte charakterisiert den Menschen". Eine Seife, die bei ständigem Gebrauch einen äußerst erfrischenden Einfluß auf die Haut ausübt und gleichzeitig infolge ihrer antiseptischen Beimengungen durch Bakterien hervorgenffene Hautkrankheiten — Flechten u. a. — be seitigt, sowie bei Schuppenbildung der Kopfhaut, die be kanntlich Haarausfall und spätere Kahlköpfigkeit im Gefolge haben kann, mit bestem Erfolge angewendet wird, ist die bekannte Rino-Seife. Aeußerst sparsam im Verbrauch ist sie in Apotheken und Drogerien erhältlich. — Keine wucherische Zurückhaltung von Butter. Es wurde behauptet, daß große Lager von Butter zurück gehalten würden, und daß solche auch von der Behörde beschlagnahmt worden seien. Hierzu erfährt der „Dr. Anz." von zuständiger Stelle, daß bereits seit Juli d. I. ein gehende Erörterungen in dieser Richtung stattgefunden haben, daß aber das Vorhandensein von großen Butter lagern nicht hat festgestellt werden können, der vorgefundene Bestand vielmehr nur dem Umsätze von wenigen Tagen entsprechend gewesen ist, und daß daher von einem Zurückhalten nicht die Rede sein konnte. Es hat daher selbstverständlich auch keine behördliche Beschlagnahme von Butter stattfinden können. — Sieben Söhne im Felde. Zu den Familien, die dem Vaterlands durch ihren Kinderreichtum jetzt die größten Dienste zu leisten vermögen, gehört auch die des Arbeiters Zippel in Meißen-Oberspaar. Sieben Söhne hat diese Familie den Varerlandsverteidigern zugesellt. Zwei von ihnen haben den Tod auf dem Felde der Ehre gefunden; einer befindet sich zurzeit verwundet im Reservelazarett in Meißen. Zwei jüngere Söhne leben noch im elterlichen Hause. — Es ist noch viel Gold da. Ein Beweis dafür, wieviel Gold noch in manchen Großstädten zu finden ist, wird aus Kassel beigebracht. Dort findet augenblicklich die Nagelung eines eisernen Wahrzeichens statt. Man hat den Goldhamstern das kostenfreie Einschlagen eines Nagels zu gebilligt, weun sie ein Goldstück zum Umwechseln bringen; wohlgemerkt zum Umwechseln, sie erhalten den vollen Be trag ausgezahlt. Seit 14 Tagen gehen jetzt täglich über 500 bis 1600 Mark in Gold ein, trotz aller vorherigen Auf forderung und vergeblichen Häusersammlungen! — Hauptgewinne der 167. Königlich Sächsischen Landeslotterie. 5. Klasse. (Ohne Gewähr.) Ziehung am 27. Oktober. 20000 Mark auf Nummer 69747. 5000 Mark auf Nummer 25542 72788 90377. 3000 Mark auf Nummer >789 3315 5352 8774 11592 12604 21531 25279 29717 31288 31557 34526 53118 57275 57423 61266 64703 67187 69493 71004 75230 86068 86260 92351 93274 103797 104598. 2000 Mark auf Nummer 6274 8348 16086 17495 18599 24053 27064 29317 44396 47865 48023 52365 53463 54502 55470 56264 56744 71275 80546 84401 87057 88489 89168 89738 90170 94984 95035 100550 100900 105359 105472. 1000 Mark auf Nummer 3355 8340 10825 13292 14066 16849 I7I50 21049 22777 24429 25192 25195 34212 34999 35553 37597 37751 39622 43093 49217 50460 50497 52158 52791 52807 54499 54762 57362 59176 59931 63136 69075 69670 70237 70801 73801 74256 76395 76703 77778 86039 99535 102131 106033 107455 109496 109648. — Dresden. Angehörige des Heeres, die als Mit glieder den städtischen Kammern angehören, sind zur Teil nahme an Sitzungen des zum 9. November einberufenen ordentlichen Landtages zu beurlauben. Alle Mitglieder der beiden Kammern des