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Kinder (27 400). Die Frequenz des Wannenbades im Ober- «olschuIgebäuL« ist dagegen zurückgsgangen. Ls wurden nur 8800 Bäder abgegeben (11100). Rückgängig war auch der Be- trieb in der Mdtischen Speiseanstalt, wo im ganzen 26 000 Portionen entnommen wurden. Bis Mitte Mai wurde hier das Essen für das städtisch« Kinderheim und bis Ostern die Suppen für bedürftige Schulkinder, etwa 300—400 Liter täglich, zubereitet. Verschiedene Versuche, den Umsatz Ler An stalt wieder zu heben, sind im Gange. Sie werden im Erfolge jedenfalls davon abhängig bleiben, wie sich die allgemeine wirt- schaftliche Lage gestaltet. Im übrigen sind die Räume der Speiseanstalt für Zwecke eines städtisä^en Jugendheims benutzt worden, auch dies im Nahnmn der gemeinnützigen Natur dieser Anstalt. Aus dem umfänglichen Gebiete der inneren Vermal- tungstätigkeit seien nachstehend nur wenige kurze Mit teilungen gegeben: In der Ba u p o l-i z e i wurden 79 Baugenehmigungen er teilt, davon 13 für Wohn- und Geschäftshäuser. Das Wasscr- amt erteilte 7 Genehmigungen zu besonderer Wasserbenutzung. Bei der Brandversicherungsabteilung liefen die Einschätzungen für 78 Neu- und Umbauten durch. An Brandschädenver- gütungen wurden 40 000 RM vermittelt. Im Gebiete der Ordnungs- und Sicherheitspolizei kamen m 840 Anzeigen 693 Personen zur Anzeige, gegenüber dem Vor jahre ein Rii 'gang von zirka 10 Prozent. Das Gewerbegericht hatte eine wesentliche Zunahme seiner Tätigkeit zu verzeichnen, da 183 Klagesachen zu be- handeln waren gegen 99 im Vorjahre. Beim Kaufmanns- gericht ergab sich umgekehrt ein Rückgang von 23 Klage sachen im Jahre 1923 auf 14 im Jahre 1926. Etwa die Hälfte der Klogesachen bei beiden Gerichten wurde durch Endurteile erledigt, der Rest durch Vergleiche, Klagerücknahme oder außer gerichtliche Einigung. Das Woh nung s sch ie d sam t, das ebenso wie das Gewerbe- und Kaufmannsgericht eine Reihe von Orten der Umgebung mit erfaßt, mußte 33 mal tagen. Von den gefällten Entscheidungen, die durch weitere Beschwerde angefochten wurden, sind 17 aufrecht erhalten worden, während in 3 Follen den Anträgen der Beschwerdeführer stattgegeben wurde. Im Gebiete des V er s iche rung so m t e s hielt sich die Tätigkeit im allgemeinen auf dem Niveau der früheren Jahre. Bemerkenswert ist eine wesentliche Zunahme der Anträge auf Gewährung von Invaliden- und Hinterbliebenenrente, eine Er scheinung, die offenbar mit der starken Erwerbslosigkeit, die manche Arbeitskräfte vorzeitig und wie cs scheint auf die Dauer aus den Betrieben ausgeschieden hat, -.mammenhängt. Im Für sorg eamt werden betreut 245 Sozialrentner, 51 Kleinrentner, 125 Unterstützungsempfänger, 65 hilfsbedürf tige Minderjährige und 71 Minderbemittelte, insgesamt 557 Personen, das sind 2^ Prozent der Bevölkerung. Im Be richtsjahre war ein Zugang von 90 Unterstützungsempfängern zu verzeichnen. Daneben lag noch die Aufgabe der Unter stützung von zahlreichen Erwerbslosen, die der Erwcrbslosen- fürsorge aus dem einen oder anderen Grunde entbehren mußten, oder bei denen besondere Gründe der Hiffsbedürftig- keit