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No. 193. PAPIER-ZEITUNG. 2819 »Aussenseiten«; in die Welt gesetzt, und was die Lieferanten dieser Vordrucke von derartigen Lagerbeständen nicht brauchen können, gellt an die Fabrikanten von Zigarrenkisten, oder es wird zu den hier massenhaft verwendeten, ganz unentbehrlich gewordenen Memo randum- oder Rechnungsblock - Tablets, auch nur »Tabs« genannt, verarbeitet. Bei der allgemeinen Einheitlichkeit, die in den Ver. Staaten im Punkte der Drucksachen herrscht, kann auch ein bedeutender Theil der zu räumenden Lagerbestände von Druck- und Affichenpapier in bestimmte Plakatformate geschnitten und so auf den Markt gebracht werden. Namentlich das Format der sog. »Hand Bills« (Ankündigungen, die den Vorübergehenden in die Hand gedrückt werden) findet sich in jeder Papierpreisliste und schliesst eine Welt von Zeitersparniss, Vereinfachung und üebersichtlichkeit im Papier- wie Druckgeschäft in sich. Der Setzer arbeitet doppelt so leicht, da ihm die Satzdimen sionen in Anbetracht des sich stets gleichbleibenden Formates bald so geläufig werden, dass er selten oder nie in die Lage kommt, eine oder die andere gesetzte Zeile verwerfen zu müssen, ein Vortheil, der bei den zugespitzten Preisen derartiger Drucksachen besonders ins Gewicht fällt. Die amerikanischen Geschäftsreisenden petitioniren anscheinend erfolgreich an den Kongress, das Eisenbahntarifgesetz dahin zu än dern, dass die Bahn gesell schäften ermächtigt werden, für reisende Verkäufer und deren Musterkoffer ermässigte Fahrpreise zu bewilligen. Wir leben offenbar in einer Aera der Klassengesetzgebung, die sich dereinst bitter rächen wird. Freunde und Kenner alter Kupferstiche finden im Ausstellungs saal der Wunderlich’schen Kunsthandlung in New York gegenwärtig eine seltene Sammlung von Kupfer-Chromos von der Hand des Floren tiners Bartolotti, der 1764 nach London kam und sich daselbst zu einem Hauptvertreter der Punktirmanier ausbildete. Den etwa 40 Blättern der Sammlung, von denen übrigens ein Theil roth gedruckt ist, wird ein riesiger Geldwerth beigemessen, erstens, weil äusser Bartolotti keine hervorragenden Grössen auf dem Gebiete des Punktir verfahrens zu verzeichnen sein dürften, und sodann, weil der Farben kupferdruck an sich eine Seltenheit geworden ist. Wie es Mode ist, beim Verschenken von werthvollen Uhren das Bildniss des Beschenkten auf der Aussenschaale eingraviren zu lassen (eine Mode, deren ästhetischer Werth sehr anfechtbar ist), so ist es auch ziemlich allgemein gebräuchlich, Photographieen des Trägers oder seiner Angehörigen und Freunde auf dem Zifferblatte anzubringen. In Anbetracht der Schwierigkeit des Verfahrens der Uebertragung und Fixirung einer Photographie auf das Email eines Zifferblattes wurden bisher für eine gute Ausführung bis zu 20 Dollar bezahlt- Ich lese jedoch soeben, dass ein New Yorker Juwelenhändler einen Email photographen in Dienst gestellt hat, der so Bedeutendes leistet, dass Zifferblattphotographieen unter Garantie für gute Ausführung nur noch 2 Dollar 50 Cents kosten. Ein italienischer Photograph in Chicago hatte sich seit Jahren mit Versuchen zur Herstellung von Photographieen auf die individuellen Seifenschaumnäpfe in den besseren Barbierstuben abgeplagt. Aus der Thatsache, dass gegenwärtig jeder Barbier in der Lage