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«ruw, ein Lvuno»«no, uno WU!« ganz gewlv emma» studieren. Frau Emma saß schweigsam da. ES !ag eine Unruhe in ihren Augen. Die milderte sich aber, verlor sich ganz, als jetzt der Junge mit Heller Begeisterung von seiner Berufszukunft sprach. Und noch ein anderes Augenpaar glänzte Heller auf. Die Worte trafen ja auch GustchenS Ohren. Sie hatte sich mit heißroten Wangen an daS geöffnete Fenster ge flüchtet. Der Straße hatte sie jetzt den Rücken gekehrt, hielt die Arme rückwärts gestreckt und klammerte die Hände an das Fensterbrett; so stand sie vorgeneigten Körpers da und lauschte klopfenden Herzens. Und di« Flamme in ihr brannte höher. Ein störender Laut plötzlich . . . Di« begeisterte Rede stockte . . . Hans sprang auf. In der Wohnstubentür stand eine etwas ungeschlachte weibliche Gestalt . . . Die alte, treue Tine . . . Das war aber nicht ihr gesundes, rotes Gesicht, das war ein blasses, angstverzerrtes Menschenantlitz, das da ins Zimmer starrte. Ganz still im Zimmer . . . Hans findet keine Frage . . . Gustchen klammert die Hände fester an daS Fenster brett. Frau Emma schlägt beide Hände vor die eben noch so glückstrahlenden Äugen. Und die andern? . . . Einer sieht den andern an . . . Schwere Männerschritte in der Wohnstube und tiefe, gedämpfte Stimmen . . . „Vater*, murmelte Frau Emma. Ihre Hände sinken hernieder. Ihre Augen gehen mit leerem Blick über die Köpfe der Anwesenden. Gustchen kommt langsam mit schleppendem Schritt ! heran. „Tante ..." Ein irres Lächeln auf dem versorgten Gesicht. Gustchen legte die Arme fest um den Hals der ge- i liebten Pflegemutter. Ihr blondes Haar leuchtet neben dem weißen. Hans hatte das Zimmer verlassen. Ferdinand Klemens folgt ihm jetzt. Frau Emma schreckt zusammen. „Komm", gurgelt sie. Taumelnden Schrittes, auf GustchenS Arm gestützt, wankt sie in das Wohnzimmer. Die andern stehen raunend beisammen. Sie wissen die Wahrheit: „Schlaganfall. Tot.* „Wollen gehen.* „Man kann nicht helfen.* „Wir stören.* < Sie nicken mit wehleidigen Mienen einander zu. Blicken noch einmal verstört auf die Wol.nstubmlür und gehen durch die Tür, die in den Laden führt, hinaus. 13. Kapitel. Frau Emma saß am Sarge ihres Mannes. Es war die Nacht vor dem Begräbnistage. -Draußen ging ein Sturm über die Stadt dahin und brachte Unheil über alles, was alt, morsch und gebrechlich war. Das waren auch die kleinen Häuser der Altstadt. Von den hohen, spitzen Dächern flogen moosbewachsene Ziegel herunter, die letzten handwerklichen Wahrzeichen werden mitsamt ihren verrosteten Eisenstangen aus den Hauswänden herausgerissen, Fensterladen aus den Angeln gebrochen, Laternen umgeworfen und Bäume mit den ! Wurzeln herausgehoben. Um das Krämerhaus herum war das Toben ganz besonders stark. Es war eine scharfe Ecke, und höhere Gebäude schützten es nicht. Durch den breiten, unförm lichen Schornstein fuhr der Wind mit erschütternden Stößen nieder, als wollte er hinein und das Haus sprengen. Tausend Leben schienen im Hause erwacht. In den Ofen pfeifende, weinende, wehklagende Stimmen. Die Türen knackten, als mühten sich unsichtbare Hände vergeblich, sie zu öffnen, über den Hausboden schienen schwere Schritte zu tapsen, und das Rütteln an den Fensterläden wurde immer heftiger. Frau Emma zog das Tuch, das sie über die Schultern g-legl batte, fester herum. Dann faltete, nein, sie krampfte tue Hände zusammen. Und so saß sie und starrte auf den Sarg, der am Nachmittag schon geschlossen worden war. Kränze und Palmenzweige schmückten ibn, und die hoben ! Wamsucyre m oen mo«rnen Heuchlern wari«n «men flackernden Schein über alle- und ließen