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-e» trieb mich, nun auch Egon in di« Arm« zu schließen. Ich suche ihn wie eine Stecknadel/ „Ich ebenfalls", fällt Elsa lebhaft ein, „er ist weder im Park noch im Hause." Alfred wird nachdenklich. „Ich erinnere mich, kurz vor meiner Ankunft auf der Straße einem Herrn begegnet zu sein, der nach Gang und Gestalt mir seltsam bekannt vorkanr. Nun, da ich höre, daß Egon gesucht wird, möchte ich weiten, daß er es gewesen ist." .Aber nicht doch", ruft Elsa erschreckt. „So spät in der Nacht? Wo sollte er da hinwollen." Alfred zuckte schweigend die Achseln. Er hat ganz bestimmte Gedanken, mag sie aber nicht aussprechen. „Nein, nein", sagt Elsa, „ich glaube das nicht, — Sie haben sich geirrt, — ganz gewiß haben Sie sich geirrt. — Kommen Sie nur, — wir werden ihn jetzt sicherlich unter den Gästen antreffen." 7. Kapitel. Den Bergpfad hinan, der zu dem Kloster St. Cäcilien führt, schreitet eine dunkle Männergestalt. Den bequemen Weg vermeidend, hält sie sich seitwärts im Schatten alter Bäume, verschwindet bald im Dunkel einer größeren Waldung, um eine halbe Stunde später am anderen Ende wieder aufzutauchen. Egon von Hohenfeld, — er ist der nächtliche Wan derer, — schreitet unaufhaltsam weiter. Das kleine Kloster, aus dessen Gotteshaus ein schwacher Lichtschein dringt, liegt nahe vor ihm. Nach wenigen Minuten steht er vor der Mauer. — Er will hinüber. — Er muß — Aber wie? Vorsichtig in den Schatten gedrüclt, schleicht er herum, um eine Gelegenheit zum überstieg zu erspähen. Größere Lücken, an einer Stelle durch abgefallenen Mörtel ent standen, bieten ihm Halt. Mit erstaunlicher Gewandtheit klimmt er empor, wobei seine Hände vorsichtig tastend sich, an dicht herniederhängendes Efeugerank klammern. Unter seiner Last geben Gestein und Mörtel nach, seine Füße verlieren den Stützpunkt; er krallt sich mit beiden Händen in das zähe Gestrüpp und schwebt einen Augenblick lang zwischen Himmel und Erde. Jetzt lockern sich die Wurzeln im schwachen Erdwerk, und Egon stürzt hinab, im Fall das Pflanzwerk mit sich reißend. Schnell sich aufrichtend, ist er weitergeschritten, um eine günstigere Stelle zu erspähen, als sein Flch plötzlich an eine Leiter stößt; er bemerkt sie ohne Verwunderung; — sie ist ja für ihn. In der nächsten Minute steht er auf der Mauer, zieht die Leiter mit kräftiger Hand in das Hofinnere, um ge räuschlos, wie er sie erklommen, wieder an ihr hinab zusteigen. Dann schaut er tiefatmend umher, — horcht, — lauscht . Nichts regt sich. Er schleicht sich vorwärts; — nach wenigen Schritten steht er vor dem hohen Altarfenster der schwacherleuchteten Kapelle. — Es ist angelehnt. Mit kühnem Schwungs ist er auf dem Außensims; sein bleiches Gesicht lugt ins Innere. — Innen ist Frieden. Wächserne Lichter knistern leise. Feuchtkühle Luft, leichtgeschwängert von Weihrauch- und welkem Blumen duft, strömt ihm entgegen. Aus dem dünklen Nacht himmel fährt ein Blitz. Einer feurigen Schlange gleich huscht sein Schein über die steinernen Fliesen,— die alten Heiligenbilder leuchten auf. Die fromme Hildegard schläft. Neben ihr, im Betstuhl, die Hände über ein Buch ge faltet, kauert eine Nonne. Ein kurzer Stoß — das Fenster fliegt auf, und wie ein Schatten steigt Egon hindurch, — gleitet hinab, — lautlos, — verbirgt sich hinter einem Beichtstuhl und lauscht. Die Nonne sitzt ihm abgewendet. — Schläft sie? — Ist sie wach? Eine Minute vergeht, — sie dünkt Egon endlos. So schleicht er heran, — aus die Nonne zu. Da fährt ein zweiter Blitzstrahl hernieder, — ein furchtbarer Donnerschlag folgt, — (derselbe Schlag, der Alfred und Elsa erzittern gemacht, als sie am Flurfenster des Treppenhauses verharrend, voll