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No. 102. PAPIER-ZEITUNG. 2791 wahrer Wunderpalast; dessen grösstes Wunder aber wäre, wenn er nur die ausgeworfenen 450000 Dollar und nicht wenigstens eine halbe Million verschlänge. Bei dem immer noch nicht besänftigten bitteren Groll der mit- bewerbenden Städte New York, St. Louis, Philadelphia usw. gegen das siegreich aus dem Kampfe hervorgegangene »grosse Dorf« Chicago ist zu erwarten, dass das Fünfmillionen-Vorschussgesuch im Kongress zu heftigen Reden führen wird, zumal Chicago seiner Zeit in seiner Bewerbung ausdrücklich betonte, dass es nur das Protektorat des Bundes und keinerlei finanzielle Hilfe beanspruche. Wie übrigens auch die Würfel fallen werden: Chicago wird die übernommene Auf gabe zu Ende führen. Der Chicago Paper Trade Club, dessen Mitglieder über Illinois, Ohio, Indiana, Michigan und Wisconsin zerstreut sind, hat beschlossen, die Papier-Industrie auf der Ausstellung zur Anschauung zu bringen. Es wird eine der neuesten Langsieb-Maschinen in Thätigkeit sein. Das erzeugte Papier soll zu »Souvenirs«verarbeitet und verkauft werden. Der Prämiirungs-Ausschuss verlangt in runder Summe eine Million Dollar für die Preisvertheilung, welche Summe man ebenfalls vom Kongress erwartet. Es wird beabsichtigt, auch Arbeiter mit Preisen auszuzeichnen. Ueber das »Wie« zerbricht man sich gerade jetzt in einem Unterausschuss die Köpfe. Dixon, der grösste amerikanische Bleistiftfabrikant, wird eine Bleistiftfabrik in Thätigkeit »ausstellen.« Nach dem grossen Raum zu urtheilen, den das Haus A. W. Faber beansprucht, scheint sich dasselbe mit einem ähnlichen Plane zu tragen. Eine östliche Papierfabrik hat eine Papierrolle von etwas über 7 Meilen Länge in Bereitschaft, will aber versuchen, noch weiter zu gehen. Ein Londoner Anzeigen-Agent verlangt Raum zur Unterbringung seiner Zeitungs-Sammlung, die sich über die letzten zwei Jahrhunderte erstrecken soll. Der zur Frankfurter Elektrizitäts-Ausstellung abgeordnete Herr Hornsby ist zurückgekehrt und hat in seinem Berichte an die General direktion rückhaltlos zugestanden, dass man in Europa auf dem Gebiete der Elektrizität Amerika in verschiedenen Richtungen »über« sei. Als ein Wundpflästerchen für die amerikanische Eigenliebe wird nun mit um so grösserem Nachdruck eine Erfindung des jungen Elektrikers Crouch, an der Beleuchtungsanstalt zu Eugene in Oregon, in den Vordergrund gestellt. Crouch will eine Dynamo erfunden haben, bei der alle Gefahr für die Bedienungsmannschaft ausge schlossen ist, wenigstens bis zu einem Strom von 2000 Kerzen. An dem von ihm konstruirten und öffentlich in Thätigkeit gesetzten Apparate waren die Leitungsdrähte von jeglicher Isolirungsvorrichtung frei, obwohl sie durch Wasser und Schlamm gelegt waren, und die Berührung derselben verursachte nur gelinde Erregung. Ueberdies behauptet Crouch, dass er denselben Draht für Beleuchtung, Kraftüber tragung und Telegraphie verwenden könne. Sein einstweilen noch sorgfältig gehütetes Geheimniss soll auf der Vereinigung und Wechsel wirkung gewisser Metalle beruhen. Als ob es an den jetzt schon zu überwindenden Hindernissen und Schwierigkeiten nicht genug wäre, darf man mit ziemlicher Sicher heit annehmen, dass in nicht zu ferner Zeit mehrere der anscheinend übergross angelegten Gebäulichkeiten der Weltausstellung sich als zu klein erweisen werden. Mit dem Waarenpalast war das bereits der Fall, doch konnte noch rechtzeitig geholfen werden. Nun aber stellt sich heraus, dass der