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r »s rn" ! ! für'/, 6.1? M. statt IS M. Stellengesuche werden mit IO >pt. pro 1 ^ Aeile^^erechnet. — In dem illustrierten Teil , für Mitglieder ^ :: ^aum 151)s^*^S. N.50 M^/s. 2tz M*.^S.^0 M.° für Mcht^ ^ N mi^lieder 40 -Pf.. 32 M.. 60^M.. ^ Dt-^ Deilagen werden « ien^ Nr. 275. Letozig. Montag ben 27. November 1916 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Von deutscher Musik und vom deutschen Musikalienhandel. (IV siche Nr. 2L3.> Musik-Literarisches: Friedlaender, Goethe und die Musik u. a. Die Saison hat begonnen. Kaum daß das Gewandhaus in Leipzig, die Philharmonie in Berlin, die Museums-Konzerte in Frankfurt a. M. und sonstige berühmte Konzert-Institute ihre Pforten geöffnet haben, so setzt auch schon ein lebhaftes Musi zieren auf allen Gebieten ein. Es fehlt bereits jetzt nicht an Bemerkenswertem. Der bedeutende Erfolg der neubearbcitetcn Ariadne auf Naxos von Richard Straus;, Reger-Gedächtnisfeiern, neue Bach-Ausgaben und manches sonst aus der Fülle der Er scheinungen reizen zur Berichterstattung. Ich möchte jedoch, der Lockung widerstehend, einen zusammcnfassenden überblick noch vertagen und heute von etwas Musik-Literarischem sprechen, das, wie ich glaube, auch .für weitere Kreise des Buchhandels von Interesse sein wird. Die Frage, wie Goethe zur Musik gestanden hat, ist für die musikalischen Goethe-Kenner und -Verehrer stets eine reizvolle und umstrittene gewesen. Während es kaum ein Gebiet des Lebens und der Kunst gibt, in dem uns Goethes Urteil nicht von Be deutung ist, beruft man sich in musikalischen Fragen nur selten aus ihn. Wiederholt ist der Versuch unternommen worden, sein Bild auch in dieser Beziehung zu klären: so schrieb Wastelewski: Goethes Verhältnis zur Musik (1880, Breitkopf L Härtel, Leip zig), Wulckow: Goethes musikalisches Leben (1912, Neue Litera- rische Anstalt, Berlin), Bode: Die Tonkunst in Goethes Leben (1012, E. S. Mittler L Sohn, Berlin), Siolle, Goethes Lyrik in Weisen deutscher Tonsetzer bis zur Gegenwart (1914, Wunder- Horn-Verlag, München). Erneut wurde das Thema jetzt, und wie mir scheint erschöpfend, von Geheimrat Professor vr. Max Friedlaender behandelt. Nachdem der bekannte Schubert-For scher bereits im Goethe-Jahrbuch 1896 einen Aufsatz: Goethes Gedichte in der Musik, veröffentlichte, hat er am 17. Juli d. I. in Weimar in der Goethe-Gesellschaft einen Festvortrag gehalten: Goethe und die Musik (abgedruckt im Goethe-Jahrbuch 1916). Schon die Einleitungs-Worte geben für die Beurteilung der Frage eine sehr bestimmte Richtung. Friedlaender beginnt: »Goethe und die Musik — die Worte tönen wie ein voller Akkord, und ihr harmonischer Zusammenklang prägt sich tief ein, wenn wir an den unermeßlichen Segen denken, der von Goethes Werken gerade aus die Tonkunst und die Tonkünstler bis in die aller- jüngste Zeit sich ergossen hat, an Goethes rührend tiefe Neigung zu unserer Kunst, an seine Aussprüche über Musik, die an Schön heit und Bedeutung nur von denen Shakespeares erreicht wer den«. Der Verfasser will die Frage, ob Goethe musikalisch gewesen, nicht aufwerfen, da dieser Begriff schwankend und vieldeutig sei; er behandelt sodann Goethes durch Herder erweckte Liebe zum Volkslied, Goethes Stellung zum Singspiel, zum Liede, ferner seine Beziehungen zu den Komponisten Andrö, zu