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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend : 21.10.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782024719-191510214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782024719-19151021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782024719-19151021
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-10
- Tag 1915-10-21
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Monat
1915-10
-
Jahr
1915
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übrigens behördlich beschlagnahmt war, und verkaufte es weit unter dem Preis. Inwieweit hier noch Hehlerei in Frage kommt, dürften die polizeilichen Ermittlungen ergeben. — Coswig. Ein Eisenbahnunfall ereignete sich in der Nacht zum Sonntag dadurch, daß der Meißner Per sonenzug bei der Ausfahrt aus dem hiesigen Bahnhofe mit einem von Leipzig kommenden Güterzuge infolge des starken Nebels zusammenstieß. Die beiden Lokomotiven sind leicht entgleist, während sonstige Unfälle oder Verletzungen von Personen insolge der Geistesgegenwart des Lokomotiv führers nicht vorgekommen sind. In den Morgenstunden war das durch den Zusammenstoß entstandene Verkehrs hindernis wieder beseitigt. — Kötzschenbroda. (Kindesaussetzung.) In der Nacht zum Mittwoch wurde hier in dem Hausvorbau eines Grund stückes in der Dresdner Straße ein vier Wochen altes Kind weiblichen Geschlechts von unbekannter Hand ausgesetzt. Das kleine, in einem Steckkissen ruhende Wesen, auf das man durch sein Geschrei aufmerksam wurde, war in ein rot weiß gewürfeltes Bettlaken eingehüllt. Auf einem beige legten Zettel standen die Worte: Name: Irmgard, geboren am 10. September. Die Mutter war bisher nicht zu er mitteln. — Meißen. (Willkommener Fang.) Bei dem Rück gänge des Hochwassers der Elbe hatte ein ungewöhnlich großer Karpfen den Anschluß verpaßt und war in einem Wassertümpel unweit der Fabrik Krause und Baumann in Heidenau bei Pirna zurückgeblieben. Der Fisch wurde als willkommene Beute gefangen genommen und in der Gast wirtschaft „Zum Trompeter" verspeist. Die Länge des Karpfens betrug 67 Zentimeter, die Höhe 22, der Durch messer 13 Zentimeter und das Gewicht reichlich 16 Pfund. — Lommatzsch. Außergewöhnliche Kartoffelernte. Dem Fleischermeister Z. ist es gelungen, auf einem Acker Land (5550 Quadratmeter) ein selbst in Landwirtskreisen überraschendes Ergebnis zu haben. Er hat jetzt auf diesem Landgebiete die noch nie erreichte Menge von 403 Zentnern gute Kartoffeln geerntet, während eine normale durchschnitt liche Ernte 200 Zentner sein würde. Er hat an einzelnen Pflanzen 18 bis 22 Kartoffeln gehabt. — Hainichen. Eine unerhörte Tierquälerei hat in dem Orte Kaltofen die Einwohner erbittert. Von zwei ein gespannten Zugochsen eines dortigen Gutsbesitzers legte sich der eine auf die Straße um, wahrscheinlich wegen Ermattung. Um das Tier wieder auf die Beine zu bringen, holte der Ochsenknecht dürres Holz herbei und brannte unter dem Hinterteil des Ochsen ein Feuer an. Das Tier sprang zwar auf, hat aber große Brandwunden erlitten. Diese Tier quälerei hat sich im Beisein des Dienstherrn zugetragen. — Leipzig, 18. Oktober. (Ohne Gewähr.) Bei heu tiger Ziehung der Kgl. Sächs. Landeslotrerie wurden fol gende größere Gewinne gezogen: 5000 Mark auf Nr. 87584, 96904, 106967. 