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worden ist, wird auf Grund von Z 139 k Absatz 1 der Reichsgewerbeordnung hiermit angeordnet, daß in Wilsdruff die offenen Verkaufsstellen sämtlicher Geschäftszweige im Winterhalbjahr — das ist vom 1. Oktober des einen bis mit 31. März des anderen Jahres — um acht Uhr abends für den geschäftlicken Verkehr zu schließen sind. Ausge- nommen hiervon bleiben: 1. sämtliche Sonnabende im Jahre; 2. Wert tage vom ersten Adventsonntage an bis Weihnachten; 3 die nach 8 139 e Absatz 2 Ziffer 1 und ^.der R-iHsgewerbeordnung vorgesehenen Fälle. Während oe't wo die Verkaufsstellen auf Grund gegenwärtiger Anordnung geschlossen sein müssen, ist der Verkauf und das Feilbieten von Waren auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vor herige Bestellung von Haus zu Haus im stehenden Gewerbe betriebe — § 42 b Absatz 1 Ziffer 1 des Gesetzes — so- wie im Gewerbebetriebe im Umherziehen — 8 55 Absatz 1 des Gesetzes — verboten. Ausnahmen können von der Ortspolizetbehörde zugelassen werden. Zuwiderhandlungen unterliegen der Strafbestimmung in 8 146 a der Reichs gewerbeordnung. Dresden, am 11. Juni 1914. Königliche Kreishauptmannschaft. — Von dem hiesigen Postamt H berichtet die Handels kammer Dresden für das Jahr 1913 folgendes: Aufge gebene Briefe 339600, eingegangene Briefe 469300; aufge gebene Pakete ohne Wertangabe 13367, aufgegebene Briefe und Pakete mit Wertangabe 1360, eingegangene Pakete ohne Wertangabe 25726, eingegangene Briefe und Pakete mit Wertangabe 1377, eingegangene Postnachnahmesendungen 7304; aufgegebene Postausträge 502; eingegangene Post aufträge 1360; eingezahlte Postanweisungen 18751 im Werte von 1016400 Mark, ausgezahlte Postanweisungen 15561 im Werte von 1355500 Mark; aufgegebene Tele gramme 2211, angekommene Telegramme 1992, Einnahme an Porto und Gebühren 56745 Mark; Zahlkarten 12747 im Betrage von 1413300 Mark; Zahlanweisungen 1300 im Betrage von 483 20o Mark. — Ansere Wostaöonnenten seien daran erinnert, daß es sich empfiehlt, schon jetzt beim Briefträger die Erneuerung deS Abonnements für das nächste Vierteljahr vorzunehmen, damit in der Weiterzustellung vom 1. Juli ab keine Ver zögerung eintritt. Die Briefträger sind zur Entgegennahme der Weiterbestellung verpflichtet; von den Postämtern werden ihnen sogar neue Bestellzettel zur Vorlegung bei den Abon nenten mitgegeben. — Aus der Schute. Da sprach der Herr zu Abraham: „Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sarah einen Sohn haben." Das hörte Sarah hinter der Türe und lachte bei sich selbst. „Warum lachte Sarah?" fragt der Lehrer. „Weil sie lieber ein kleines Mädel haben wollte", lautete kindlich der sechsjährigen Hilma Antwort. — Landgericht Dresden. Ter Dresdner Anzeiger berichtet folgendes: Vor der fünften Strafkammer hatte sich am Montag der 44 Jahre alte Sekretär Wilhelm Eduard Weiß aus Ruda wegen versuchter Erpressung zu verantworten. Den Vorsitz führte Landgerichtsdirektor Hettner, die König- liche Staatsanwaltschaft vertrat Gerichtsassessor Dr. Simon, die Verteidigung hatte Rechtsanwalt Engelbrecht über- nommen. Die Verhandlung nahm fünf Stunden in An spruch. Zur Aufklärung des Sachverhaltes waren fünf Zeugen aus Wilsdruff vorgeladen. Der Angeklagte ist Rendant und Gerichtsvollzieher bei dem Königlichen Amts gericht Wilsdruff. Gelegentlich einer Revision am 1. März v. I. wurde ein 3^ Prozentiger Zinsschein über 35 Mark, der am 1. April 1913 fällig war, in der Kaffe des Angeklagten vorgefunden Weiß hatte den Zinsschein von Wertpapieren seines Mündels abgeschnitten, um darüber bis zum nächsten Tage, nach Auszahlung seines Gehaltes, im eigenen Nutzen zu verfügen. Inzwischen