ist, seinen Kunden Porzellannäpfe mit ihrer Photographie zu vermitteln, geht erstens hervor, dass das Verfahren inzwischen allgemein ausbeutungs fähig geworden ist, und zweitens, dass Derjenige, der auf die Eitel keit der Männer spekulirt, eben so erfolgreich sein kann, wie sein Kollege, der das ewig Weibliche ins Auge fasst. Die Zeitungen der Grossstädte enthalten schon seit 1. November Ankündigungen vom Weihnachtsmarkte. Eine New Yorker Firma setzte die Eröffnung ihrer Weihnachts-Ausstellung von Spiel- und Galanteriewaaren auf den 9. November fest, mit folgendem »Zeichen der Zeit«: »Um dem grossen Andrang im Dezember vorzubeugen, bitten wir um recht baldigen Besuch und sind bereit, ausgewählte Waaren auf Verlangen aufzubewahren und später zu senden.« Wenn diese Maassregel allgemein eingeführt würde, und es ist kaum zu bezweifeln, dass es über kurz oder lang geschehen wird, so könnte bei der ausserordentlich gesteigerten Schnelligkeit im trans atlantischen Verkehr und unter Benützung des Telegraphenkabels ein belangreicher Nachbezug von europäischen Waaren die Folge sein, der bisher ausgeschlossen war. Wie rasch jetzt die Dampfer den Ozean kreuzen, mag aus der Thatsache hervorgehen, dass die Papier-Zeitung auf ihrer Heise von Berlin hierher (etwa 1500 Meilen von New York) ebensoviel Zeit zur Land- wie zur Wasserfahrt braucht. Die schnellste von mir wahr genommene Reise war diejenige der Nummer vom 26. Oktober, die innerhalb zehn Tagen eintraf. Durchschnittlich beträgt die Reise immer noch 11 bis 12 Tage, aber die eigentliche Ozeanfahrt von Fest land zu Festland erfolgt meist vor gänzlichem Ablauf des sechsten Tages. Dieser ungeheuere Fortschritt, beinahe 50pCt, innerhalb der kurzen Zeit von 15 Jahren, wird sich im europäischen Besuche der Weltausstellung in erheblicher Weise fühlbar machen und dürfte über haupt zur allgemeinen geschäftlichen Bereisung der Ver. Staaten seitens der Industriellen Europas führen. In Kanada ist man durch Kooperation der beiderseitigen Post behörden einer geheimen Druckerei auf die Spur gekommen, die seit Jahren die Loose der bekannten Louisiana - Staatslötterie nachgedruckt und durch ein über die ganzen Ver. Staaten verzweigtes Agentennetz in so grossem Maassstabab gesetzt hat, dass bie Beute Hunderttausende von Dollar betragen mochte, da die Gewinnauszahlung der »echten« Gesellschaft überlassen war. Im Zusammenhang damit will ich er wähnen, dass das Bundesgesetz, welches die Benutzung der Post zu Lotteriezwecken verbietet, mit geradezu leidenschaftlicher Strenge in Anwendung gebracht wird. Um auch den hierher gelangenden euro päischen Loosen beizukommen, wurde neuerdings vom Schatzamt verfügt, dass ausländische Loose als zollplichtige Drucksachen mit 25pCt. vom Werth besteuert werden sollen; bald darauf erfolgte jedoch eine weitere schärfere Verfügung, wonach solche Loose überhaupt nicht postbestellbar sind. Postbeamte, welchen Briefe durch die Hände gehen, die nach ihrem .Dafürhalten Lotterie-Loose-Listen oder -Pro spekte enthalten, sind angewiesen, auf solchen Briefen den Vermerk »May contain lottery matter« (kann Lotterie-Sachen enthalten) anzu bringen. Am Bestimmungsort wird der Adressat eines so tätowirten Briefes auf das Postamt beschieden, wo er den Brief in Gegenwart eines Postbeamten der grössten und freiesten Republik