Volltext Seite (XML)
Aus Stacit UNÄ Lanä. Mitteilungen auS dem Le^kcelle sür diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. — Das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielt der Hilfslehrer Rollbusch aus Weistropp. — Erntezeit. Nun blitzt wieder die Sense durchs Korn und unter ihrem klirrenden Schnitt fallen die Halme müde zur Seite. Aufgescheuchte Lerchen steigen mit klagendem Lied zur Sonne empor und alles Getier, dem das hohe Korn sicheren Unterschlupf gewährte, flüchtet hilflos nach allen Seiten fort Unbekümmert darum jedoch führen starke sehnige Arme die Sense, eilen geschäftige Frauen und größere Kinder hinter den Schnittern her, um die kostbare Frucht in Garben zu fassen. Wie im Vorjahre, so ist auch in diesem Jahre noch die Frage der Ernte eine brennende gewesen. Wird ihr Ertrag hinreichen, und ein Jahr lang vor Not und Hunger zu schützen? so lautete die eine Frage; und wo man diese bejahen konnte, erhob sich ebenso drohend die andere: „wird es nicht an Arbeitskräften mangeln, bei einem guten Ernteausfall alles fassen und hereinholen zu können? - Nun auch diese zweite Frage hat eine befrie digende Lösung gefunden. Nicht nur durch Beurlaubung einer großen Zahl von Heeresangehörigen hat man die notwendige Schnitterzahl bereit halten können, sondern auch unsere Frauen und größeren Kinder haben bei der immer- hin ungewohnten Arbeit wacker mitgeschafft und tun es noch Auch die Millionenzahl unserer Gefangenen ist herangezogen worden Möge der Himmel uns weiter eine stetige Witterung bescheren, bis die getrockneten Garben sicher in Scheuern und Speichern untergebracht sind. — Einheitliche Mrotmarken für das ganze «Land. In einer Sitzung des Bezirksausschusses der AmtShaupt- Mannschaft Dippoldiswalde teilte Amtshauptmann von der Planitz mit, daß das Königliche Ministerium des Innern ein einheitliches Brotmarkensystem für das ganze Land zur Einführung bringen will, um die hier und da noch bestehenden Unbequemlichkeiten für die Bevölkerung zu beseitigen. — Die Hvssernte dürfte in diesem Jahre infolge der fruchtbaren Witterung außerordentlich reichlich ausfallen Die Aepfel- und Birnenbäume weisen so zahlreiche Früchte auf, daß sie vielfach bereits gestützt werden müssen. Auch die Beerenernte war eine sehr reichliche, so daß nennens- werte Gewinne hieraus erzielt worden sind. Einen unge- wöhnlich reichen Ansatz zeigen in diesem Jahre auch die Brombeeren, die nunmehr zu reifen beginnen. — Sammelt das Iakovst! Der Landesobstbauverein für das Königreich Sachsen gibt bekannt, daß die zurzeit abfallenden Früchte unserer Obstbäume nicht wie in früheren Jahren weggeworfen oder unbeachtet bleiben dürfen, sondern schon jetzt zur Erzeugung von Obstgelee und Obstmarme- lade sehr wertvoll sind. Mit dem Auslesen des Fallobstes entfernt der Baumbesitzer auch gleichzeitig einen schlimmen Obstfeind, die Obstmade. — Eine Aufforderung zum Aehrenleseu veröffentlicht der „Döbelner Anzeiger", indem er schreibt: In unserer Gegend ist eine hübsche Mittelernte zu erwarten. Die Gerste wurde bereits vor 8 Tagen eingefahren Hoffentlich ist den Landwirten gutes Wetter zum Einbringen beschieden und hoffentlich stehen ihnen genügend ArbeitShände zur Ver- fügung Da es sehr an Pferden fehlt, ist es auch not wendig, daß der Nachbar dem Nachbarn beim Einfahren freundschaftlich hilft Da voraussetzlich eine trockene Ernte zu erwarten ist, wobei sehr viele Behren abbrechen, so werden die Landwirte gebeten, für dieses Jahr ausnahmslos das Aehrenleseu zu gestatten, damit nichts von der Ernte der- loren geht. — KiuzieAuug der 25-Sfeuuigffücke. Eine Verfügung des Staatssekretärs des Reichsmarineamts vom 13. Juli weist die