hatte die Revision stattgefunden. Es war gegen Weiß daraufhin das Strafver ahren wegen Unterschlagung und Untreue eingeleitet worden. Die Be weisaufnahme ergab, daß der Angeklagte an seinen Borge- setzten, den Amtsrichter in Wilsdruff, einen Brief gesandt hat, in dem er den Beamten durch die Drohung, ihm Un annehmlichkeiten zu bereiten, zu nötigen versuchte, das Strafverfahren gegen ihn niederzuschlagcn. Weiß wurde des halb wegen versuchter Nötigung auf Grund von 8 114 des Reichsstrafgesetzbuches zu 150 Mark Geldstrafe oder 15 Tagen Gefängnis verurteilt. — Wothschönverg, 16. Juni. Am zweiten Pfingst- feiertage wurde auch in unserer kleinen Gemeinde durch Verkauf von Postkarten und Blumen für das Rote Kreuz gesammelt. Die Sammlung ergab den Betrag von 131 Mark. Der Ortsausschuß unter dem Vorsitz des Herrn Baron von Schönberg-Rothschönberg hatte anfänglich beschlossen, für obengenannten Zweck noch einen Familienabend abzuhalten. Dieser fand am vergangenen Sonntag im Gasthofe statt. Im Hinblick auf das erfreuliche Ergebnis der Sammlung am zweiten Pfingstfeiertage wurde aber von Eintrittsgeld und Tellersammlung abgesehen, die Veranstaltung vielmehr der Gemeinde zum Danke für ihre Opferwilligkeit umsonst geboten. Nach einem Eingangsworte des Herrn Baron von Schönberg hielt der Ortsgeistliche einen kurzen Vortrag über das Rote Kreuz und sprach dann des längeren über die Insel Rügen (ihre Geschichte, Land und Leute), die er vor einigen Jahren selbst besucht hatte. Der Vortrag wurde durch eine große Zahl von Lichtbildern illustriert, welche Herr Kirchschullehrer Wachsmut mit dem Apparat der Gemeinde Helbigsdorf in schöner Weise vorführte. Mit großem Interesse folgte die Versammlung der Darbietung. Das Schlußwort sprach wiederum Herr Baron von Schön berg, der von vornherein sich erboten hatte, die Kosten des Abends zu tragen. Er darf des allseitigen Dankes für den schönen Abend gewiß sein. — Wossen. Der durch den Zusammenstoß hier ver unglückte Motorradfahrer Böhnte aus Freiberg ist am vorigen Sonntag seinen schweren Verletzungen im Friedrich August-Krankenhause hierselbst erlegen. - Mffeina. Als eine Seltenheit ist jedenfalls zu bezeichnen, daß bei Herrn Mühlenwirtschaftsbesitzer Leh mann im nahen Klessig kürzlich eine Sau 21 Ferkel zur Welt brachte. — Der dritte Bezirk des Mulden-Zschopau- tal-Turngaues veranstaltet im August dieses Jahres ein Kriegs-Geländespiel nach Choren. Am Sonntage hatte der genannte Bezirk Vorturnerstunde in Obergruna bei Nossen. — Weinsberg. Das weithin bekannte hiesige Vogel schießen am Sonntag und Montag hatte infolge des herr lichen Wetters einen außerordentlich starken Besuch auf zuweisen. M. T. — Tharandt. Vorgestern nachmittag in der sechsten Stunde hat sich zwischen Tharandt und Edle Krone bei Station 156 ein junger Mann von zwei leerlaufenden Lo komotiven überfahren lassen. Die Aufhebung der Leiche erfolgte kurze Zeit darauf durch die hiesige Stadtgemeinde. Es handelt sich um eine Person aus Naußlitz bei Dresden. — Wotschappek. Die hiesige Vogelwiese, das von der Bogenschützengesellschaft arrangierte beliebte Volksfest, wird vom 15. bis 18. August abgehalten werden. — Dresden, 15. Juni. Nach den bisher getroffenen Dispositionen ist für die Anwesenheit des Königs in Ruß- land folgendes Programm vorgesehen: Die Ankunft Sr. Majestät erfolgt vier Uhr nachmittags in Zarskoje Selo, wo selbst großer Empfang stattfindet. Abends sieben Uhr findet Galatafel statt, bei welcher der Zar und Se Majestät der König Trinksprüche austauschen. Sonnabend vormittag wird eine Parade der in Zarskoje Selo liegenden Truppen vor dem Zaren und dem König abgehalten werden, an welche sich ein