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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend : 18.09.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782024719-191509184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782024719-19150918
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782024719-19150918
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-09
- Tag 1915-09-18
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Monat
1915-09
-
Jahr
1915
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des Leben, das sich auf irgend eine Art Luft machen mußte. Der Kaiser besitzt das Mitteilungsbedürfnis einer Individualität, die starke lebendige Eindrücke von allen Seiten erhält und sie sofort verarbeitet. Ich habe nie im Leben zwei Stunden lang einer solchen Fülle von Ge danken und Anregungen auf allen Gebieten standhalten müssen. Aber dennoch wurde nichts gesprochen, was nicht in irgend einem Zusammenhangs mit dem Kriege stand. Der stärkste Eindruck, den ich vom Kaiser erhielt, war der der völligen Aufrichtigkeit seines Friedenswillens bis zum letzten Augenblick, der zweitstärkste aber der seiner großen Enttäuschung über seine Verwandten in England und Rußland, die im Augenblicke der höchsten Gefahr versagt haben. Kein Mensch wird annehmen, daß die Ansichten des Kaisers mit denen des Mannes der Linken in allen Punkten übereinstimmten. Aber einen ganz Hellen Einklang gab es in zwei Fällen. Das einemal, wo das Gespräch auf die Franzosen kam. Da war des Kaisers Leid mein eigenes. Der Kaiser spricht ein ganz reines Französisch und hatte, wie wir alle, besonders wie wir Leute aus Baden, gehofft, daß man mit Frankreich am ersten zurccht- kommen würde. Mir hatten, wie alle anderen Nationen, auch die gallische, schwer überschätzt. Die Franzosen sind ein Volk, das im Niedergange begriffen ist. Ihre Krieg führung ist voll der schwersten Entsetzlichkeiten, voll so furchtbarer Geschehnisse, daß nur ein Geheimbuch des Krieges sie einmal wiederzugeben vermag. Eine halbe Stunde lang hat mir der Kaiser, innerlich widerstrebend und doch von der Ungeheuerlichkeit der Dinge mitgerissen, eidlich beschworene Tatsachen aus dem Verhalten franzö sischer Aerzte nicht nur gegen den Feind, sondern auch gegen die eigenen Leute mitgetcilt, die keine Hoffnung auf eine Gesundung mehr übrig lassen. Frankreich ist ein gerichtetes Land. Und die Tränen, die dem Kaiser beim Erzählen mehr als einmal in die Augen kamen, waren oft auch Tränen der Scham über solche Verkommenheit bei einem immer noch für ritterlich und edel gehaltenen Volke, das der Besessenheit einer fixen Idee zum Gpfer gefallen ist. Die zweite, diesmal freudige Uebereinstimmung großen Stils zwischen dem Kaiser und mir zeigte sich bei Gelegen heit des Gespräches über den Sinn dieses Krieges. Der Sinn und Zweck, gewollt aus den Hintergründen, ist die Einigung und Läuterung Deutschlands, damit es geschickt werde für seine welthistorische Aufgabe, das Herz Europas zu sein und der Verinnerlichung der europäischen Mensch heit vorzuarbeiten. Wir sind alle nicht gut, aber wir haben den Millen zur Güte. Und den Aufrichtigen läßt es der Herr gelingen. Das waren so die Hauptgedanken über den Sinn des Krieges. Ein inneres Feuer durchleuchtete das Gespräch, und es war, als ob draußen vor dem Garten Helle Kinderstimmen sängen: „O Deutschland hoch in Ehren, du heil'ges Land der Treu." Von sozialen Dingen war die Rede gar nicht. Aber ich habe die feste Zuversicht, daß der Kaiser mit seinem lebhaft suchenden Verstand nach dem Friedensschluß und nach der überwältigenden Einheit des Volkes in der Ver teidigung des Vaterlandes noch einmal die Gelegenheit er greifen wird, der Einigungskaiser eines sozialen Staates mit all dem Persönlichkeitsreichtum zu werden, dessen