Landtages sind berechtigt, zur Fahrt nach Dresden und zurück die für Miltärtransporte bestimmten Eisenbahnzüge zu benutzen. — Freiberg. (Landwirtschaftliche Schule.) Durch die anhaltend ungünstige Witterung der letzten Wochen ist die Kartoffel- und Rübenerute sowie die Herbstbestellung der Felder recht unliebsam verzögert worden, auch harren noch sehr viele sonstige Feldarbeiten ihrer Erledigung. In Würdi gung dieses Umstandes und besonders der gegenwärtigen Leuteknappheit, soll deshalb dem Wunsche vieler Väter von Schülern entsprochen und der Winter-Uterrichtskursus statt am 19. Oktober erst Dienstag, den 26. Oktober vorm. 10 Uhr eröffnet werden. In die Oberklasse der Anstalt treten vor aussichtlich 38 Schüler ein, für die Unterklasse sind 32 neu angemeldet, so daß die Gesamtschülerzahl 70 betragen wird. Es ist erfreulich, daß man sich trotz der ernsten kriegerischen Zeit und der damit zusammenhängenden vielerlei Störungen im Landwirtschaftsbetriebe nicht entmutigen läßt, den jugend lichen Landwirten eine gute Fachbildung zuteil werden zu lassen. Mehr wie je tritt ja freilich auch die Landwirtschaft während des Krieges in ihrer hohen Bedeutung für die ge- Der Flüchtling. Roman von A. Seyffert-Klinger. 61 (Nachdruck verboten.) Eva beschloß, die Augen offen zu halten, ihre Ab neigung gegen Claire jedoch zu überwinden, gehörte sie doch zu denen, welche sich einer Heimatlosen erbarmten. Im Fluge wusch und kämmte sie sich, ihr schweres, dunkles Haar lag in schimmernden Zöpfen um ihren fein modellierten Kopf und das krankhaft blaffe Gesicht, wie ein kostbarer Rahmen, in den man aus Versehen ein minder wertiges Bild spannte. Das Hausmädchen kam ihr entgegen und bat sie in freundlichem Ton, erst zu frühstücken und dann zur gnädigen Frau zu gehen, die sie sprechen wolle. Eva fand den Frühstückstisch schon verlassen, trank eine Taffe Kakao, aß ein Weißbrot und eilte dann zur Rätin. Die Dame saß mit einer Häkelarbeit am sonnigen Fenster ihres Wohnzimmers, sie fragte, wie Eva geschlafen habe und fügte hinzu: „So am Morgen wage ich mich meines Rheuma wegen nicht ins Freie hinaus, bis um elf bleibe ich stets im Zimmer Aber nun kommen Sie, wir wollen beratschlagen, was für Sie beschafft werden muß. Das Notwendigste zuerst: Wäsche, Stiefel und ein Kleid." Schien es Eva nur so, oder sprach die gütige Frau nur einen Ton kühler zu ihr, als gestern? „Wie soll ich Ihnen nur danken für all Ihre Menschen freundlichkeit, gnädige Frau?" stammelte sie befangen. „Nicht immerzu mit Worten, Eva, das liebe ich nicht, aber dadurch, daß Sie mich davon überzeugen, daß ich Meine Teilnahme keiner Unwürdigen zuwende." Eva zuckte zusammen, ihr Gesicht wurde noch fahler, ein Schwindel schien sie zu packen. „Gnädige Frau, wenn Sie glauben, ich könnte Ihre Güte mißbrauchen, so lassen Eie mich, bitte, kort; es wird sich in der großen Stadt eine Beschäftigung finden für mich. Aber wenn es Ihnen zweifelhaft erscheint, daß ich aufrichtig und im tieisten Herzen dankbar bin, würde ich darüber nicht zur Ruhe kommen und lieber dorthin gehen, wo man mir von vorn herein hart und hochmütig begegnet." Sie war aufgesprungen, mit einer Hand stützte sie sich schwer auf die Stuhllehne, hinter der anderen verbarg sie ihr zuckendes Gesicht. Die Rätin sah stumm vor sich hin. „Dieses nichts nutzige