3000 Mark auf Nr. 1635, 2263, 20665, 25700, 63569, 83328, 103291, 3016, 48209, 53869, 97342, 15791, 25293, 36844, 45592, 61616, 6432, 22613, 29835, 34907, 39066, 43747. 2000 Mark auf Nr. 16469, 20164, 28861, 30745, 66790, 78445, 102653, 107115, 14861, 23507, 31102, 37212, 53665, 86136, 86344, 109231, 109955, 4289, 5785, 3347I, 37444, 60853, 100971, 17873, 33380, 34459, 106785. — Ziehung am 19. Oktober. (Ohne Gewähr.) 500000 Mark 18520 (Koll. Jarmulowski u. Co., Leipzig). 15000 Mark 71507. 5000 Mark 4162, 22182. 3000 Mark 141, 1989, 2313, 9449, 10063, 27778, 30722, 33872, 38678, 43921, 44233, 56887, 62912, 64846, 65822, 76815, 83240, 84423, 97487, 100995, 105268, 106061, 107756. 2000 Mark 4470, 15884, 16010, 16860, 18172, 21888, 24660, 25342, 34111, 35538, 37210, 40301, 43548, 45270, 47478, 53994, 54524, 54671, 55072, . 56736, 57207, 58176, 70602, 75092, 79098, 80323, 81184, 87284, 89622, 89624, 89445, 89806, 94413, 94828, 105704, 107015, 108372. 1000 Mark 3839, 6844, 13765, 18813, 19982, 22276, 22276, 22342, 24454, 29626, 30124, 30966, 32525, 34551, 38262, 38467, 44884, 47142, 47599, 47848, 48978, 50000, 50338, 50891, 51438, 54645, 61957, 73263, 74680, 75857, 78332, 79864, 81462, 81871, 86410, 89913, 90935, 99160, 108449, 102687, 103612, 105370, 106753, 107334, 109401. ^riegerangebörige unä k)mterb!iebcne. Was für sie geschieht. Nach reichsgesetzlicher Vorschrift werden die Frauen und Kinder aller Unteroffiziere und Gemeinen der Reserve, Land wehr und des Landsturms, die Mählich der Mobilmachung in den Dienst getreten sind, im Falle der Bedürftigkeit Unterst tzt. Diese Unterstützungen sind im Laufe des Krieges auch au die Familien der Mannschaften des aktiven Dienstes ausgedehnt worden. Auch wurdendieunehelichen Kinderden ehelichenKindern unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt und selbst die berücksichtigt, die erst nach dem Tode der in den Heeresdienst eingetretenen unehelichen Väter geboren werden. Die schuldlos geschiedene Ehefrau, erwerbsunfähige Eltern und Großeltern, diese auch dann, wenn der einzige Ernährer seiner aktiven Dienstpflicht genügt, Stiefeltern, Stiefgeschwister und Stiefkinder können jetzt gleichfalls Unterstützungen erhalten. Jeder Familie eines Kriegsteilnehmers soll nach der Absicht der Regierung das zur Befriedigung der notwendigen Lebens bedürfnisse Erforderliche gewährt werden. In Ministerial erlassen ist deshalb wiederholt darauf hingewiesen worden, daß bei Prüfung der Bedürftigkeitsfrage jede Engherzigkeit zu ver meiden sei. Die in dem Reichsgesetz aufgestellten Unterstützungs sätze stellen sich nur als Mindestbeträge dar, durch die die Lieferungsverbände weiterer Verpflichtungen nicht enthoben werden. Durch die von den Kreisen und Städten darüber hinaus gewährten Zuschußunterstützungen ist die Reichsunter stützung tatsächlich vielfach verdoppelt worden. In Preußen ist für die Entscheidung der Beschwerden in letzter Instanz nicht das Kriegsministerium, sondern allein das Ministerium des Innern zuständig. Die auf Grund des Familienunterstützungsgesetzes in der geschilderten Weise