Volltext Seite (XML)
WchMM für UMM Beilage zu Dr. 7 Donnerstag, äen 21. Januar 1915. Der Krieger und feine Jungen. Die Mutter schiebt fröhlich den Kinderwagen; Drin sitzt der Kleinste in Hellem Behagen. Der Vater als Krieger geht nebenher; Sein Schritt ist noch vom Marschieren schwer. Er kam erst jüngst aus dem Krieg zurück: Die Linke durschschlug ein Granatenstück. Oben in Flandern war er dabei, Doch der rechte Arm, der blieb noch frei; Der hat gar viele der Feinde bezwungen. Heut trägt er damit seinen ältesten Jungen. Und Kind und Vater lächeln sich an. Warm wird ums Herz dem Kriegersmann: Er trägt Deutschlands Zukunft und Deutschland Glück Und auf den Jungen leuchtet sein Blick. Er fühlt, es ist nicht umsonst gewesen, In seinem Leben werden sie lesen, Was rechter, deutscher Mannesmut heißt, Und Vaterland ist und Soldatengeist, Wie deutsche Helden mit Ehren besteh'n, Daß ihre Fahnen zum Siege weh'n Die Jungen werden einst Männer sein Und wie er sich dem herrlichen Deutschland weih'n, Und Helden sein im Frieden und Krieg, Und das Leben sich schmieden im Kampf und Sieg, Als ganze Deutsche mit Herz und Hand. Du gehst nicht unter, o Vaterland! Reinhold Braun. Matthias Claudius. (Zu seinem 100jährigen Todestag, 21. Januar) Wer kennte ihn nicht, den lieben „Wandsbecker Boten", der am 21. Januar vor 100 Jahren seine Augen schloß Wer müßte nicht seine schlichte und tiefe, innige und sinnige Art lieben. In der Tat, Matthias Claudius ist jetzt zum Eigentum des ganzen deutschen Volkes geworden. Und wenn wir uns in diesen Tagen gern besinnen auf die deutsche Art, dann müssen wir vor allem auch bei diesem Manne freudigen Stolz empfinden. Das ist eine Gestalt, wie sie kein anderes Land hervorbringen konnte, als unser liebes deutsches Vaterland. — An der Heimat hing denn auch der alte Claudius mit der ganzen Glut seiner Seele. Sein Haus war eine Stätte, wo sich viele der bedeutendsten Geister jener Zeit zusammen- fanden. Genannt seien Herder, Jakobi, Hamann, Lavater u. a. Was diese Männer zog und fesselte, war jene schlichte Heiterkeit und Tiefe, die um Matthias Claudius stets zu finden war. Das war das Bild einer deutschen Familie, wie sie sein soll, hier wohnte Glaube, Liebe, Freude beiein ander. — Und dieser gleiche Geist weht einem heute noch entgegen, wenn man ein Buch von Matthias Claudius auf- schlägt. Es ist ein wahres Glück, daß seine Werke jetzt sowohl in preiswerten, wie auch in künstlerisch vollendeten Ausgaben (Rud. Schäfer) unserem Volke wieder zugänglich gemacht worden sind. Man hat für eine Auswahl seiner Werke den Titel gewählt: „Bei den Demütigen ist Weisheit." Damit ist in der Tat das tiefste Wesen dieses Mannes an- gedeutet. Er wollte nichts aus sich machen, er war voll Einfalt und ursprünglicher Natürlichkeit, aber gerade darum fielen seine Urteile immer so ungemein treffend aus, darum besaß er jene Weisheit, die nicht grübelt, sondern schaut, die wohl nicht blendet, aber auch sich nicht blenden läßt. Doch neben seinem friedvollen, milden Sinn war Claudius auch fähig zu dem starken deutschen Manneszorn. Er schreibt einmal: „Es ist etwas im Menschen, was sich vor keiner Gewalt beugt und fürchtet und durch keine Gewalt über wältig werden kann." So konnte er mit ganzer Seele für die gute und gerechte Sache streiten Auch einen Krieg, wie den in unseren Tagen hätte er gewiß zu seiner Sache ge macht. Dafür mag hier ein Wort angeführt sein, das er in seinem Alter schrieb: „Wir in unseren Jahren möchten die Engländer lieber ohne Schwertschlag zur Besinnung gebracht sehen; wir haben keine Freude am Blutvergießen und die Kriegs- und Siegeslorbeeren sind eitel sür uns und reizen uns nicht mehr. Aber Notwehr und Selbstver teidigung gegen Gewalt und Unrecht, seinen Fürsten und sein Vaterland lieb haben, ist ein ander Ding und wir werden trotz unserer grauen Haare im Fall der Not, wie mächtig der Feind