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WchnM für WM Beilage zu Nr. 107. - Sonnabend, den 18. September 1915. Betrachtung zum ^6. Sonntag nach Trinitatis. Apostelgeschichte sH, 22—3^. Ein Lhrist ist selig in der Trübsal, er behält sein heiteres, gottvertrauendes Gen^üt, er kann lachen unter Tränen, Not und Schmerz. Das zeigt uns auch der Apostel Paulus und sein Begleiter Silas, welche wir im gegenwärtigen Schriftabschnitte in dem Aerker zu Philippi antreffen. In der Hauptstadt Macedoniens, in Philippi, war ihr Wort nicht ohne Eindruck geblieben, viele aus dem Volke folgen ihnen nach und machen auch gleich Ernst mit ihrem Ehristenglauben. Aber die Sünder- natürlich hörten die Predigt von deni Heile in Lhristo Jesu nicht gern — es war da auch die Rede von den Sünden der Menschen, und die Sünder wollen sich nicht gern stören lassen in ihren Sündenwegen. Das Volk wird erregt gegen Paulus und seine Begleiter. Die Hauptleute mischen sich ein, ergreifen sie und übergeben sie dem Aerkermeister in Philippi. Hier greift nun unser Gotteswort ein und er zählt nun das Weitere — von dem Gebete der Apostel, von ihrem Loben und Danken zu Gott im Gefängnis, worauf ein Erdbeben entsteht, und die Türen aufgetan werden, und der Aerkermeister dann, im tiefsten Innern ergriffen, die Männer bittet, mit in sein Haus zu gehen und ihnen das Wort Gottes zu sagen. „Glaube an den Herrn Iesum Ehristum, so wirst Du und Dein Haus selig", ruft ihnen der Apostel zu, als er so die nächtliche Gemeinde um sich versammelt sieht. And das ist auch der Auell, aus dem wir immer wieder Trost, Araft, Mut und Selig keit schöpfen können, wenn schwere, harte Zeiten von uns zu durchkämpfen sind. Wie unselig, ferne von Gott, ohne Hilfe, tröst- und friedlos ist immer die Welt, welche den Glauben an Iesum Ehristum, den Heiland verloren hat. In diesem Ariegs fühlen wir es recht sehr. So viel Alagen, Murren, so viel Niedergeschlagenheit und Hoff nungslosigkeit bei denen, welche keinen Glauben haben. Ganz anders sind sie wie die anderen, die voll Glaubens sind. Diese suchen die Ruhe und den Trost ihres Heilandes, halten sich zur Airche, zum Gottesworte in diesen schweren Zeiten, gehen zur Ariegsbetstunde, und immer finden sie dort etwas, was ihnen Trost gibt, woran sie sich auf richten können, wenn die Sorge um den in der Ferne und um die Zukunft des Vaterlandes das Herz schwer machen will — sie glauben an den Herrn Iesum Ehristum, sie können beten, loben und danken unter dem Drucke von Not und Sorge noch — sie sind wie Paulus und Silas im Aerker zu Philippi, welche in der Nacht, in ihren Fesseln dort beten und Gott loben und preisen. Wie manche Ariegswitwe in ihrer Herzensnot hat im Glauben ihren Trost und ihren Halt wiedergefunden. Sie weinte und trauerte um den Gefallenen, den Gefährten des Lebens, den Vater ihrer Ainder, aber unter den Tränen kam das schöne Wort hervor: „Wir Ariegstrauernden müssen uns immer wieder auf den Standpunkt des Dankes stellen und können nicht genug danken für das schöne, große Glück, das wir an der Seite des Teuren genießen durften — nun ist es mit einem Male ausgelöscht, aber es erscheint uns nun erst recht als ein großes Glück, welches hinter uns liegt und unvergeßlich bleibt im Leben." In späteren Tagen, wenn das Herz sich mehr beruhigt hat, geht dann auch von diesem Glücke ein Heller Schimmer in das ganze weitere Leben aus und gibt ihm ein gesegnetes Streben Hn äer Aäria Originalroman von H. A. Revel. (Nachdruck verboten.) „Du hast recht, liebes Kind. Um so mehr, als wir heute dem Hauptmann von Rodic versprochen haben, ihn in Castelnuovo zu besuchen." Und sich an Wera wendend: „Damit geht endlich der sehnlichste Wunsch meiner Frau in Erfüllung, ein Fort von innen zu sehen. Rodic ist nämlich der Kommandant des Forts Spagnuolo, das in folge seiner malerischen Lage oberhalb der Ruinen alter Befestigungen das besondere Interesse meiner Frau wach gerufen hatte. Außerdem sind