versorgten Frauen der Kriegsteilnehmer er halten, wenn sie während des Krieges niederkommen, überdies auf Grund der Bundesratsoerordnung vom 23. April 1915 als Wochenhilfe noch einen Beitrag zu den Kosten der Entbin dung und ein Wochengeld. Kehrt der Kriegsteilnehmer nicht zu seiner Familie zurück, so waren bisher die reichsgesetzlichen Unterstützungen zunächst so lange weiter zu zahlen, bis den Hinterbliebenen die mili tärischen Versorgungsgebührnisse gewährt wurden. Der Reichs tag hat jedoch eine Änderung des Familienunterstützungsgesetzes dahin beschlossen, daß die Familienunterstützung noch während dreier Monate über den Zeitpunkt hinaus weiter gewährt wird, von dem an die den Hinterbliebenen auf Grund des Militär- Hinterbliebenengesetzes zu zahlenden Bezüge zuständig sind. Die Höhe derMilitär-Hinterbliebenenversorgung hängt von dem militärischen Dienstgrad des Verstorbenen ab. Die Witwe eines Gemeinen erhält jährlich im allgemeinen 400 Mark, die eines Unteroffiziers 500 Mark, die eines Feld webels 600 Mark. Die Waisengelder betragen für das vaterlose Kind '/s, für das elternlose dieser Witwen versorgung. Den Eltern eines Kriegsteilnehmers kann für die Dauer der Bedürftigkeit ein sogenanntes Kriegselterngeld bis zur Höhe von 250 Mark gezahlt werden, wenn der Verstorbene ihren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend bestritten hat. Über diese vom Gesetz geregelte Versorgung hinaus darf jedoch, wenn der im Kriege Gebliebene zwar nicht der Ernährer war, aber zum Lebensunterhalt der Eltern wesentlich beigetragen hat, eine ein malige Unterstützung gewährt werden. Außerdem zahlt die Militärverwaltung unter gewissen Voraussetzungen auch unehe lichen Kindern und schuldlos geschiedenen Ehefrauen Unter stützungen. Stiefkinder, Adoptivkinder und Pflegekinder bleiben gleichfalls nicht unberücksichtigt. Um die Witwen und Waisen in die Lage zu versetzen, sich nach Möglichkeit auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage eine neue selbständige Existenz zu gründen, erfolgen für den Fall eines Bedürfnisses neuerdings auch noch besondere Zuwendungen an Hinterbliebene, bei denen das bisherige Arbeitseinkommen des verstorbenen Kriegsteilnehmers zugrunde gelegt wird. Nähere Auskunft darüber erteilen die Ortsbehörden des Wohnsitzes der Hinterbliebenen sowie die Zahlstellen der Königlichen Regie rungen, von denen die Hinterbliebenen die Versorgungsgebühr nisse erhalten. Zum Schluß darf noch erwähnt werden — was nicht all gemein bekannt zu sein scheint — daß die Hinterbliebenen neben der Versorgung aus Militärmitteln in zahlreichen Fällen einen gesetzlichen Anspruch auf die Witwen- und Waisenrenten nach der Reichsversicherungsordnung haben. War neben dem Ver storbenen auch die Ehefrau ihrerseits für den Fall des Alters und der Invalidität sowie zugunsten der Hinterbliebenen ver sichert, so erhält die Witwe außer den Renten auch noch ein einmaliges Witwengeld und bei Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres der Kinder für diese eine Waisenaussteuer. Nah und Fern. Zum Geburtstag der Kaiserin. Die Kaiserin wünscht ihren Geburtstag am 22. d. Mts., dem Ernste der Zeit ent sprechend, in aller Stille zu verleben. Cs wurde