Besorgnis in den Gewitterhimmel schauten). Das kleine Gotteshaus erzittert in feinen Grund festen; die Erde scheint zu bersten. Als hätte der Blitz ihn getroffen, ist Egon zurück- getaumelt. Ein Pfeiler verbirgt ihn. Auch die Nonne ist aufgefahren. DaS Gebetbuch ist ihr vor Schreck entfallen. „ Egon faßt den Dolch fester und steht wie ein Tiger zum Sprunge bereit. Hat sie ihn gesehen? „Heilige Jungfrau, beschirme uns", betet HSndefaltend die Nonne. Ihr ist eigentümlich beklommen ums Her,. Sie hat das Gefühl, als läge etwas in der Luft, — etwas Schweres, Entsetzliches . Mit bangem Blick schaut sie um sich. Kaum, baß sie Ein scharfer Wind weht herein, und die Nonne nimmt zu ihrem Befremden wahr, daß das Altarfenster weit geöffnet steht. Wie hat das geschehen können? Eine seltsame Angst bemächtigt sich ihrer. Sie möchte bas Fenster schließen, wagt sich jedoch nicht vom Platz. Sie wird warten. — In einer halben Stunde löst Schwester Beatrice sie ab. Solange mag es offen bleiben. Aber der Sturm, der sich draußen aufmacht, schlägt es hin und her, und in den geweihten Raum strömt der Regen. „Per Wind hat es aufgerissen", murmelt sie, gleich sam um sich zu beruhigen, vor sich hin und schreitet, ihre Furcht niederkämpfend, erst zögernd, dann schnell dem Fenster zu. — Hinter ihr raschelt etwas, — als ob Sandkörnchen unter flüchtigen Tritten knirschen. Schwester Regina hört es und will sich eben nach der Ursache umschauen, aber das Schreckensbild, das im selben Augenblick von außen her sich ihrem entsetzten Blick enthüllt, läßt sie jeden andern Gedanken vergessen. Der Hinimel leuchtet, auS dem Dach des Klosters das vor ihr liegt, qualmen glutrote Dampfwolken. „Jesus Maria, Feuer, Feuer!" schreit sie laut; und „Feuer, Feuer!" ruft es vom Kloster her. Die Sturmglocke ertönt. Der Turmwächter von Ludwigsheim stößt in sein Horn. Die Nonne hat das Fenster eilends geschloffen und stürzt wie gejagt hinaus, dem Kloster zu, um zu retten, was es zu retten gibt, nicht ahnend, daß sie sich selbst ge rettet. — Aus dem Schatten des Pfeilers löst sich di« Gestalt Egons. Mit starrer Ruhe tritt er auf den Sarkophag zu. Die Kette . . .! Am Halse der Schläferin schimmert der Perlen mattes Weiß. Egon verrät kein Zeichen von Erregtheit. Seine Be wegungen sind schnell, sicher, ohne Hast, — und wie er mit beiden Händen — die Rechte hält noch immer fest den Dolchgriff umspannt — das Schloß der Kette löst, sie langsam hervorzerrt unter dem Halse der Widerstands losen und in der Tasche feines Mantels verbirgt, zuckt ihm keine Muskel Er eilt zum Fenster — Es ist geschloffen — Durch die Tür ! sie ist „Verruchter!" An der Schwelle des Ausgangs steht eine alte Nonne, — Schwester Beatrice; lang wallt ihr Gewand, — daS würdige Gesicht unter der schwarzen Haube ist in jähem Schreck verzerrt, — die Augen weit, geöffnet, schaut sie wie entgeistert auf Egon, ihre Arme hochdrohend er hoben — Nur einen Augenblick hat Egon den Schritt gehemmt; wild stürmt er dem Ausgang zu, den ihm die Nonne vertritt „Verruchter!" klingt eS noch einmal gellend an sein Ohr. Ein spitzer blanker Gegenstand blitzt durch die Luft. Mit schrillem Aufschrei, vom tödlichen Stahl getroffen, bricht Schwester Beatrice zusammen. Kaum im Freien, stellt Egon sich eine zweite Nonn« entgegen. Egon rennt sie um. (Fortsetzung folgt.) Vas öparfykem. Humoristische Erzählung von W. W. Jacobs. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Den nächsten Morgen hatten sie all« ibr Frühstück in 'ne Kaffeehalle, und als sie damit durch waren, sagte Hein, der bis da kein Wort gesprochen hatte, daß er und Peter Schlichting 'n bißchen Geld haben wollten zum Leben. Er sagte, sie zögen es vor, allein zu essen, denn Thomas sein Gesicht verdürbe ihnen den Appetit. „IS gut", sagte der alte Mann. „Ich will meine Gesellschaft keinen nich aufdrängen", und nachdem daß er für 'ne Minute oder zwei scharf nachgedacht hatte, steckt er die Hand in die Hosentasche und gibt jeden eine Mark fünfzig. „Wo iS daS für?" meinte Hein und starrte daS Geld an. „Schwefelsticken?" „Das is euer Taschengeld für den Tag", sagt« Thomas, „und es is reichlich. Ihr habt siebzig Pfennig für Mittagessen und fünfzig Pfennig für Abendessen. Und wenn ihr mit Gewalt Hingeh'n wollt und «uch in Bier versaufen, dann bleiben euch noch dreißig Pfennig dafür." Hein versuchte mit ihm zu sprechen, aber er war so überwältigt, daß er's nich konnte. Dann schluckte Peter Schlichting was runter, was er gerade sagen wollte, und bat den alten Thomas ganz höflich, es für ihm doch einen Taler voll zu machen, weil er nach Bergedorf fahren wollte und seine Mudder besuchen und da nich gern mit leere Hände ankommen wollte. „Du bist ein guter Sohn, Peter", sagte der alte Thomas, „und ich wollt' bloß, da wären mehr so wie du. Wenn du willst, fahr' ich mit dich runter; ich hab' doch nix zu tun." Peter sagte, das wäre sehr freundlich von ihm, aber «r wollte lieber allein gehen, denn seine Mudder wär' man schüchtern vor Freude. „Gut, ich will dann mit zum Bahnhof kommen und 'n Büljet für dir nehmen", erwiderte in seiner gelassenen Art Thomas. Nu verlor aber Peter ganz seine Geduld und schlug mit die Faust auf'n Tisch und schlug daS halbe Geschirr kaput. Er fragte Tbomas, ob er ihn und Hein Wulm«ier für dumme Jungens hielte, und er sagte ihm, wenn er sie nich auf die Stelle all ihr Geld geben tät', dann würd' er 'n von den ersten Konstabler, den sie träfen, auf der Stell« verschütten lassen. „Ich bin bange, Peter, du hattest gar nich di« Absicht, deine Mudder zu besuchen", sagte der Alt«. „Hör' mal zu", meinte Peter, „willst du unt jetzt da» Geld geben?" „Nä, und wenn ihr aus die Kni« fallt", sagt« der alte Mann. „Is gut", erwiderte Peter und stand aus und ging rauS; „denn komm' mal mit längs, bis wir 'n Konstabler finden." ,Jch bin dabei", sagte Thomas, „aber ich hab' den Schein, den ihr unterschrieben habt." Peter antwortete, er scheerte sich 'n Deubel d'rum und wenn 'r fünfzig Scheine hätte, und so gingen sie denn weiter und guckten nach 'n Konstabler aus, was 'ne un gewöhnliche Sache für sie war. .Ich hoff' bloß um euretwillen, daß es nich derselb« Konstabler is, den du und Hein Wulmeier in die Anlagen verprügelt habt, die Nacht, ehe ihr auf di« .Chemnitz" angemustert habt", sagte Thomas und warf die Lippen auf. „DaS is wohl kaum anzunehmen", sagte Peter und wünschte im stillen, er hätt' doch man lieber den Schnabel gehalten. — „Aber ich glaub', wenn ich's ihn sage, wird er 'n bald 'rausfinden", sagte Thomas. „Da kommt g'rad« einer längs^ Peker, soll ich ihn stoppen?" Peter Schlichting sah ihn an und dann blickt« er Hein an, und sie gingen vorbei und knirschten mit die Zähn«. Sie klebten den ganzen Tag an Thomas und versuchten, ihr Geld wiederzukriegen, und die Namen, die sie ihm gaben, da mußten sie sich selbst über wunnern. Und den Abend stellten sie das ganze Zimmer wieder auf'n Kopp und suchten nach ihr Geld und hatten wieder allerlei Malesche, als sie von Thomas verlangten, daß er ausstehen sollt', weil sie sein Bett durchsuchen wollten. Den nächsten Morgen batten si« ihr Frühstück wieder PtjanuiML Mtz HM »chHt« «S «f 'm« and«« MmHM Er war seh» nett gegen LhomaS und trank drei »roß« Tassen Kaff«, um ihn zu »eigen, daß eS schon anfing, ihn zu gefallen, untz al» tzer Alte sie ihre eine Mark und fünfzig gab. lächelt« er und sagte, er hätte gern 'n paar Mark extra b«n Lag. „Alle» in