unruhig« Schatten an den Wänden «rstehen. Frau Emma- Blick wandert« langsam über alle- hin. An den Schatten blieb er hasten. Di« grauen Sorgen, dacht« sie und neigte den Kopf und lauschte den Tönen, die im HauS umgingen, und dann fing sie an vor sich hinzumurmeln, waS Schmer» und Leid, Sorge, Zukunftsflucht und Aberglaube in ihr erpreßt batten . . . Da . . . ein schauerlicher Trompetenstoß ... ein heulende-, singendes Dahinrollen auf dem Hausboden ... ein Wanken und Schwanken deS ganzen HauseS ... ein Krachen... «in Donnergepolter. Frau Emma lag mit gefalteten Händen auf den Knien. Die Tür deS Wohnzimmers wurde aufgerifsen. „Wo ist Hans?* Gustchen starrte mit angstgroben Augen umher. „Hans . . . Oben . . . Und daS Dach . . . Hans . . .* Ein Schwert ging durch Frau Emmas Seele. Schon war sie im Wohnzimmer. Schon im Hinter flur . . . Sie hastete hinter Gustchen her die Treppe zum Oberstock hinauf. Gustchen hatte die höchste Stufe der Treppe erreicht. Sie taumelte und klammerte sich an das Geländer. Der Sturm wehte, als stände man im Freien. Frau Emma stand nun auch oben. Das Gebälk des Dachstuhls ragte nach der Garten seite zu nackt in die Luft. Durch die jagenden Wolken am Himmel sandte der Mond einen Hellen Schein hernieder und ließ Hansens hohe, unbeweglich dastehende Gestalt er kennen. Er hielt etwas in der Hand, das er zu betrachten schien. Frau Emma stürzte auf ihn zu und umschlang ihn unter Lachen, Weinen und Stammeln. Er ließ den Gegenstand, den er in der Hand hielt, polternd fallen und legte den Arm um sie. „Mutter*, sagte er leise und zeigte zu dem Dach hinauf, „'s geht wieder mit einer Kleinbürgerfeste zu Ende. Uns will das alte Dach keinen Schutz mehr gewähren.* „'S ist schon gut . . . dir ist nichts passiert ... 's ist schon gut*, flüsterte sie und streichelte seinen Arm, „Daß du dich immer gleich um mich ängstigst*, sagte er zärtlich. „Aber komm, du erkältest dich, Mutter.* Er wendete sich und führte sie der Treppe zu. Da stand Gustchen noch regungslos am Geländer. „Du, Gustchen?* Es quoll etwas hinter dieser Frage. Eine Antwort kam nicht. Die zusammengeduckte Ge stalt des Mädchens richtete sich auf und floh die Treppe hinunter. Mutter und Sohn gingen in das Totenzimmer. Da standen sie eine lange, stumme Weile. Sie dachten an Pergangenes, an den, der schlief, und an daS zerstörte Daus. Dann löschten sie die Kerzen und gingen hinaus. „Hansken*, sagte Frau Emma leise, als die Tür des Totenzimmers einklinkte. „Hansken, Vater hatte ja ein nörgeliges Wesen, aber es lag in seiner Krankheit, kannst es glauben. Er batte ja schon immer Blutandrang nach dem Kopfe.* „Ach, Mutter!* Hans setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hand. Bekümmert sah er aus, müde und zerschlagen „Wenn ich ihm wenigstens nur noch mal hätte die Hand drücken können. Es kam doch zu schnell.* „Es war die große Freude", entgegnete Frau Emma und setzte sich zu ihm an den Tisch. Stumm und bekünimert saßen sie und sannen. Dann aber lösten sich die Gedanken und alles, waS im heim lichsten Winkel ihrer Herzen kauerte. „Was wird werden, wie wird es werden?* fragte Hans, fuhr sich mit der rechten Hand an die Stirn und schob den eigenwilligen braunen Haarschopf zurück. „Wenn es noch das kleine, alte Krämergeschäft wäre, würde ich eS weiterführen", entgegnete Frau Emma. Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nein, du hast genug gearbeitet.* „Wir werden das Grundstück verkaufen müssen.