Weise von Menlo-Park, wie hier Thomas A. Edison genannt wird, für sich allein einen Platz im Elektrizitäts- Palast beansprucht, der dem siebenten Theile des überhaupt darin verfügbaren Raumes gleichkommt. Edison hat versichert, dass er nicht einen Fuss breit mehr Raum verlangt habe, als er unbedingt benöthige. Die von ihm geplante Ausstellung werde das grösste Er- eigniss in seinem Leben, gleichsam den Abschluss seiner Laufbahn, bilden. Wenn es der Telegraph nicht schon gemeldet haben sollte, so wird es für die Leser der Papier-Zeitung von Interesse sein, zu vernehmen, dass Edison’s neueste Erfindung nichts Geringeres be zweckt, als die Abschaffung der heutigen Lokomotive. Grosses Aufsehen erregte das Anerbieten der Berliner Firma Siemens & Halske, die Beleuchtungs- und Ventilation s-Apparate der Theater, des Kunstpalastes usw. auf dem Ausstellungsplatze kostenfrei zu liefern, ferner eine elektrische Bahn im Ausstellungsparke zu bauen, elektrische Boote auf den Teichen und Kanälen in Thätigkeit zu setzen und überdies ein eigenes Gebäude im Werthe von 260000 M. für ihre Sonderausstellung zu errichten, alles in allem mit einem Kostenaufwand von 800000 M. Die Presse des Landes ist einmüthig in der Erklärung, dass dieses Anerbieten der Berliner Firma den amerikanischen Mitbewerb tief beschäme. Der Zufall wollte es, dass diese interessante Thatsache unmittelbar nach der Veröffentlichung des Betriebs-Budgets bekannt wurde, in welchem für »elektrische Kraft« allein die bedeutende Summe von 1500000 Dollar ausgesetzt erscheint. Aus dem Osten wird soeben gemeldet, dass eine Maschine prak tisch erprobt worden sei, welche Holzstämme zu Brettern verarbeitet, ohne Sägespäne zu erzeugen. Eine vollständige Umwälzung in der Holzindustrie werde die Folge sein. In der Baumwollregion der Südstaaten bildet die Baumwoll pflückmaschine das Tagesgespräch. Eine solche wurde unlängst in Atlanta, Georgia, in Gegenwart einer Menge von Pflanzern aus allen Theilen des Südens in Betrieb gesetzt und erregte ihrer grossen Leistungsfähigkeit wie ihres interessanten Mechanismus wegen die grösste Bewunderung. Es hat sich ferner herausgestellt, dass die Ziege die beste Un- krautjäterin ist, indem sie die Reihen der Baumwollstauden von allen Schmarotzerpflanzen säubert, ohne jene zu berühren. Diese Er fahrung ist im Baumwollbau um so höher anzuschlagen, als derselbe seit der Emanzipation der Sklaven aufgehört hat, eine Goldgrube zu sein. Ein anderes grosses Problem, nämlich die Herstellung eines sich selbst wägenden Eisenbahnfrachtwagens, ist ebenfalls gelöst. Die Bahngesellschaften waren sich längst bewusst, dass sie im Tonnen verkehr fortwährend in grossem Maassstab dadurch übervortheilt wurden, dass die Frachtverlader das in Berechnung zu ziehende Maxi malgewicht einer Wagenladung erheblich überschritten, ohne dass es bis jetzt möglich war, diese Gewichtsüberschreitungen in zuverlässiger und dienstlich zulässiger Weise festzustellen. Nun aber wird auf die Räder jedes Fracht wagens zunächst der Mechanismus einer Brücken waage, und auf diese der Oberbau des Frachtwagens gestellt, eine An ordnung, die für sich selbst spricht. Die Neuerung ist bereits auf einer Linie eingeführt. Zum Kapitel der Regenmacherei kann ich nachtragen, dass das Ansehen Dyrenforth’s seit meinem Berichte trotz seines Widersachers Newcomb bedeutend gestiegen ist. Bei Croton Landing in dem New Yorker County Westchester wurde das Dyrenforth’sche Verfahren zur Abwendung der der Stadt New York drohenden