wir dem Herrn in Castel nuovo auch einen Besuch schuldig", fuhr er weiter fort, das Wort an seinen Bruder richtend. „Willst du nicht mitkommen? Castelnuovo ist wirklich sehenswert und eine der schönst gelegenen Städte, die ich kenne." „Ich möchte heute nicht weg von hier", sagte Joseph ernst. „Franziska soll nicht allein bleiben." „Du hast recht. Verzeih, Franzll Ich vergaß ganz " Wera Winscheff reichte Luigino die Hand. „Und ich will Abschied nehmen von Ihnen, Herr Leutnant. Ich werde wohl heute oder morgen nach Italien reisen. — Möglicherweise auch nach Berlin. — Soll ich Ihre Frau Mutter grüßen?" „Natürlich. Tausendmal. Von mir und Melitta. — Aber, Ihr Entschluß kommt so plötzlich? Meines Wissens hatten Sie doch die Absicht, länger hier zu bleiben?" „Ja. Aber eine wichtige Angelegenheit und ein Auf trag meines Vaters zwingen mich, die Reise zu unter brechen. Nach Erledigung meiner Geschäfte aber kehre ich wieder nach Cattaro zurück, um meine Freundin nicht ganz allein zu lassen." „Denn also auf frohes Wiedersehen! Und glückliche Reise!" Gentile war in einer höchst kritischen Lage und wußte nicht, ob es nicht geratener war, gleichfalls abzureisen. Der Gedanke, daß Kolibius etwas Schriftliches hinter und ein heiliges Ziel; denn in Ehristo Jesu glauben wir auch an eine Auferstehung und an das ewige Leben. Ja, loben und preisen und danken für die Gnade Gottes, die uns widerfahren ist, auch in schweren und bösen Tagen — das gibt uns Mut und Festigkeit des Herzens wieder. Erst glauben an den Herrn Iesum Ehristum, damit wir und unser Haus selig werden — dann loben, preisen und danken im Aerker noch, in der Verlassenheit, in aller Trüb sal — so will uns der Herr haben, so will uns auch die Ariegszeit haben, und so übekwinden wir dis schwere Zeit des Bangens und alle Trübsal, die uns auferlegt ist, bis dann die Gnadcnsonne uns wieder Helle strahlt im Leben. Ein Sozialdemokrat beim Aaiser. Der badische Sozialdemokrat Anton Fendrich schildert in dem nachfolgenden Artikel, der dem Büchlein des Ver fassers „Mit dem Auto an die Front" (Franckhsche Ver lagsbuchhandlung in Stuttgart) entnommen ist, eine Zu sammenkunft mit dem Reichskanzler und mit dem Aaiser. Die Schilderung der Person des Aaisers ist ein beredtes Zeugnis von dem tiefen und nachhaltigen Eindruck, den der oberste Ariegsherr auf den Sozialdemokraten gemacht hat. * Als ich in Flandern war, kam eines Tages ein Tele gramm an, das mich zum Aaiser ins Große Hauptquartier berief. Der erste Beamte des Reiches hatte bei aller politischen Gegensätzlichkeit Gefallen an einer Schrift von mir gefunden und mich schon in Berlin zu einer Unter redung geladen. Nun wollte er von meinen Eindrücken an der Front hören. Der Schnellzug brachte mich in sieben Stunden ins Hauptquartier. Meine einzigen Reisegefährten waren ein Hauptmann von den Aarlsruher Leibgrenadieren, dem beide Hände von einer französischen Revolverkanone zerschossen waren, und dessen Bursche, der ihn fütterte, wie ein kleines Aind. Durch wohlbestellte Felder raste der Zug in das kleine Städtchen, das der Inbegriff wohl gepflegter Langeweile und der Sitz des deutschen Haupt quartiers ist. An der breitesten Straße liegt das Patrizier haus, worin sich der Reichskanzler mit seinem Beamten stab eingerichtet hat. In einem großen Zimmer, geschmückt mit der un ruhigen Fülle des französischen Geschmacks, stand der Aanzler des Reiches, groß und aufrecht, und gab mir seine weiche starke Hand. Ich kenne die Sehnsucht vieler Niezufriedener nach einem zweiten Bismarck. Ich aber bin dem Schicksal für diesen Aanzler dankbar. Als Deutschland unerkannt und erst im Werden war, da brauchte es das Genie und den Mann der ganzen Hemmungs losigkeit, der Bismarck war. Das Volk bedurfte eines Menschensymbols, das stark vor ihm herging. Aber jetzt in seiner Not ist das Volk selbst in Einheit und Stärke Bismarck geworden. Wir stehen da unerschütterlich und von einem weltgeschichtlichen Willen