* Ganz leise, mit zitternder Stimme sagte sie es und warf einen scheuen Blick auf die Tür zur Totenftube. Hans saß und starrte vor sich hin. Sie sprach mit leiser Stimme weiter: „Es ist lünk- undzwanzigtauseud Mark wert. Fünftausend Mark sind noch d aber bloß unser. Groff« bat di« letzt« Hypothek. . . Zwölftausend Mark . . . Viertausend Mark hat Vater inS Geschäft gesteckt. Achttausend Mark hatten wir auf die Lank gebracht und haben «S dir nach und nach geschickt. Daß du so viel Stunden geben solltest, wollt« Vater nicht, weil Herr Lümmlein meinte, du hättest genug zu tun vorwärts zu kommen. Und Vater hatte auch eingesehen, daß es mehr Nutzen für dich habe, mit dem Gelbe etwas zu erreichen, als wenn eS als Erbteil bliebe. Ich denke aber, von dem Geschäftsverkauf wird unS auch noch etwas übrig bleiben. Das Geschäft rechnet bei dem Grundstücks preis nicht mit.* „Und ich habe mich eingerichtet, wo ich nur konnte*, äußerte Hans niedergedrückt. „Das weiß ich ja. DaS wußte auch Vater*, ver sicherte Frau Emma. Hans schwieg mit zusammengebiffenen Lippen und grübelnd gefalteter Stirn. Ein Schweigen über wirbelndem Kopfe, männlich stolzer Zerknirschung und zärtlicher Sohnesliebe, und es erwuchs daraus di« kindesdemütig« Bitte: „Wirst du mir noch weiter helfen können, Mutter?* „Ja, ja, mein Sohn ... Ich brauche ja nicht viel. Ich bin ja bloß eine einfache Frau. Ich kann auch noch etwas leisten... Ich dachte, wenn . . . wenn —* Frau Emma schluckte einmal — „wenn das Grundstück verkauft ist, ziehe ich mit Gustchen in eine kleine Wohnung. Ich könnte noch etwas plätten und bei Festgelegenheiten in bessern Häusern kochen.* Sie hielt inne, und «S zuckte ein Schmerz um ihren Mund. „Und da» sollte ich leiden, Mutter?* Er stand neben ihr und drückte ibren Kopf einen Augenblick an seine Brust. „Nein, Mutter. Wir bleiben immer zusammen... Schlag ein, daß du immer bei mir bleiben willst.* Er hielt ihr die Rechte hin, und sie legte ihre zitternde Hand hinein. Und plötzlich kam über sie etwas so Weiches, eine Gefühlsschwäche, wie er sie nie an ihr gekannt hatte. Mit tränenglänzenden Augen und weinerlicher Stimme bat sie: „Junge, ach mein Junge, wenn ich doch bei dir sterben könnte.* Dann schluchzte sie haltlos wie ein Kind. (Fortsetzung fo.gt.) Vie Entfettungskur. Humoreske von Max Feder. (Nachdruck verboten.) „Helene wird zu dick*, sagte Frau Direktor Schneider, als sie mit der Tochter und dem jungen Arzt Dr. Fritz Beyer beim Tee saß, „und nun ist noch ein, we»m auch ein wenig entfernt zur Familie gehöriger Arzt bei uns hineingeschneit, ohne daß es den mindesten Einfluß darauf gehabt hätte, unserer Helene ihre normale Figur wieder zugeben.* ! „Ja, Sie werden doch nicht glauben, Verehrteste ! Frau Tante*, verteidigte sich der junge Arzt, „daß meine bloße ärztliche Gegenwart genügt, um alle Leiden im > Kern zu ersticken." ' „Leiden?" fragte Helene unwillig, „ich fühle mich durchaus wohl.* „Nun ja, Kind", beruhigte sie die Mutter, „so schlimm ist es ja auch nicht. Aber du kannst mir glauben, nicht nw deine Figur sah viel vorteilhafter aus, als du noch ! schlank warst, auch dein Gesichtsausdruck hat durch eine gewisse Fettschicht verloren —* „Aber was kann ich denn dafür?" fragte Helene ! weinerlich. „Ich habe überhaupt diese ewigen Anspielungen i satt, und ich lasse es mir nicht mehr gefallen. Ihr könnt ' euch jetzt allein darüber weiter unterhalten." Mit diesen Worten eilte Helene zur Tür hinaus und begab sich auf ihr Zimmer. „Wenn sie nur öfters so aufgeregt wäre, wie jetzt eben", lächelte die Mutter, „dann würde sie auch wieder ! schlanker werden. Aber ihre pomadige Ruhe ist es, welch« ! ihr das Fett ansetzen läßt. Nun, Fritz, wie ist es, wissen > Sie kein unschädliches Mittel?" -Eigentlich müßte ich diese Frage verneinen. Die vl-tzricheu Mittel sind immer schädlich, und zu den lang- wtertgm haben die Patienten keine Geduld, namentlich so ein junges Mädchen. Man müßte es mit einem Ideal- mittel versuchen." „Also ,. «.?" „Schwärmt Helene für zweierlei Tuch?' fragte Dr. Fritz Beyer nach einigem Nachdenken unvermittelt. „Es geht. So wie die meisten ausgewachsenen Back-, fische.