daher nn Sinne der hohen Frau sein, wenn alle, die sonst ihre Liebe "nd Anhänglichkeit durch Glückwünsche zum Ausdruck zn ^ringen pflegten, in diesem Jahre davon abständen. D.. Kaiserin weiß, daß es dessen nicht bedarf, um sie des treuen Gedenkens versichert zu halten. Kirchennachrichten für Donnerstag, den 21. Oktober. Sora. Abends 8 Uhr Kriegsbetstunde. Limbach. Kriegsbetstunde mqß ausfallen infolge amtlicher Konferenz in Me i. für Freitag, den 22. Oktober. . Grumbach. Abends 8 Uhr Kriegsbetstnde mit heiligem Abendmahl. Verlustliste Nr. 211 der Königlich Sächsischen Armee, ausgegeben am 18. Oktober 1915. Dieselbe enthält aus der Stadt Wilsdruff und deren näheren Umgebung folgende Namen: Lichtenberger, Max, Unteroffizier, Mohorn — schwer ver wundet. Kohlsdorf, Alfred, Kaufbach — gefallen. Schubert, Paul, Klipphausen — leicht verwundet, linker Arm und Bein. Kreutziger, Bernhard, Grund — gefallen. Streubel, Ernst, Roitzsch — gefallen. Hantke, Oskar, Gefreiter, Mohorn — leicht verwundet, bei der Trnppe. Marktberichte. Dresdner Schlachtviehmarkt am 18. Oktober. Auftrieb: 466 Ochsen, 188 Bullen, 404 Kalben und Kühe, 291 Kälber, 564 Schafe, 588 Schweine, zusammen 2501 Tiere. Bezahlt in Mark für 50 Kilo gramm Lebend- resp. Schlachtgewicht. I. Rinder. Ochsen: 1. vollfleischige, ausgemästete höchsten Schlachtwertes bis zu sechs Jahren 70—74 resp. 123—128,2. junge fleischige, nicht ausgemäste' , altere ausgemästete 54—60 resp. 117—123, 3. mäßig genährte jun ', gut genährte ältere 45—50 resp. 106—114,4. gering genährte jed. i Alters 36—43 resp. 97—104. L. Bullen: 1. vollfleischige, ausge wachsene höchsten Schlachtwertes 67—72 resp. 114—119, 2. völl- fleischige jüngere 57—64 resp. 106—114, 3. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 44—52 resp. 96—105,4. gering genährte 37—40 resp. 87—92. 0. Kalben und Kühe: 1. vollfleischige, ausge mästete Kalben höchsten Schlachtwertes 70—74 resp. l2S—129, 2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren 65—71 resp. 128—134, 3. ältere auSgemästete Kühe und gut entwickelte jüngere Kühe und Kalben 46—56 resp. 103—114, 4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 34—41 resp. 89—101, 5. mäßig und gering genährte Kühe und gering genährte Kalben 25—32 resp. 81—91. II. Kälber: 1. Doppellender 100—110 resp. 135-145, 2. beste Mast- und Saugkälber 78-82 resp. 126-130, 3. mittlere Mast- und gute Saugkälber 67—72 resp. 115—120. 4. geringe Kälber 60-64 resp. 107—112. III. Schafe: I. Mast, lämmer und jüngere Masthammel 71—75 resp. 143—150, 2. älter- Masthammel 65—69 resp. 134—140, 3. mäßig genährte Hammel und Schafe (Merzschafe) — resp. — .iv. Schweine: 1-vollfleischi e feinerenRassenundderenKreuzungenimAlterb. zul^Jahr 140—1 5 resp. 183—188, 2. Fettschweine 157—162 resp. 197—202, 3. fleischig 125—130 resp. 170—175, 4. gering entwickelte 105—110 resp. 150 — 155, 5. Saucn und Eber 105—135 resp. 148—178. Ausnahmepreise über Notiz. Geschäftsgang in Rindern schlecht, in Kälbern und Schafen mitttel, in Schweinen langsam. Ueberstand: 11 Ochsen, 2 Bullen,, 2 Kühe. Dresdner Produktenbörse, 18. Oktober 1915. Wetter: Trübe. Stimmung: —. Um 2 Uhr wurde amt lich notiert: Weizen, pro 1000 netto, inländischer 