Mißtrauen", dachte sie, „wird mir noch einen Streich spielen . . . Genau so wie das arme Geschöpf würde ich auch sprechen, befände ich mich in einer ähnlichen Lage. Martin hat recht, das Mädchen ist unschuldig, wer weiß, welch ein Irrtum da waltet." Sie war so von Mitleid erfüllt, daß sie sich Gewalt antun mußte, um ihre Weich heit nicht zu verraten. Wie konnte sie nur so ein hinfälliges, durch Ent behrungen geschwächtes Wesen quälen, anstatt es aufzu richten und zu ermutigen. „So war es nicht gemeint, Eva", lenkte sie ein, „wir wollen uns doch nicht mißverstehen. Daß ich Ihnen Vertrauen entgegenbringe, ersehen Sie ia daraus, daß ich Ihnen mein ganzes Haus öffne. Sie sollen sich hier als Gast fühlen. Die Mädchen sind angewiesen, Ihnen den einer Dame zukommenden Respekt zu erweisen. Sie ge hören zur Familie. Meinen Bekannten werde ich Sie als meine Gesellschafterin vorstellen. Niemand soll erfahren, daß Sie heimatlos sind. Sie bekommen ein monatliches festes Honorar, wovon Sie sich gut kleiden können. Ihre Obliegenheiten bestehen darin, daß Sie mir zeitweise Ge sellschaft leisten, auch "höre ich gern vorlesen." Das war wieder der gütige Herzenston, der Eva durch und durch ging, der Glück und Wärme in ihr armes Herz senkte. Sie glitt wieder auf ihren Platz zurück. „Gnädige Frau, vertrauen Sie mir, auch wenn der Schein einmal gegen mich ist. Wenn man im Unglück ist, hegeht man leicht Ungeschicklichkeiten, hat auch Pech. Das Schicksal ist seit Jahren so unbarmherzig gegen mich, daß ich fürchte, es wird mir auch diese Stätte des Friedens streitig machen; wenn es mich wieder verfolgt, gnädige Frau, dann verlassen Sie mich nicht. Vielleicht wird dann der Bann, der auf meinem Dasein lastet, gebrochen." „Ja, Kind, Sie sollen eine mütterliche Freundin an mir haben, auch wenn alles gegen Sie ist." „Wohl mir, gnädige Frau, wenn Sie Wort halten. Ich dagegen bin gern bereit, auch häusliche Arbeiten zu übernehmen." „Nein, das wünsche ich nicht, Kind. In Ihren Frei stunden können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Erholen Sie sich nur erst, alles andere findet sich." Minna kam. „Gnädige Frau, die bestellten Kostüme sind da." „Ah — das ist gut. Bringen Sie die Sachen in mein Toilettenzimmer. Wir kommen gleich." Geschäftig erhob sich die Rätin und winkte Eva, ihr zu folgen. Minna war schon mit dem Auspacken der Kartons beschäftigt. „Alles für Sie, Eva", sagte leise die Dame, „ich denke, Sie nehmen ein blaues Kostüm, eine weiße Bluse und die beiden leichten Wollkleidchen. Ziehen Sie sich um und kommen Sie dann zu mir." Freundlich nickend entfernte sie sich. Auch Minna verschwand. Eva war sprachlos vor Entzücken. Da lagen Wäsche stücke mit einfacher gediegener Stickerei garniert, eine ganze Ausstattung, Stiefel, Hut und Handschuhe, der praktische Sinn der Rätin batte an alles gedacht. Behende schlüvfte die Arme in all die schönen Dinge hinein, dann zog sie ein weiß und blau gemustertes Kleid an, legte «inen weißen Kragen um und lief zu ihrer Wohl täterin, sie lachte und weinte in einem Atem. „Ich bin ja wie verzaubert, gnädige Frau! Soll dies wirklich alles mir gehören?" „Aber natürlich, törichtes Mädchen. Gar nicht so übel, hätte nicht geglaubt, daß Sie eine so hübsche Figur haben. Nun müssen Sie tüchtig essen, damit Sie gesund werden." ^Fortsetzung folgt.)