vorlagen. Für den laufenden Winter wurden ollen vom Füsorgeamt unterstützten Personen je 2 Zentner Kartoffeln und 2 Zentner Briketts zu wesentlich ermäßigten Preisen und überdies noch verbilligtes Holz abgegeben. Außerdem erhielten alle Betreuten Weihnachtsbeihilfen in bar sowie in Brenn material. Ueberdies wurden zahlreiche einzelne Spenden von privater Seite vermittelt. Der Kriegers ür sorge unterstellt sind zur Zeit noch 136 Schwerbeschädigte, 399 Lcichtbeschädigtc, 185 Kriegcr- witwcn, 364 Halbwaisen, 26 Vollwaisen, 48 Kriogscltcrn und 21 andere Personen. Neben der nornmlcn Rente werden monatlich in Aue rund 10 000 RM Reichsmittel als Zusatz- rcnte ausgezahlt. Auch sonstige Zuwendungen sind fast all monatlich verteilt worden. Eine steigende Bedeutung gewinnt in der öffentlichen Ver waltung die Wohlfahrtspflege. Das Wohlfahrts amt beteiligte sich im April 1926 au der sogannten Reichs gesundheitswoche, die der hygienischen Volksaufrlärung dienen sollte. Im September wurde, vom Reiche veranlaßt, eine Ge- brechlichenzählung vorgenommen, die 231 gebrechliche Per ¬ sonen für Aue ergab, unter der Fürsorge Le« Wohlfahrtsamt« standen 69 Personen hinsichtlich der Tüberkulosenfüvsorge, 37 Personen hinsichtlich der Krüppelfürsorge, 171 Personen in Erholungsflirsovge, 24 Personen in Heilungsfürsorge und 8 Personen in Geschlechtskrankenfürsovge. Die stärkste finan zielle Inanspruchnahme brachte die Krüppelfürsorge, die aller- dings andererseits auch wohl die sichtbarsten Erfolge zu ver- zeichnen hat. Die im Vorjahre eingeführte Schulzahn- plege Hat sich nach dem einstimmigen Urteil der Schulleiter gut bewährt. Ihre besten gesundheitlichen Auswirkungen werden sich selbstverständlich erst im Laufe langer Jahre in vollem Maße zeigen. An bedürftige Schulkinder wurden lauseirde Speisungen verabreicht, und zwar vom Jahresbeginn bis Ende März täglich 400 Portionen Suppe, insgesamt 26 000 Portionen. Seit September 1926 wird täglich an 300 bedürf tige Schulkinder «in Frühstück, bestehend aus 14 Liter Milch und 1 Brötchen, verabreicht. Gerade diese Maßnahme wird von den Schulleitern und der Lehrerschaft ganz besonders günstig beurteilt. In der Walderholung (am Brünne!) wurden 120 Kinder, je 60 Knaben und Mädchen, in vier wöchentlichen Kuren verpflegt. Der Erfolg war überraschend gut. Die Gewichtszunahme war bei den Knaben durchschnitt lich 3, bei den Mädchen 2^ Pfund. Erstmalig wurde die Wald erholungsstätte auch einer Erholungskur für Mütter, nämlich 30 blutarme, unterernährte, nervenschwache, bedürftige Ehefrauen, dienstbar gemacht. Auch diese Maßnahme darf als eine recht erfolgreiche angesprochen werden. Die Förderung des Gesundheitszustandes war eine sichtbare, der durchschnittliche Gewichtszuwachs betrug 4 Pfund. Die Verbringung von Kindern in auswärtige Erholungsheime, die iunner mit erheb lichen Kosten verbunden ist, wurde eingeschränkt, immerhin wurden noch 32 Auer Kinder, und zwar 13 durch Privatorgani- sationen, 19 durch das Wohlfahrtsamt in auswärtige Heil- und Erholungsstätten verbracht. Zum Zwecke der körperlichen Ertüchtigung und gesundheitlichen Festigung vor den: Eintritt in das Berufsleben winden 5 Knaben zu ganz leichter Be schäftigung auf 6 Monate in der ostpreußrschen Landwirtschaft untergeebracht, 2 Mädchen im Erholungsheim Hinterqersdorf. Auch diese Maßnahmen erwiesen sich offensichtlich als sehr vor teilhaft. Die im Vorjahre eingeführte Rechtsauskunfts stelle wurde 523 mal in Anspruch genommen. 