260,00 M-, gesetzlicher Höchstpreis, Ware beschlagnahmt. Roggen, pro 1000 netto, inländischer 220,00 M-, gesetzlicher Höchstpreis, beschlagnahmt. Gerste, pro 1000 l-^ netto, inländische beschlag nahmte 50»/g 300—400 M-, gesetzliche Höchstpreise, beschlagnahme freie 50«/„j—, ausländische, beschlagnahmefreie — Mark. Hafer, pro 1000 LZ netto, inländischer 300,00 M., gesetzlicher Höchstpreis Ware beschlagnahmt. Mais, Cinquantine —, Rund mais —,— M., beide beschlagnahmefrei. Oelsaaten, Winterraps, Ernte 1915, 600 M., gesetzlicher Höchstpreis, beschlagnahmt. Weizenkleie pro 100^ netto ohne Sack, gesetzliche Höchstpreise für den Hersteller 13,00 M. (beschlagnahmt). Roggenkleie pro 100 netto ohne Sack, gesetzliche Höchstpreise für den Hersteller, aus ländische Kleie: 51,00 bis 52,00. (Die für Artikel pro 100 Icg notierten Preise verstehen sich für Geschäfte unter 5000 Kg. Alle anderen Notierungen gelten für Geschäfte von mindestens 10000 Kx.) Nev Roman von A. Seyffert-Klinger. 11 (Nachdruck verboten.) 1. Kapitel. Nn einem schwülen Augusttage war die Sonne blutrot untergegangen. Die Abende wurden schon kürzer, Sterne flammten am wolkenlosen Firmament auf. Ein junges Mädchen schritt rasch durch die Villen- flraße des Vorortes, mit tiefen Atemzügen die würzige Lust einatmend, die von den blühenden Gärten, den leise im Abendwind flüsternden Föhren herüberwehte. Eva Berendes war hier fremd. Ihre jungen Augen lasen die einzelnen Schilder von Messing, Porzellan und schwarzer Emaille; aus der mehr oder weniger geschmack voll auSgeführten Schrift sowie der Größe der Platten zog Ke ihre Schlüsse auf die Bewohner. Doch tat sie es mehr gewohnheitsmäßig als bewußt, weil sie eS gewohnt war, zu denken und zu beobachten. Bor der roten, im Schweizerstil erbauten Villa der Justizrätin Ohlendorf machte Eva Halt. Ihr Herz klopfte stürmisch. Sie mußte sich gegen einen Baum lehnen, um nicht zu taumeln,. Der unsichere Schein einer Laterne beleuchtete ihr blasses, spitzes Gesicht. Ein schmerzlicher Leidenszug ließ es unschön, nahezu abstoßend erscheinen. An einem jungen Antlitz erfreuen uns weiche Linien, zarte, rosige Farben oder auch derb blühende Gesundheit. Eva war mager, ohne jeden weiblichen Liebreiz, dabei ^cheu und nervös. Trotz ihrer großen Jugend — sie war noch nicht zwanzig — hatte sie viel Schweres, harte Prüfungen erfahren. Das sah man ihr an, und darum war ihr Anblick mitleiderregend. Jetzt ruhten ihre Blicke auf dem schlichten blanken Messingschild der Villa Ohlendorf, und es schien ihr zu gefallen. «- Kein Ton drang aus dem Hause bis hierher. Die Rolladen vor Len Fenstern waren fest geschlossen, nur oben vom Giebelstübchen leuchteten schneeweiße Gardinen durch die Dämmerung. Ein sehnsüchtiger Ausdruck zeigte sich in den dunklen Mädchenaugen; ach, dort wohnen, solch ein süßes kleines Nest besitzen zu dürfen . . . Doch schon schüttelte sie über die eigene Kühnheit den Kopf. Sie atmete Heimatluft, war das nicht Glück genug? Noch rechtzeitig war sie der Gewalt des feindlichen Landes entronnen, aus Paris geflüchtet und dank verschiedener Elücksumstünde ohne nennenswerte Widerwärtigkeiten hier gelandet, in ihrer geliebten Heimat, in der deutschen Hauptstadt. Vor