Kayser und Rei-! chardt (wie Reichardt als Komponist überschätzt wurde, zeigt das; Urteil eines Zeitgenossen, der seine Freude darüber ausdrückt, daß der erste Dichter der Deutschen mit dem ersten Komponisten Deutschlands bereinigt sei), endlich zu Carl Friedrich Zeller, der wie folgt charakterisiert wird: »Im Gegensatz zu Reichardt ein prächtiger, wahrheitliebender, aufrechter, zuverlässiger Mann, im Glück und Unglück gleich bewährt, durchaus nicht liebens würdig, eher schroff, aber eine Persönlichkeit, die bei aller Rau heit innere Wärme ansstrahlte. Ein Musiker von altem Schrot und Korn.« Die Beziehung Goethes zu diesen verschiedenen Musikern er- scheint als das Entscheidende in seiner Stellung zur Musik. Als Goethe nach Weimar kam, fand er nicht einmal begabte Durch schnittsmusiker vor. Die musikalische Glanzperiode Weimars, da ein Johann Sebastian Bach und neben ihm ausgezeichnete Männer dort wirkten, schien vergessen, und unter den Musikern in der Ferne, denen er sich nun zuwandte, war nicht ein wirklich großer. Auch Zelter, dem Goethe so willig folgte, und dessen Worte in musikalischen Dingen ihm Evangelium waren, war als Führer nicht der rechte Mann; er stand vielmehr jeder Annäherung der bedeutenden Musiker im Wege, »da er durch die trübe Brille der alten Theorie in den neuen Morgen der Musik sah«. Nicht viel anders als Schubert erging es Carl Maria von Weber, ebenso Spohr und Carl Loewe, sic alle fanden in Weimar keine Gnade vor den Augen und Ohren des Gewal tigen. Die einzige Ausnahme bildet das Sonnenkind Felix Mendelssohn-Bartholdy, der als Schüler Zellers schon von vorn herein guter Aufnahme gewiß sein konnte; mit elf Jahren, 1821, kommt er zuerst nach Weimar, 1825 erneuert er den Besuch. Der nun folgende Mendelssohn-Besuch wird in dem Vortrag so lebendig und fesselnd geschildert, daß ich ihn im Wortlaut wiedergeben will: »Als Mendelssohn dann im Jahre 1830 zum dritten Male seine Schritte nach Weimar lenkt, findet er den einundachtzigjährigen Dichter zuerst still und wenig teilnehmend. Aber bald weicht die Zurückhaltung dem alten herzlichen und vertraulichen Ton, ja Goethe kann kaum genug aus dem musikalischen Füllhorn des Jünglings erhaschen. Fast zu allen Stunden ist Felix bei ihm; jeden Vormittag kommt es zu einer Einführung in Geschichte und Überlieferung der Musik am Klavier. Stücke der verschie densten Komponisten spielt er der Reihe nach, während Goethe wie ein ,llupiter toimns' in einer dunklen Ecke sitzt und ,mit den alten Augen' blitzt. Mendelssohn führt ihn vom Leichten zum Schweren, ja er zwingt ihn sogar zur Kunst Beethovens, .von dem Goethe erst gar nichts hören wollte', und er schließt mit der C-Moll-Symphonie. Der Abschied wird wieder hinaus geschoben, und so kann Felix noch Mozarts C-Moll-Phantasie, ein Haydnsches Trio und Webers Capriccio vor den blitzenden Augen des Dichters ausbreiten. Es war das letzte Beisammen sein, und Goethe siel es sichtlich schwer, von dem ltebgewordenen jungen Künstler Abschied zu nehmen. ,Von der Bachschen Epoche heran', schreibt Goethe später, chat er mir wieder Haydn, Mozart und Gluck zum Leben gebracht, von den großen neuen Technikern (Beethoven ist gemeint und Weber!) hinreichende Begriffe ge geben und endlich mich seine eigenen Produktionen fühlen machen'. Gerade dieser Besuch zeigt mit zwingender Klarheit, 1449