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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend : 24.01.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782024719-191401245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782024719-19140124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782024719-19140124
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-01
- Tag 1914-01-24
-
Monat
1914-01
-
Jahr
1914
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Crmäüigung äes keicksbankäiskonts. Von 6 auf 4V, Prozent. Berlin, 22. Januar. Der ReiKsbankdiskont ist beute von 5 auf 4Vz Prozent und der Lombardzinsfuß entsprechend von 6 auf 5Vr Prozent herabgesetzt worden. Die letzten Diskontermäßigungen erfolgten am 12. Dezember von 5'/- aus 5 und am 27. Ok tober von 6 auf 5V- Prozent. Zur Begründung der Herabsetzung erklärte der Reichsbankpräsident im Zentral ausschuß, daß die Ansprüche an die Reichsbank von Mitte Dezember bis zum Ultimo des Jahres außerordentlich stark waren, und zwar so groß wie noch nie zuvor. Dem gegenüber blieben aber die Rückflüsse durchaus normal, und auch die ungedeckten Noten haben den günstigen Stand am Ende des vorigen Jahres beibehalten. Der Privat diskont blieb leicht, und auch die internationalen Geld marktverhältnisse zeigen ein unverkennbares Anzeichen einer allgemeinen Entspannung. Der Stand der Devisen kurse ist ebenfalls nicht bedrohlich. Aus diesem Grunde hat sich das Reichsbankdirektorium veranlaßt gesehen, eine Diskontermäßigung vorzunehmen. Gleichzeitig setzte auch die Bank von England ihren Diskont von 4*/» aus 4 Prozent herab. jVlarsckaU Aimans Aufgabe. Unbeschränkte Jnfpektionsrechte. / Köln, 21. Januar. Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht eine offiziöse Darstellung der Entsendung Limans nach der Türkei und erklärt, daß die Mission des Generals Liman nicht ein Gedanke der deutschen Politik fei, sondern auf den Wunsch der Pforte erfolgte. Bei der Anwesenheit des russischen Ministerpräsidenten Kokowzew in Berlin sei diese Frage eingehend erörtert und später auch der russischen Regierung mitgetcilt worden, daß die Verhandlungen soweit abgeschlossen seien, daß eine Änderung der Bedingungen der Mission nicht mehr möglich sei. Weiter heißt es in der offiziösen Auslassung: Genera! Liman habe sich bei Antritt seiner Mission unter Aus schluß jedes politischen Gesichtspunktes auf den reir militärischen Standpunkt gestellt, und Deutschland hab; denselben Standpunkt eingenommen und die ganze An gelegenheit als Zweckmäßigkeitsfrage von rein militärische: Natur betrachtet. Diese Auslassungen werden durä folgende aus Konstantinopel kommende amtliche Er rlärungen noch unterstrichen: Die Befugnisse des Marschall? v. Liman werden als eine innere Angelegenheit de: türkischen Armee behandelt. Über den Umfang und di- Ausübung dieser Befugnisse besteht völliges Einvernehmen Marschall v. Liman übt unbeschränkte Jnspektionsrechü auS. Er ist von seiner gegenwärtigen Stellung sehr befriedigt Prinzessin I^uife von Coburg vergleicht sich, 16 Millionen Schulden. Brüssel, 22. Januar. Die von ihren Gläubigern hart bedrängte Prinzessin Luise von Koburg hat sich mit dem belgischen Staate wegen des Nachlasses ihres Vaters, des verstorbenen Königs Leopold, sowie mit ihren zahlreichen Gläubig.rn in allen Ländern des Kontinents geeinigt. Der belgische Staat zahlt an die Prinzessin k Millionen Frank, wovon 4V, Millionen die Gläubiger erhalten, die Forderungen in Höhe von 16 Millionen angemeldet haben. Der Prinzessin verbleiben also lediglich 500 000 Frank. Die Prinzessin wie ihre Gläubiger kommen indessen später dock! noch einmal zu Geld, wenn die sehr reiche, hochbetagte und geistig umnachtete Kaiserin-Witwe von Mexiko die Augen schließt. Revolutionärer Massenstreik in KuManä. Heftige Zusammenstöße. Petersburg, 22. Januar. AuS Anlaß des JahreStageS der Demonstrationen von 1S05 brach heute