durchweht, so wie es vor H5 Jahren nur beim eisernen Aanzler der Fall war. Das deutsche Volk ist selbst Eisen geworden, und unsere Feinde beißen sich die Zähne daran aus. Alle Entwickelung geht von der Einheit zur Vielheit. So war Deutschlands Werden. Und darum ist der schlichte Aanzler des großen Arieges der providentielle Aanzler, so wie der dröhnende Aanzler des kleinen Arieges damals der einzige mögliche führende Mann war; von Bethmann Hollweg ist in seiner ganzen Person nur ein Stück des ringenden heutigen Deutschlands. Seine Haltung ist ungewandte Zu verlässigkeit, sein Auge aufrichtiges Forschen und sein ganzes Wesen verhaltene Festigkeit ohne einen Schatten von Pose. Es liegt ein demokratischer, fast altrömischer Zug in der Tatsache, daß es jetzt nicht das überragende Genie eines einzelnen ist, die es schafft, sondern die strenge Tüchtigkeit und die unerschütterliche Redlichkeit vieler. Und unter diesen vielen ist der Reichskanzler der erste. Was ich mit dem Aanzler geredet? Ueber nichts als über die Möglichkeiten, wie nach dem Ariege bei aller Anerkennung der Notwendigkeit und Selbständigkeit der Parteien des Volkes Aräfte doch so ge faßt werden können, daß aus der immer größeren Ent fernung des zersetzenden Mißtrauens die wachsende Nähe schaffender und aufbauender Achtung wird. Ueber das, was von oben her in Gesetzgebung und Handhabung des Gesetzes geschehen muß, um das Vertrauen in die Regie rung hcrzustellen, aber auch über den Wahnsinn, der dar in besteht, wenn die Besatzung eines gestrandeten Schiffes auf eine einsame Insel unter sich in Streit und Zwiespalt und Feindschaft gerät. Der Aanzler muß dem Aaiser von unserer Unter redung erzählt haben, denn am anderen Morgen, kurz vor ss Uhr, als ich eben meine sieben Sachen gepackt und noch die alte Hauswirtin getröstet hatte, die seit Ariegs- beginn von ihren zwei Söhnen, zwei jungen französischen Offizieren, kein Wort mehr gehört hatte, kam eilig Legations rat R. mit der Nachricht, der Aaiser warte auf mich. Ich solle nur gerade kommen wie ich sei. Durch einen kleinen park wurde ich geführt, unterwegs von einem aus dem Gebüsche tretenden Posten angehalten, aber auf einen Wink des Adjutanten wieder weitergehen gclasfen. Hinten auf einem freien Platz unter hohen Bäumen saßen auf einer Bank der Aaiser und der Aanzler. Als der Aaiser mich allein aus dem Gebüsch treten sah, stand er auf und ging mir entgegen. Frischer und herzlicher haben mir auch die nächsten Freunde die Hand nicht geschüttelt als er bei dieser ersten Begegnung. Bei aller achtungsvollen Distanz war vom ersten Augenblick an ein ganz und gar freies Verhältnis von Mensch zu Mensch hergcstellt, das kein langes Suchen und Tasten nach dem Innern nötig machte. Der Aaiser sprach gleich von meiner Ariegsschrift, die er mit Interesse gelesen habe, und fragte mich dann, da er wohl den Vorgang mit dem Posten bemerkt hatte, wer nach meinem Dafür halten ihn wohl hier in Feindesland als Schutzwache per sönlich umgebe. Ich wußte es natürlich nicht, und der Aaiser hatte seine Freude daran, mir milzuteilen, daß die Besatzungstruppen der Stadt zum großen Teil aus Sozial demokraten beständen. Ganz hervorragende Aerle seien es. Während dieser einleitenden Worte hatte ich Gelegenheit, den Mann und Fürsten, der im Mittelpunkte des Welt krieges steht, einmal frei und ruhig auf mich wirken zu lasfen. Ich schaute in ein paar hellblaue, blitzblanke Augen, aus denen viel geschmolzener Stahl herausleuchtete; sah in ein merkwürdig frisches, energisches Gesicht mit keiner einzigen Falte außer einem ganzen System von Arähenfüßen um die Augenwinkel, und entdeckte aus dem sorgenvollen Bilde, das man in den letzten Monateu über all in den Schaufenstern sah, nichts als die ganz weiß ge wordenen Schläfen. Aber in dem straffen, elastischen Aör- per mit den hohen gelben Reiterstiefeln und der einfachen Litewka, die kein einziger Orden zierte, steckte viel drängen ¬ lassen haben