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Nuf gut Glück fragte Hans: „Und der Herr Gruber ist wohl nie im Revier gewesen?" Der Alte grinste verlegen. „Weshalb fragen Sie noch, Herr Förster, wenn Sie das schon wissen?" „Na, Klonus, Sie sind doch mein Vertrauensmann. Nun geben Sie mal Hals — es erfährt ja niemand, daß ich es von Ihnen gehört habe." Nun wurde der Alte mitteilsam und erzählte, daß Gruber im Revier aus und ein gegangen sei. Morgens, sei er gekommen, um den Dohnensteig und die Fallen und Eisen zu revidieren. „Aber", fuhr Klonus listig lächelnd fort, „ich meine, der Mazat is schon immer früher dage wesen und hat vorweg geteilt. Auch Ihr Hauswirt, der Lullies, könnte manches erzählen, wenn er wollte. Ich alaube, bei ihm ist mancher Rehbock gegessen worden." „Na, wurde denn auch im Revier geschossen?" „Davon hat man nichts gehört. Mit der Schlinge geht das ja viel leichter und bequemer und macht kein Geräusch." Jetzt wußte Hans genug, um sich ein Bild von den Zuständen, die vor ihm hier herrschten, zu machen. Einige Tage später kam die Verlobungsanzeige von Marie Kraus und Kurt Löffke, mit einer Einladung zum nächsten Sonn tag. Natürlich mußte Hans hinfahren und würde dort mit Gruber und Adele zusammentreffen. Aber das war ihm jetzt gar nicht peinlich. Mit dem Fräulein war er fertig. Das glückstrahlende Brautpaar saß unter den jungen Leuten in der Schreibstube. Hans stattete seinen Glück wunsch ab, ließ sich den unbekannten Gästen vorstellen und verschwand sofort, um sich den älteren Kollegen zu ge sellen, die bei einem Glas Grog im großen Wohnzimmer saßen. Neben dem Onkel war noch ein Stuhl frei. Gruber saß ihm gegenüber auf dem Sofa. Er nickte ihm zu und fragte laut: „Na, haben Sie schon wieder einen Wilddieb ge fangen?" Hans langte nach der Rumflasche und tat, als merkte er nicht, daß die Kollegen bei dieser Frage aufmerksam wurden und ihn ansahen. „Nein, Herr Amtsvorsteher, so viel Wilddiebe gibt's hier nicht, aber Vögel habe ich gefangen, viel Vögel." „Ich auch", warf Kraus ein. „Merkwürdig", fuhr Hans ruhig fort und sah Gruber an, „der Dohnenstrich war noch vom vorigen Jahr her ganz tadellos eingerichtet. Ich habe bloß einige Schlingen nachgezogen und eingebeert. Mein kranker Vorgänger muß doch gute Freunde gehabt haben, die ihm das be sorgten. Wissen Sie vielleicht etwas davon, Herr Gruber?" , Nicht nur Hans, sondern auch die anderen sahen, wie von Grubers Gesicht das behagliche Lächeln verschwand und einem bösen Ausdruck Platz machte. Im nächsten Augenblick hatte er seine Züge wieder in der Gewalt. „Freilich weiß ich was und will es Ihnen auch sagen. Das hat Mazat besorgt." „Na, dann kann ich ja ruhig sein, der sitzt hinter Schloß und Riegel, und andere werden sich wohl hüten, mir den Dohnenstrich zu revidieren." Es brannte ihm auf der Zunge, hinzuzufügen: „Nicht wahr, Herr Gruber?" Aber er bezwang sich, nahm einen Schluck Grog und wandte sich an Kraus. „Onkel, haben wir auch viel Raubzeug hier? Mein Hauswirt hat ja mehrere Eifen auf der Bucht liegen, die er wohl von meinem Vorgänger einbehalten hat." Nun wurde die Unterhaltung lebhaft. Man sprach von dem verflossenen Kollegen; einer wußte zu erzählen, daß er trotz seiner Krankheit erstaunlich viel Rum und Kognak verbraucht, aber nicht bezahlt habe, ein anderer hatte gehört, daß er die Bauern aus Serbenten eingeladen habe, um sie zu betränken und ihnen das Geld im Karten spiel abzunehmen." „Davon müßte ich doch auch was wissen", warf der Hegemeister ein. „Hast du was davon gehört, Gruber?" Der Gutsbesitzer zuckte die Achseln. Mit großer Ge nugtuung beobachtete Hans, wie unangenehm ihm das Gespräch war. Er wurde jetzt von Marie in die Schreib stube geholt, um bei den