morgen in allen Fabrikvierteln de: Residenz ein Massenstreik ans. Auch in Riga sind die Arbeiter vieler Fabriken auS diesem Anlaß in den Aus stand getreten. Bis gegen Nachmittag waren von 350 000 Fabrik arbeitem der Hauptstadt 70 000 in den Streik getreten. In einigen Fabriken versuchten die Arbeiter beim Ver lassen der Werkstätten revolutionäre Lieder zu singen und Demonstrationen zu veranstalten. Diese Versuche wurde: jedoch durch die Polizei vereitelt. Ähnliche Vorgänge spielten sich an zwei Purtkten des Newskyprospekts und der Sadowajastraße ab. Aus dem Newskyprospekt mußte die Polizei von der blanken Waffe Gebrauch machen, un die Meng" - zerstreuen. steue Männer in äen R-eWslanäen. Krisengerüchte. Straßburg i. E., 22. Januar. Hier kursieren Gerüchte, die mit aller Bestimmtheit behaupten, daß ein vollständiger Wechsel in der Regierung von Elsaß-Lothringen unmittelbar beoorstehe. Danach soll sich die neue Regierung folgendermaßen zusammensetzen: Statthalter wird General v. Hoiningen, der jetzige Kommandeur des 14. Armeekorps, Staatssekretär der jetzige Bezirk-Präsident v. Puttkamer, Unterstaatssckretär des Annern der Bczirkspräsident v. Gemmingen und Unterstaatssekretär der Justiz der Oberlandesgerichts präsident Molitor. Nach einer anderen Lesart hat Statthalter Gras Wedel in einer elsaß-lothringischen Ministerkonferenz über das Ergebnis seiner Berliner Reise Bericht erstattet. Demnach sei mit dem Rücktritt der leitenden Personen in der elsaß-lothringischen Regierung erst nach Abwicklung aller mit dem Falle von Zabern zusammenhängenden An gelegenheiten, etwa Ende des Frühjahrs, zu rechnen. Mit Ausnahme des Finanzministers würden sämtliche Steller: neu besetzt werden. stak unä fern. o Zwei Millionen Mark Sturmschäden. Nach den vor» läufigen Feststellungen beträgt der durch die Sturmflut Anfang Januar angerichtete Schaden allein an der ost- und westpreußischen Küste rund zwei Millionen Marl. Beinahe die Hälfte davon fällt auf die Danziger Bucht. Aber auch an der Mündung der Memel sind viele kleine Leute durch den vollständigen Verlust ihrer Habe an den Bettelstab gebracht worden. Der Verlust der Fischer an Booten ist mindestens auf 60000 Mark zu veranschlagen. Von den Seebädern ist keines von der' Sturmflut ver schont geblieben. 0 Sicherheit zur See. Die in London abgehaltene Konferenz für die Sicherheit des Lebens auf dem Meere hat einigen schwerwiegenden Vorschriften zugestimmt. Zu nächst ist vorgesehen, einen internationalen Dienst zur Beobachtung des Eisganges im nordatlantischen Ozean und zur Zerstörung treibender Wracks zu schaffen, der der Aufsicht der Vereinigten Staaten unterstellt werden soll. Für den Schiffsbau sollen erhöhte Forderungen gestellt werden. Das Abkommen sieht ferner vor, daß alle Handelsschiffe, die sich auf internationalen Reisen oder auf Fahrten nach Kolonien befinden, gleichviel ob sie Passagiere an Bord haben oder nicht, drahtlose Telegraphie führen niüssen, falls sie fünfzig oder mehr Personen an Bord haben. Auf schnellen Passagierschiffen und auf Schiffen, die auf ihrer Fahrt mehr als 500 Meilen von Hafen zu Hafen zurücklegen, muß der drahtlose Dienst unausgesetzt in Bereitschaft sein. Weiterhin ist bestimmt, daß die Schiffe eine genügende Anzahl von Rettungsbooten führen niüssen, um 75 Prozent aller an Bord befindlichen Per sonen aufzunehmen, und daß für die verbleibenden 25 Prozent entweder Flösse oder weitere Rettungsboote vorhanden sein müssen. O Durch einen deutschen Dampfer aus Seenot ge rettet. Am 17. Dezember verließ der italienische Dampfer „Oceano" den Hafen von Lissabon und war seitdem ver schollen. Man gab das Schiff, das über 14 Tage über fällig war, schon verloren. Jetzt hat der deutsche Dampfer „Elisabeth" das italienische Fahrzeug aufgefunden und im Schlepptau nach Newyork gebracht. S Bergung des englischen Tauchbootes 7". Das bei Plymouth gesunkene Unterseeboot ist nun endlich