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.Hatten Sie für möglich, bah jemand durch Hypnose zu einem Verbrechen bestimmt werden kann?" »Den bisherigen Erfahrungen der Wissenschaft nach ganz gewiß." „Ist nicht anzunehmen, daß auch in der Hypnose, genau wie im Leben, nur ein ethisch defekter Mensch zu einem Verbrechen sich fähig erweist?" „Keineswegs; in der Hypnose ist der Charakter ohne jeden Einfluß darauf. Auch wird der Hypnotiseur sein Opfer für jede Tat zu gewinnen verstehen, indem er diese dem Suggerierten in ein gerechtes Licht rückt. Ent scheidend für die Fähigkeit zum Verbrechen ist einzig und allein die Hypnotisierbarkeit, die, wie ich persönlich mich erinnere, dem Angeklagten schon als Kind in hohem Grade zu eigen war." „Der Herr Verteidiger sprach von vosthypnotischer Suggestion. Ist es, Herr Sachverständiger, möglich und wissenschaftlich erwiesen, daß ein in Hypnose Versetzter nach Tagen sich der Suggestion so klar erinnert, daß er den ihm erteilten Befehl strikt ausführt?" „Jawohl. In der posthypnotischen Suggestion handelt das Opfer in der Annahme eigener Initiative. Je näher der für die Handlung festgesetzte Zeitpunkt rückt, desto mächtiger drängt eS ihn ihrer Ausführung entgegen, und mit präziser Pünktlichkeit wird er, waS ihm aufgegeben ist, vollführen. Die Bannkraft einer posthypnotischen Suggestion erstreckt sich bis auf den Zeitraum von drei Monaten. Sie bedeutet auf dem Gebiete des Hypno tismus die geheimnisvollste Phase." „Und der Hypnotisierte hat keine Erinnerung an das, was ihm suggeriert wurde?" „Jedes Erinnern im Wachzustand ist ausgeschlossen!" „Lassen wir's einmal gelten: das Verbrechen des An geklagten stellt sich als eine Zwangshandlung, als Reali sierung einer Suggestion dar; läßt die Richtigkeit dieser Hypothese sich beweisen?" „Jawohl, vorausgesetzt, daß der Angeklagte noch hypnotisierbar ist. — Der verbrecherische Hypnotiseur wird in der Regel eine Vorsichtsmaßregel anwenden, die ihn vor Entdeckung schützt. Er braucht seinem Opfer einfach zu suggerieren, daß niemand als er, der Hypnotiseur allein, ihn in Zukunft wird hypnotisieren können. Ob die- auch dem Angeklagten gegenüber ge schehen ist, bliebe durch einen Versuch festzustellen. Ge lingt er, so ist der Beweis durch das Mittel der Jdeen- assoziation leicht zu führen. Die Versuchsperson erinnert sich in einer zweiten Hypnose der Geschehnisse einer ersten bis aufs kleinste. — Hypnose ist nur lösbar durch Hypnose." Ein unartikulierter, gurgelnder Laut, fast wie ein unterdrückter Schrei, ließ den Redner plötzlich innehalten. — „Der Inder!" flüsterte eS, und aller Augen richteten sich auf ihn. Es schien ein Irrtum gewesen. Kamara saß regungs los. Kamara schien zu schlafen. Das Haupt war ein wenig zur Brust geneigt, der Turban umschattete sein Antlitz, so daß es beinahe schwarz erschien. Nur aus dem schmalen Schlitz der scheinbar geschlossenen Lider blitzte das gelbliche Weiß seiner Augen. Der Vorsitzende setzte seine Fragestellung fort. „Ist es möglich, Hypnose zu heucheln?" „Ein Betrug ist ausgeschlossen; zahlreiche Merkmale würden ihn sofort enthüllen." „Sie sind Hypnotist?" — „Jawohl." „Sind Sie bereit, an dem Angeklagten den Versuch einer Hypnose vorzunehmen?" „Gern, sofern der Angeklagte nichts dagegen einzu wenden hat." „Ich danke Ihnen, Herr Sachverständiger." W O * Sensationelle Enthüllungen sind bei einem Schwur gericht nichts Ungewöhnliches. Man ist jederzeit darauf vorbereitet, unerwartetes zu hören. Was aber heut vor dem Forum des Gerichts sich abgespielt, — die