Pfänderspielen mitzuwirken. Mit feiner Jugendfreundin am Arm, stellte er den „Fürst von Thoren" mit vieler Würde dar, und als die Runde sang: „Spann Jäger das Gefieder, Schieß mir das Täubchen nieder". da bezeichnete er Adele als das Täubchen, das er nachher zu einem Tanz holen mußte. Eine ausgelassene, lustige Stimmung war über ihn gekommen. Unermüdlich stiftete er die Gesellschaft zu allerlei Scherzen an, die das Aus lösen der Pfänder erforderlich machte. Der Knalleffekt war stets ein Kuß, der ebenso gern gegeben wie genommen wurde. Unb er sorgte schon, daß er dabei nicht zu kurz kam. Nur bei Adele begnügte er sich mit einem Handkuß, als er als Pfandinhaber die Buße einziehen sollte. Sie hatte, als er auf sie zutrat, eine abweisende Bewegung gemacht und war rot geworden. In der nächsten Pause kam Marie auf ihn zu. „Weshalb Haft du Adele nicht geküßt?" „Weil sie mich mit den Augen zurückwies." „Das schien dir bloß so. Ich weiß was anderes: Ich habe sie schon mit ihrer unglücklichen Liebe für einen ' Grünrock geneckt." „Das betrifft mich jedenfalls nicht. Wer es inter essiert mich, zu hören, was sie dir darauf antwortete." „So? Es interessiert dich? Na, dann will ich es dir verraten. Sie antwortete gar nichts, sondern wurde blaß und knutschte ein Tränchen ab." „Du bist ein kleiner Racker, Mariechen. Schade, daß du schon verlobt bist." Sie machte ihm eine lange Nase und ging lachend ab. Mit heimlichem Vergnügen beobachtete er, wie sie ihrem Bräutigam etwas ins Ohr flüsterte, worauf Kurt sich harmlos an ihn heranschlängelte. „Sag mal, Hans, hast du Adele heute durch etwas gekränkt?" „Vielleicht durch meine Anwesenheit. Sonst wüßte ich nichts. Einmal war sie mein Täubchen, beim Hafer schneiden habe ich sie als Liebchen gegriffen, aber nur aus Zufall.... Nun will ich dir mal was sagen, alter Freund: Laß dich von deiner Braut nicht zu Dummheiten anstiften. Einen Kuppelpelz verdient sie sich an mir nicht." „Interessierst du dich wirklich nicht für das schöne Mädchen?" „Ich will dir offen sagen, daß ich ein paar Tage richtig in sie verschossen war. Aber das ist vorbei, aus!" „Das ist doch undenkbar." „Wer das vernünftigste. Glaubst du, daß Herr Gruber mich als Schwiegersohn annehmen würde? Wohl ebensowenig, wie ich zu ihm Schwiegervater sagen möchte." „Dann liebst du sie wirklich nicht, wenn du so kalt überlegen kannst." „Da sind wir ja schon einig. Wer nun laß mich ent fliehen und mit den alten Herren ein vernünftiges Wort reden." Nach dem Wendbrot wurden die alten Herren aus der geräumigen Wohnstube vertrieben, denn die Jugend wollte tanzen. Das Orchester bestand aus einer Geige und einer Handharmonika und spielte die schönsten, neuesten Lieder und Tänze, die der Geiger von seiner Militärzeit bei der Garde mitgebracht hatte. Es wurde sehr eifrig getanzt. Die Braut erklärte schon vor dem ersten Tanz, heute sei sie die Hauptperson, und deshalb würden heute die Damen auffordern. Und sie ging ihnen mit gutem Beispiel voran. Hans hatte sich mit Onkel Kraus und einem Kollegen zum Skat niedergefetzt. Wer es wurde nichts aus dem Spiel, denn kaum hatte ihn eine losgelassen, als auch schon eine andere ihn aufforderte. Erst beim dritten Tanz kam Adele, ihn holen. Er hatte schon gesehen, daß sie graziös und mit Hingebung tanzte. Er hatte aber auch beobachtet, daß sie erst auf Mariechens Zureden ihn aufgefordert hatte. Das ärgerte ihn, aber das Gefühl verschwand sofort, als er die schlanke, biegsame Gestalt umfaßte. Leicht wie eine Feder lag sie ihm im Arme. Auch er war ein flotter Tänzer. Es war ein Genuß, das schöne Paar walzen zu sehen. Die alten Herren waren in die Tür getreten, und der alte Hege meister sagte ganz laut: „Die beiden passen zusammen wie ein Gespann. Nicht