allein Deutschland, das Land der Seelenliebe und das Reich der demokratisch-monarchischen Synthese, fähig ist. Nach all dem Schweren kam Leichtes und Harmloses zur Sprache, und ich durfte aus der Schwarzwaldheimat und von meinem alten Bergasyl, dem Feldberg, erzählen. Die Bäume rauschten in dem sonnigen Garten, die Zeit verging, ich wußte nicht wie, und auf einmal war es t Uhr und Essenszeit. Die Stunden waren rasch vergangen. Noch ein Händedruck, diesmal fast schmerzhaft herzlich, und dann ging es mit dem Kanzler, der fast während des ganzen Gesprächs als Zuhörer anwesend war, zurück zum Haus. Außerordentlicher Bezirkstag der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen. Am 13. dieses Monats fand in Meißen im Albcrthof — der Sitzungssaal der Amtshauptmannschaft ist zur Zeit durch die Mehl- und Futtermittelverteilungsstelle besetzt — ein außerordent- Un cier Zäria Originalroman von H. A. Revel. 46s (Nachdruck verboten.) Die Nachrichten der „Tribuna" wiegten sie in eine gewisse Sicherheit ein. Miruovo Minister! Dann war sie gerettet. Sie dachte augenblicklich an keine Heirat mit Andreas, ebensowenig aber auch an eine mit Gentile, der ihr seit damals in Makarska ein gewisses physisches Grauen bereitete. Gewiß fühlte sie sich von der Eigenart deS Mannes, den sie einzig und allein wahrhaft geliebt hatte, unsagbar angezogen. Seine Widersprüche —, die wilde, glühende Liebe und kalte Brutalität — reizten sie. Und doch — was hatte sie von einem Manne zu gewärtigen, der ein Menschenleben so gering anschlug, daß er es ohne ein Wimperzucken einfach hinmordete? Wohl brauchte sie einen Mann, der sie beherrschte und nicht eine so weiche, nachgiebige Natur wie die Luiginos, gegen den sich in ihrem Innern immer mehr Haß auf speicherte, als ob sie ihn allein für alle die Schwierig keiten verantwortlich machte, die sich ihr durch die ver schärften militärischen Erlasse, an denen doch sie nur eigentlich allein schuld war, in den Weg stellten. Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken, daß in ihrem Haß immerhin eine gewiße Liebe lag. Den ihr gleichgültigen Mann -hätte sie nicht hassen können; den betrachtet man als Luft. Instinktiv fühlte sie, daß Luigino furchtbar werden könnte, wenn er jemals die Wahrheit erführe. Und dieses Furchtbare zog sie an, so sehr sie sich auch davor fürchtete. Aus diesem Furchtbaren wuchs nach und nach das Ge fühl seines Übergewichts, jedenfalls aber seiner moralischen Überlegenheit. Seine Liebe, so verächtlich sie ihr auch er schien, rührt^ sie unwillkürlich, obwohl sie es sich nicht eingessand. Sie emvfand sogar ein frivoles Verlangen, ihn wütend, mir drohender Faust vor sich zu sehen. Augenblicklich aber dachte Jie weder an Andreas, noch . an Nicola, noch an Luigino. Sie dachte n.ur daran, dieser licher Bezirkstag der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen statt, den Herr Kreishauptmann Dr- Krug von Nidda-Falkenstein mit seiner Gegenwart beehrte. An der Sitzung nahmen die Be zirkstagsmitglieder mit Ausnahme der vier beim Heere befindlichen Herren Fabrikdirektor Berneaud, Bürgermeister Küntzel und Ge- meindevorstand Niehardt sowie einiger durch Krankheit abgehal tener Mitglieder vollständig teil. Nach Ehrung des durch den Tod abberufenen Mitgliedes Privatus Herrmann in Zehren durch Aufstehen von den Plätzen und Begrüßung des Herrn Kreishaupt manns eröffnete der Vorsitzende AmtShauptmann Freiherr v. Oer die Verhandlungen mit einem Ueberblick über die finanziellen Verhältnisse deS Bezirks. Für diese sind im Augenblick die Unter stützungen für die Kriegerfamilien ausschlaggebend. Es ist bekannt, daß der Bezirk die reichsgesetzlich festgesetzten Mindestsätze der Unterstützungen bis zu späterer Erstattung seitens des Reichs verlegen und dis darüber hinaus vom