der Welt zu öffnen und im Falle der Bestätigung des Verdachtes sammt Inhalt an die Behörde abzuliefern hat. Das streift eigentlich schon stark an das »schwarze Kabinet« zur Zeit des dritten Napoleon. Nächstens wird sich die Aufmerksamkeit der Postbehörden den europäischen Zeitungen zuwenden, und Blätter mit Lotterie-Anzeigen und Ziehungslisten dürften einfach der Vernichtung anheimfallen, falls es damit nicht schon jetzt so gehalten wird. Es erscheint fraglich, ob die Unterdrückung des- Postversandts von Photographieen, die ich in einem früheren Berichte erwähnte, und von Lotterie-Loosen nicht ein Verstoss gegen die von der Ver. Staaten- Post als Mitglied des Weltpostvereins übernommenen Verpflichtungen ist. In diesem Falle könnte man sich, da schon die Berechtigung, innerhalb ihres eigenen Gebietes solche Beschränkungen eintreten zu lassen, immer wieder angefochten wird, wenigstens auf das Vorhandensein bezüglicher. Gesetzesbestimmungen stützen. Dass diese Beschränkungen dem Weltpostverein gegenüber berechtigt sind, erscheint nur unter der Voraussetzung besonderer Ausnahmebestimmungen zu Gunsten der Vereinigten Staaten denkbar. Wenn solche Ausnahmebestimmungen vorhanden sind, scheinen sie nicht genügend bekannt, sonst müssten Photographiesendungen schon am europäischen Aufgabebureau zurück gewiesen werden. Es wäre von nicht geringem Interesse, eine Aeusse- rung der deutschen Reichspostdirektion über diese Angelegenheit zu vernehmen. Endlich sollen die abscheulichen Scheidemünzen der Ver. Staaten durch geschmackvollere ersetzt werden. Der Graveur der Münze in Philadelphia hat die Stempel für die Halben-, Viertel- und Zehntel- Dollarstücke fertiggestellt, und es ist auch ein Zeichen der Zeit, dass er dabei auf die Formen aus Washington’s Epoche zurückgegangen ist. Es wird von Münzstempelschneidern nur zu häufig dem Umstande des Ausschleifens der Prägung garkeine Rechnung getragen. Diesem Fehler ist es unter anderm zuzuschreiben, dass die von Kopf bis zu den Füssen dargestellte Freiheitsgöttin auf den jetzigen amerikanischen Vierteldollarstücken im Laufe der Jahre die Gestalt eines mit allerhand sperrigem Trödelkram angefüllten zugebundenen Sackes angenommen hat. Auf den neuen Münzen wird, eingedenk des wichtigen Grund satzes in der Werthzeichen-Darstellung: sich nicht in zu viele und kleine Details zu verlieren, nur der Kopf der Freiheitsgöttin auf dem bisher von ihrer ganzen Figur eingenommenen Raume dargestellt. G. Kraft. Hektographen-Masse. In der Mittheilung von Josef Lewitus in Nr. 101 wurde der Einsender des Artikels in Nr. 96, W. W , irrthümlich genannt. Statt dessen muss es heissen: N. in Bremen, wie in Nr. 94, da nicht der Einsender W. W. von Drohung und rechtswidrigem Vortheil gesprochen hat, sondern der Einsender N. in Bremen. W. W. Afrikanische Kundschaft. Den in Nrn. 68, 76, 81 mitgetheilten Beispielen von Versuchen afrikanischer Eingeborener oder Ansiedler, werthvolle Mustersendungen zu veranlassen, reiht sich ein neues an, welches eine Hamburger Firma uns mittheilt. Ein gänzlich unbekannter Herr E. A. Wilson in Accra erbittet darin Muster und einen Kredit von 50 Lstr. Die Firma schreibt: »Solche Briefe laufen häufig bei mir ein und zwar immer unfrankirt. Ihre Annahme wird stets verweigert. Nur der einliegende war frankirt und wurde daher angenommen.«