'der Haupt sache betrafen die Auskünfte Fragen des bürg .ichen Rechts. Als eine Reuaufgabe des Wohlfahrtsamtes, und zwar der Ab teilung für Gesundheitsfürsorge, ist die Vertilgung non H a u s ungez ie fe r auf Grund polizeilicher Vorschriften ausgenommen worden. Die Vorschrift ist noch zu neu, als daß über ihre Auswirkung bereits berichtet werden könnte. Vor aussichtlich wird sie günstig sein. Zu einem sehr umfänglichen Arbeitsgebiete wächst sich mehr und mehr die im Jugendamt zusaunnengeschlossene Jugendpflege aus. Der gesetzlichen Aintsvormundschaft unter standen im Berichtsjahre 305 Vormundschaften und Pfleg schaften, 25 mehr a4s am Jahresbeginn. Von der Amtsvvr- mundschoft wurden 35 Prozeßverfahren durchgeführt; 7 Ver fahren schwebten am Ende des Jahres noch. Für die Mündel wurden gegen 19 000 RM Unterhaldungsgelder durch die Amts vormundschaft hereingeholt. Unter der vormundschaftlich an- geordneten Fürsorgeerziehung standen 30 Jugendliche, unter der freiwilligen Fürsorgeerziehung 6, über 7 Jugendliche wurde zur Vermeidung Ler Fürsorgeerziehung Schutzaufsicht an- geordnet. Von den unter Fürsorgeerziehung gestellten Per sonen war etwa Ler dritte Teil in Anstalten, der dritte Teil in Familien und privaten Haushaltungen untevgebracht, endlich ein letztes Drittel in das Elternhaus beurlaubt. Für die Säuglingsfürsorge kamen in Aue 366 Geburten in Frage; die Säuglingssterblichkeit betrug 3,5 Prozent der Geburten (3,7 Prozent im Vorjahre), sie hat sich gegenüber dem Vorjahre noch verbessert. Es wurden 52 Be ratungsstunden für die Mütter abgehalten, wobei 2609 Vor stellungen der Säuglinge erfolgten. Die Beanspruchung der Mütterberatung und S äu g l ing s fü r s o r g e bür gert sich immer stärker ein. Erfreulicherweise sind bereits A der im Jahre 1926 geborenen Kinder der Beratungsstelle zugeführt worden. Stillbelohnungen wurden in gleicher Höhe wie im Vorjahre gezahlt: von der 14. bis zur 26. Woche vier- zehntägig 3 RM, von der 30. bis zur 52. Woche vierwöchentlich 3 NM. Im ganzen wurden 2655 RM an 162 stillende Mütter zur Auszahlung gebracht. Bon 424 in Len letzten beiden Jahren zur Beratung gebrachten Kindern wurden 418 gestillt, gewiß «m sehr erfreulicher Fortschritt gegenüber einer früheren, dem Stillen so sehr abgeneigten Zeit. Stillende Mütter wurden überdies auch noch mit N^uvalien, Stärkungs- und Lebens- mitteln sowie mit Kindevwäsche unterstützt. Da ein« zeitlang erhebliche Schwierigkeit in der Unter bringung von Säugliligen entweder in Familien oder in An- stalten bestand, wurde im Juli das städtische Säug- lrngsheim im Margarethenstift eingerichtet. Es ist bereit» voll belegt. Di« Pfleglinge haben sich unter der Fürsorge der Heimleiterin, der Säuglingspflegerin Panzer, trefflich ent wickelt. Das