Bezirk gewährten Unter stützungen selbst tragen muß, doch wird neuerdings zu den letzteren eine Reichsbeihilfe von 18-20vZ gewährt und ist eine ähnliche Beihilfe seitens des Staates in Aussicht gestellt. Da das Bezirks- vermogen zu solchen Ausgaben nicht entfernt hinreicht, auch es unangemessen erschien, jetzt in Kriegszeiten die Bezirkssteuern ganz wesentlich zu erhöhen, hat der-Bezirk von Anfang an die benötigten Gelder durch Darlehen bei Bezirkseingesessenen und bei Geldinstituten beschafft. Der Bezirkstag vom 26. November hatte zur Aufnahme von Darlehen bis zur Höhe von 750000 Mark Genehmigung erteilt, der Vorsitzende mußte der Versamm lung indes mitteilen, daß dieser Betrag nicht entfernt hingereicht habe und daß vielmehr bis jetzt bereits 1,541,000 Mark im Wege des Kredits beschafft seien. Die Höhs der bis Ende August an gewiesenen Unterstützungen ist bezüglich der Reichsunterstützung auf 1,225,000 Mark, bezüglich der Bezirksunterstützung auf 227,937 Mark gestiegen, da jetzt insgesamt in 4950 Fällen 4610 Frauen und 11234 Kinder und Angehörige Unterstützungen emp fangen. Im letzten Monat allein haben die Unterstützungen (gesetzliche und Bezirksunterstützungen zusammengerechnet) 154,385 Mark betragen. Hiernach erkannte die Bezirksversammlung die Notwendigkeit der über den bewilligten Betrag hinaus aufge nommenen Darlehne an, genehmigte infolgedessen diese Darlehns- aufnahme nachträglich und ermächtigte den Bezirksausschuß weiterhin im Wege deS Kredit? Gelder bis zum Gesamtbetrags von 4 Millionen (einschließlich der bereits erhobenen Summen) zu beschaffen. Man hofft mit diesem Betrage auch bei wesent licher Erweiterung und Erhöhung der zu bewilligenden Unter stützungen bis zum Herbst 1916 auszukommen, falls es in Gottes Willen läge, daß der Weltkrieg bis dahin dauern sollte. Alsdann gab der Vorsitzende dem Bezirkstag einen Ueber blick über die mannigfachen wirtschaftlichen Maßnahmen, die der Bezirk auf Grund reichsgesetzlicher Anweisung oder auch dem Zwange der Verhältnisse folgend, seil Januar dieses Jahres zu ergreifen hatte. Er gedachte der Brotoersorgung und Brotver teilung, der Hafsrliefcrung, der Kartoffelbeschaffung für das Reich, der Vermittelung von Kartoffelmehl für die Bäcker zum Zwecke der Brotstreckung, der Futtermittelverteilung und mancher anderen Aufgabe, von der bis dahin wohl niemand vorausgesetzt hat, daß sie bis zum Bereiche des Bezirksverbandes gehöre. Der Vorsitzende erinnerte daran, daß die Entstehung der Bezirksver bände mit auf den Erfahrungen und Anschauungen des Krieges 1870/71 beruhe, daß aber in der Folgezeit die Entwickelung der Aufgaben und die Tätigkeit der Bezirksverbände unter dem Drucke ungünstiger Verhältnisse zurückgeblieben sei, namentlich deshalb, weck die Städte dem weiteren Ausbau der Bezirksarbeit ablehnend gegenüber gestanden hätten. Auch der letzte Versuch der Gesetz gebung in dieser Richtung durch das Gesetz vom 16. Oktober 1914 sei überaus eingeschränkt und beschnitten worden, so daß es lediglich der im Kriege einsetzenden reichsgesetzlichen Regelung zu verdanken sei, wenn jetzt die sächsischen Bezirksverbände als Kommunalverdände die schwierigsten und verantwortungsreichsten Aufgaben zu bewältigen hätten. In der anschließenden kurzen Debatte brachte Herr Geh. Oekonomierat Steiger die Klage vieler Viehhalter und namentlich der kleineren Leute darüber zur Sprache, daß sie bei Verteilung der Futtermittel durch den Bezirk viel Schwierchkeit hätten und daß es auch als Ungerechtigkeit empfunden werde,) wenn bei dieser Verteilung das Vorhandensein von Vorräien berücksichtigt werde. Der Vorsitzende erwiderte, daß es das Bestreben der Bezirks leitung sei, die Futtermittel möglichst rasch, gerecht und so reich lich als tunlich zu verteilen, daß aber dieser Absicht die