auch sei, den Rücken nicht wenden. — „Schilt mir den Mann nicht, der für Recht und Billigkeit stehen bleibt und die Hand ans Schwert legt. Etwas von OOOKKKKOOKGKO vsm ,8. blr 24. Januar Reichstvolltvoche. DGOKOKGOOKGKO dem Drei-Männer-Trotz, der sich auf nichts in der Welt als auf sich selbst und seine gute Sache stürtzt, ist nicht so übel". — Man steht, es ist bei Matthias Claudius dieselbe innige Vermählung von Kraft'und Zartheit, von Männlich- keit und Kindlichkeit, wie sie etwa auch Luther zeigt und wie sie ein Merkmal rechter deutscher Art und deutschen Wesens ist. So grüßt er uns nach 100 Jahren mit dem Rufe: Deutsche, haltet aus, laßt euch nicht eure schöne Heimaterde nehmen. Aber denkt auch alle Zeit daran, wo euer größter Reichtum liegt: Im tiefen, stillen, innerlichen Wesen, in deutscher Treue und in unverfälschtem Glauben, in Demut und in Frömmigkeit! Pr. Aus Ztaät unci Lanä. Mitteilungen aus dem Leserkreise sür diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. — Der König wohnte Sonntag vormittag dem Gottes dienst in der katholischen Hofkirche bei und erteilte später im Restdenzschloffe an zahlre che Herren Audienz. Mittags fand beim König Familientafel statt. — Keldpostvriefe nach dem Jekdherr üver 25V vis 50V Gramm werden für die Zeit vom 1. bis einschließlich 7. Februar von neuem zugelassen. Die Gebühr beträgt 20 Pfennige. — Kegekung des Dienstes beim Postamt Wilsdruff am 27. Januar (Kaisers Geburtstag): Die Schalter sind geöffnet von 8—9 und 11—.12 Uhr vormittags. Es findet im Orts- und Landbestellbezirk nur eine einmalige Brief-, Geld- und Paketbestellung statt. Die Leerung der Brief kasten und der Posteingang erfolgt wie an Werktagen. — Der hiesige Kvangelische Wund hatte am vorigen Montag abends ö Uhr im „Weißen Adler" zu einem Vor trag des Herrn Superintendent Siedel aus Mühlen in Ost preußen über Rusfennot in Ostpreußen alle Bewohner von Stadt und Land eingeladen. Trotz des ungünstigen Wetters war der Besuch überaus groß, besonders waren die Land bewohner zahlreich erschienen. Nach dem allgemeinen Ge- sang des Lutherliedes „Eine feste Burg ist unser Gott" und dem Verlesen drs 68 Psalms hieß der Vorsitzende des Bundes, Herr Schuldirektor Thomas, alle Anwesenden, ins besondere Herrn Superintendent Siedel herzlich willkommen. In einer tiefempfundenen Ansprache gedachte derselbe der Gründung des deutschen Reiches, die vor 44 Jahren er folgte. Segensreich ist die Zeit bis jetzt gewesen für unser geliebtes Vaterland. Und heute, in der schweren Not, die Neider und Hasser über uns gebracht haben, steht das deutsche Volk da als einig Volk von Brüdern, das keine Trennung in Not und Gefahr kennt. Der heutige Tag der Reichsgründung muß und soll dem ganzen deutschen Volke ein Buß- und Bettag sein. Alle Verfehlungen sollen heute mit Reue Gott vorgetragen werden mit der Bitte um Vergebung und Beistand in dem blutigen Ringen. Inmitten der Not haben wir aber auch Ursache, Gott zu loben und zu danken. Der Kampf wird ausgefochten auf Feindes land, nur ein kleiner Teil unseres Vaterlandes war au ' kurze Zeit der Tummelplatz russischer Horden. Gott ha den deutschen Waffen bisher Kraft gegeben, einer Welt voll Feinden zu widerstehen, mit guter Ernte hat er uns im vorigen Jahre versorgt, daß wir Brot haben und hoffent lich nicht Not leiden müssen. Die Felder find im ver gangenen Jahre wieder mit frischer Saat bestellt, und wir hoffen, daß uns auch in diesem Jahre ein reicher Erntesegen be- schieden sein wird. Gottes gnädiger Beistand muß uns veranlassen, ihm Lob und Dank darzubringen, und auch die vielen, denen der Krieg schweren Kummer gebracht hat, müssen mit darin einstimmen, denn er legt uns eine Last auf, aber hilft uns auch. Begeistert wurde die herrliche Ansprache ausgenommen. Aus eigener Anschauung schilderte sodann Herr Superinten dent Siedel die große Not, die durch den Einmarsch der