auf gefunden worden. Als das Kanonenboot „Pigmy" die Strecke abfuhr, die von der Zerstörerflottille mit Schlepp ketten abgesucht worden war, sahen einige der Matrosen eine ölige Masse auf dem Wasser schwimmen. Es wurde sofort ein Taucher hinabgesandt, der nach kurzer Zeit be richtete, daß das Ol von dem Unterseeboot aufsteige, das in 42 Metern Tiefe liege. Die Hebung ist darauf sofort in Angriff genommen worden. <-> Großherzige Stiftung zur Nadiumbehandlung. In einer zur Beratung über die von der amerikanischen Regierung geplante Einführung des Radiummonopols ein gesetzten Kommission wurde mttgeteilt, daß einer der reichsten Industriellen Amerikas den Plan habe, in den Vereinigten Staaten 20 Hospitäler zur unentgeltlichen Radiumbehandlung Krebskranker zu erbauen. Der Multi millionär habe zu diesem Zwecke die Summe von 60 Millionen Mark ausgeworfen. Man befürchtet, daß diese hochherzige Stiftung vereitelt werde, wenn die Re gierung in der Lage wäre, das Radium aus dem freien Verkaufe zu ziehen, — Der Stifter dürfte wohl der alte Rockefeller sein. D Zehn Millionen Erbschaftssteuer. Bei der wohl noch in aller Erinnerung lebenden „Titanic"-Katastrophe hatte u. a. auch der amerikanische Multimillionär Colonel I. I. Astor sein Leben eingebüßt. Sein Sohn, John Vincent Astor, hat jetzt der Staatskasse in Newyork einen Scheck von 2 585 000 Dollar gleich 10 500 000 Mark über sandt. Mit dieser Summe ist Astor zur Erbschaftssteuer auf das Vermögen seines Vaters, dessen Universalerbe er ist, veranlagt worden. Das Vermögen ist vom Nachlaßgericht auf 68 Millionen Dollar geschätzt worden. G Ungewöhnliche Kälte in Spanien. Ganz Spanien leidet unter der anhaltenden Külte der letzten Tage. Madrid macht den Eindruck einer belagerten Stadt, allent halben sieht man verlassene Fuhrwerke stehen, deren Last- liere nach einem Fall und Knochenbruch hatten getötet werden müssen. Auch brennende Scheiterhausen sieht man hier und dort. Die Lebensmittel werden immer spär licher: die Preise steigen enorm. Selbst das Katzenfutter ist unerschwinglich teuer geworden. Tausende von Leichen verhungerter Sperlinge liegen umher. Alle Theater sind geschlossen, die Züge in Spanien und Südfrankreich außer Betrieb. s Zweihundert Flüchtlinge durch einen Erdrutsch getötet. Die neuen vulkanischen Ausbrüche auf der japanischen Insel Sakuraschima haben zahlreiche Menschen leben als Opfer gefordert. 300 Flüchtlinge von Kago- schima, die sich schon vor den Verheerungen der vulkani schen Eruptionen geborgen glaubten, sind durch einen in folge eines Bebens entstandenen Erdrutsch in einer tiefen Schlucht verschüttet worden. Etwa 100 konnte man noch lebend ausgraben. 0 Die geheiMkSKKMDKMüHMtzM lü DkiiSV«u Seit mehreren Tagen hat die Dresdener Polizei bei einer großen Zahl von Firmen der Tabak- und Zigaretten branche Haussuchungen abgehalten, über deren Zweck Stillschweigen bewahrt wurde. Jetzt will man wissen, daß das Vorgehen dem Tabaktrust galt. Es sollen bei der Jasmatzi Aktiengesellschaft Briefschaften beschlagnahmt worden sein, aus denen hervorgeht, daß Jasmatzi den Mittelpunkt des amerikanischen Trusts in Deutschland bildet. Die Gerichtsbehörden sollen ein Verfahren wegen Geheimbündelei eingeleitet haben. .Die Regierung scheint entschloßen zu sein, die Trustbewegung in der deutschen Tabakindustrie energisch zu bekämpfen. o Teilnahme der Armee an der Olympiade ISIK. An den in Berlin abzuhaltenden olympischen Spielen wird sich auch die Armee beteiligen. Das Kriegs ministerium hat jetzt dementsprechende Anordnungen erlassen. Danach soll die Beteiligung stattfinden an reitsportlichen Veranstaltungen auf einer Bahn von höchstens 5000 Metern Länge, am modernen Fünf kampf. Am Schieben werden sich Offiziere und Unteroffiziere beteiligen. Für die Ausbildung in den Übungen wird die Bildung von Offizier-Sportvereinen empfohlen, dieneben dem Zweck, allgemeine Anregung für den Sport zu