wahr, Gruber?" Hans hörte nicht, was der Gutsbesitzer darauf er widerte, aber er fühlte, wie Adele zusammenzuckte. Gleich darauf dankte sie. Er führte sie an ihren Platz und setzte sich neben sie. Alle seine Vorsätze waren wie weg geblasen. s oo öS „Sie haben mich aus den Lanz lange warten lassen, mein Fräulein." „Ich habe nur Vergeltung geübt. Sie haben mich beim Pfänderspiel völlig übersehen." „Weil es mir schien, als wäre es Ihnen nicht ange nehm, daß ich Sie aufforderte." „Ach, daran hat nur Marie schuld. Die neckt mich immer." (Schluß folgt.) Vie Versteigerung. Skizze von Ruby Dt. AyreS, übersetzt von L. Kukol. (Schluß.) (Nachdruck verboten.) Das Blut stieg ihm zu Kopf; wütend ballte er seine Hände. Er hätte dem Sprecher ins Gesicht schlagen können, aber seine Arme fielen schlapp herab, und er ging vorn übergeneigt mit schweren, schleppenden Schritten weiter, wie ein alter, alter Mann. Und das war alles die Tat einer Frau! — einer Frau! — der einzigen, die er geliebt hatte! Er fragte sich, ob sie wohl, wenn sie es wüßte, ein ganz klein wenig Reue empfinden würde; dann ging er durch das öde, unordentliche Vorzimmer zum Fenster hin und sah hilflos hinaus in den Garten. Er fiel in einen Stuhl und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Von dem anderen Zimmer klang die laute, schrille Stimme des Auktionators, das Lachen und Scherzen der Menge, das Aufklappen des Hammers herüber. „Zum letzten, Damen und Herren, — weiter! — weiter!" — und dann eine längere Pause. Loder lauschte gespannt auf das endgültige Fallen des Hammers. Es schien ihm, als fielen Erdklumpen auf den Sarg eines teuren Verschiedenen. Atemlos wartete er. zum letzten—", der Hammer fiel, und Loder seufzte tief auf, wie ein Mann, der nach langem Untertauchen wieder an die Oberfläche des Wassers kam. Es war spät am Nachmittag, als der Hammer zum letztenmal fiel, und langsam verließen die Leute, die ge kommen waren, um sich an dem Elend eines Mannes zu weiden, das kleine Haus. Loder riß sich zusammen und ging auf den Flur hinaus. Ein paar Menschen standen noch in Gruppen bei sammen, schwatzend und Zettel vergleichend; der Auktionator labte sich an Whisky und Wasser. Er sah erhitzt und müde, aber vergnügt aus. Als er Loder sah, kam er auf ihn zu. „Ein glänzendes Geschäft — glänzend!" sagte er herzlich. „Famose Preise! Sie wissen wohl nicht, wer die Dame ist, Mr. Loder?" „Welche Dame?" fragte Loder zerstreut. „Nun ja, die Dame — ich dachte, es wäre eine Freundin von Ihnen. Sonderbare Geschichte. Hat auf alles geboten. Muß wohl von zehn Sachen mindestens neun gekauft haben! Das Klavier zum Beispiel! Ich schätzte es auf zehn Guineen höchstens! Und sie bot bis auf dreiundzwanzig! Sie wissen wirklich nicht, wer sie ist? Ihren Namen wollte sie mir nicht sagen, aber sie gab mir Banknoten für alles, was sie gekauft hatte — das genügte mir. — Da drüben am Fenster steht übrigens die Dame!" Loder folgte mit seinen Blicken der ausgestreckten Hand des Auktionators. Es war schon dunkel geworden, und er sah mit seinen schwachen Augen nur die Umrisse einer weiblichen Gestalt. Er schüttelte den Kopf. „Ich kenm sie nicht. Und ich habe auch keine Frau, die mir beistehen würde", fügte er, bitter lachend, hinzu, während er langsam weiter ging. Der Auktionator sah ihm halb mitleidig, halb ärger lich nach. Er hatte das Gefühl, als hätte er wohl ein paar Worte des Dankes verdient für die großartigen Preise, die er er zielt hatte, und doch sagte er sich selbst, wie schmerzlich er es empfunden hätte, wenn er hätte dabei sein müssen und sehen, wie seine eigenen Sachen alle nacheinander verkauft würden. Loder hatte sich mit einem Gefühl von Verzweiflung abgewandt. — Ohne eigentlich zu wissen, was