Volltext Seite (XML)
kerrtcht und die Erziehung Schwachsinniger nötigen tie feren psychologischen und medizinischen Kenntnisse zu er langen, waren sie auf Selbststudium und Teilnahme an Kursen angewiesen. DaS empfanden sie längst als Man gel, und bereits 1923 wurde dem Ministerium Lin Aus- biwungSplan für Htlfsschullehrer vorgelegt, der in der For derung nach einem medizinisch-pädagogischen Institute gip- felte. Mit Rücksicht auf die hohen Kosten und die finan zielle Lage deS Staates stellt die tzilfsschullehrerschaft Sach sens diese Forderung z. Zt. zurück und fordert dafür eine - mindestens zweisemestrige Sonderausbildung, die die abge schlossene akademische Dolksschullehrerausbildung zur Voraussetzung hat und mit einer Abschlußprüfung zurr enden ist. Dabei überläßt sie die Wahl des Ortes der Ausbildung, Leipzig oder Dresden, den maßgebenden In stanzen, legt aber besonderen Wert darauf, daß mit der Ausbildung baldigst, möglichst Michaelis 1927, begonnen wird. Im weiteren Verlaufe der Versammlung wurden vornehmlich organisatorische Fragen erledigt. * Der Verband Sächsischer Klempner und Installa teure hält seinen Derbandstag in der Zeit vom 18. bis 20. Juni in Aue ab. * Aue, 19. April. Prokurist Curt Semmt, früher in Aue, setzt in Düsseldorf, erhielt für 42jährige Dienstzeit bei der Fa. F. W. Ganienberg, A.-G., ein Glückwunsch^ vben des Reichspräsidenten. Aue, 19. April. Morgen, Mittwoch, am Tage oer Schulaufnahme unserer Kleinen in die Schule, soll, wie im vergangenen Jahre, in der Nicolaikirche früh 8 bis Vi9 Uhr eine kurze Andacht gehalten werden. Möchten alle Eltern mit ihrem Kinde sich dazu einfinden. Schneeberg, 19. April. Der Unterricht am Staats realgymnasium beginnt am Donnerstag, den 21. Avril früh 7 Uhr 20 Minuten. Das Ministerium für Volks bildung hat bestimmt, daß die Mütze des Gymnasiums in den alten Farben, blau-gold, getragen wird. Eibenstock, 19. April. Oberverwaltungssskretär Held hat vor dem Stenographischen Landesamt in Dresden die Prüfung als „Staatlich geprüfter Lehrer der Stenographie" bestanden. Griesbach, 19. April. Fritz Jungnickel, der Sohn des Schmiedemeisters Hermann I., hat die staatliche Prü fung als Hufschmied mit Auszeichnung bestanden. Lauter, 19. April. Die Bekämpfung der Obstbaum- schädlinge ist für die Obstbaumbesitzer eine gesetzliche Pflicht. Insbesondere ist die wiederholt stark aufgetretene Blut laus als empfindlicher Schädling der Obstbäume wirk sam zu bekämpfen. Wer die erforderlichen Maßnahmen unterläßt, kann strafrechtlich belangt werden. Anweisungen und Auskünfte über die Bekämpfungsmaßregeln können bei der Gemeindeverwaltung eingeholt werden. Lauter. 19. April. Die Firma Adolf Göthel, Wäschefabrik, beging Ostern ihr 73sähriges Ge schäfts jubilä um. Fabrikbesitzer Albin Göthel ist seit dem Jahre 1882 Inhaber der Firma und hat das Anteruebmen, in kleinen Anfängen begannen, auf seine jetzige beachtliche Höhe gebracht, sodaß gegenwärtig in dem Betriebe 134 Arbeiter und Angestellte beschäftigt werden. Der Inhaber der Iubelfirma ist außerdem der Vater der ersten elektrischen Beleuchtung in Dauter. "Von seiner Fabrik aus, in der sich die erste elektrische Zentral im Orte befand, wurde die ganze Gemeinde mit elektrischem Licht versorgt, bis die Ablösung durch die Aeberlandzen- trale eintrat. Durch das Emporblühen der von der Firma betriebenen Weißwarenbranche wurde auch einem anderen Industriezweig, der Kartonagenfabrikation, die jetzt von an deren Firmen betrieben wird, Eingang im Orte verschafft. Dem Inbaber der Iubelfirma muß auch dieses