tatsäch lichen Verhältnisse große Hindernisse bereiten. Zunächst habe der Bezirk niemals mir Zuverlässigkeit erfahren können, auf wieviel Futtermittel er wirklich Aussicht habe; eine im Frühjahr zuge- aangene Mitteilung der Bezirksvereinigung Deutscher Landwirte habe zwar die Aussicht auf eine ganz erfreuliche Menge Kleie eröffnet, diese Aussicht habe sich aber in keiner Weise verwirklicht. Die Ursachen könne man hier nicht beurteilen, vermutlich lägen dieselben aber darin, daß bei der Berechnung eine 82»/giye Aus mahlung des Getreides vorausgesetzt worden sei, tatsächlich aber durch die Kriegsgetreidegosellschaft eine viel höhere Ausmahlung erfolgt sei. Unter diesen Umständen habe der Bezirk vor allem bezüglich der am meisten begehrten Kleie fast lediglich auf die im Bezirke ermahlene Ware rechnen können, und diese habe nicht entfernt den riesigen und an sich berechtigten Ansprüchen genügt. Um deshalb die Viehbestände nicht geradezu eingehen zu lassen, sei es notwendig gewesen, nur die allerdringendsten Bitten im knappsten Umfange zu erfüllen. Daß unter solchen Umständen darauf entscheidender Wert zu legen sei, ob jemand noch Vorräte anderer Futtermittel besitze oder nicht, werde wohl niemand be zweifeln können. Andererseits müsse, wenn mit dem neuen Wirt schaftsjahr eine Verteilung auf gesicherterer Unterlage erfolgen könne und andererseits vorauszusetzen sei, daß größere Vorräte Situation ein Ende zu machen, so oder so, — und sich ihrer ihr einst so leicht dünkenden und in Wahrheit doch so aufreibenden und schweren Aufgabe zu entledigen. Es war ziemlich spät abends, als ihr Gatte in Be gleitung des Oberleutnants Loeper, des stellvertretenden Kommandanten des nestingrad, der 280 Meter hoch liegenden Cattaraner Festung, wiederkam. Sie erschrak, als sie den Ausdruck der beiden Herren sah. .Um GotteS willen, was ist geschehen?" Loeper sah den fragenden Blick Luiginos auf sich ge richtet, als ob er den Kameraden fragen wollte, ob er es Melitta mitteilen sollte. Loeper aber meinte: .Deiner Frau kannst du's doch schließlich sagen —" Luigino atmete tief: .Die Lage ist sehr ernst. Im ,Cash dem Hauptblatt von Cettinje, war der Plan, der Grundriß des Fort Imperiale veröffentlicht worden, die genaue Zeichnung, Strich für Strich. Ja, die Zeichnung war sogar so genau angefertigt, daß in ihr eine Ausfall pforte verzeichnet war, die in keinem unserer Pläne — absichtlich nickt — entlMten ist und niemand anderem be kannt sein konnte als dem derzeitigen Festungskomman danten." Melitta hatte den Mund wie zum Schrei geöffnet. Sie faßte sich an die Kehle, als ob jemand sie würgte. .Was? — Montenegro? — Der ,Cas°?" Schreiend, wie eine Irrsinnige, mit vollkommen entstellten Zügen hatte sie diese vier Worte hervorgestoßen, sich weit, mit aufgerissenen Augen, vorbeugend, als ob sie die Bestäti gung dieser Nachricht aus seinem Munde noch einmal ver nehmen wollte. Luigino lief es kalt über den Rücken, als er sein schönes Weib derart entstellt sah. „Melitta! Was ist dir?" „Was mir ist? Was mir ist?" lachte sie verzweifelt. „Montenegro bringt den Plan des Fort Imperiale? Montenegro? Wiefo? — Woher? — Wie kommt es zu dieser Zeichnung?" Sie starrte die beiden Herren an wie zwei Fremde. Dann sank sie in sich, fahl und eingefallen, einer alten Frau gleichend, zusammen. „Kolibius! — Ja, ja, Kolibius", lallte sie kaum verständlich. an Futtermitteln von früher her kaum mehr in Betracht kämen, nunmehr eine gleichmäßige Verteilung ohne Zurücksetzung der jenigen erfolgen, die in der Lage und geneigt seien, noch anderes Futter mit teurem Gelde zu beschaffen. Der Vorsitzende erklärte deshalb, es sei nunmehr eine Bekanntmachung erfolgt, aus der die Mehbesitzer wenigstens eine gewisse Unterlage über die Menge Kleie entnehmen könnten, auf die sie im