Marinekassen an, die in ihren Beständen befind lichen, sowie die noch eingehenden 25-Pfennigstücke nicht wieder zu verausgaben, sondern sie sämtlich der Reichsbank zuzuführen. — Z)ie Auskuuftsffesse vom Note« Kreuz in Dresden befindet sich nicht mehr Marienstraße 17, sondern jetzt Kaschenverg 3,1 (Königliches Patais). — Eine kirchliche Hedcnkfeier am Jahrestage des Kriegsbeginus. Auf Anordnung des sächsischen evangelisch, lutherischen Landeskonfistoriums wird auf ausdrücklichen Wunsch Sr Maj des Königs am Jahrestage des Kriegs beginns (1 August) eine kirchliche Gedenkfeier in allen Kirchen des Landes abgehalten werden — ZLeurlauöung aktiver Wilitäranwärter. Das Sächsische Kriegsministerium gibt bekannt: Während des Krieges ist eine Beurlaubung aktiver Militäranwärter zu zivildienstlichcr Beschäftigung ausgeschlossen Wegen Be seitigung der hierdurch für die Militäianwärter etwa ein- tretenden Nachteile schweben noch Erörterungen. Alle in dieser Angelegenheit an das Kriegsminiflerium gerichteten Anfragen erledigen sich hierdurch. Eine besondere Verunt- wvrtung findet nicht statt — Air und Klauenseuche wurde im König- reich Sachsen am 15 Juli amtlich festgestellt in 56 Ge meinden und 94 Gehöften. Der Stand am 1. Juli war 11 Gemeinden und 17 Gehöfte. 8 L.K. — KeineNetlelgroscheuaudieWauderudeu. Diese Forderung, die seit Jahren von einsichtigen Kreisen erhoben wild, um das Uebel des Bettels auf der Landstraße zu beseitigen, ist jetzt mehr als je am Platze. Es gibt äugen- blicklich in Deutschland keine Arbeitslosigkeit, sondern einen großen Arbeitermangel. Jede Hand wird gebraucht. Selbst ältere Leute, die es vor dem Kriege außerordentlich schwer hatten, bei allem guten Willen irgendwo in Arbeit zu kommen, werden jetzt ohne weiteres gern eingestellt Wer jetzt arbeiten will, findet Arbeit Und wer jetzt bettelnd und fechtend aus der Landstraße liegt und von Tür zu Tür geht, will entweder nicht arbeiten, und verdient deswegen keine Unterstützung, die ihn nur in seinem Nichtstun be stärkt, oder er ist alt und krank und bedarf der Aufnahme in irgend einer Fürsorgeanstalt, die er ohne weiteres findet, wenn er nur wollte. Jetzt ist Gelegenheit, dem Uebel wirk- einmal gründlich zu Leibe zu gehen Es ist keine Hart- Herzigkeit, sondern wirkliches Wohltun, wenn leine Bettel pfennige mehr gegeben werden! — Der nächste sächsische Landtag. Es liegt in den Kriegsverhältnissen der Gegenwart, daß innerhalb eines Jahres gewissermaßen ein Landtag den andern in Sachsen ablöst. War Ende vorigen Jahres der erste Kriegsland, tag notwendig, so folgte ihm wegen des Ablaufes der Mandate zur Zweiten Kammer im Juni der eben >rk be endete zweite außerordentliche Landtag, und nun steht sür den Herbst der ordentliche Landtag zu erwarten. Er wird, wie wir hören, Mitte November etnberufen werden Der früher in Aussicht genommene Einberufungsteimin für September ist infolge des eingeschobenen außerordentlichen Landtags hinfällig geworden Der ordentliche Landtag wird sich mit der Beratung des Staatshaushalts für 1916/17 zu befassen Haven Indessen werden auch einige Negierungs- Vorlagen eingehen, die zum Teil volkswirtschaftliche Ange- legenheiten betreffen. — Die seit dem Jahre 1859 bestehende Königlich Sächsische ANersrentenVank in Dresden - Antonsplatz 1 - gewährt gegen einmalige oder wiederholte Einlagen bis aus Üebensende oder auf eine beschränkte Zeitdauer feste Renten, die keinerlei Schwankungen unterworfen sind Die Einzahlungen können entweder mit Verzicht oder mit Vor behalt der Rückgewähr geleistet werden; je öfter sie erfolgen und je länger sie fortgesetzt werden, um so höher belaufen sich die Renten Jungen oder in den mittleren