Verdienst .zugeschrieben werden. Im Namen der Gemeinde wurden der Firma Glückwünsche durch Bürgermeister Kammerrat Herrmann ^überbracht. Bon der Handelskammer Plauen wurde ein« Glückwunschadresse durch das Kammermltgsied Fabrikbesitzer Arno Landmann überreicht. Gleichzeitig wurde folgenden Werksangehörigen der Firma das trag bare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen: daS Ehrenzeichen in Silber für Sljährtge Dienstzeit an den Zuschneidemeister Gustav Hermann Flemming, das Ehrenzeichen in Bronze an den Saalmetster Ernst ESpig (48 Dienstjahre), Iusammensetzerin Frau Ida verw. Epperlein (32), Plätterin Frau Lina perw. Ficker (26) und Zusncheider Emil Alban Weißflog (25). Lauter, 19. April. Im März wurden hier 168 Voll erwerbslose und 32 Krisenunterstützte gezählt (im Februar 241 und 32, im Januar 342 und 14); Notstandsarbeiter im März 38; Unterstützungsempfänger im März 182, im Februar 185, im Januar 189; Wohnungssuchende im März 154, im Februar 149, im Januar 147; Wohnungszuwei sungen im 1. Vierteljahr 6. Zugezogen sind im März 45 Personen, im Februar 32 Personen, im Januar 32 Per sonen; weggezogen sind im März 33 Personen, im Februar 33 Personen, in: Januar 26 Personen. Ehen wurden ge schlossen im März 3, im Februar 1, im Januar 1 -»Ms Ende März zusammen 5). Geboren wurden im März 13 Kinder (5 Knaben und 8 Mädchen), im Februar 14 Kinder (8 Knaben und 6 Mädchen), im Januar 12 Kinder (8 Knaben und 4 MäL^e") Lumina bi? Ende März 39 Kinder (21 Knaben und 18 Mädchen). Todess'lle gab es im März 9 (4 männliche und 5 weibliche), im Februar 10 (5 männliche und 5 weibliche), im Januar 4 (2 männliche und 12 weibliche). Summa bis Ende März 23 Todes fälle k20 männliche und 12 weibliche). Die Einwohner zahl stieg auf 6967 gegenüber 6842 nach der letzten Zählung im Jahre 1^5. * * Meinersdorf. Die dreizehnjährige Schülerin Else Mertel wollte dieser Tage ihre Großmutter besuchen und ist seitdem verschwunden. Weder bei der Großmutter, noch bei anderen hiesigen Verwandten ist das Kind eingetroffen, ohne daß es der Polizei bisher gelungen wäre, irgendeine Spur der Vermißten aufrunnden. * * Chemnitz. Am Sonnabend nachmittag wurden in ihrer gemeinsamen Wohnung 'n der Iosephinensträße die 82jährige Werkstättenanfseherswitwe Fichtner und ihre le dige Tochter, die 58jährige pensionierte Anstaltspflegerin Milda Fichtner, ermordet aufgefunden. Dis Leiche der Frau Fichtner wies eine klaffende Wunde am Halse auf, die von einem spitzen Messer herrührt, während die Tochter mit einer Schnur erdrosselt worden ist. Der Dop- pelmord ist vermutlich am Sonnabend mittag verübt wor den. Raubmord kommt anscheinend nicht in Frage. Ein Verwandter der Ermordeten, der 26jährige Elektriker Max Böhm von hier, wurde als tatverdächtig vorläufig festge nommen. Die Polizei hat eine Belohnung Von 300 RM. für diejenigen Personen ausgesetzt, die Angaben zur Neber- führung des Täters machen können. * * Auerbach. Die drei Brände in Vogelsgrün haben jetzt ihre Aufklärung gefunden. Die 61jährige Mut ter des Wirtschaftsbesitzers Löschner war mit einer bren nenden Petroleumlampe auf den Boden gestiegen um Heu zu holen. Dabei geriet das Stroh ins Glimmen und als bald brannte es lichterloh. * * Neu-Oelsnitz. Tödlich verunglückt ist auf dem Gottes-Hilfe-Schacht der 20jährige Dietel dadurch, daß er von einem großen Eisenstück erschlagen wurde. * * Lauchhammer. Auf der Friedländer Grube der „Bubias" geriet der Maschinist Steinwand beim Reinigen einer Maschine der Starkstromleitung zu nahe. Er erhielt einen elektrischen Schlag, so