Kinderheim Margarethenstift konnte im verflossenen Jahre auf eine steigende Inanspruchnahme zurück- blicken. Es begann mit einer Belegung von durchschnittlich 40 Kindern, die allmählich bis auf 62 gestiegen ist. Wenn Ler Beschäftigungsgrad in Aue, wie zu hoffen ist, wieder bis zum normalen Stand ansteigt, wird die Anstalt noch wesentlich stärker in Anspruch genommen werden und vielleicht der dop pelten Belegschaft Unterkunft schaffen müssen. Ani stärksten unter einem intensiven Arbeitsdruck hat im Berichtsjahre zweifellos das Arbeit samt beim Stadtvato zu Aue, Las den ArbeitsnachweisfürAueundUm- gegenü besorgt, andauernd gestanden. Der Arbeitsnachweis umfaßt einen Bezirk, der mit den etwa 22 000 Einwohnern der Stocht Aue im ganzen 66 000 Einwohner umfaßt. Ueber den Stand der Arbeitslosigkeit in Aue ist zu Eingang berichtet worden. Im ganzen Bezirke war die Zahl Ler Arbeitslosen zu Jahresbeginn 1971, Anfang Juli 3944, am Jahresschluss« 3493. Die Arbeitslosigkeit im Gesamtbezirke ist sonach rroch etwas stärker als in der Stadt Alt« selber. Für den Bezirk sind im Berichtsjahre 2162 000 RM Unterstützungen zur Auszählung gelangt, davon entfallen auf die Stadt Alle 502 000 RM. Ver gleichsweise sei erwähnt, daß im Jahre 1925 für den Bezirk nur 159 000 NM und für die Stadt Aue nur 22 000 RM für den gleichen Zweck aufgewendet werden brauchten. Als Notstandsarbeiten sind im ganzen Bezirke 57 verschiedene Arbeiten mit insgesamt rund 90 000 Tage werken durchgeführt worden, von der Stadt Aue allein 20 mit rund 46 000 Tagewerken. Als Gruudförderung kamen für die Arbeiten Ler Stadt Aue zirka 157 000 RM in Frage, als ver- stärkter Zuschuß (staatliches Darlehen) 165 000 RM. Um den Bildungsbedürftigen unter den Arbeitslosen die Möglichkeit zu einer zweckmäßigeren Ausnutzung ihrer Freizeit zu geben, wurden Hand in Hand mit der Volkshochschule zu Aue 9 Vorträge gehalten, davon 3 über Staatswissenschaften, 3 über Arbeitsnachweis und Erwerbslosenfürsorge, 1 über Eri- nährungsfragen, 1 über die Industrien des Erzgebirges, 1 über das Betriebsrätegesetz. Einer sehr starken Inanspruchnahme erfreute sich die beim Arbeitsamte geführte Berufsberatungsstelle und Lehr st ellenoer Mittelung. Sie wllrden in 938 Fällen, und zwar von 750 Knaben und 173 Mädchen sowie 15 Um schülern, kn Anspruch genommen. Bedauerlicherweise standen lange nicht soviel Lehrstellen zur Verfügung, als Nachfrage nach solchen auftrat. Stellt sich nach obigen Ausführungen das Jahr 1926 für die öffentliche Verwaltung als ein Jahr stärkster Beanspruchung in bezug auf Arbeitsleistungen und finanzielle Aufwendungen dar, Lenen eine wesentlich geminderte Leistungsfähigkeit gegen übersteht, so nmß unbedingt gehofft werden, daß Lei dem Finanzausgleich wieder ein billiges Gleichmaß von Leistung und Gegenleistung hergestellt wird, d. h. es muß entweder das Maß der Ansprüche, das man kraft reichsgesetzlicher Dor- schriften an die Leistungen der Gemeinden gestellt hat, herab- gemiuLert, oder es nrüssen Lie Einnahmen der Gemeinden auf ein entsprechendes angeinessenes Maß gesteigert werdeir. Am ehesten ist ein Ausgleich durch Verbesserung der wirtschaftlichen Lag« zu erwarten, wefl mit einer solchen von selber die An sprüche an die Gemeinden sich mindern, während die Ein nahmen der Gemeinden wachsen. Hoffentlich bleibt die Ent- Wicklung zum Besseren, Lie seit dem Herbst 1926 ganz langsam zwar, aber doch sichtbar eingesetzt hat, bestehen und führt sie wieder zu erträglichen Verhältnissen in Staat, Gemeinde und Wirtschaft. Was mein einst war! Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) >27. porüehung.) In vier Wochen solle die Hochzeit sein; die Vorbereitungen dazu seien schon in vollem Gange — großartig würde alles. Die Neuvermählten wollten die ersten Monate ihrer Ehe in der Schweiz verbringen. Der Graf sei so verliebt in seine Braut, und wisse gar nicht, was er ihr noch alles schenken solle! Also noch vier Wochen, dann hatte die Qual ein Ende, dachte Karl Günther. Dann sah er Erdmute wenigstens nicht mehr! Jede Begegnung bereitete ihm si^in — traf sie jetzt öfter, da sic fast täglich nach dem Friedhof ging und dann regelmäßig beim Pfarrer mit vorsprnch. Lange saß sie dann immer au» Grabe der Mutter — es war, als suche sie Hilfs für ihre innere Zerrissenheit, als wolle sie dort ihre frühere Klarheit und Kraft wiederfinden, die sie verloren, seit der Fremde in ihren Weg getreten, der ihr Schicksal geworden. Unsagbar quälte sie dieses Bewußtsein. Und keiner, der ihr helfen konnte! Schattenhaft war einmal der Gedanke in ihr aufgetaucht, sich in der Beichte Lei dem klugen, gütigen Pfarrer zu erleich- lern — doch ihr Stolz verschloß ihr die Lippen. In kurzer Zeit war das alles ja vorbei! Ein Schauer rann ihr durch die Glieder mit solchen Gefühlen wollte sie mit einem anderen vor den Altar treten? Ie näher der Tag heranrückte, desto mehr fühlte sie die Un möglichkeit, Otto von Felsens Weib zu werden! Dem Baron war das veränderte Wesen der Tochter aus gefallen — er vernnßte ihr ruhiges, klares Gleichmaß. Schließ lich fragte er sie. „Ach, Papa, es wird mir so schwer, dich zu verlassen und oon meinem geliebten Eggersdorf fortzugehen!" sagte sie leise. Ergriffen schloß er sic in die Arme; gab sie doch dem gleichen Empfinden Worte, das ihn beschwerte. „Mein liebes Kind, glaubst du, daß ich nicht unter der Trennung leide, daß mir mein Haus groß und öde sein wird, wenn du nicht mehr La bist? Doch mein Trost ist: du gehst „Ja, ich gehe ins Glück!" wiederholte sie mit bebender Stimme. Aber aller Glanz in Ihren Allgen war erloschen, und ihr Blick.ging traurig wie in weite Fernen. Ach, ihr Glück ! „Otto Felsens Miltenbach ist ein beinahe fürstlicher Besitz zu nennen, Kind —" „Liebster Papa, tausendmal lieber ist mir unser beschei deneres Eggersdorf —" „Du wirst einmal Kinder haben, Erdmute — ich freue mich auf meine Enkel, und froh bin ich, daß ich vielleicht noch wissen darf, wer unser Eggersdorf bekommt in fremde Hände wird es aller menschlichen Voraussicht nach nicht fallen " Liebevoll lächelnd streichelte er der Tochter schmales Gesicht, die sich jäh errötend zur Seite wandte. Erdmute kam von der Post. Als sie an Iakob Dangel- manns Lause vorüberging, sah sie den Bauern neben