Paradefrühstück anschließt. Sonntag ist ein Besuch des Königs in Petersburg mit einem Frühstück im Winterpalais und einem Diner auf der Deutschen Botschaft vorgesehen. Montag, den 22. Juni finden in ZarSkoie Selo militärische Vorführungen und nach einem daselbst stattgehabten Frühstück die Rückreise des Königs statt. — Dresden, 15. Juni. Der „Dresdner Anzeiger" meldet: Der Rat bewilligte 6000 Mark um im gleichen Maße wie im Vorjahre bedürftige Kinder in Bäder uud Sommer- pflegen unterzubringen. — Dresden, 15. Juni. Nach der amtlichen Fremden- und Kurliste der engeren und weiteren Umgebung Dresdens betrug die Frequenz am 10. Juni auf dem Weißen Hirsch Inhaltlich erstklassig und schumckimAeutzeren ist anerkanntermaßen der allgemein beliebte „Bnch-Roman" 983 Parteien mit 1634 Personen, in Loschwitz 963 Parteien mit 1180 Personen, in Ullersdorf 35 Parteien mit 69 Per- sonen, in Klotzsche-Königswald 131 Parteien mit 240 Per sonen, in Tharandt 94 Parteien mit 117 Personen. — Dresden, 16. Juni. Aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Wettin-Jubiläums-Stiftuna der Schützenver eine Sachsens tritt der Stiftungsausschutz und das Präsi dium des Wettinschützenbundes im Königreich Sachsen am 21. Juni zu einer besonderen Festsitzung zusammen. — Dresden, 16. Juni. Die Ortsgruppe Dresden des evangelisch-lutherischen Schulvereins hielt gestern im Vereins hause eine Versammlung ab mit der Tagesordnung nationaler Einheitsschulen. Sie protestierte in einer einstimmig ge faßten Resolution gegen alle Versuche, die lutherischen Kern- tieder aus dem Memorierstoff der Schulen auszuschalten und lehnte insbesondere die in der Kieler Versammlung des deutschen Lehrervereins geforderte sogenannte nationale Ein heitsschule rückhaltlos ab. — Dresden. Das Zeppelinluftschiff „Sachsen" wird bei günstiger Witterung nächsten Sonnabend, den 20. Juni, nachmittags gegen 7 Uhr wieder einmal auf dem hiesigen Flugplätze eintreffen, um am Sonntag früh eine „Bugra- Fahrt" nach Leipzig auszuführen. Der Preis der Fahrt beträgt 100 Mark. Nähere Auskunft erteilt und An- Meldungen nimmt entgegen die Hamburg-Amerika-Linie, Prager Straße 56. — Dresden. Der englische Sturzflieger Tornelly wird sich am 20. und 21. Juni zum ersten Male in Deutschland, und zwar auf dem hiesigen Flugplätze, produzieren. Er wird einen Doppeldecker englischer Konstruktion benutzen. — Wie der Flugsport in Dresden Fuß gefaßt hat, geht daraus hervor, daß sich neuerdings ein Herrenfliegerklub gebildet hat, der bereits ein eigenes Flugzeug besitzt und ein zweites in Auftrag gegeben hat. — Kötzschenvroda, 16. Juni. Der Erdbeerversaudt betrug am Sonntag 60 Körbe mit 2125 Kilo am Montag 54 Körbe mit 1942 Kilo und am Dienstag 57 Körbe mit 1961 Kilo. — Wiesa. Der Leichenfund an der Kahnfähre Moritz bei Riesa scheint nunmehr feiner Aufklärung entgegenzu gehen. Wie verlautet, wird jetzt eine Spur nach Württem berg verfolgt. Die Erörterungen sind noch lebhaft im Gange. Es handelt sich jedoch, wie bereits feststeht, nicht um ein Verbrechen, sondern um einen Selbstmord. — Dööek«, 16. Juni. Als Einleitung zu dem am 20.-22. Juni stattfindenden Heimatfest wurde am Sonntag im Wappenhensch-Stift die durch das Heimatfest veranstaltete Ausstellung eröffnet, welche eine sehr beachtenswerte und hochinteressante Bereicherung des Altertumsmuseums ist. Die Heimat-Ausstellung besteht aus drei großen Gruppen: „Döbeln im Bild", „Unsere Vorfahren" und „Aus Döbelner Sammlungen". — Warna. Nach dem Genuß von verdorbenen Fischen starb am Montag das achtjährige Mädchen des Bahn- arbeiters Stein von hier. Stein selbst und ein jüngeres Mädchen, die ebenfalls erkrankt waren, befinden sich wieder