daß er sofort tokzusammen - brach. Neues aus aller Welt. — Erdstöße. Am Sonntag abend wurde in Cassino (Italien) ein Erdstoß von drei Sekunden verspürt. Um 8 Uhr wiederholte sich der Erdstoß, diesmal stärker, ohne jedoch größeren Schaden onzurichien. Man vermutet das Zentrum des Erbebens in den Abruzzen. — Aus Kodiak (Alaska) wirb ein heftiger Erdstoß gemeldet, der 30 Sekunden dauerte. — Die UeLerschwemmung in den Bereinigten Staaten. Durch die im E.V. mitgeteilte UeLerschwemmung im Mississip- pi-Gebiet sind 24000 Personen obdachlos geworden, davon 15 200 allein in Illinois, Missouri und Arkansas. Am Sonn tag brachen drei Dämm« des Arkansasflusses. — Im Schueesturm umgekommen. Fünf Studenten der technischen Hochschule inDrontheim wurden bei einer Ski tour in den Storefjelden von einem Schneesturm über rascht. Ein Student ist dem Schneesturm zum Opfer gefallen, ein anderer wird vermißt. — Großfeuer. Am ersten Osterfeiertvg vernichtete ein wahrscheinlich durch Kurzschluß entstandenes Feuer in Hamborn ein mehrstöckiges Wohnhaus bis auf die Um fassungsmauern. Ein Dienstmädchen sprang aus dem ersten Stock auf die Straße und erlitt schwere Verletzungen. — Eine Straßenbahn Überfahrt spielende Kinder. In eine Gruppe spielender Kinder fuhr in Castrop ein Straßenbahn, zug. Von Mei schwerverletzten Kindern, die dem Krankenhaufe zugeführt worden waren, starb das «ine, das andere schwebt in Lebensgefahr. — Bon einer Granate zerrissen. In Lanqemark, in der Nähe von Ppcrn, versuchten zwei Arbeiter, die Kupferteile von Artilleriegeschossen zu entfernen, die sie auf dem ehemaligen Schlachtfelds gefunden hatten. Eine Granate explo dierte. Die beiden Arbeiter wurden zerrissen. Ein drit ter Arbeiter erlitt eine Verletzung durch Splitter und starb nach der Einlieferung ins Krankenhaus. — Am Grabe des Vaters verunglLckt. Die 30jährige Frau Grebel aus Berlin-Schöneberg war gerade dabei, Osterlilien auf das Grab ihres Vaters zu pflanzen, als der Wind von einem Baum einen Ast herunterschleuderte, der die Frau traf und ihr die Schädeldecke zertrümmerte. Sie war so fort tot. — Tödlicher Boxbieb eines Dreizehnjährigen. Bei einem freundschaftlichen Boxkampf in der Schulstraße in Berlin erhielt ein 17jähriger Arbeiter von einem 13jährigen Schüler einen so heftigen Schlag gegen die Brust, daß er besinnungslos zusammenbrach und bald darauf star b. — Acht Stunde« in einer Gletscherspalte. Im Krankcn- hause zu Brig mußten einem Münchner Juristen, der nnt einem Kameraden auf dem Rhonegletscher verunglückt war und acht Stunden in einer Gletscherspalte zubringen mußte, ein Fuß ganz, am anderen Friß die Zehen und an einer Hand die Finger amputiert werden, da sie erfroren waren. — Gräberschändung. In der Nacht zum Sonnabend wurden auf dem israelitischen Friedhof in Mörs etwa 28 Grabsteine umgeworfen und zum Teil zertrümmert. Don den Tätern fehlt bisher jede Spur. — Ei« deutscher Kircheubaumeister. In Warnsdorf starb im Alter von 66 Iabren nach 35jähriger Wirksamkeit der Stadtbaudirektor Anton Möller. Die Stadt verdankt ihm nicht nur ihre größten Bauten, wie Schulpaläste, Kirche, Siechenhaus, Wasserleitung usw., soirdern in ganz Böhmen ist Möllers Name als Erbauer zahlreicher Kirchen bekannt. Auch im heutigen Ausland hat Anton Möller Kirchen erbaut, so namentlich in Polen, Galizien und in Bosnien. Die Schauspielerin. Roman von Otfried von Hanstein. Copyrkgth by Martin Feuchtwanger, Halle a. d. S. (Nachdruck verboten.) >35. siorlietzung.) Ich will sie fernhalten von mir, liebe Schwägerin, Sie brauchen nicht zu sorgen, ich