geben, die Ausbildung besonders Begabter für den Fünfkampf der Olympiade 1916 betreiben sollen. Eigene Fechtabteilungen sind zu bilden, falls sich nicht bereits ein geeigneter bürgerlicher Fechtverein an Ort und Stelle befindet, mit dem in Verbindung getreten werden könnte. S Unwetter am Schwarzen Meer. An der kauka sischen Schwarzmeerküste regnet es ununterbrochen, so daß die Bergströme in der Provinz des Schwarzen Meeres und im benachbarten Kuban-Gebiet über ihre Ufer, ge treten sind und Verheerungen angerichtet haben. Es sind auch Verluste an Menschenleben zu beklagen. kleine Oages-Okronik. Frankfurt a. M., 21. Jan. Der zum Tode verurteilte Giftmörder Hopf hat auf das Rechtsmittel der Revision verzichtet. Das Urteil wird am Sonnabend rechtskräftig. steuartige Aekrutenwerbungen. X. London, im Januar. England besitzt noch heute eine charakteristische Figur, die aus längst vergangenen Zeiten zu stammen scheint: die des Werbeunteroffiziers. Dieser Werber ist eine der Sehenswürdigkeiten Londons, und sie wird von den London besuchenden Fremden, die sich zum erstenmal zur Nationalgalerie am Trafalgar Square begeben, nicht wenig angestaunt. Am Gitter der berühmten Pinakothek stehen, zwanglos plaudernd, Gruppen von Unteroffizieren in schmucken Uniformen, das Äambusstöckchen in der Hand, die Mütze schief und verwegen aufs Ohr gedrückt, das Bärtchen gewichst und aufgezwirbelt. „Die gehen sicher auf Abenteuer aus!" denkt der Fremde; und das ist richtig: nur daß es sich nicht um Liebesabenteuer handelt. Den Frauen jagen diese Unteroffiziere nicht nach; die geschniegelten und gebügelten Krieger sollen vielmehr durch den Zauber ihrer Persönlichkeit junge Männer ködern und für das Soldatenleben gewinnen. Der Werbeunterosfizier Erhält für jeden neuen Rekruten, den er dem Heere zusührt, eine anständige Belohnung. Dem Fremden, der vom Festlande kommt, erscheinen diese Bemühungen, zu welchen das britische Heer sich gezwungen sieht, um die in seinen Reihen entstehenden Lücken wieder auszufüllen, ein bißchen komisch. Das englische Volk aber findet dieses Werbesystem offenbar recht bequem, und „Tommy Alkins", wie man den englischen Söldner nennt, wird wohl noch lange Zeit das Bollwerk des Reiches bleiben. Da man aber doch schließlich Soldaten haben muß, hat Englands Kriegs minister dieser Tage zu dem schon vor einiger Zeit an gekündigten Mittel gegriffen, um zu beweisen, daß man mit der Werbung recht gut auskommen kann, wenn man die Sache nur richtig anzufangen weiß: er sucht seine Soldaten jetzt auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Zeitungsannonce. Alle Londoner Tageszeitungen brachten eine ganze Seite Annoncen, die nicht eine neue Seife oder ein neues Schuhputzmittel anpriesen, sondern ganz einfach das englische Heer. „Was das Heer bietet" war die Annonce überschrieben. Es gewährleistet weder Sieg noch Ruhm, dafür aber etwas sehr Reelles: gute Bezahlung, lange Ferien und Fußballspiele. Der Kriegsminister weiß, was er tut! Diese Werbung durch die Annonce ist eine kühne Neuerung im Vergleich mit der immerhin nur eng begrenzten Propaganda durch den Werbeunteroffizier. Aber mit den seitenlangen Annoncen allein ist es nicht getan: außer der Presse hat der Kriegsminister, der seine Zeit versteht, auch noch den Kmematographen in den Werbedienst gestellt. Ein Film von 20 000 Meter Länge führt den Engländern vor Augen, welch herrliches Leben Tommy Atkins führen darf. 25 000 Offiziere und Soldaten erscheinen auf den verschiedenen Bildern dieses Riesenfilms, der natürlich viel zu groß ist, als daß er dem Publikum auf einmal gezeigt werden könnte, und der des halb vorläufig stark gekürzt — man bat ihn auf 2300 Meter herabgemindert — präsentiert wird . . . Nach den Werbeanzeigen gibt das Heer seine Uni formen nur Jünglingen mit einwandfreiem Vorleben; und die Wahrscheinlichkeit der Beförderung ist größer als vor zwanzig Jahren, als die Elemente, die