Volltext Seite (XML)
zu mac Meines Kameraden verfolgte ich eine ganze Weile den Zick zackflug der feindlichen Flugzeuge. Ich und drei Kameraden waren zur Bedeckung des Maschinengewehres. Dichter und dichter zogen die gewaltigen Vögel ihre Kreise über unsere Häupter, als wollten sie genau erkunden, wer da umen in dem Graben säße Wir müssen wohl ein gutes Ziel ge boten haben; denn es dauerte nicht lange, da hörten wir einen furchtbaren Schrei neben uns, vielleicht zwanzig Meter rechts Ein Kamerad fiel zu Boden. Wie wir nachher er- fuhren, hatte ihn einer der englischen Fliegerpfeile getroffen, direkt durch den Kopf. Die Spitze sah zum Kinn wieder heraus. Die Gewalt eines solchen Geschosses ist furchtbar. Wir suchten schleunigst Deckung Mit Sehnsucht warteten wir auf unsere Artillerie Kein Schuß ließ erkennen, daß sie bereits Kunde von den Fliegern hatte. Plötzlich hörten wir ein unheimliches Pfeifen und sahen, wie unmittelbar unter dem einen Flugzeug sich eine schwarz-gelbe Wolke bildete, die nach und nach weiß wurde und lange Zeit am Himmel stehen blieb. Auf einmal folgte Schuß um Schuß von unserer Artillerie. Wir verfolgten das interessante Schauspiel. Immer schneller folgten die weißen Wölkchen den Flug zeugen Plötzlich sahen wir, wie eine gewaltige Feuergarbe in die Luft schoß, die mit furchtbarer Geschwindigkeit zu Boden sauste. Ein Volltreffer hatte das eine Flugzeug heruntergeholt. Das andere hatte aber nicht umsonst über uns gekreuzt Das sollten wir zu fühlen bekommen. Mit tödlicher Sicherheit lichtete sich die schwere englische Schiffsartillerie auf unsere Schützengräben Es war ein Höllenfiuer, was ich nie vergesse. Fünf Stunden lang pfiffen die Granaten über unsere Köpfe, schlugen mit donnerndem Krach vor und hinter uns ein oder krepierten mitten unter unseren Kame raden. Das war ein Schreien und Wehklagen, was ich noch heute höre Wie durch ein Wunder blieben wir heil. Ich hatte ja gebetet Wir haben keine Furcht gehabt. Aber zehn Minuten lang haben wir vier Todesangst ausgestanden. Das war ein schreckliches hohles Pfeifen in der Luft. Dann leiser und leiser wurde es, bis es ganz aufhörte. In diesem Augenblick war gerade ein starkes Zischen vor unserem Platz, als wenn glühendes Eisen ins Wasser gehalten wird. Als wir vorsichtig hinaus spähten, stockte uns der Herzschlag Wir alle wurden bleich wie der Tod. Einen halben Meter vor uns war ein Blind gänger niedergegangen. Zischend war die heiße Granate in den Lehm gefahren. (War nicht explodiert.) Sonst lebte ich heute nicht mehr. Nun unsere Angst, daß sie noch platzen könnte, ist leicht zu denken Zehn Minuten haben wir so in Angst geschwebt. Dann hoben wir die Granate auf und trugen sie fort, daß sie uns nicht mehr schaden konnte. Diesen Tag werde ich nie vergessen. Allmählich wurde es Abend, die Sonne ging golden unter. Dann trat Ruhe ein mit Einbruch der Finsternis. Nun ging das Maschinen- gewchrfeuer los, und wir schossen auch munter mit. Dann ging es zum Sturm milten in der Nacht. Rechts von uns Bayern, links Preußen Wir waren ein Zug Zum Sturm geht es mit gefälltem Bajonett Da ging es auch bunt her. Dann kamen die Krankenträger und schleppten die Ver wundeten und Toten weg. Wir hatten die englische Stellung erstürmt. Beinahe kriegsgefangen. Alfred j)fützner, Wilsdruff. (Nachdruckverboten.) kf Es war am 10. September, dem ersten Tag nach dem langen Ringen bei Sompuis Die 1. Batterie des Feld-Artillerie-Regi- ments Nr. 12 sollte den Vortrupp der Vorhut bilden. In diesen Tagen trat doch das 12 Armeekorps den Rückmarsch an, da die Uebermacht, die ihm entgegengestellt wurde, eine nicht zu be- wältigende war. Diesem einen Korps standen acht fran- zösische Korps gegenüber. Also die 1. Batterie war eigent lich ohne jede weitere Verbindung mit dem