Wassernoth mit Erfolg in Anwendung gebracht. Die Stadt bezieht ihr Wasser mittels der berühmten vierzig Meilen langen Leitung aus dem »Croton River«; der Wasserstand des Flusses ist aber gegenwärtig so niedrig, dass das Hauptsammelbecken in New York kaum mehr davon gespeist werden kann. Um der Noth vorzubeugen, wurde dieser Tage ver sucht, auf künstlichem Wege Regen zu erzeugen. Ich lasse darüber die »Illinois Staats-Zeitung« weiter reden: »Bereits nach dem Ab feuern der ersten Ladung von 200 Pfund Sprengstoff öffnete der Himmel seine Schleusen, und der Regen ergoss sich in dichten Strömen über eine Fläche von mindestens einer Quadratmeile, so dass vorläufig eine Wassernoth nicht mehr zu befürchten ist.« Das Nächste, was ich zu berichten haben werde, dürfte unter diesen Umständen wohl sein, dass die Wasserkraft-Gesellschaft in Holy- oke ebenfalls zu Dyrenforth’s Methode gegriffen hat. G. Kraft. Sonntagsruhe in Zellstof-Fabriken. Dresden-Plauen, 11. Dezember 1891. Diese Frage wurde in der General-Versammlung des Vereins der Holz zellstoff-Fabrikanten am 30. November in Berlin von Herrn Regierungsrath Braunschweig wieder angeregt, von den übrigen Herren jedoch die Unmög lichkeit einer Sonntagspause in den Zellstofffabriken dargethan. Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich dem nur entschieden beipflichten; ich habe die Schäden, welche der gezwungene Stillstand von 12 Stunden an jedem Sonn- u Feiertag herbeiführte, zur Genüge kennen gelernt, trotzdem die Soda- Oefen ja durcharbeiten dürften. Die Produktion wird nicht etwa bloss um einen halben Arbeitstag verringert, sondern um weit mehr, weil die Kochungen in den vorhandenen Kochern nicht sämmtlich früh um 0 Uhr fertig sind, u. ebenso wenig alle Kocher abends 6 Uhr wieder gleichzeitig in Betrieb gesetzt werden können. Es ist aber nicht die Verringerung der Produktion allein, welche dem Fabrikanten grossen Schaden bringt, sondern es tritt dazu leider noch eine sehr oft sich einstellende Verminderung der Qualität des sich nach der Wieder inbetriebsetzung zuerst ergebenden Stoffes. Am meisten ist dies der Fall bei senkrecht stehenden Kochkesseln, welche mit Dampf geheizt werden, während die alten liegenden, direkt geheizten Kocher (nach Lee) am wenigsten Schwierigkeiten machen, wie diese ja überhaupt die Fehler beim Kochprozess am leichtesten erkennen und vermeiden lassen. Es kommt ab und zu vor, dass sich schlechter Stoff nur an ganz bestimmten Stellen im Kocher zeigt; dies kann man dann nur an dieser Art Kessel feststellen, bei allen andern senkrecht stehenden und rotirenden wird der Stoff gemischt, und durch ein zelne schlechte Partieen wird der ganze Kocherinhalt verderben. Rotirende Kocher geben auch grosse Sicherheit gegen Fohlkochungen, haben aber wieder andere Nachtheile, von denen die alten liegenden durchaus nicht etwa frei sind; namentlich ist hier die Beschickung umständlich und kostspielig. Nach einer 24- oder auch nur 12-stündigen Pause sind die Apparate und die Laugen abgekühlt, das Holz eher etwas trockner geworden usw. und man hat durchaus keinen bestimmten Anhalt wie man all’ den Verschiedenheiten im voraus Rechnung tragen soll, was sich bei den stehenden Kochern gerade durch die Heizung mit Dampf am meisten bemerkbar macht. Ich kann daher den Zellstofffabrikanten nur voll zustimmen, wenn sie sich eventueller Ausdehnung der vorgeschriebenen Sonntagsruhe auf ihre Fabriken aufs Energischste widersetzen; der Schaden würde sie geradezu ruiniren. Th. Knösel.