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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend : 03.07.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782024719-191507033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782024719-19150703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782024719-19150703
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-07
- Tag 1915-07-03
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Monat
1915-07
-
Jahr
1915
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Seinen Brüdern durch Liebesgaben das Leben in Feindes land zu erleichtern, ist der Verein stets bemüht gewesen. — Landwirtschaftlicher Merein für Wilsdruff und Ilmgegend. Am vorigen Dienstag, abends V»? Uhr, fand nach langer Pause im Gasthof „Weißer Adler" eine Sitzung des hiesigen landwirtschaftlichen Vereins statt, zu der auch die lieben Frauen der Mitglieder eingeladen und zahlreich erschienen waren. Nach begrüßenden Worten erwähnte der Vorsitzende, Herr Geheimrat Andrä, daß der Landes- kulturrat Mittel bereit gestellt habe, um Versuche zur Kon servierung der Jauche vorzunehmen, die einen Zeitraum von 90 Tagen beanspruchen Im Herbste sollen mit diesem Düngemittel Anbauversuche in Braunsdorf angestellt werden. Bei Erfolg wird dem deutschen Reich alljährlich die Summe von annähernd 160 Milionen Mark erhalten, die sonst für Stickstoffdüngemittel zu verausgaben sei. Mitgeteilt wird, daß Herr Direktor Dr. Stockhausen Chemnitz zum Geschäfts- führer des landwirtschaftlichen Kreisvereins gewählt worden ist Alsdann spricht der Herr Vorsitzende über die für die Land- Wirtschaft im Vereinsbezirke geplante Beschäftigung Kriegs- gefangener. Infolge der immer größer werdenden Fleisch not wird empfohlen, sich mehr als bisher der vegetabilischen Ernährung zuzuwenden. Aus diesem Grunde sind den einzelnen Vereinen vom Landesausschuß für Kriegshilfe Geldbeihilfen zur Anschaffung von Dörrapparaten zu bewilligen. Von der Aufstellung drei solcher Apparate und der Veran- staltung von Einmach- und Dörrkursen ist bereits in einer früheren Nummer des Blattes eingehend berichtet worden. — In den Verein wurden ausgenommen die Herren Fabrik- besitze! Sinemus-Wilsdruff und Inspektor Kühne-Röhrsdorf. Alsdann gab der Herr Vorsitzende über verschiedene einzelne landwirtschaftliche Fragen Aufschluß und Winke, worüber mit Erheben von den Plätzen gedankt wirb. Der von Herrn Geheimrat am Schluffe noch dargebotene Lichtbilder- Vortrag über seinen Besuch auf dem westlichen Kriegsschau platz wurde mit gleichem Interesse entgegengenommen und ihm hierfür vom stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Guts besitzer Kirchner in Birkenhain, namens der Versammlung besonders gedankt Die Lichtbilder wurden in bekannt liebenswürdiger Weise von Herrn Apotheker Tzschaschel vorgesührt. — Fanneberg. Zur Linderung der durch die feind lichen Einfälle in Ostpreußen entstandenen Not, der außer Hab und Gut auch das sämtliche Geflügel der Besitzer zum Opfer gefallen, ist von den Hausfrauen der beiden Ge- meinden Tanneberg und Blankenstein in nachahmenswertester Weise beigetragen worden Einer diesbezüglichen Aufforde- rung des Ostpreußischen Hausfrauenvereins folgend, sind in den beiden Ortschaften Hühner gesammelt und, in Körbe verpackt, sorgfältig mit Futter- und Trinkvorrichtungen ver sehen, nach Ostpreußen gesendet worden, damit sie den in ihre Heimat wieder zurückkehrenden Flüchtlingen als Ersatz für ihre Verluste dienen und die vereinsamten Gehöfte wieder neubeleben. Die Zahl der zu diesem Zwecke gespen deten Hühner war eine sehr stattliche; sie betrug 120 Stück Ist schon allein das sehr erfreulich, so verdienen noch viel mehr Anerkennung und wärmsten Dank die sofortige Be- reitwilligkeit und Freudigkeit, mit der gegeben worden ist, nicht bloß von den besser Gestellten, sondern auch von