Regiment. Man fuhr seelensvergnügt in das Dorf Sommesus ein und da hinter wurde biwakiert. Schon hatte man Stall geschlagen, nur abgeschirrt und abgesattelt- war noch nicht. Aber man wollte eben das schönste Mittagsmahl zurecht machen, da auf einmal, bum, bum. Man schoß uns in unser Lager. Feindliche Artillerie hatte uns überrumpelt und die Spreng punkte waren direkt vor uns. Jetzt war nun guter Rat teuer. Es wurde natürlich so schnell wie möglich eingepackt, Fleisch, geschälte Kartoffeln usw. blieb natürlich alles liegen und kein Mensch dachte noch an Hunger Nun aber aus dieser Klemme heraus. Dahinter lag eine Höhe; sollten wir diese passieren, konnte der Feind uns am allerbesten überblicken Doch was halfs, es wurde gewagt. In völligster Karriere gings auf und davon. Und wirklich, man hatte Glück, unbeschädigt kamen wir alle weg. Auf der übernächsten Höhe wurde nun ausgefahren und den Franzen entgegengeschickt, was aus den Rohren herausging. Doch nach und nach hatte man sich drüben immer weiter und weiter herangemacht, so daß in der Nacht unsere Batterie allein nach drei Fronten schoß. Eine Kompagnie . . .er Jäger, die übrigens immer ihre Sache sehr gut gemacht haben, war unsere ganze Infanterie. Während der Nacht beschoß man uns nun ganz ungemein. Trotzdem waren die Verluste immer noch verhältnismäßig gering. Der Tote, den wir hatten, war unser Wachtmeister. Einige Verwundete und einige tote Pferde gab es noch. Für uns bedeutete es denn eine Erlösung, als man etwas zurückging. Noch größer war aber die Freude, als man den nächsten Morgen mit dem Feld-Artillerie-Regiment Nr... zusammen kam, fehlte doch nur ein Haar und wir konnten heute in französischer Gefangenschaft schmachten. Gott war wieder mal sichtlich wie immer mit uns. Feldpostbrief. Kurt hörig, Wilsdruff. (Nachdruck verboten.) (Schluß.) » Inzwischen sind auch andere Kompagnien in den Ort eingerückt. Ein Trupp Zivilisten wird an uns vorbeigeführt und nimmt an einer Mauer Aufstellung. Es ertönt das Kommando: „Grenadiere von der Mauer weg!" Im nächsten Augenblick kracht eine Salve und ein Menschenknäuel liegl an der Mauer, ein Trupp (vielleicht 50 Personen) dieser hinterlistigen Schurken hat hier seine Strafe erhalten, und mancher Kamerad, der von einer mörderischen Kugel getroffen wurde, ist gerächt. Wunderbarerweise hat unsere Kompagnie keine Verluste, außer einigen Streifschüssen. Wir rücken an die Maas hinunter Hier haben unsere Pioniere eine Pontonbrücke gebaut, doch nur bis zur Hälfte, die übrigen Pontons sind in dem heftigen Gewehrfeuer zerschossen worden, und wir werden auf Flößen übergesetzt. Am andern User hocken die Zivilisten gruppenweise, teils die Hände hoch hebend, teils mit weißen Tüchern winkend, zum Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung. Da hier nicht auf uns geschossen wird, geschieht ihnen auch nichts; nur einige Gruppen von uns bleiben zur Bewachung zurück. Nachdem die Kompag nie vollständig übergesetzt ist, geht's weiter durch den Ort N . . die Höhe hinauf. Unsere Artillerie hat hier furchtbar gearbeitet. Fast kein Haus ist unbeschädigt Dicht hinter dem Orte befinden sich die ersten feindlichen Schützengräben, die die Franzosen unter dem verheerenden Feuer unserer Artillerie verlassen haben. Nur wenige waren zurückge blieben, die unsere Pioniere mit Unterstützung unserer Maschinengewehre im Sturmangriff zurückgeworfen und einen Teil davon gefangen haben. Wir gehen hier nicht weiter vor, sondern biwakieren diese Nacht unter freiem Himmel — in der Ferne blinken die französischen Wacht io feuer, und ringsum ist der Himmel erleuchtet von brennenden Dörfern und Strohfeimen, die im Laufe des Tages in Brand geschossen waren Wir haben unsere Feuertaufe erhalten, und der 23. August ist vorrüber. Es war auch ein Sonn tag I