er tat, wanderte er ziellos von einem Zimmer zum anderen, bis er plötzlich auf der Schwelle des Schlafzimmers stand — seines Schlafzimmers und — ihres. Sein Herz schrie auf in plötzlichem Sehnsuchtsbangen nach dem Weib, das sein Heim zerstört hatte; er empfand wie ein erschrecktes Kind, das, angesichts des Ungewissen, angstvoll nach der Mutter ruft; aber nichts antwortete auf diesen wilden, unausgesprochenen Schrei, nichts als das dumpfe Geräusch der fremden Stimmen unten. Eine Frau, die bemerkt hatte, wie Loder die Treppe hinaufging, und die ihm gefolgt war, indem sie rücksichtslos ihre kostbaren Kleider über die schmutzigen Dielen schleppen ließ, hemmte ihre eiligen Schritte, als sie seine große Gestalt regungslos im Türrahmen des Schlafzimmers stehen sah. Sie stand dort, die Hand an den Mund gelegt, mit einer Gebärde fall kindlicher Scheu, indem Furcht und Mitleid in ihren wundervollen Augen um die Vorherrschaft kämpften. Einmal hatte sie sich abgewandt, als ob sie die Treppe wieder Hinuntergehen wollte, aber sie kam zurück, und diesmal etwas näher zu der regungslosen Gestalt an der Tür. Und dann, plötzlich, unterbrach ein seltsamer schreck licher Laut das Schweigen — das Aufschluchzen eines Mannes. Das Gesicht der Frau änderte sich sofort, die Furcht in ihren Augen wurde verdrängt durch den Ausdruck herz licher Liebe und fast mütterlicher Zärtlichkeit, als sie leise vortrat und ihre Arme um den Hals des Mannes legte, wie sie es an jenem Wend vor fünf Jahren getan hatte — als das Klavier ankam. „John!" sagte sie zitternd. „John! Liebling — mein Liebling —!" Sie küßte seine Hände, seinen Rock, sein Gesicht und das weiche Haar an den Schläfen, das so grau geworden war; sie erniedrigte sich, sie flehte um Verzeihung, sie sprach zu ihm wie eine Mutter zu ihrem Kind, das sie zu Unrecht gezüchtigt hat. „Ich war schlecht, sehr schlecht zu dir; aber ich habe es nicht begriffen bis jetzt! Wer noch ist es nicht zu spät, John; wir können noch einmal anfangen. Ich hörte erst heute morgen, daß du alles verkaufen wolltest — unser ganzes niedliches Heim." Ihre Stimme versagte, aber sie raffte sich auf und versuchte zu lachen. „Wer ich habe fast alles gekauft, John; das — das Klavier und — und — o, fast alles, und wir können uns wieder unser Heim einrichten. Warum siehst du mich nicht an, John?" Wer Loder hielt sein Gesicht abgewandt. „Weißt du", sagte er heiser, „daß ich wahrscheinlich blind werde?" „Man sagte es mir", sagte sie mit einem leisen Zittern in ihrer Stimme. „Man sagte es mir; aber wir wollen gemeinsam dagegen ankämpfen, John, wenn du mir ver geben kannst. Es ist nicht zu spät, glücklich zu sein, wenn nur du mir vergeben kannst." Er versuchte, sich von ihr frei zu machen. „Es ist zu spät!" sagte er. „Es ist zu spät. Ich habe mein Glück verkauft. Es ist zu spät!" „Man sagte mir, du hättest alles, was du besitzt, zum Kaus angeboten, Liebling", sagte sie, indem Lachen und. Weinen bei ihr kämpfte. „Mes ist an den Meistbietenden verkauft: wenn du also dein Glück mit verkauft hast, so gehört es jetzt mir, weil ich es als Meistbieter mit all dem anderen erworben habe —Und plötzlich sank sie schluchzend in die Knie und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Loder sah auf sie nieder, dann beugte er sich vor und schlang seine Arme um sie. „Du hast einen armseligen Kauf gemacht", sagte er mitleidig. „Wer wenn du sicher bist, ganz sicher —" Er brach plötzlich ab. Sie sah zu ihm auf, während die Tränen noch über ihre Wangen rollten, und einen Augenblick schien es, als ob einer in die Seele des anderen blicke; dann seufzte Loder tief auf. „Glaubst du mir?" fragte sie ihn. Loder antwortete nicht, aber er nahm ihren Kopf in seine Hände und küßte sie.