selbst will sie fcrnhalten, damit sie nicht angesteckt werde von meinem Erleben. Nein, Georg, nur das nicht, das wünsche ich dir nicht. Dein Kind soll nicht den Tränenpfad wandeln, Len ich gegangen. Dein Kind soll daheim bleiben, soll eine Landedelfrau werden und glücklich, wie dein Kind es verdient, wie du es verdienst um Leiner Liebe willen. Nun werde ich still hier in meinem Efeuhaus sitzen. Ich habe nichts zu tun, als gesund zu werden, gesund und ruhig. Hier ahnt niemand, wer und was ich war. Es soll auch so bleiben. Aber ich will auch nicht immer verkümmern in weichem Nichtstun. Ich bete, daß eine Zeit kommen möge, in Ler ich Georg nützlich sein kann — Georg oder seinem Kinde. Mein Tagebuch ist zu Ende. Liebes, rotes Buch, nun sind deine Setten gefüllt. Es ist anders gekommen, wie ich fürchtete, und freundlich ist dein Ausklang." Die Hand mit dem Buch sank langsam nieder. Tiefe Stille war in dem kleinen Raum, und Vera wagte kaum zu atmen. 8. Kapitel. Ernestine schwieg. Sie saß mit weitgeöffneten Augen und schaute vor sich nieder, während sie das bleiche Antlitz in die schmale, weiße Hand stützte. Unbemerkt war in den Stun den die Lampe niedergebrannt und erloschen, aber sie waren trotzdem nicht im Dunkeln. Heller Schein des Vollmondes ließ den Wald um das Haus herum wie in silbernem Glanze er strahlen, und er drang auch durch Las Fenster in das Efeu haus. Ein Heller Strahl glitt gerade über Ernestines Gestalt, und sein fahles, unkörperlia; cs Licht ließ auch die Künstlerin wie ein unwirkliches Wesen erscheinen. Dera hatte die ganze Zeit in ihrer dunklen Ecke gesessen und gelauscht. Die weiche, klangvolle Stimme, die in leisem Ton sprach, die von d«n bleichen Lichtern übergossene Gestalt, das Fremdartig« Les Zimmers ließ es ihr scheinen, als träume sie und das Schicksal selbst entrolle vor ihren Augen die Tragik eines gebrochenen Menschenhcrzens. Auch nun, wie der Mund stumm geworden war, wurde es ihr schwer, sich in der Wirklichkeit zurecht zu finden, zu glauben, da- die Frau ihr aeaenüber nichts andres als die Schwester ihres Vaters und daß es ein wirkliches Lebensschicksal gewesen, das sic gehört. Immer noch saß Ernestine stumm und schien gar keine Notiz mehr von ihrer Anwesenheit zu nehmen. Veras Herz war so voll, aber sic vermochte kein Wort zu finden. Was sollte sie sagen, um ihren Empfindungen Ausdruck zu geben? War es Schmerz und Liebe und Teilnahme, was sie empfand? War es eine ernste Erkenntnis, die ihr ganzes Denken in ihren Vann schlug? Sie wußte es nicht, aber sie fühlte, Laß jedes laute Wort in dem heiligen Frieden der stillen Nacht wie ein Schmerz empfunden werden mußte. Ganz leise stand sie auf, trat an die Schweigende heran, sank vor ihr nieder, schlang ihre Arine um sie und bettete ihr Antlitz in ihren Schoß. Da war es, als ob Ernestine erwache, und auch sie legte ihre Arme sanft um des Mädchens Körper und streichelte leise ihre glühende Wange. Vera schaute auf. Immer noch lang das weiße Mondlicht auf dem zarten Gesicht der Künstlerin, aber in ihren großen, dunklen Augen lag nicht mehr das starre, verzweifelnde Ver zagen, sondern eine weiche Wehmut. Da preßte Vera sie an sich. „Ich habe dich so lieb, Tante Ernestine, ich habe dich so unendlich lieb." Das war alles, was sie erwidern konnte auf die lange Erzählung, aber es sagte mehr als die längste Rede. Und Ernestine verstand sie und drückte sie in dankbarer Freude an ihr Herz. „Mein Kind, mein liebes Kind!" Dann saßen sie eng umschlungen. Endlich aber stand Ernestine auf und strich sich mit der Hand Uber die