den weniger Bemittelten. Es wäre diesen allen zu gönnen ge wesen, daß sie Zeugen der aufrichtigen Dankbarkeit und außerordentlichen Freude hätten sein können, mit welcher, wie aus einem inzwischen bereits eingegangenen Dankschreiben des Gemeindevorstandes von Schakumehlen, Kreis Dar- kehmen hervorgeht, die Hühner in Empfang genommen Worden sind. Möge solch schöner Opfersinn sich allerwärts finden und in der schweren Gegenwart, die noch manche, weitere Anforderungen bringen wird, fort und fort bewähren. — Irisches Höst, insbesondere Krdveere« und Kirschen, darf in Pappkästen mit der Feldpost nicht ver schickt werden, weil die Früchte schon nach kurzer Beförde rungsdauer Flüssigkeit absondern, wodurch andere Sen dungen beschädigt werden. Die Versendung ist nur in sicher verschlossenen Blechbehältern zulässig. Am besten wird von der Versendung überhaupt abgesehen, weil keine Gewähr besteht,» daß die Früchte in gutem Zustande ankommen. — Ungenügend verpackte Feldpostsendungen mit frischem Obst werden von den Postanstalten zurückgewiesen werden. besuch im bauplquarller?^ Ehe das Kriegsjahr 1915 seinen Scheitelpunkt über schritten hat, scheinen noch wichtige politische Entschlüsse ihrer endgültigen Festlegung entgegenzureifen. Reichs kanzler v. Bethmann Hollweg hatte sich in Begleitung des Staatssekretärs v. Jagow vor einigen Tagen ins Haupt quartier begeben und ist jetzt von dort aus zu Be sprechungen mit dem österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen von Burian in Wien eingetroffen, wo er auch vom Kaiser Franz Josef empfangen wurde. Eine solche Reiss und solche Besprechungen haben selbstverständlich in Zeiten, wie wir sie jetzt durchleben, nichts Auffallendes, trotzdem darf man mit Sicherheit annehmen, daß in Wien die letzte Klärung von Fragen erfolgen soll, die durch den Gang der Ereignisse in den letzten Wochen an Dringlichkeit ge wonnen haben. Wir wissen, wie die feindliche Diplomatie unermüdlich an der Arbeit ist, um Bulgarien und Rumänien aus ihrer Neutralität herauszulocken. Beide Staaten haben bis jetzt mit Erfolg diesen Werbungen widerstanden. Wir haben unsererseits zunächst den größeren Wert daraus gelegt, die Heere des Zaren aus Galizien zu vertreiben. Nun dieses Werk im großen und ganzen gelungen ist, müssen auch unsere Staatsmänner die notwendigen Folgerungen aus der veränderten Lage ziehen, denn jeden Augenblick kann auf dem Balkan ein Ereignis eintreten, das eine Verschiebung in den Kräfteverhältnissen der Gegner mit sich bringt und dem wir deshalb nicht unvor bereitet entgegenharren dürfen. Die Verhandlungen des Vieroerbandes mit Bulgarien nehmen trotz der wenig hoffnungsvollen Antwort, die kürzlich in Sofia gegeben wurde, ihren Fortgang. Die bulgarische Regierung soll sich nach Londoner Meldungen bereit erklärt haben, auf der Grundlage des Nationalitäts prinzips und der wirtschaftlichen und kaufmännischen Interessen des Landes über ihre Beteiligung am Krieg in Erörterungen einzutreten, und wenn auch der un versöhnliche Ton der serbischen und der griechischen Presse hinsichtlich der Bulgarien in Macedonien zu gewährenden Zugeständnisse das politische Geschäft nicht gerade erleichtert, so wird doch auf das heißbegehrte Ziel einer baldigen Erneuerung des Balkanbundes mit aller Kraft hingearbeitet. Bulgarien steht aber auch mit der uns verbündeten Türkei in Unter handlungen, gegen die ein neuer Gegner im Anmarsch sein soll. Italien soll nämlich nach italienischen Zeitungs meldungen sich zur Mitwirkung bei den militärischen Unternehmungen gegen die Dardanellen entschlossen haben; zunächst mit seiner Flotte, um England zu ermöglichen, einige seiner großen Einheiten an anderer Stelle, womit wahrscheinlich die adriatischen Gewässer gemeint sind, zu verwenden. Das Schicksal der Türkei sei damit entschieden, ja sogar auch der russische Feldzug werde damit