Am anderen Morgen geht's weiter. Erst jetzt zeigen sich uns die ersten Spuren von der Verheerung, die unsere Artillerie angerichtet hat Ueberall an der Straße tote Franzosen. Fluchtartig war der Feind zurückgegangen. Auf einem verlassenen Biwaksplatze hängen die Kessel noch über den verlöschenden Feuern, zum Teil noch mit Esten, das die Franzosen in der Eile zurückgelassen haben. Massen- Haft liegen zu beiden Seiten der Straße die französischen Tornister, Mäntel, Gewehre und alle möglichen Ausrüstungs stücke, die die Franzosen weggeworfen haben. Dazwischen tote Pferde, ja sogar einige Geschütze haben sie in der Eile stehen lasten. Ein besonders grausiges Bild gewährt ein Sanitätswagen Eine Granate hat einen gewaltigen, über die Straße hängenden Felsblock losgelöst und dieser hat einen darunter hinwegfahrenden französischen Sanitätswagen samt Pferden und Mannschaften zerschmettert. Auf den Straßen läuft um die brennenden Trümmer der Häuser das oft schon seit Tagen hungernde Vieh laut brüllend umher. Ueberall dieselben Bilder der Verheerung. Wenn ich mir vergegenwärtige, daß dies alles in unserer Heimat hätte ebenso werden können, dann kann man dem Herrgott nicht genug dafür danken, daß sich der Schauplatz des Krieges fern von unserer Heimat befindet. Doch nun genug für heute. Ich glaube, daß Du Dir jetzt von den hier herrschenden Verhältnissen einen kleinen Begriff machen kannst Andermal mehr. Und so schließe ich denn mit den herzlichsten Grüßen an Euch alle. Euer Kurt. Gefangen. 8 September 1914. Im altehrwürdigen Reims. Fuß krank, habe sehr unter den großen Märschen gelitten, Füße die schweren Stiefel nicht gewöhnt. In den schlachten um Dinant, Rethei, Chalons, Reims und wieder Chalons großes Glück gehabt. Reims hat Gelo bezahlt nach kurzer Be schießung, Stadt in vollem Betrieb. Eigene Gedanken be wegen, das Herz, wenn man im Dom die Menschen in- brünstig beten sieht, doch um den Sieg, und wir als Sieger stehen dabei. 26. September 1914. Schwere Stunden liegen hinter uns, Stunden, in denen keiner dachte, die Heimat wteder- zusehn. Unser armes Regiment. Immer waren wir vorn dran, gegen eine Uebermacht, gegen einen — zu seiner Ehre seis getagt — geschickt geführten, überlegt handelnden Gegner, immer mitten im Feuer, darum auch die großen Verluste Am 15. September Gefecht, das den ganzen Tag dauerte (Tag vorher 50 Kilometer Marsch bei großem Regen). Trotz der Müdigkeit mußten die Reste unseres zweiten Ba taillons noch bis nachts V,2 Uhr die Wälder abstreifen. Sobald wir hielten, lag alles im Grase, niemand achtete auf den strömenden Regen, der uns bis auf die Haut durchnäßte. Todmüde kamen wir im erstürmten Dorfe La Ville aux Bois an. In die Gehöfte rechts und links der Straße, feste Mauern bis unters Dach, das Gehöft rings abgeschlossen durch Mauern, kein Scheunentor. Wachen wahrscheinlich wegge schossen, stiller Alarm, der aber im Geschrei der das Dorf gegen >/,5 Uhr stürmenden Franzosen nutzlos war, da zu spät. Nun begann eine 13 stündige Verteidigung, bis '/z6 Uhr abends. Wir haben hier wirklich Menschenmögliches geleistet. Zuzusehn, wie ein Kamerad nach dem andern fällt oder verwundet wird und wenig helfen können, weil alle Mann auf Posten sein müssen, das war schlimm. Die Scheune wurde in Brand gesteckt, wir löschten mit Jauche. In solcher I Notß lernte jeder ßManng IwiederMeten. Immer habe ich auf dem Dach nach Hilfe ausgeschaut. Um mich herum wurden die Ziegel von Geschossen zer- schmettert, es wurde Abend, es kam keine Erlösung. Wir steckten die Nachbargebäude in Brand, weil wir drüben hämmern hörten. Eine unheimliche Explosion. Eine ganze Scheunenmauer hob sich. Da eröffnete uns ein französtscherOffi- zier in einem Ultimatum, daß wir uns binnen 10 Minuten er- geben sollten oder in die Luft gesprengt