Ruffen in ostpreußisches Gebiet hervorgerufen wurde. Im ersten Teile seines Vortrages wies Redner aus der Ge schichte nach, daß Ostpreußen schon oft der Schauplatz blutiger Kriege gewesen sei, im zweiten dagegen entrollte er ein Bild der Greuel, die kurz nach Ausbruch des jetzigen blutigen Völkerringens durch russische Kriegshorden, beson ders durch die Kosaken über sein Heimatland, Ostpreußen, gebracht worden seien. Obwohl die verübten Schandtaten der Russen aus Zeitungsberichten schon hinlänglich bekannt sind, waren die von dem Vortragenden wiedergegebenen Berichte insofern für die Anwesenden interessant, weil sie eigene Erlebnisse veranschaulichten. Herr Superintendent Siedel hat nicht nur die Verwüstungen schauen dürfen, sondern hat selbst mit seinen Angehörigen mehrmals in den Wald flüchten müffen, ist gefesselt und als Spion fortgeführt worden. Mancher brave Bewohner hat unter den Säbel hieben und Stichen sein Leben qualvoll ausgehaucht, viele find nach an ihnen vorher begangenen Schandtaten dem Feuertode preisgegeben worden. Auch das Los der Zurück kehrenden war nicht leicht, denn sie fanden die heimatliche Scholle ausgeraubt und durch Feuer zumeist gänzlich vernichtet. Eingehend schilderte Redner die Schreckenszeit, die die Be wohner der Orte Tannenberg, Neidenburg, Allenstein, Jo hannisburg, Lyk, Prostken und Angerburg erleben mußten. Der in Ostpreußen verursachte Schaden dürfte ungefähr 400 Millionen Mark betragen. Großer Beifall wurde dem verehrten Redner nach Schluß seiner eingehenden Ausfüh rungen gezollt. Eine Tellersammlung erbrachte den erheb lichen Betrag von 304 Mark. - Lugau. Um die Kohlenförderung während des Krieges zu heben, ist geplant, auf einigen Kohlenwerken versuchsweise die zehnstündige Arbeitszeit anstatt der bis herigen achtstündigen Arbeitszeit einzuführen, und zwar nur für die Kriegsdauer. Arbeiter, die an Orten mit mehr als 28 Grad Wärme arbeiten, sind davon ausgeschlossen. — Schwarzenberg. In der Nacht zum Dienstag er eignete sich in dem Wasserstoff-Sauerwerk in Schwarzen- Hammer und Schwert. Roman von Guido Kreutzer. 17) (Nachdruck verboten.) Der Gehpelz war ihm draußen vom Diener ab- renommen; so saß er im schwarzen Besuchsrock, gestreiften Beinkleidern, die Hellen Handschuhe über den Knien. Er lprach ein tadelloses flüssiges Deutsch; kaum hin und wieder rin fremdländisch anmutender Akzent. Und immer in Bewegung und Mienen die diskrete chevalereske Verbind lichkeit seiner romanischen Rasse. »Vor allem, Herr Kommerzienrat, habe ich dafür zu banken, daß Sie die Güte hatten, mich in Ihrer Privat wohnung zu empfangen. Ich möchte dabei gleich betonen, daß die indirekte Anregung dieses Besuches von dem mir freundschaftlich nahestehenden Herrn Oberleutnant Baron vreffensdorf ausging." „Nanu?!" meinte Theophil Gerland beunruhigt, was im Ton einigermaßen gegen die aalglatte Courtisance des Besuchers abstach. ' Dom Valmaceda jedoch schien diesen Naturlaut rück sichtsvoll zu überhören; er lächelte unentwegt weiter. ' »Ich habe das Vergnügen, häufig dem Baron im Klub zu begegnen. Bei einem dieser Rendezvous hörte ich auch, daß er die Ehre genießt, mit Ihrem Fräulein Nichte verlobt zu fein. Darf ich mir gestatten, Herr Kom merzienrat, Ihnen dazu meinen verbindlichsten Glückwunsch auszusprechen." „Sone hanebüchene Frechheit von dem BressenSdorf! baS wird ja immer doller!" . . . stummer Gedankengang des alten Herrn, der nichtsdestoweniger mit einem ver kniffenen: „ülsroi, Monsieur!" replizierte. „Herr Kommerzienrat sind über diese verwandtschaft liche Konstellation doch gewiß hocherfreut. ' „Aber ganz außerordentlich; es ist damit einer meiner Herzenswünsche in Erfüllung gegangen!" f „Ähnliches bestätigte mir der Baron auch schon." »Allo der soll mir nur unter die Finger kommen! Und wenn dieser unangenehme Patron da drüben nicht bald aufhört..." „Der Baron soll ein äußerst