gewonnen sein, denn die Bezwingung der Meerengen werde Rußlands Versorgung mit Waffen und Munition wieder ermöglichen und sein Heer im Kaukasus freimächen. Man'braucht diese Großsprechereien nicht sehr ernst zu nehmen, am allerwenigsten nach den nichtssagenden Er gebnissen, die Italiens Teilnahme am Weltkriege bisher gebracht hat. Außerdem ist nach einer Meldung der italienisch offiziösen „Agenzia Stefani" „das Gerücht, wonach der Ministerrat die Möglichkeit einer italienischen Expedition nach den Dardanellen erwogen habe, völlig unbegründet, ebenso die Nachricht bezüglich der Entsendung italienischer Kriegsschiffe nach den Dardanellen". Mag nun an der Sache etwas sein oder nicht, immer würde es ein Fehler sein, wollten wir die Dinge ruhig an uns herankommen lassen. Es ist schon besser, wenn wir auch diplomatisch die Offensive ergreifen. Die Art, wie Serbien und Montenegro sich beeilen, an der adriatischen Küste festen Fuß zu fassen, gibt manchen Fingerzeig für die beste Methode, die der unnatürlichen Interessengemein schaft des Vierverbandes gegenüber am Platze ist. Viel leicht werden auch wir uns nachgerade zu der Über zeugung bekehren müssen, daß die Neutralität der beiden, bisher vom Kriege unberührt gebliebenen Balkanländer nicht mehr länger aufrecht zu erhalten ist. Den Landweg nach Konstantinopel dürfen wir uns aber unter keinen Umständen sperren lassen, da sonst die Türkei in ihrem Kampf ums Dasein von ihrcn Bundesgenossen getrennt würde. Welche Folgerungen sich daraus ergeben, liegt nahe genug. Wir sind glücklicherweise militärisch stark genug, um nicht lediglich mit Versprechungen arbeiten oder Gaben anbieten zu müssen, über die andere Leute zu verfügen haben. Danach scheinen uns alle Voraussetzungen dafür gegeben zu sein, daß die wichtigen politischen Besprechungen, zu der die leitenden deutschen Staatsmänner sich auf die Reise gemacht haben, zum Ziele führen werden, auch wenn nicht sofort aller Welt verkündet werden sollte, welche Abmachungen zwischen ihnen und unseren treuen Bundes genossen getroffen worden sind. Vas Hrümmerkelä vor Marschau. Ein Mitarbeiter des „Journal de Gensve", der sich hinter der russischen Front befindet, schildert die Verwüstungen des Krieges um Warschau folgendermaßen: Das Leben ist in Warschau genau so normal wie in Paris, aber das Unwetter hat fast vor den Toren der Stadt Spuren hinterlassen, und die Gegend von Grojez (Groszy) hat furchtbar gelitten. Ich bin' bis nach Piaseczno hinüntergegangen. Die gegenwärtige Front ist nicht weit von da, denn die Truppen lagern hier, und man hört fast ständig die Kanonen donnern. Die Schmal spurbahn schlängelt sich durch Felder, die ganz von Lauf gräben durchfurcht sind. Hier und da bemerkt man rauch geschwärzte Mauerflächen: das waren einst Villen, Fabriken, Bauernhäuser. Die Granaten haben nicht viel davon übriggelaffen. Die Ebene ist weithin besät mit frischen Gräbern; man erkennt die der Russen an ihren byzantinischen Kreuzen mit ihrem schräg genagelt» Ouerarm. Piaseczno wurde im 15. Jahrhundert von dem Füri^a Johann von Masowien gegründet und wurde später Bevtz der Könige von Polen. Die Kirche stammt aus dem Jahre 1429. Eine Granate hat sie durch und durch zer trümmert, aber sie steht noch aufrecht, und man hält hier Gottesdienst wie sonst. Durch dis gähnende Öffnung fällt ein Sonnenstrahl auf die dunklen Bänke und auf eine alte purpurrote Kirchenfahne, die in reicher Stickerei das Bildnis der Schwarzen Madonna von Czenstochau zeigt. Das Geschoß hat, als es auf der andern Seite des Gottes hauses wieder hinausdrang, ein Kreuzigungsbild zerrissen, so daß die Fetzen von der Leinwand herunterhängen. Es gibt zweiStadtteile inPiaseczno: diealteStadt, odervielmehr das'Dorf, mit Bauernhöfen und einer langen Ladenstraße und dann die moderne Gartenstadt mft zahlreichen hübschen Villen, in welchen die