Ordnung, Thomas", sagte er. „Ich würbe nix trinken, und wenn du mich darum bitten tätst. ES iS g'rad«, al» wenn ich 'r garnix mehr nachfrag'. Ich hab, e» gistern abend noch gesagt." „Da» stimmt", pflichtete Peter bei, „und ich auch." ' „Denn iS e» doch zu deinem Besten gewesen, Hein", sagte Thoma» und klopfte ihn auf 'n Puckel. .Da» i» wahr" meinte Hein so zwischen seine Zähn« durch, „und ich danr dir auch dafür. Ich hab' kein Ver langen, zu trinken; aber ich dacht', ich wollt' heut' abend mal in'n Tingeltangel gehen." „Wohin gehen?" sagte der alte Thomas und richtet« stch auf und kuckt 'n ganz entsetzt an. „'n Tingeltangel", sagt« Hein und versuchte sich zu. beherrschen. „'n Tingeltangel?" sagte Thomas, „aber das iS ja noch schlimmer, al» 'n Wirtshaus, Hein. Ich würde n schlechter Freund von dir s«in, wenn ich dich dahin gehen ließ, ich denk gar nicht b'ran." .Wa» scheert denn dich daS, du graubärtige Schlang«?" schri« nun Hein. Haid verrückt vor Wut. „Warum läßt du un» nich Alfrieden? Warum kümmerst du dich nich um deinen eigenen Kram? ES is unser Geld." Thoma» versucht« mit ihn zu reden, aber er wollt' von nix wa» hören und er machte solchen Radau, daß schließlich der Wirt von die Kaffeehalle ibn aufforderte, 'rauSzugeh'n. Peter ging ihn nach und in ihre Wut gingen sie hin und gaben ibr Taschengeld für den Tag in die erste Stunde au» und denn spazierten sie durch die Straßen und stritten stch über den Tod, den sie den alten Thoma» wünschten, wen« sein« Zeit käm'. Mittags gingen si« nach ihr LogiS zurück, aber da war keine Spur von den alten Mann, und wo sie so hungrig und durstig waren, trugen sie all ihr überflüssiges Zeug zum Pfandleiher und kriegten so erst mal wieder genug Geld. Just um ihre Unabhängigkeit zu beweisen, gingen fi« in zwei Tingeltangel, und al» wenn sie 'ne Idee hätten, daß sie Thoma» damit schaden täten, gaben sie jeden Pfennig au», «he daß sie nach HauS gingen, und saßen dann auf 'n Bett und erzählten ihn, was sie all aus ihre« Bummel erlebt hatten. Morgen» um fünf wachte Peter aus und sah zu seiner Überraschung, daß 'Hein Wulmeier angezogen war und den alten Thoma» sein Zeug hübsch zusammenlegte. Zuerst dacht' «r, daß Hein verrückt geworden wär', daß er sich so mit dem alten Mann sein Zeug abquälte, aber ehe daß er sprechen konnte, hatte Hein gemerkt, daß er wach war, und ging nach ihn 'ran und flüsterte ihn zu, er soll? sich anzieh'n, ohne Lärm dabei zu machen. Das tat Peter denn auch und war noch mehr erstaunt, als er sah, baß Hein all de« alten Mann sein Zeug in'n Bündel knotet« und damit aus die Zehenspitzen aus 'n Zimmer schlich. „Willst du sein Z«ug verstecken?" sagt er. „Ja", sagt Hein und geht voran die Treppe 'runter, „in 'n Lrihhau». Der Mt« soll heute für unser Pläsier iezahlen." Nu kapiert« Peter d«n Witz und fing so laut an zu lach«n, daß Hein rhn man drohen mußte, er würd' ihn den Schädel einschlagen, um ihn still zu kriegen. Hein lacht« selbst al» st« draußen waren, und schließlich, nach dem daß fi« herumspaziert waren, bis die Läden aus waren, ging«« fi« zu 'nen Pfandleiher und versetzten be« alten Thoma» sein Zeug für fünfzehn Mark. DaS erst«, wa» fi« taten, war, daß sie sich 'n gute» Frühstück gebe« ließen, und als sie wieder 'rauskamen, lachten si« über» ganz« Gesicht und fingen an, sich 'n ver gnügten Tag zu machen. Hein war in die beste Stimmung und Peter auch, und der Gedanke, baß der alte Thoma» im Bett lag, während si« sein Zeug vertranken, macht« ihnen 'nen bollen Spaß. Zweimal an den Abend sprach 'n Konstabler mit Hein wegen sein Tanzen auf» Trottoir, und wir fi« so weit waren, daß das Geld all« war, Haiti Peter seine lieb« Not, ihn nach Hause zu kriegen. (Schluß folgt.)