auf dem Wege zur Besserung. — ßrimmitscha«, 13. Juni, Die Feier des 500jährigen Stadtrechtsjubiläums nahm heute in Gegenwart Seiner Majestät des Kökiigs ihren Anfang. Im Rathause fand eine Festsitzung statt, bei der der Oberbürgermeister die er folgte Stiftung von 50000 Mark zum Bau des Albert bades mitteilte. Nach der Enthüllung eines Wettinbrunnens besichtigte Seine Majestät die Ausstellung der Textilindustrie und nahm dann an der Frühstückstafel teil. Um 3 Uhr hat der König die Feststadt verlassen. — Zwickau, 16. Juni. Wegen vorsätzlicher Brand stiftung verurteilte das Schwurgericht den Handarbeiter Nindel aus Hohenstein-Ernstthal zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrenrechtsverlust. Er hatte am 21. April d. I. aus Rache das Haus feines Wirtes, des Webers Kirste in Hohcnstcin-Ernstthal, in Brand gesteckt, wobei auch noch zwei Nachbarhäuser mit eingeäschert wurden. — Zwickau, 17. Juni. Aus Rache zum zweiten Male zum Brandstifter geworden ist der 20 Jahre alte Kuh- Melker Preiß von hier. Er wurde erst im März d. I. nach Verbüßung einer wegen Brandstiftung ihm auferlegten Ge fängnisstrafe aus der Strafanstalt entlassen und zündete bereits am 4. März das Sckuppengebäude seines früheren Dienstherrn Körner in Königswalde an. Das Schwurgericht verurteilte ihn dafür zu zwei Jahren neun Monaten Zucht haus und fünf Jahren Ehrenrechtsverlust. — Küemuitz, 16. Juni. Im Hause Moltkestraße 2 versuchte in der vergangenen Nacht der 27 Jahre alte Barbier Wehner seine 68 Jahre alte Schwiegermutter, eine Witwe namens Korb, dadurch zu ermorden, daß er ihr mit einem Hammer mehrere wuchtige Schläge auf den Kopf versetzte. Als die Frau noch Lebenszeichen von sich gab, versuchte er, sie mit einer Schnur zu erwürgen, wurde aber durch das Hinzukommen seiner Ehefrau gestört und flüchtete. Wehner wollte nach getanen Aeußerungen auch seine Kinder aus der Welt schaffen. Er wurde heute früh in einem Gartenhause erhängt aufgefunden. — Annaberg. Eine Wandervogel-Hochzeit fand vor kurzem in der ältesten Kirche des Erzgebirges, in Groß rückerswalde, statt. Auf einem mit Birken und Blumen geschmückten Leiterwagen fuhren die Freundinnen der Braut von Annaberg zur Großrückerswalder Kirche. Der Bräu tigam, im dunklen Anzug und Kniehose, hatte hier auf dem grünen Rasen schon gegen siebzig Mädchen aus allen Gegenden Deutschlands zu bewirten, da seine Braut Gau leiterin des hiesigen Bezirkes war. Nach der ernsten Feier wurde unter Spiel und Tanz nach Wandervogelart im Freien abgekocht und das Hochzeitsmahl bereitet. Hunderte von schaulustigen Dorfbewohnern staunten das naturfreudige Völkchen an. — Schesserhan. Wiederum wird hierdurch das Publi kum aufmerksam gemacht, daß ein großer Teil des Pflanzen reichs im Versuchsgarten zu Schellerhau in schönster Blüte steht. Der Garten ist an jedem Lag Pflanzenliebhabern unentgeltlich geöffnet und sind Besucher willkommen Unter anderem steht in Blüte der jetzt in Sachsen ausgestorbene Frauenschuh. — Wad Werggießhübek. Wegen zahlreicher Scharlach, erkrankungen mußte das Bethlehemstift vorläufig geschloffen und die Kinder, die in der Mehrzahl aus Dresden stammten, in ihre Heimat zurückbefördert werden. sleues keben in der Türkei.! Von M. R. Von Tag zu Tag spitzen sich die Verhältnisse -wWe den Türken und Griechen zu und ernsthaft spricht mar vom Ausbruch eines dritten Balkankrieges. Kein Zweife — das Erwachen eines neuen Geistes in der Türket ha auch das Besinnen auf den Wert des nationalen Gedanken mit sich gebracht und dieses Nationalgefühl muß mt zwingender Notwendigkeit tn Gegensatz kommen zu den überall sich festnistenden und erwerbslistigen Griechen. Wer augenblicklich das