konnte, beunruhigte auch ihn. Noch mehr aber die Aufregung des Jovo Jooacic! Solche Leute waren imstande, in ihrer Wut und ihrem Rachegefühl irgend etwas zu begehen, was sich dann nicht so leicht wieder gut machen läßt. Er ging aus sein Zimmer, das er sich im Hotel Stadt Triest gemietet hatte, um die eingelaufenen Briefe und Zeitungen einzusehen. Die „Tribuna" brachte in einem längeren Aufsatz die Nachricht, daß die Ernennung des Fürsten Miruovo zum Minister unmittelbar bevorstehe und nur noch der Ratifi kation des Königs bedürfe. „Die unschätzbaren Dienste, die der Herr Kabinettsoerwalter", hieß es in diesem Blatt, „dem äußeren Ministerium geleistet hat, seine Geschicklich keit in der Erkundung jener fraglichen Gebiete, die uns schwer zu schädigen imstande sind, läßt den allgemeinen Wunsch laut werden, den Fürsten als den alleinigen Leiter und verantwortlichen Mann auf diesem Ministerposten zu sehen." Das Blatt verlor sich dann in weiteren Kombinationen, die eine Verstärkung und größere Befestigung der Ostküste Italiens in Aussicht nahmen. Gentile war im allgemeinen die Politik herzlich gleichgültig. Wenn er sich mit Montenegro in gewisser Hinsicht eingelassen hatte, fand das darin seinen Grund, daß er Melitta ihres mächtigsten Schutzes, des Fürsten Miruovo, berauben und sie vollständig isolieren wollte. Denn sobald der Fürst Kenntnis davon bekam, daß die von ihm teuer bezahlten Pläne der wichtigsten, dalma tinischen Forts auch in Cettinje bekannt geworden waren, lag die Annahme nicht fern, daß Melitta ein Doppelspiel mit Italien und Montenegro spielte, um doppelt zu ver dienen. Die Folge davon würde sein, daß Miruovo Melitta einfach fallen ließ und die vielleicht zwischen ihr und seinem Neffen Andreas projektierte Heirat hinfällig wurde. Melitta war dann vogelfrei, eina Rückkehr ihrerseits nach Italien ausgeschlossen, so Laß ihr nichts anderes übrig blieb, als sich ihm — Gentile, der sie glühender und leidenschaftlicher als je be gehrte, — in die Arme zu werfen. Eine Ernennung Miruovos aber zum Minister und infolgedessen das Steigen des Ansehens der Familie des Fürsten könnte doch wieder den Ehrgeiz in Melittas unberechenbarem Herzen wachrufen und sie ihm für immer entreißen. Deshalb mußte diese Ernennung des Kabinettsoer- walters unbedingt vereitelt werden, selbst wenn die ganze Spionagegeschichte von den radikalen Plättern aufgedeckt werden sollte. Gentile hatte nur die eine Befürchtung, daß Jovo Jooacic durch irgendeine unüberlegte Voreiligkeit den ganzen Plan über Len Haufen werfen könnte. Und was er befürchtet, trat auch ein. — Es war einen Tag später. Melitta hatte eben den Grundriß und die Skizzen des Forts Spagnuolo an die Adresse des Fürsten abgehen lassen — d. h. hatte den Brief der Fiammetta anvertraut, die nichts Eiligeres zu tun ge habt hatte, als den Ärief erst dem Grafen Gentile zu bringen —, als eine Ordonnanz den Herrn Leutnant zu sprechen wünschte und diesen zu einer sofort einberufenen Offiziersversammlung zum Herrn Obersten zitierte. Melitta war es sehr lieb, daß Luigino sie verlieb. Sie fühlte sich wirklich so elend, so vollkommen abgespannt, daß sie sich nach einem Augenblick der Einsamkeit sehnte. Sie sah selbst ein, daß sie doch nicht diejenige Frau war, für die sie sich gehalten. Ihr fehlte die Kraft, die physische und seelische, auf die Dauer diesen Aufregungen und Ge fahren stand zu halten. Bei jedem leisesten Geräusch schrak sie zusammen, in der Angst, man wollte sie verhaften; in jedem harmlosen Gespräch glaubte sie irgendeine Anspielung auf sich zu entdecken. Eine Art Verfolgungswahn hatte sich ihrer bemächtigt und ihre Nerven derart überreizt, daß es sie drängte, so rasch wie möglich diesem gräßlichen Dasein ein Ende zu machen. Nur ein Ende! Nur ein Ende! Nur weg, weg von hier, wo sie hinter jedem Baum, aus jeder Schießscharte ein Gewehr auf sich gerichtet sah, — die Verurteilung der Spionin durch das Standrecht. (Fortsetzung folgt.)