mehreren Jahren, als ihre Familie, von harten Schicksalsschlägen getroffen, ihr genommen wurde, man ihrem Namen Mißtrauen, ja Verachtung entgegenbrachte, wo sie sich auch zeigte, da war sie auch heimlich gegangen, trotzdem sie kaum den Kinderschuhen entwachsen. Damals war der Zufall ihr günstig gewesen, es ihr gelungen, ihre Spur vollständig zu verwischen. Weder ihr Vormund noch die Behörden hatten sie ausfindig machen können. Schlau war sie gewesen, hielt es für ihr gutes Recht, mit der Vergangenheit ein für allemal abzuschließen und ein neues Leben zu beginnen. Eine neue Heimat hoffte sie in Frankreich zu finden, einst reich und angesehen — solche Luftschlösser baute sie damals mit Vergnügen — nach Berlin zurückzukehren, um den treulosen Freunden ihrer Eltern dann stolz zurufen zu können: „Seht, das ist aus mir geworden! Ich brauche euch nicht, in der Fremde wußte man mich besser zu schätzen als hier/ Und wie kam sie heim? Hatte sich draußen eine von ihren Hoffnungen erfüllt? „Nein!" Sie zischte es unwillkürlich zwischen den weißen Zähnen hindurch, nichts als harte, bittere Ent- tüwchnngen waren ihr geworden. Armseliger als sie gegangen, kehrte sie wieder. Das Heimweh hatte siekrank und elend gemacht, Niedertracht sie an den Rand der Ver zweiflung gebracht. Zerschlagen, mutlos, gleich einer Geächteten stand sie vor der Villa der reichen Dame, welche sich ihrer annehme^ ihr eine Zuflucht bieten wollte. Nur das Verlangen nach Ruhe beherrschte sie. Alles weitere Empfinden war in ihr ausgelöscht. Und doch zögerte sie noch, auf den Knopf -u drücken und Einlaß zu begehren. Es wurde ihr so unbeschreiblich schwer, Wohltaten entgegenzunehmen. Dazu war sie jetzt verurteilt. Zum ersten mal. Bisher hatte sie sich immer ihren Unterhalt erworben. Sie merkte es kaum, daß ihr Magen vor Hunger knurrte. Selbstquälerisch suchte sie zu erwägen, ob sie in diesem Hause wohl früheren Freunden ihrer verstorbenen Eltern begegnen könne, ob ein Erkennen möglich sei. Die Justizrätin stellte sie sich als eine hochgewachsene, stolz blickende Dame vor, die von ihr wenig oder gar keine Notiz nehmen werde. Bei diesem Gedanken atmete sie erleichtert. „Um so besser/ Dankbar wollte fie sein» wenn man sie ganz allein, sich selbst überließ. Ihre Seele war so wund, ihre Nerven zerrüttet. Ach, nach all den Irrfahrten auSzuruhen, das mußte Wohltat sein. Die Füße trugen sie kaum noch. Mechanisch streckt« sie Lie Hand aus, um Einlaß zu begehren, denn es begann zu dunkeln, wohl über eine halbe Stunde hatte fie hier gestanden. Zu derselben Zeit saßen im Gartensaal der Villa, dessen Türen und Fenster weit geöffnet waren, drei Personen beim Tee, die Justizrätin Ohlendorf, ihr Sohn Marti« und dessen Braut Claire Brusson. Das Hausmädchen brachte soeben noch eine Schale mit Obst herein. „Es ist alles in Ordnung, guck' Frau*, sagte sie leise zur Frau Rat. Diese nickte. „Gut, Minna, du weißt doch in allem Bescheid, nicht wahr? Und wcnn sie noch kommen sollte — mich wundert übrigens, daß sie noch nicht hier ist —. so führe sie nur gleich herein/ ) Das. Mädchen entfernte sich mit einer bescheidenen Antwort. (Fortsetzung folgt.)
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