Warschauer die Sommermonate verbringen. Der alte Stadtteil hat sehr gelitten: die Hälfte der Häuser liegt in Schutt und Asche. Mitten unter diesen Trümmern ist neues Leben erwacht: die noch erhaltenen Läden sind geöffnet, die Bauern gehen und kommen, und die Frauen führen die Kühe zur Tränke. Der moderne Stadtteil war der Schauplatz mehrerer Jnfanteriekämpfe. Die Villen, die noch stehen, sind alle von Kugeln durchlöchert, die Zäune sind niedergerissen, die Fensterläden zertrümmert, die Türen eingeschlagen. Überall findet man große Löcher in den Wänden, in den Ofenröhren, in den Balken und Dielen, und die Villenbesitzer werden, wenn sie wiederkommen, mit mancherlei Unbehaglichkeiten zu kämpfen haben. Im vorigen Frühjahr gab es hier noch schmucke Gärten, in welchen Kinderscharen spielten. Jetzt herrscht in den verwüsteten Baumgängen das Schweigen des Todes. Alles ist öde hier. Die Bäume haben keine Blätter: sie sind tödlich getroffen und siechen hin. Einen seltsamen Anblick gewähren diese Villen: sie sind mit Stichen bedeckt, wie wenn furchtbare Insekten sie auf allen L-eiten angenagt hätten. Man glaubt immer, daß sie beim geringsten Windstoß zusammen brechen müßten. An einem Bach lag ein hübscher Park. Das Gartenzelt ist wie weggefegt. Hier befinden sich jetzt Schützengräben; in allen liegen noch Uniform stücke, Lederzeug und Konservenbüchsen. Die Brücke, die über das Wasser führte, ist mit Dynamit in die Luft ge sprengt worden und in zwei Stücke zersprungen. Man begnügt sich jetzt mit einem Steg. Auf dem jenseitigen Ufer übt Infanterie am Saume eines Waldes. Man hört die Befehlsrufe der Offiziere: die Herren müssen laut schreien, um sich verständlich zu machen, denn immer wieder hört man das dumpfe Dröhnen der Kanonen. Auf dem Kirchhof wird gerade eine arme Frau beerdigt. Ein paar Freundinnen stehen am Grabe, während der Priester In äer Iciria Originalroman von H. A. Revel. 10) (Nachdruck verboten.) Louis staunte jetzt schon. Schon wieder etwas, wovon er nichts gewußt hatte! Die Fiammetta sollte also ihren Haushalt führen? Diese Person mit ihrem heimtückischen Gesichtsausdruck war ihm schon in Rom äußerst un sympathisch gewesen- „Also dabei bleibt's. Ich schreibe Papa um ein Schlafsofa. — Bitte, laß Feder, Tinte und Briefpapier bringen. Ich will sofort schreiben." Nachdem der Kellner das Gewünschte gebracht hatte, schrieb sie unter den Augen ihres Gatten auf Italienisch: „Bitte sofort dem Portier den Auftrag zu geben, meinem Manne, wenn er nach einem Zimmer im ersten Stock für diese Nacht fragen sollte, zu sagen, es wären nur noch einige Zimmer im dritten Stock frei, damit er oben ein Zimmer nimmt. Also bestimmt um neun Uhr erwartet Sie - M." „So", sagte sie, das Kuvert zuklebend. „Ach, nun habe ich vergessen, dich anschreiben zu lassen! Na, schadet nichts. Ein andermal. — Bitte, liebes Herz, lasse mir Mein Jackett von oben holen. Es ist kühl." „Dir muß wirklich nicht ganz wohl sein", bemerkte er besorgt. „Denn ich finde es geradezu mörderisch heiß." Sie lächelte ihn entzückend an, den Brief in ihrer Hand wiegend, um die Aufmerksamkeit des Nebentisches darauf zu lenken. „Ja, du bist eben die römische Hitze nicht gewöhnt und ich noch nicht die rauhe Temperatur, die mich an der dalmatinischen Küste erwartet." „Ich will dir das Jackett lieber selbst holen. Droben liegt alles herum — Und man kennt die Kellner nicht. Ich bin gleich wieder da." Kaum hatte Louis den Saal verlassen, als sie den Brief anscheinend nach ihres Gatten Platz auf den Teller werfen wollte. Doch der Brief fiel auf der anderen Seite zu Boden. Nicola sprang rasch auf, vertauschte mit kaum glaublicher Geschwindigkeit den Brief mit einem leeren Kuvert, das er seit ihrem Winken mit dem Brief in Be reitschaft hatte, und r ichte es ihr, während er ihren Brief einsteckte, um ihn später zu lesen. Sie aber, nachdem sie