Jahren Jahren stehenden Personen, die zeitweilig etwas zurücklegen können, ist insbesondere die Erwerbung von aufgeschobenen, von einem bestimmten späteren Lebensjahre ab laufenden Altersrenten zu empfehlen. Für ältere Personen eignen sich namentlich die sogenannten „sofort beginnenden", unter Kapitalverzicht erworben Altersrenten Die erste Einzahlung hat mindestens 20 Mark, jede weitere mindestens 5 Mark zu betragen. Die einem Versicherten von der Altersrenten bank zu gewährende Rente kann bis zu 4000 Mark jähr- lich betragen. Für die Erfüllung der von der Bank über- nommenen Verpflichtungen haftet der Staat, der auch den bei ihr entstehenden Aufwand trägt. Damit ist eine Sicher- heit geboten, wie sie bester bei keiner Versicherung gewähr- leistet sein kann. Versicherungberechtigt sind alle Staats- angehörigen des Königreichs Sachsen, auch wenn sie nicht in Sachsen wohnen, und andere Deutsche, wenn sie zur Zeit der ersten Einzahlung mindestens seit drei Jahren ihren Wohnsitz in Sachsen haben. Nach dem Ermesten der Bank verwaltung können ausnahmsweise auch sür solche Personen Renten erworben werden, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Wer sich über die vorteilhaften Einrichtungen der Altersrenten ank eingehend unterrichten will, wende sich mündlich oder schriftlich an die Bank in Dresden oder eine ihrer zahlreichen Vertretungen in den größeren Orten Sachsens. Aufnahmegebühren werden bei Eingehung einer Versicherung nicht erhoben - „Wüller, schützt Kure SLugtiuge vor der Kitze!'< Wiederkehrende Hitze läßt befürchten, daß ihr, wie schon im Jahre 1911, eine große Zahl unserer Kleinsten zum Opfer fällt. Es sei deshalb an dieser Stelle an die auf Ver anlassung des Königlichen Ministeriums des Innern erfolgte Neuausgabe der „Anleitung zur Ernährung und Pflege des Kindes im ersten Lebensjahre" erinnert (100 Stück zum Preise von 3,50 Mark durch Vermittlung des Königlichen Ministeriums des Innern zu beziehen.) 51. l. — Aerzlticher Sonntagsdienst von mittags 1 Uhr ab Herr Dr med. Polenz als Vertreter des Herrn Dr. med. Bretschneider — Die Aertnsttiste Ar. 174 enthält aus der Stadt Wilsdruff und deren näheren Umgebung keine Namen. — Kesseksdorf- Das Jahresfest des Wilsdruffer Zwcigvereirs für Heidenmission, das am vergangenen Sonntag in Kesselsborf abgehalten wurde, wurde am Vor- mittag durch einen Kindergottesdienst etngcleitet Annähernd 350 Kinder aus den Dörfern ver Kirchfahrt waren zu sammengekommen, um aus dem Munde des Missionars Rüger viel Interessantes über Leben und Treiben der Tamulenkinder zu hören. Am Nachmittag hielt im Fest- gottesdicnst Pfarrer Lippmann aus Niederau die Festpredtgt, der er das Wort der Offenbarung 2, 25 und 26 zu Grunde gelegt hatte Unter dem Thema „Misstonsfreunde, seid unverzagt!" zeigte er, wieviel draußen in der Heiden welt und drinnen in der Chrikenwelt gewonnen sei, und daß trotz der schweren Gegenwart der Herr den verheißenen Sieg über die Heiden geben werde Der Chorgesangvereiw brachte unter Leitung des Herrn Kantor Fichtner Jes. 52, 7 (Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten usw.), in Musik gesetzt von E. F Richter, in formvollendeter Weise zu Gehör Die Nachversammlung im Gasthof zur Krone wurde von Pfarrer Große-Sora eröffnet. Nach einer Begrüßung durch den Ortspfarrer, Pfarrer Heber, nahm Missionar Rüger das Wort zu einem längeren Vor trag: Bei Ausbruch des Krieges war er in Hinterindien (Penang) tätig. Vorher war sein Arbeitsgebiet das Tamulenland in Vorderindien gewesen. Da die Erwerbs- und Lohnverhältniffe in Vorderindien bedeutend ungünstiger find als in Hinterindien, so wandern sehr viele dorthin aus. Er schätzt die Zahl der nach