Laufe der Zeit zu rech nen in der Lage seien. Freilich dürfte nicht geglaubt werden, daß der Bezirk sofort diese auf V4 Jahr berechneten Mengen ab geben könne, da die Kleie nur nach und nach ermahlen werde und noch zahlreiche Bestellungen von früher her unerledigt seien. Herr Geh. Oekonomierat Steiger erklärt sich mit dieser Auskunft für befriedigt. An dritter Stelle wurde vom Bezirkstag die Erhöhung der Bezirksunterstützungen für Kriegerfamilien beraten. Der Vor sitzende begründete die hierauf bezüglichen Vorschläge des Bezirks ausschusses einerseits mit der allgemeinen in bedauerlichen Um fange wachsenden Steigerung der Lebensmittelpreise, andererseits damit, daß nach der jetzigen rechtlichen Auffassung der Oberbe hörden der Bezirk nicht 'wohl mehr Anspruch darauf erheben könne, daß die Gemeinden auch fernerhin noch Zuschüsse zu der Bezirksunterstützung überhaupt und insbesondere in der Form von Mietzinsbeihilfen geben; die Auffassung der höchsten Behörden gehe dahin, daß alles, was im einzelnen Falle für eine Krieger familie notwendig sei, vom Bezirk beschafft werden müsse, so daß darüber hinausgehende Unterstützungen von Gemeinden als ganz freiwillige angesehen werden müßten, mit deren Weitergewährung folglich nicht zu rechnen sei. Daß unter solchen Umständen die Höchstsätze der Bezirkszuschläge erhöht und durch Gewährung von Mietbeihilfen an bedürftige Familien ergänzt werden müßten, wurde allgemein zngestanden. Dagegen erhoben sich von einigen Setten Widersprüche gegen die vorgesehene Höhe. Schließlich wurden jedoch die Vorschläge des Bezirksausschusses in dem Sinne, daß sie die Höchstsätze der im einzelnen Falle zu zahlenden Unter stützungen darstellen und daß bei der Festsetzung seitens der zu ständigen Ausschüsse von Fall zu Fall geprüft werden solle, wie weit stck die Unterstützung dem Höchstbetrage nähern müsse, gegen eine Stimme angenommen. Hiernach wird künftig und zwar vom 1. Oktober ab der Bezirksverband Meißen den Kriegerfamilien neben der reichsgesetzlichen Unterstützung im Falle der Bedürftig keit bewähren: an eine alleinstehende Ehefrau bis zu 12 Mark, an eine Frau mit 1 Kind bis zu 15 Mark, an eine Frau mit 2 Kindern bis zu 17 Mark, an eine Frau mit S Kindern bis zu 19 Mark, an eine Frau mit 4 oder mehr Kindern 20 Mark monat lich. Für unterstützungsberechtigts sonstige Angehörige eines Kriegers, wozu auch außereheliche Kinder gehören, können Beihilfen bis zu 6 Mark gewährt werden. An Mietzinsbeihilfen soll bei vorliegen dem Bedürfnis bis zu 75 »/g der Miete, höchstens aber bis zu 15 Mark monatlich gewährt werden können. Es wurde noch seitens des Vorsitzenden unter Zustimmung der Versammlung betont, daß die Mietzmsbeihilfen nach Ermessen der Gemeindebehörde statt an den Unterstützten an die Vermieter oder deren Stellvertreter gezahlt werden könnten, ferner, daß Vorsorge getroffen werde, daß alle gegenwärtig im Gange befindlichen Fälle der Bezirks unterstützung seitens der bestellten Sonderausschüsse auch ohne be sonderen Antrag nachgeprüft werden sollten in der Richtung, ob eine Erhöhung angezeigt sei, endlich, daß die bis jetzt seitens des Hauptausschusses für Kriegshilfe an Gemeinden oder Einzelper sonen gewahrten Beihilfen durchgängig mit dem 1. Oktober in Wegfall kämen, da man davon ausgehe, daß nunmehr durch die Bezirksunterstützung ausreichend gesorgt sei. Der Wirkungskreis des Hauptausschusses für Kriegshilfe wird sich hiernach in der Zukunft in der Hauptsache auf die Gewäh rung von weiteren Unterstützungen in solchen Fällen beschränken, in denen aus besonders persönlichen Gründen z. B. Krankheit, eine außerordentliche Unterstützung angezeigt erscheint. Das gleiche Tätigkeitsgebiet der an den einzelnen Orten bestehenden Ausschüsse für KriegShilfe erweitert sich noch dadurch, daß von