* „Nun, ich habe einen Freund, einen Leutnant — darf ich den einmal mitbringen?' Nach einigem Hin- und Herreden wurde sogleich ein« Einladung an Leutnant Fritz zum nächsten T«eabend abgesandt. Der Leutnant erschien, und nicht nur an diesem einen Abend. ES war immer recht gemütlich, und Helen« namentlich befand sich stets in der besten Laune. „Jetzt ist eS endlich so weit', sagte der junge Arzt eines Abends b«im Fortgehen leise zu der Gastgeberin, „haben Sie bemerkt, Frau Tante, daß Helene und unser Leutnant wenn auch flüchtige Blicke Les Einverständnisse» wechseln?* „Eigentlich nicht.* „Nun, ich habe darin einen scharfen Blick. Morgen wird Helene ein anonymes Billett erhalten — und daS ist der Anfang zur Entfettungskur.' Das anonyme Billett, das Helene tatsächlich erhielt, lautete folgendermaßen: „Ein Verehrer, der Ihnen bereits Winke seiner Er gebenheit zukommen ließ, bittet Sie, ihm eine kurze Unterredung unter vier Augen am Denkmal auf dem Grasberg gewähren zu wollen. Wenn ihn nickt unerwartet dienstliche Angelegenheiten verhindern sollten, wird er pünktlich nachmittags vier Uhr zur Stelle sein.* Es war gewiß ein schweres Opfer für Helene, den Weg durch die ganze Stadt zu machen und auf den ziemlich hohen Grasberg zu klettern, aber sie tat es. Leider hatte sie den Weg vergebens gemacht. Der anonyme Briefschreiber zeigte sich nicht, und so trat sie um fünf Uhr wieder den Heimweg an. Am nächsten Morgen erhielt sie ein Schreiben voller Entschuldigungen. Es war dem Absender de» Billetts nicht möglich gewesen, die dienstlichen Angelegenheiten hatten ibn in der Tat zurückgehalten. Aber am folgenden Tage um dieselbe Zeit am selben Ort würde er sicher er scheinen. Und doch erschien er, als Helene an dem Rendezvous- platz eintraf, wieder nicht, dafür am nächsten Morgen abermals ein Brief mit vielen Entschuldigungen und Be teuerungen einer beginnenden Leidenschaft. Helene, die anfangs entrüstet war, nahm die Sache allmählich von der humoristischen Seite. Sie verabredete sich mit einer Freundin, die sie ins Vertrauen zog, und mit der sie fast täglich den Grasberg erklomm. Eines Tages machte Dr. Beyer wieder seinen Besuch. „Nun*, sagte er strahlend, „hat meine Kur nicht an geschlagen? Ist Helene nicht durch die Wanderungen auf den Grasberg schlank geworden und schön?' „Welche Kur denn?" fragte Helene verwundert, die Schmeichelei überhörend. Darauf antwortete der junge Arzt nicht. „Es war auch die höchste Zeit*, fuhr er fort, „denn Leutnant Fritz komnit nach Berlin in den Generalstab.* „Dazu wünsche ich ihm alles Glück*, sagte Helene luhl. „Nun, nun, nur keine Heuchelei, liebe Cousine! Ein bißchen schmerzlich ist es doch für Sie?* „Durchaus nicht." „Wenn man eines Mannes wegen fast täglich auf den Grasberg wandert, so sollte man doch meinen —* „Wie?" rief das junge Mädchen, groß die Augen auf reißend, „die Billetts kamen von dem Leutnant? Ich dachte. Sie hätten sie geschrieben." Sie unterbrach sich jäh, und ein blendendes Rot färbt« ihre Wangen. Die Frau Direktor besann sich plötzlich, daß sie etwas in der Küche zu tun hätte. Als sie zurück kehrte, sah sie das Paar Arm in Arm sitzen und hörte di« Worte des jungen Arztes: „Mit jedem Tage der Entfettung wurdest du wirklich hübscher, und es ist kein Wunder, daß ich mich in dich verliebte, — wenn das nicht schon von Anfang an der Fall gewejen ist.*