öffentliche Leben in der neuen Türkei aus der Nähe beobachtet, wird vor allen Dingen von einer Erscheinung gefesselt werden, die geradezu ver blüffen muß. Ein Blick über Konstantinopel aus der Vogelperspektive genügt: schon die außerordentlichen An strengungen, die von der Stadt zur Verschönerung deS Stadtbildes gemacht werden — ich denke an die Er schließung des herrlichen Parks von Top Kapu, an di« gärtnerischen Anlagen vor der Ahmedmoschee, um den Kaiserbrunnen herum und die baulichen Veränderungen, denen man diesseits und jenseits des Goldenen Horns be- gegnet — deuten darauf hin — daß in der Türkei eine neue Bewegung im Gange ist, die die verrosteten Teile der sechshundert Jahre alten Staatsmaschine auszuwechseln bemüht ist. Wie ein neues Erwachen geht es in diesen Zeiten der Sammlung durch das Land; Entdecker tauchen auf; Entdecker neuer Gedanken, neuer Empfindungen. Propheten durchwandern das Reich; Prediger sammeln das Volk um sich und werfen mit zündenden Worten neue Begriffe unter die Menge, suchen neue Gefühle zu wecken, die bisher unbekannt in der Seele des osmanischen Volkes schlummerten. Dieser Arbeitsfrische, die ihre Wurzeln in den schweren Tagen der jüngsten Vergangenheit schlug, wird man nicht teilnahmslos gegenüberstehen dürfen, auch dann nicht, wenn sich die Stimmen der Schwarzseher er heben, die diesem Zusammenraffen aller Kräfte kritischen Auges zusehen. Und auch dann nicht, wenn man den Erfolg dieser Arbeit nicht vorauszusehen vermag. An allen Enden des großen Reiches wird der Spaten angesetzt: das nationale Empfinden, das die mohamme danische Religion bisher totgetreten hatte, soll erweckt, soll losgelöst werden von dem rein religiösen Empfinden. Der religiöse und nationale Ausgleich, den die Türken in der letzten Periode der altarabischen Dynastie in Bagdad über nommen haben, soll umgemodelt und für die neue Zeit brauchbar gemacht werden. Allenthalben entstehen natio nale Einrichtungen. Türkische Baudenkmale werden aus der Vergessenheit hervorgezogen, vom Schmutz und Mörtel befreit: die stets verneinte türkische Kunst soll eine Aufer stehung erleben und die Dichter weisen dem Volke den Weg, der nach dem neuen „Turan" führt, nach der Heim stätte des alten Türkentums. Ein fester Boden muß ge funden werden, wenn das Türkentum seine vorherrschende Stellung unter den übrigen Elementen des Reiches be halten will. Die neuesten Veränderungen in der sozialen Stellung- der türkischen Frau, die Zulassung zur Universität, zum Telephondienst, und nicht zuletzt die im Kabinett des Scheich ül Islams erwogene Entschleierung der Frau beweisen deutlich genug, daß es den türkischen Staats männern der Gegenwart ernst ist mit ihren Absichten, das Reich lebensfähig zu gestalten. Den schlagendsten Beweis dafür aber hat die Regierung damit erbracht, daß sie die Übersetzung des Korans in die türkische Sprache gebilligt und sich bereit erklärt hat, diese Bewegung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen/ Eine heilige Scheu vor der Sprache des Propheten hat die mohammedanische Geistlichkeit bisher von einer Übersetzung des Korans in eine andere Sprache abgehalten. Auch befürchtete man, daß eine solche Übersetzung Anlaß zu neuen Auslegungen der heiligen Worte und zu ernsten Zwistigkeiten geben könnte. Trotzdem sind schon früher derartige Versuche unternommen worden. Im vorigen Jahrhundert hat ein Dschemaleddin Himdi Dehlewi den Koran ins Indische übertragen. Eine Übertragung ins Persische wurde von den beiden Scheichs Es Hak Dehlewi und Kiamil besorgt, die den Koran dann auch inS Afghanische übersetzten. Alle diese Übertragungen kamen aber sicht aus einem beschränkten Kreis mohammedanischer