diesen Aus schüssen vor wie nach eine beratende und tröstende Tätigkeit für die Familien erwartet wird. In Erledigung des nächsten Punktes der Tagesordnung wurden die Herren Rittergutsbesitzer Oekonomierat Wolf auf Deila und Gemeindevorstand Glöckner - Weinböhla erneut auf 6 Jahre als Vertreter in die Fürsorgeversammluntz zu Dresden ge wählt. Ferner beschloß der Bezirkstag seinen früheren Entschluß, die Bezirkseiziehungsanstalt Bohnitzsch im nächsten Frühjahr auf zulösen, rückgängig zu machen, nachdem der Fürsorgeverband Maßnahmen getroffen hat, um eine wesentliche Belastung des Bezirks durch das Weiterbestehen jener Anstalt, auch bei schwacher Besetzung derselben, auszuschließen. Ferner betätigte die Be zirksversammlung ihr warmes Interesse für die Bestrebungen der Stiftung und der Vereine „Heimatdank" im Königreich Sachsen dadurch, daß sie aus den bei den wirtschaftlichen Maßnahmen er zielten Ueberschüffen 3000 Mark an die Stiftung Heimatdank in Dresden und 2000 Mark an den Verein Heimatdank der Amts hauptmannschaft Meißen als einmaligen Beitrag überwies und die Bewilligung eines laufenden Beitrags von 1000 Mark für die Zwecke der Vereine Heimatdank guthieß; dieser letztere laufende Beitrag soll unter die Vereine Heimatdank der Amtshauptmann schaft Meißen und die Städte Nossen, Lommatzsch und Wilsdruff nach Verhältnis der Einwohnerzahl verteilt werden. Der Anregung des Königlichen Ministeriums, die Förderung von öffentlichen Arbeitsnachweisen zur Bezirksanaelegonheit zu machen, wurde von der Bezirksversammlung mit der Maßgabe entsprochen, daß der Bezirk nur solche Arbeitsnachweise errichten oder unterstützen will, die ausschließlich Arbeitsplätze in hiesiger Gegend vermitteln und es ablehnen, Arbeitsuchende auf Stellen in Dresden oder anderen großen Städten aufmerksam zu machen. Nachdem dann noch als Stellvertrer für den zum Heeresdienst „Ja, Kolibius", murmelte Luigino schwer, da er den Gedanken, in seinem lieben Freunde einen Hochverräter zu wissen, noch immer nicht fassen konnte. „Mein Freund! Und dein Freund! Wer hätte ihm das zugetraut? Du nicht und ich nicht. Ich hielt ihn für einen Ehrenmann und für gut —" Mit einer fast ängstlich bittenden Gebärde, ihm die Arme entgegenstreckend, als wollte sie den Toten in Schutz nehmen, rief sie ihm bebend zu: „Ja! Ja! Ja! Er war gut! — Oh, Kolibius war gut —" „Du sprichst so recht als Frau", sagte er verächtlich. „Ich sage dir, er war der elendeste, niedrigste Mensch, der mir je im Leben begegnet ist. Das einzig Gute war noch cm ihm, daß er sich selbst erschaffen hat, ohne erst abzu warten, daß er als Landesverräter erschossen wurde. Ob zwar er es tausendmal verdient hätte!" Mit einem erstickten Aufschluchzen warf sie die Arme über den Tisch, in denen sie ihr Gefickt verbarg. „Weine nicht um ihn", fuhr sie Luigino hart und jähzornig am „Wer um einen solchen Ehrlosen weint, ist selbst nicht viel besser. Geh! — Laß uns allein!" In dumpfer Erregung durchmaß er das Zimmer. „Aber Wehnsdorf!" versuchte ihn Loeper zu be schwichtigen. Luigino kam zur Besinnung. „Du hast recht! Ver zeihe, Loeper! Es war das erstemal, daß ich meiner Frau in Gegenwart eines Dritten brutal kam. Aber — ich kann es immer noch nicht fassen. Die Sache kann un absehbare Folgen haben. Und unser guter, guter, alter Kaiser! Soll er auch noch das erleben zu alledem, was ihn schon so Schweres in seinem Leben betroffen hat?" „Du siehst zu schwarz, Wehnsdorf", beruhigte ihn Loeper. „Und was wird nun aus Major von Köster?" „Du hast dock gehört, daß er sofort auf freien Fuß gelassen wurde. Es ist bock erwiesen, daß an jenem Abend, da ihm der Plan von San Lorenzo abhanden ge kommen war, auch Kolibius bei ihm als Gast ge weilt hat." (Fortsetzung folgt.)
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