sich anwerben ließen, oft von etwas zweifelhafter Sorte waren. Es gibt heute bereits 1200 englische Offiziere, die von der Pike auf gedient haben, und jeder englische Soldat trägt den Marschallstab im Tornister. Der Soldat erhält ferner nicht nur eine prächtige Uniform, sondern auch Gelegenheit, sie vor dem scbönen Geschleckt zur Geltung zu bringen. Tommy Atkins hat täglich mehrere Stunden „Ausgang" und außerdem jedes Jahr einen Monat Ferien bei ungekürztem Lohn: ja er bekommt in der Urlaubszeit täglich noch 50 Pfennige extra als Entschädigung für das Kasernenessen, aus das er dann verzichten muß. Weiter wird ihm der Dienst so leicht als möglich gemacht: Fußball, Schwimmen, Rudern usw. sind die Sports, denen er sich zu jeder Zeit widmen darf. Alle Regimenter haben Schulen für die Soldaten, die Ehrgeiz besitzen und sich weiterbilden wollen. Der Kriegsminister hat also recht, wenn er in seinen Annoncen sagt: „Es gibt kein schöner Leben als Soldaten- leben . . stapoleon I. vor äem Sturr. Erinnerungen auS dem Anfang des Jahre- 1814. Im Januar des Jahres 1814 wurde die Lage in Paris besorgniserregend. Man hätte glauben können, daß die Bewohner der Seinestadt sich auf eine längere Belagerung vorbereiteten. Alle Lebensmittel waren um das Doppelte im Preis gestiegen. Dagegen waren die Aktien der Bank von Frankreich von 1140 auf 850 Frank gefallen. Das Leih haus lieh auf Versatzgegenstände, ganz gleich, welchen Wert sie haben mochten, nur noch bis zum Höchstbettag von 20 Frank. Der Direktor der Museen verlangte dringend, daß die kostbaren Gemälde des Louvre verpackt und ver steckt würden. Von allen Seiten kamen Nachrichten, daß Rekruten sich entschieden gegen die Einreihung ins Heer auflehnten. Alle wohlhabenderen Pariser verließen in größter Eile die Stadt, und die Beamten der Polizeipräfektur batten alle Hände Ivoll zu tun, um die verlangten Pässe aus zustellen: an einem einzigen Tag wurden nicht weniger als 1300 Pässe ausgesertigt. Die Aufregung und die Besorgnis der Pariser wuchsen, als der Kaiser plötzlich das Parlament nach Hause schickte. Er hatte es beauftragt, eine Kommission zu ernennen, der er von Fall zu Fall die Ergebnisse der mit den Verbündeten angeknüpften Unterhandlungen mitteilen wollte. Alle Mit glieder der Kommission waren Royalisten, und eines von ihnen, Laine, der spätere Minister Ludwigs XVlII., machte sich zum Dolmetsch des Volkswillens, indem er am Schluß eines längeren Berichtes sagte: „Möge der Kaiser einen ehrenvollen Frieden unterzeichnen, damit die Nation endlich wieder zur freien Ausübung ihrer politischen Rechte ge lange." Napoleon geriet, als ihm dieser Bericht, der vom Parlament in geheimer Sitzung gebilligt worden war, vor gelegt wurde, in namenlose Wut. Er unterzeichnete sofort ein Vertagungsdekret, das den Sitzungen des Parlaments ein Ende machte. Zu einigen Abgeordneten, denen er Audienz erteilte, sagte er: „Sie wollten mir Kot ins Gesicht werfen. Ich bin, daß Sie es nur wissen, ein Mann, den man wohl töten, aber nicht beschimpfen kann. Kehren Sie in Ihre Departements zurück und sagen Sie Frankreich, daß der Krieg ebensosehr ihm gilt wie mir, und daß es nicht meine Person, sondern seine nationale Existenz zu ver teidigen bat," Diese Worte des Kaisers verstärkten die Ängste der Pariser, aber die Leichtherzigkeit gewann bald die Oberhand über Furcht und Schrecken; es konnte daher nicht wunder nehmen, daß selbst in diesen ernsten Zeiten die Theater und sonstige Vergnügungsstätten jeden Abend gut besetzt waren. In den Theatern spielte man vornehmlich patriotische Stücke. Am 25. Januar reiste der Kaiser nach Chalons, um sich an die Spitze der Armee zu stellen. Als er die Tuilerien verließ, umarmte er seine Frau und seinen Sohn, ohne zu ahnen, daß er sie zum letztenmal umarmte. Vor dem Auf bruch. traf er noch zahlreiche Anordnungen. Dann berief ex.
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