Hypnose Egon von Hohenfelds durch Parisius, — stellte alles bis her Dagewesene in den Schatten. Schon der erste Versuch gelang vortrefflich. Jener unbekannte Dritte hatte in der Tat durch Nichtfistierung der Suggestibilität seines Opfers einen folgenschweren Fehler begangen und seinen Verfolgern Tür und Tor offen gelassen. Egon von Hohenfeld schlief. DaS intellektuelle Lebet des Mediums löste sich, ein herrenloses Gebiet für den dessen Einfluß es regierte. Durch Hinweis auf gewisse Bewegungserscheinunger und andere untrügliche Merkmale hatte Parisius die An wesenden, — während der Sitzung war die Öffentlichkeit zeitweilig aufgehoben, — von der Echtheit des hypnotischer Schlafes überzeugt. In schnellem, tiefem Atem hob sich die Brust des Hypnotisierten; heißer wallendes Blut trieb die Pulse zu gesteigerter Tätigkeit, ein nervöses Zucker durchlief den Körper. Der Experimentator war über rascht von dem prompten Erfolg seiner Bemühungen. Mit einem so vorzüglichen Medium zu operieren, wußte für den Verbrecher allerdings ein leichtes gewesen sein. — Richterkollegium, Geschworene und Zeugen harrten stumm, aufs höchste gefesselt, der Entwicklung der Dinge, Lautlose Stille. Parisius' Denken knebelten daS deS andern. „Egon von Hohenfeld!" Hub er an, — „wissen Sie von dem Raub der Kette in der Kapelle zu St. Cäcilien?" Wenige Sekunden währt es, dann kommt die Antwort fest und schwer: „Ich weiß davon." „Egon von Hohenfeld, ich frage Sie: wer hat den Raub vollführt?" „Ich selber habe ihn vollführt." Der Hypnotisierte spricht es ohne Zögern. Parisius' Stimme dämpft sich vertraulich. „Kennen Sie mich, mein Freund? War ich es nicht, der Sie dazu bestimmte?" „Sie waren es." „Wer bin ich?" „Dr. Bartramus", lautete die Erwiderung, deren Selbstverständlichkeit der eigenen Überzeugung nicht den geringsten Zweifel entgegenstellte. Erstaunte, verwunderte Blicke. „Ganz recht", entgegnete der Sachverständige schnell darauf eingehend, „ich bin Dr. BartramuS. Sie freuen sich, mich wiederzusehen. Wann begegneten wir uns zum letzten Male?" „Am 18. August." „Ganz recht. Und Sie erinnern sich gewiß auch noch, was damals -wischen unS verhandelt wurde? Erzählen Sie es doch." „Sie zeigten mir all Ihre Herrlichkeiten, daS Diadem und eine täuschende Nachahmung der Kette . . ." „Welcher Kette?" fiel Parisius blitzschnell ein. „Der Kette der frommen Hildegard." „Richtig! — Und was sagte ich, als ich Ihnen die Kette der frommen Hildegard zeigte?" „Sie sagten: Die echte Kette fordere ich von Ihnen." „Sehr wohl. Und was weiter? Wie, sagte ich, sollten Sie die Kette beschaffen?" „Ich sollte sie der Schläferin rauben und jeder Gefahr, die mir entgegentritt, mit der Waffe trotzen." „Was geschah nun mit der Kette, als sie in Ihren Händen war?" „Ich führte aus, was Sie mir aufgegeben." „Was gab ich aus?" „Nach dem Kreuz im Tal zu gehen und dort die Kette einen halben Fuß tief zu vergraben." „Das taten Sie?" — „Ich tat eS." „Egon von Hohenfeld, geben Sie acht. Haben Sie und ich, der Dr. BartramuS, uns jemals wieder nach dem Geschehenen gesprochen?" „Nein." „Kannten Sie mich persönlich, bevor Sie mich zum ersten Male in meinem Hause besuchten?" „Ich habe Sie bis dahin nur dem Namen nach ge kannt." Parisius atmete auf. Die Aufgabe war vollbracht, die Sitzung beendet. „Hat einer der Herren noch eine Frage an den Hypnotisierten?" wandte er sich an den Kreis der Hörer, ohne Egon aus den Augen zu lassen. Niemand antwortete. Gleich einem Alp lag es aus allen. Die Macht, mit welcher der greise Gelehrte eine fremde