seiner Haustür sitzen und sich von Len Strahlen der warmen August sonne bescheinen. Sie blieb auf Dorfstraße stehen und fragte freundlich nach seinem Befinden. wie falls gehen, Baronesse immer noch nicht so, wie ich es möchte! Gut, daß ich den Karl Günther habe, der ist meine Stütze! Aber er will zum Frühjahr fort! Ich hab' gesagt, er soll meine Marie heiraten, und ich gebe ibm dann den Hof doch er mag nicht " Weinerlich klang Iakob Dangclmanns Stimme. „Aber warum nicht? Euer "Hof ist so schmuck und sauberl Mein Vater freut sich immer darüber! Da wäre doch jeder froh " „Wissen Sie, Baronesse, der Karl Günther ist doch was Besseres gewesen," entgegnete Iakob Dangelmann wichtig, „und da sind wir ihm nicht sein genug, ich merke das wohl! Aber er scheut keine Arbeit.—" und dann folgte wieder auf Karl Günther ein Loblied in allen Tönen. Da trat der, von dem soeben gesprochen wurde, aus dem Kuhstall, einen Eimer voll frisch gemolkener Milch in der Hand tragend. Uebcrrascht blieb er stehen, als er Erdmute sah. Ihr schien, als sei er rot geworden. Auf seinen ehrerbietigen Gruß dankte sie mit einem ge messenen Kopfneigen: dann ging sie nach einigen freundlichen Worten gegen Iakob Dangelmann weiter. Dieser Mann — wie stark ihr Herz doch bei seinem An blick schlug warum konnte sie nicht ruhig bleiben? Was ging er sie denn an? Sie, Erdmute von Eggersdorf, in Konkurrenz mit einem Bauernmädel! Voll Zorn über sich selbst? beschleunigte sie ihre Schritte. Der Mann mit dem Milchkübel am Arm! Das war doch unmöglich, lächerlich! Tausendmal wiederholt« sie es sich — und tausendmal schrie ihr Herz dagegen! Denn in: Geiste sah sie ihn anders den Degen in der Faust, gegen den Feind anstürmend! Ach, daß dieses Bild sie nicht losließ! Wenn sie nur gewußt, wer er war —! Erdmute saß vor ihrem Schreibtisch, den Federhalter in der Hand haltend. „Eine Ditte, Otto: lasse uns die Zahl der Gäste auf das äußerste beschränken. Mir steht der Sinn nicht nach einer großen Hochzeitsfeier — Lie schlichteste wäre mir die liebste Er lächelte überlegen. „Wird mein Herzensschatz sentimental?" „Nein, Otto, gewiß nicht! Doch mir geht es gegen da» Gefühl: meine Mutter ist tot, mein Bruder im Kriege gefallen! Schwer wir- mir der Tag werden, an dem ich den Vater allein lassen muß." Gekränkt sah er sie an. „Schwer —? Wenn du ganz mein sein wirst?" Gras Felsen stand auf und trat dicht hinter die Braut, daß sein heißer Atem ihre Wange streifte. „Und ich kann den Tag nicht erwarten! Hast du denn keine Sehnsucht?" Seine Lippen suchten ihren Mund; doch sie wich ihm aus. „Ich denke an Papa!" flüsterte sie mit halberstickter Stimme. „Jeden Tag ist er doch zu erreichen, wenn du ihn sehen willst, Liebste —I Ich hatte mir den Tag, an dem ich mir meine küße Frau hole, möglichst glänzend gedacht!" Enttäuschung zeigte ganz deutlich ihr schönes Gesicht. Daß er sie so wenig verstand! Schließlich aber war es ja doch alles gleich! „Bestimme darin du, wie cs sein soll, Otto! Ich möchte nicht, daß es .heißt, Baron Eggersdorf habe seine Tochter nicht angemessen standesgemäß aus seinem Hause entlassen!" (Fortsetzung folgt.)