Stirn. „Um Gottes willen, es muß spät in der Nacht sein. So gar die Lampe ist erloschen über meiner langen Erzählung. Die Eltern werden sich schon ängstigen um dich. Komm', ich will mit dir gehen, damit du nicht den weiten Weg durch den Park in der Nacht allein gehst?" Aber in diesem Augenblick tönte aus dem Nebsnraum die Stimme Georg von Hardenbergs. „Laß nur, Schwester, ich bin hier. Ich selbst habe ja Vera zu dir gebracht, und ich wußte, daß es spar werden würde. Da bin ich "leise nachgekommen und eingetreten. Sei nicht böse, daß ich zum Zuhörer wurde." Wie Vera ihren Vater sah, kam cs über sie wie eine Offen- barung. Es war ihr, als erschaue sie ihn zum ersten Male mit sehenden Augen. Sie eilte an seine Brust und nun kamen die Tränen, und leidenschaftlich flüsterte sie: „Mein lieber, guter Vater!" Georg streichelte ihr Las braune Köpfchen. „Nur ruhig, Kind. Nun ist ja Tante Ernestine bei uns und cs wird alles wieder gut." Inzwischen hatte dieje einige Kerzen entzündet, die auf einem aroben Armleuchter waren, und Las flackernd« Licht gab dem kleinen Raum etwas Trauliches. Auch der große Hund war hereingekommen und streckte sich neben seiner Herrin am Boden aus. Ernestine trat zu Georg. „Es ist ja schon gut, du Lieber." „Still, Schwester, du bist noch immer eine heißblütige Phantastin. Ich habe wohl gehört, was du gesagt hast. Was habe ich anderes getan, als meine Pflicht als Bruder?" „Du hast gehandelt, wie dein Herz es dir befahl, aber wie wenige Menschen haben wirklich ein Herz! Hätte Vater gedacht wie du, wer weiß, wie alles gekommen wäre. Es gibt nur eines auf der Welt, was uns das Leben schön und begehrens- wert macht, und das ist die Liebe. Die rechte, große, warme, heilige Liebe, wie sie ein gutes Herz empfindet. Wohl dem, der in ihrem Schutze geborgen ist." Als Vera am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne hell und freundlich in ihr Stübchen, und sie war rasch an gekleidet. Es war noch früh und sie öffnete das Fenster. Im Herrenhause war noch alles still, nur die Dienstboten huschten mit geräuschlosen Schritten hin und her. Drüben aber, wo das "große Viereck Les eigentlichen Gutshofes mit seinen Scheunen und Ställen sich zwischen den Bäumen abhob, war schon Leben. Sie wußte, dort würde wohl auch der Vater schon sein, denn wenn er daheim war, führte er selbst Lie Ober aufsicht. Sie huschte hinunter, und ihre Brust sog gierig die frische Luft ein. Cs war ihr, als sei sie eine ganz andere geworden und als stehe ein großes Erlebnis zwischen gestern und Leine. Sie schritt hinüber zum Gutshof und wollte den Vater begrüßen, aber der war schon auf das Feld geritten, so ging sie in den Park. Die Mutter war ja sicher noch nicht auf, und in ihr war so vieles, Las sie noch nicht zur Ruhe bringen konnte und sie fürchtete der Mutter fragende Augen. Aus dem Tau des jungen Morgens hoben die Frühlings- bluten ihre Köpfchen und unwillkürlich pflückte Dera einen prangenden Strauß. Aber während ihre Hände die zierlichen Stengel ordneten, weilten ihre Gedanken unverirrt bei dem, was sie in dieser Nacht gehört. Wie sie auflchaute, sah sie sich vor dem Efeuhause. Aber es war ganz still. Tante Ernestine, die sicher noch lange ge wacht hatte, schlief jedenfalls, und auch der Hund war nicht zu sehen. Da huschte ein Lächeln über Deras Gesicht. Sckmell eilte sie zu dem überreich blühenden Kirschbaum und brach einige blütenschwcre Zweige. Mit ihnen umkränzte sic die Tür, aber verteilte sie alle Lie Blumen, die sie gepflückt hatte, unter dem ersten Grün der Efeus. (Fortsetzung folgU