würden. Unseren Offizieren wurde gezeigt, wie alle Mauern unter miniert waren. Nutzlos sein Leben opfern ohne Erfolg fürs Vaterland, ist Unsinn, drum Uebergabe Das Schmerzlichste mußte sein. Prisonnier de guerre! Im sonnigen Süden, in Mon- tauban, im Garten einer großen Exerzierhalle. Die über- müdeten Körper können sich gut erholen, und die Nerven werden bald wieder stark sein Aber Sehnsucht, Riesen- sehnsucht nach der Heimat packt mich, wenn ich auf meinem Strohlager schlaflos die Nacht verbringe. Ks ist eigen, wie hier die Liebe zur Keimatschoste zu Hester Glut ent facht wird, wen» man so fern ist. fern öleiven muß! Keiner wird müde, von seinem Keimatland zu erzählen! (Fortsetzung folgt.) Unsere Heimat unter dem Joche Napoleons. Artur ALHn-, Wilsdruff. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Früh am anderen Morgen, als der Herzog an Ort und Stelle kam, wurde ein Kriegsgericht abgehalten und die Schuldigen bestraft. Ein Husar, der in dem Dorfe Birkenhain') den Richter und Kirchenvorsteher erschossen 0 Vgl. dazu Vorwerk, Chronik von Wilsdruff, S. 57. Am schlimmsten ging es in Birkenhain und Limbach her, woselbst sie in der Nähe der Struth ibr Bivouac ausgeschlagen hatten. So z. B. sprengte ein Husar dieser Truppen gegen das damals Tammische Gut an. Da er es verschlossen sand, forderte er mit Gewalt die Er öffnung, und da ihm dieses verweigert wmde, so steckte er das Gul durch einen Schuß in das Strohdach in Brand. Noch an demselben Nachmit tag drangen drei Husaren in Birkenhain aus Plünderung ein. wobei der damalige Gutsbesitzer Richter und Kirchenvorsteher Johann Georg Rülker am 12. Juni 1809 jein Leben verlor Die Soldaten nämlich verlangten von ihm mit großem Ungestüm Geld, dessen Herausgabe aber Rülker, ein kräftiger und beherzter Diann, furchtlos verweigerte. Sosort schoß ihn einer dieser Unmenschen unter der Psorle seines Hauses nieder. Von hier aus begaben sich diese Räuber, denn so muß man sie (die drei Hu saren) nennen, nach Limbach, woselbst sie auch den damaligen Schullehrer Börner aus ganz abscheuliche Weise turbirten und unter Haltung der Pistolen aus die Brust Geld von ihm sorderten. Der eine der Husaren schrie ihm zu: „Schaff Du gleich Geld! Wo nicht, so soll es Dir gehen, wie dem Manne da drüben!", wobei er nach Birkenhain zeigte. Um das Leben zu erhalten, gab Börner, was er eben hatte. Von ihm weg, kaum bis zum dritten Bauer geritten, wollten diese Husaren den Knechl des Burkhardt'schen Gutes erschießen, weil er mit zwei der besten Pferde aus dem Gute flüchtete und aus den grimmen Zuruf der Husaren: „Halt Bube!" nicht achtete. Die Kugel aber, welche unmittelbar aus den Kopf gerichtet war, riß nur den Hut herab und der Knecht entkam glücklich. — Sobald nun der in Wilsdruff stehende Herzog Wilhelm hiervon Nach richt erhielt, und bei ihm aus die Beftramng des Thäters angetragen wurde, ließ er seine Soldaten, um den Täter zu entdecken, die Revue passiren. Er war aber nicht dabei. Nun wurden fämmtliche Posten ab gelöst und siehe, man entdeckte unter Zuziehung eines Dorsglasers (dieser Mann war nämlich gerade in der Stunde bei Rülker in Birkenhain an wesend, in welcher der Uebersall und Mord geschah), der sich den Sol daten genau betrachtet hatte und ergriff ihn. Sosort wurde ihm das Todesuriheil gesprochen, zu dessen Vollstreckung einige Mitglieder des Stadtraths zu Wilsdruff als Zeugen entboten wurden, welches noch durch verkehrte Bestellung zu dem Mißverstände, als ob Jemand aus der Mitte derBürgerjchasterswossenwerdensillle,Veranlassungga-.DüErekulion geschah aus der Anhöhe des Weges nach Hühndors. — Als der Geistliche imt dem Delin quenten betete, versuchte derselbe Milderung seines Schicksals dadurch zu erlangen, daß er vorgab, er habe den Mard im Zustand« der Betrunken-