ihm kühl gedankt hatte — der Saal hatte sich inzwischen nut Gästen gefüllt —, schrieb gelassen und gleichgültig auf das ihr gereichte Kuvert die Adresse des Grafen Flavio Pirantese, Rom. Nicola zahlte und verließ den Restaurationssaal ohne sie anzublicken. Inzwischen war auch wieder Louis zurückgekehrt, der seiner Frau das Jackett anziehen half. Melitta wollte ihm ihren guten Willen zeigen, gegen ihr Unwohlsein an zukämpfen, weshalb sie ihm vorschlug, es noch mit einem kleinen Spaziergang in der Richtung nach dem Kolosseum zu versuchen. „Damit, wenn es vergeht, wir nicht um sonst ein Zimmer für dich bestellen, mein Luigino." Er aber führte ihre Hand dankbar an die Lippen: „Du denkst doch an alles." Längere Zeit schritten sie schweigsam nebeneinander. Ab und zu warf er besorgte verstohlene Blicke nach seiner Frau, die den Blick zu Boden gesenkt hielt, mit ihrem Schirm Bananen- oder Melonenschalen, die auf dem holprigen Pflaster der kleinen unsauberen Straßen lagen, in die tiefe Gosse rechts oder links schleudernd. Sie war gänzlich in Gedanken und überlegte manches. Er hielt ihr Schweigen für ein tapferes Bekämpfen ihrer Schwäche und Nerven, so daß ihn Mitleid mit ihr erfaßte und er ihr vorschlug, wieder ins Hotel zurückzukehren. „Du sollst dich nicht meinetwegen zum Spazierengehen zwingen. Ich weiß, du tatest es nur mir zuliebe." Ein dankerfüllter Blick aus ihren langbewimperten verschleierten Augen und ein leiser Druck ihrer Hand auf seinem Arm dankten ihm. Im Hotel fragte Louis den Portier, ob er ein kleines Zimmer im ersten Stock bloß für diese eine Nacht haben könnte. Doch der zuckte bedauernd die Achseln. Alles sei besetzt; nur im dritten sei eine Art Bodenkammer zu ver geben. Wenn der Herr Baron damit vorlieb nehmen wollte? — Da Louis nun schon nichts anderes übrig blieb, ließ er sich den Schlüssel geben. „Ärmster", klagte Melitta. „Was du alles für mich erdulden mußt!" „Gott, ich tu's ja so gern, wenn's dir nur hilft. Komm, wir wollen auf dein Zimmer." „Ja. Und du bleibst noch etwas bei mir, bis ich müde werde. Bitte!" Keiner war seliger als er, daß sie ihm hierzu die Erlaubnis gab, ehe er sie noch darum gebeten. Während ihres Plauderns drückte sie öfters den Knopf ihrer altmodischen Taschenuhr, die ihr dann stets mit klaren Glockenschlägen angab, wie spät es war. Als die Uhr halb neun schlug, erhob sie sich und bat ihren Gatten, sie allein zu lassen; sie wolle sich zu Bett legen. „Vielleicht siehst du um halb elf oder elf noch einmal nach mir", bat sie, sich an seine Brust lehnend und den Kopf niederbeugend, so daß seine Küsse nur ihr Haar trafen. „Aber natürlich, Herz! Und schlaf recht, recht gut!" „Du auch, Geliebter. Und ich danke dir." ; Sie verschloß hinter ihm die Tür. Blitzschnell ver wandelten sich ihre Züge und nahmen beinahe den Aus druck des Hasses und des Ekels an. Sie seufzte tief auf und streckte und dehnte sich, wie von einer schweren Last befreit, und lauschte noch einen Augenblick an der Tür. Als sie seinen Schritt nicht mehr vernahm, öffnete sie die Flügeltüren des Balkons und vertauschte ihr anliegendes, englisches Kleid mit einer Hellen, duftigen, weißen Matinee, die ihre schlanke Figur mit losen Wellen umfloß. So trat sie auf den Balkon. 3. Kapitel. Melitta beugte sich über das Geländer und sah hinab. Dort drüben an der Laterne stand ein Mann. War es Nicola? Wie zufällig ließ sie ihr Taschentuch wehen. Der Mann verschwand. Ihr Herz pochte zum Zerspringen. Sie rang nach Atem. Auf den Zehenspitzen eilte sie nach der Türe, die auf den Korridor führte, und öffnete sie leise, ganz leise. Dann lauschte sie angstvoll. Jemand kam die Treppe herauf. Sie hörte dessen gedämpften Fußtritt. Um ihr Spähen zu motivieren, nahm sie ihre Stiefel, um so zu tun, als wolle sie sie hinausstellen. (Fortsetzung folgt.) ,
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