Seele zu lenken verstand, rief allgemein einen un heimlichen Eindruck hervor. ES bedurfte längeren Zuspruchs und äußerster Sorg falt, bis eS Parisius gelang, den hypnotischen Schlaf des Medium- zu heben. Ganz allmählich kehrten die ersten ' GUM .Z , I Zeichen erwachenden Bewußtseins wieder, — endlich schlug er die Augen auf, — schlaftrunken schaute er umher, nicht wissend, wo er sei und was mit ihm geschehen. Tiefe Stille rundum . . . Egons Blick traf den der Mutter. Sie schluchzte heftig. Da legte sich ein starker Arm um seine Schulter, und eine wohlbekannte Stimme sprach: „Mut, Bruder, Mut! Wir waschen den Fleck vom alten Schild! Wir bringen dir die Ehre wieder!" (Fortsetzung folgt.) f^unÜgenuZ. -kizze von AlfredGottwald. (Nachdruck verboten.) Herr Kulike, der mit einer kleinen Gesellschaft einen Ausflug unternommen hat, bemerkt im Saale des Restau rants ein Klavier und wirft die Frage auf: „Ob es wohl gestattet ist, hier Klavier zu spielen?" „Ach ja, bitte Klavier spielen!" rufen die anwesenden Damen einstimmig. Man zitiert den Kellner und erkundigt sich, ob die Be nutzung des Klaviers gestattet sei. Kellner: „Das kann ich nicht sagen: vielleicht fragen die Herrschaften beim Oberkellner an." Ter Oberkellner erklärt auf Befragen, das hänge ganz allein vom Wirt ab. Man läßt den Wirt kommen, der etwas barsch erklärt, das Klavier dürfe nur bei den von ihm veranstalteten Tanz- kränzchen benützt werden. „Ich verbitte mir diesen groben Ton!" ruft Kulike er grimmt. „Das Klavier ist doch offenbar für die Gäste da. Wollen Sie uns den Schlüssel geben oder nicht?" „Herr, schnauzen Sie mich nicht so an!" schreit nun der Wirt ganz wütend. „Ich lasse mir von Ihnen keine Vorschriften machen!" „Ein recht netter Wirt!" „Verlassen Sie sofort mein Lokal!" „Oho, erst werde ich in aller Ruhe mein Bier auS- trinken!" „Sie verlassen sofort mein Lokal! — Was, Sie wollen nicht? Gut, dann werde ich Sie mit Gewalt hinauS- bringen lassen!" Alsbald erscheint ein halbes Dutzend Kellner, die über den widerspenstigen Kulike herfallen wollen, von den übrigen Herren der Gesellschaft aber energisch zurück gedrängt werden. Der Streit artet zuletzt in eine regel rechte Holzerei aus, die erst durch daS Erscheinen der Polizei beendet wird. Nach langem Hin- und Herreden rät der Beamte den streitenden Parteien, sich wieder zu vertragen und in Frieden auseinanderzugehen. Man geht darauf ein, und der Wirt erklärt sich schließ lich noch bereit, den Klavierschlüssel herauszugeben. „So, Herr Kulike", riefen die andern, „jetzt spielen Sie uns auch einen recht hübschen Walzer vor!" Kulike: „Ich kann aber gar nicht spielen. Sie spielen aoch, Nitschke?" Nitschke: „Bewahre, ich bin ganz unmusikalisch." Kulike: „Dann trägt vielleicht eine von den Damen etwas vor? — Was, auch nicht? Donnerwetter, da kann ja überbauvt niemand von uns Klavier spielen!" * Inna, äie perle. Skizze von Ernst v. Mahr. (Nachdruck verboten.) Programmäßig waren die ersten Tage des Oktobers für die Übersiedlung nach der Stadt vorgesehen worden. Aber da die Saison schon Mitte September kräftiger ein- gefitzt hatte, wurde beschlossen, die Villa eine Woche früher zu räumen. „Hast du denn Anna davon benachrichtigt, baß wir schon jetzt unseren Einzug halten wollen?" fragte Fabrikant Beckert seine junge Frau. „Das habe ich gar nicht notwendig", antwortete diese mit einem gewissen Stolz, „es wird alles in bester Ordnung sein. Ob wir um Mitternacht oder am Hellen T.ige kommen, das ist ganz gleich. Wie ich meine Anna kenne, wird sie stündlich unserer