Hinterindten für dauernd oder auf Zeit übergefledelten Tamulen auf zirka 250000. Außer den eingeborenen Malayen findet man in Hinterindien noch zahlreiche zugezogene Chinesen, also ein buntes Völkergemisch Recht anschaulich wußte Redner die religiösen Verhältnisse der sich zum Buddhismus bekennenden Bevölkerung zu schildern. So prachtvoll auch die buddhistischen Tempel (goldene Pagode zu Rangun) sein mögen, so oberflächlich sind die übrigen Aeußerungen deS religiösen Lebens, (zeitweiliger Aufenthalt der Jugend im Kloster, Bettelmönchtum). Durch den Krieg erfuhr seine Arbeit eine Unterbrechung Während er anfangs unbe helligt blieb, wurde er später unter polizeiliche Aufsicht ge- stellt, bis er schließlich mit seiner Familie gefangengesetzt wurde. Während der Gefangenschaft in Penang wurden sie eines Morgens durch Kanonendonner, der vom Hafen her schallte, aus dem Schlafe geweckt. Was sie sofort als Ursache des Kanonendonners vermuteten, war, wie sie später erfuhren, Wirklichkeit Die wackere „Emden" mit dem falschen vierten Schornstein war bei Morgengrauen in den Hafen eingefahren und hatte ein französisches Kriegsschiff und ein russisches Kanonenboot in den Grund gebohrt. Wie schrecklich mögen die Zeiten sür ihn gewesen sein, da er nicht wußte, wie es im deutschen Vaterlande stand. Das einzige, was be kanntgegebenwurde, waren die berüchtigtenReutermeldungen. Trotz strenger Briefzensur blieb die Wahrheit nicht ver borgen und diese brachte neue Hoffnung Rühmend hob Redner immer wieder hervor, daß die indischen Behörden in ihren Maßnahmen gegen die Deutschen menschlich, z. T. sogar freundlich vorgehen. Erst direkte Anweisungen aus London haben die indischen Behörden zu den ZwangSmaß- L2) In äer Järia Origtnalroman von H. A. Revel. (Nachdruck verboten.) „Mir hat Louis die Verhältnisse ganz anders ge schildert." „Aber, Melitta, wie kannst du daS nur sagen? Ich habe so wenig wie möglich allerdings über meine Ver hältnisse mit dir gesprochen. DaS stimmt. Aber ich habe nie gesagt, daß ich nicht über Mittel verfügen könnte, wenn ich nicht wollte. Mama in ihrer Herzensgüte würde jeder zeit „AIS mein Mann brauchst du Mamas Güte nicht in Anspruch zu nehmen —" Die Worte klangen hart und scharf und tief verletzend; Melitta hatte sie nicht ohne Absicht gesprochen. Denn sie hatte gehört, wie Frau Sömnes die Absicht ausgesprochen hatte, vielleicht für ein Jahr in der Nähe ihres Sohnes in Ragusa zu bleiben. Und daS paßte ihr durchaus nicht in ihre Pläne. Frau Sömnes hatte sich erhoben. LouiS ergriff ihre Hand und hielt sie fest, während er zu seiner Frau streng sagte: „Melitta, ich verbiete dir —" „Was?" Sie sah ihn herausfordernd an. Er bezwang sich. „Ich finde, daß dein Ton unserer Mutter gegenüber nicht ganz der rich tige ist." „Du wärst der erste Mensch, der meinen Ton bean standen würde. Und ich bedaure, diesen deinen Vorwurf auf daS Entschiedenste zurückweisen zu müssen." Frau Sömnes atmete schwer. Mit möglichster Ruhe sagte sie: „Ich bitte dich, Melitta, zu bedenken, daß einst weilen Louis jede Aufregung erspart bleiben soll." „Meines Wissens habe nicht ich mit diesem unerquick lichen Thema begonnen. Und ich glaube, es ist besser, wir brechen hiermit ab." Mit diesen Worten verlieb sie das Zimmer, um sich in die neue Wohnung zu begeben, in der sie auch zu nächtigen gedachte; sie wollte heute von den Wehnsdorfs nichts mehr wissen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Louis seiner Gattin nach. Was war das nur gewesen? So hatte er Melitta noch niemals gesehen. Doch hatte er keine Zeit an sie zu denken. Seine tief verletzte Mutter tat ihm un sagbar leid. Hätte er aufstehen können, wäre er zu ihr geeilt, um