tüchtiger Offizier sein!" Der Finanzier sah bloß noch Rot vor den Augen. Gleich mußte die Bombe platzen. Das fehlte auch noch, sich in seiner eigenen Wohnung veralbern zu lassen! Ein letzter Versuch zur friedlichen Lösung: „Äußerst tüchtig! hochbegabt! geradezu hervorragend! Aber sagen Sie, mein Herr . . . handelt es sich bei Ihrem, mir natürlich sehr schmeichelhaften Besuch um den Herrn Baron BressenSdorf?" „kas äu tout, Herr Kommerzienrat, sondern um die Lieferung der von unS ausgeschriebenen zweiundvierzig Schnellfeuerbatterien!" Da fühlte Theophil Gerland, wie ihm blitzschnell Heib und wieder kalt wurde. Die Entscheidung sollte doch erst Anfang Januar, in etwa drei Wochen, fallen?! Was be deutete dann aber dieser Besuch; und überhaupt die korrekte gesellschaftliche Visite Les Attaches? Herrgott, war das Diktum vielleicht schon gesprochen? für ihn — gegen ihn? Verdammtes Ohrensausen! Und dieses quälende Ge fühl, als ob einem ein Knödel in der Kehle saß! „Darf ich um nähere Erklärungen bitten?" Der Brasilianer verfolgte mit den Augen das Muster des Teppichs unter seinen Füßen. Er schien sich scharf zu konzentrieren; sprach langsam, vorsichtig, Wort für Wort. „Die überleitenden Tatsachen find folgende: unter so fortiger Ausschaltung der minder wichtigen Angebote er hielten wir die Kostenanschläge dreier großer Firmen: der Hörder Stahlwerke, der englischen Fabriken Blackwood and Jeffries sowie des Hauses Ljubaneff in Odessa- Sewastopol. Aus innerpolitischen Motiven, für deren Er wähnung ich Ihr Interesse wohl nicht in Anspruch nehmen darf, scheidet Rußland für uns aus jeder geschäftlichen Kombination aus. Wir stehen also vor der Entscheidung zwischen Liverpool und Hörde. Und da möchte ich aller dings nicht verhehlen, daß man uns von jenseits des Kanals erheblich günstigere Preisberechnungen gemacht hat." Ein Zucken wetterleuchtete über das Gesicht deS Kommerzienrats. Nur eine Sekunde, dann wiesen die straffen Züge wieder ihre alte eherne Ruhe. Aber die Stimme klang doch heiser: „Also unterboten!" . . . zum Deiwel, monatelange intensive Arbeit, Hoffen, Grübeln, Vorfreude, nervenzerreibende Erwartung!! Dom Deodoro Maria da Valmaceda neigte bestätigend den Kopf. „Ganz recht, Herr Kommerzienrat — man hat Sie um etwa dreiviertel Millionen unterboten!" Der Hausherr lächelte mit zusammengebifsenen Zähnen. „Demnach war es doppelt liebenswürdig von Ihnen, mein Herr, mich noch persönlich über die Erfolglosigkeit meiner Bemühungen zu informieren." Erstaunt hob der Attache den Kopf. „Erfolglosig keit? . . . Pardon, Herr Kommerzienrat, hier scheint eine irrtümliche Ansicht zu obwalten." „Ja — gestatten Sie . . . selbstverständlich wird die Republik Guayana doch den Anerbietungen der Firmk Blackwood and Jeffries näher treten?!" „Wegen der differierenden paar hunderttausend Frank?" . . . über das gebräunte Gesicht deS Diplomaten zuckte es schattenhaft . . . „Trauen Sie der Republik Guayana zu, daß sie aus kleinlichen mißverstandenen Sparsamkeitsrücksichten mit Bagatellen spielt?" Theophil Gerland kam sich etwas hilflos vor. „Ich verstehe nicht recht. Schließlich — Bagatellen in Höhe von fast..." Der Brasilianer wehrte mit einer Handbewegung. „Wir stehen in unserer Heimat vor wichtigen Um wälzungen. Und ein Staat, der mit bewaffneter Hand grobe politische Ziele erreichen will, muß sich wohl in erster Linie auf die Qualität seiner Machtmittel verlassen können. Und darum, Herr Kommerzienrat, bin ich hier, um Ihnen" ... er erhob sich; auch der Finanzier stand auf . . . .in direktem Auftrage meines hohen Vorgesetzten, Seiner Exzellenz des Herrn Gesandten Dom Roveiro mitzuteilen, daß wir die Hörder Stahlwerke mit der Lieferung der angeforderten zweiundvierzig Schnellfeuer batterien beauftragen. Die Verträge werden gegenwärtig ausgefertigt und liegen am Montag vormittag zur Unter zeichnung bereit!" (Fortsetzung folgt.) j