Ankunft harren." „Nu ja doch", meinte Herr Beckert begütigend, ^ich weiß ja, baß Anna in deinen Augen ein „Mädchen für alles" von juwelenartiger Pracht ist. Ich habe mir des halb auch schon tagelang den Kopf darüber zerbrochen, in welcher Weise ich mich „deiner Anna", — er betonte daS „deiner" in ganz malitiöser Manier — „erkenntlich zeigen soll darüber, daß sie unsere Wohnung so ausgezeichnet wird imstande gehalten haben. Soll ich ihr was zur Ausstattung mitbringen: Wäsche, Handtücher, Bettlaken oder vielleicht", — er fühlte ordentlich, daß er errötete, — „'ne Wiege oder 'nen Kinderwagen auf GunmUrädlein?" „Pfui, Mann, Mensch", eiferte die junge F:GWN>erletze die Mädchenwürde meiner Anna nicht. Überreiche ihr nach der Rückkehr ein 20 Markstück, und damit hast du ein gutes Werk getan." „Meinetwegen", versetzte der Fabrikant gleichgültig, „wenn daS Geld dazu beitragen kann, Anna ein baldiges „Fortkommen" zu ermöglichen, dann werde ich nicht ver fehlen " „Du brauchst das „Fortkommen" gar nicht so zu betonen", unterbrach ihn seine Frau, „an ein solches ist gar nicht zu denken. Meine brave Anna wird bleiben und damit basta." — — Die hochbeladene Gepäckdroschke rumpelte polternd durch die Lützowstraße. Kaum kam die Wohnung des Fabrikanten in Sicht, da rief auch sein Frauchen schon: „Ra, siehst du, in der Wohnstube brennt Licht, Annas Wachsamkeit geht doch über alles." „Hm", meinte der Fabrikant und schüttelte bedenklich sein Haupt, „es scheint mir aber, als ob nicht nur im Wohnzimmer sämtliche Gasflammen angezündet wären, sondern als ob der Salon und das Eßzimmer auch hell erleuchtet seien. Na, wir werden ja sehen, — ich habe den Korridorschlüssel bei mir, wir brauchen gar nicht zu klingeln." Mit raschem Druck hatte er die Tür aufgedrückt, und sie standen im Korridor. Laute Stimmen und schallendes Gelächter drangen ihnen entgegen. „Ach du meine Güte", rief ein dröhnender Baß, „wenn baS der Alte wüßte, wie gut uns sein Rotwein schmeckt Na, prost —" und es gab ein lustiges Gläserklirren. „Wahrhaftig", lachte eine Frauenstimme, „unsere Frau hahaha läßt alle Schlüssel raus, — 's ist doch 'ne dumme Pute hahaha." „Das ist Annas Lachen", meinte Frau Beckert und riß mit kräftiger Hand die Tür zum Wohnzimmer auf. Alle Wetter, da sahen sie eine nette Bescherung: Auf dem Sofa räkelte sich ein langer Kerl, der eine Havanna paffte, und neben ihm saß Anna und schenkte von neuem die Gläser voll. Den Tisch bedeckten die Reste eines opulenten Mahles. „Du lieber Himmel!" mehr vermochte Frau Beckert für den Augenblick nicht herauszubringen. „Zum Teufel noch mal!" schrie dagegen der lange Kerl, „kann man hier denn nicht einmal in Ruhe sein Abendbrot verzehren?" „Warum haben denn die Frau nicht geschrieben?" sekundierte ihm Anna. „Nun machen Sie aber schleunigst, daß Sie rauS« kommen", schrie jetzt Herr Beckert wutentbrannt, „aber etwas plötzlich, sonst werden Ihnen Schutzleute Beine machen." Der lange Kerl stülpte seine Ballonmütze auf, faßte Anna beim Arm und erklärte im Abgehen: „Komm, Anna, den Dienst quittieren wir auf der Stelle, wir sind an an ständige Behandlung gewöhnt!" „Uff!" atmete der Fabrikant auf, als er hörte, baß die Korridortür von draußen inS Schloß geworfen wurde, „so'n heilloses Gesindel! Aber etwas Gutes hat die Sache doch gehabt: ich habe mir zwanzig Mark gespart und trotz dem für Annas „Fortkommen" gesorgt." über ein Kleines, o zürnender Freund, Scheidet der Tod, die noch heute vereint; Gib mir die Hand, eh' der Abend »ergeht. Über ein Kleines — so ist es zu spät.