sich ihr zu Füßen zu werfen und sie zu um schlingen. So aber rief er ihr zu: „Mutter! Mutter! — Aber Mutterl, wie kannst du dir ihre albernen Worte nur so zu Herzen nehmen? Melittas Nerven sind eben total zer rüttet. Denke nur, waS sie durchgemacht hat! Du weißt ja gar nicht, wie sie mich liebt! Sie ist eben einmal anders als andere Frauen, und man muß sie nehmen, wie sie ist. Ich schwöre dir, daß es -um erstenmal ist, daß sie einen solchen Ton anschlägt. Sie hat's auch wirklich nicht leicht. Und du wirst sehen, sie wird dich wieder um Ver zeihung bitten." In dieser Art versuchte er Frau Sömnes zu trösten, die neben dem Fenster saß, ihr Kinn in die Hand gestützt und mit nassen Augen auf die Piazza Gundulic blickend, die schon in schwärzlich-blauem Dunkel lag, während der Dom und der Monte Sergio mit seinem Fort in rötlichem Gelb erglühten, wie zwei brandige Fackeln, die in einen dunklen Schlund leuchteten. Frau SömneS wollte ihren Jungen nicht aufregen und tat so, als ob es ihm gelungen wäre, sie zu beruhigen. Auch auf seine bange Frage: „Nicht wahr, Mutterl, du gehst nicht weg?" antwortete sie, daß sie bliebe, obzwar sie den unumstößlichen Entschluß gefaßt hatte, sobald ihr Sohn genesen war, wieder nach Berlin -urückzukehren. Sie fühlte, daß sie sich mit der Frau ihres Sohnes nie mals so recht verstehen würde, uno daß sie ihr erster Ein druck doch nicht getäuscht hatte. Um ihretwillen war eS ihr ja gleichgültig; aber ihr Louis — ihr Liebling — tat ihr unsäglich leid. Inzwischen hatte Melitta, nachdem sie dem Burschen, der in Trau zu Hause und ein selten intelligenter und hübscher Mensch war, einige Aufträge erteilt hatte, daS Haus verlassen, den Platz überschritten und daS schmale Gäßchen betreten, das zum Dom führte. Sie lächelte in sich hinein über den Ausdruck Pietros^ des Burschen, der sie mit seinen dunklen Augen angeglühi und mit bebenden Nasenflügeln vor ihr gestanden hatte, wie um ihren Duft in sich zu saugen. (Fortsetzung folgt.) Frau Sömnes blickte ihre Schwiegertochter überrascht an. „Dafür wirst du aber doch nicht Lugi verantwortlich machen? Das sind doch alles Nebensächlichkeiten. In erster Linie steht wohl sein körperliches Befinden und seine Genesung." Melitta lachte kurz auf. „Du bist wirklich gut, Mama! Für dich sind das Nebensächlichkeiten? Ich danke schön! Du hast ja leicht reden. Du hast nichts zu tun. Aber ich? Von früh bis abends drüben in der neuen Wohnung " „Liebes Herz", fiel LouiS begütigend inS Wort. „Da für kannst du aber niemand anders einen Vorwurf machen als dir selbst. Denn nur du hast auf deinen Wunsch be standen, eine so große Wohnung zu mieten, wie sie hier kein Mensch hat." Melitta stieg das Blut in die Wangen: „Ich bitte dich, komme mir nicht immer mit demselben Thema! Ich bin eben an einen so engen Käfig nicht gewöhnt. Gräßlich — dieses Ragusa? Wie ein Kerker! Und da soll man sich nicht einmal sein Heim gemütlich einrichten? Gott sei Dank, bin ich in der Lage, es zu können. Und da werde ich eS mir doch wohl behaglich machen dürfen." „Ich wüßte nicht, daß sich jemand deinen Wünschen widersetzt hätte", sagte Frau Sömnes, ohne ihre Ruhe zu verlieren. „Auch mein Sohn wäre in der Lage gewesen, ein gleiches zu tun, wenn er es in Anbetracht seiner dienst lichen Verhältnisse für richtig befunden hätte." Melitta lachte kurz auf. „So? Mir war dies bisher nicht bekannt. Ich weiß nur, daß sich Louis bis jetzt hat sehr einschränken müssen, und trotzdem —" Frau Sömnes blitzte die junge Frau mit einem scharfen Blick an. „Mein Sohn hat es selbst so gewünscht. Daß er sich bisher eingeschränkt hat, lag nicht in einem Nicht anders-Können, sondern in einem Nicht-anders-Wollen."