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Pariser Neuheiten. Paris. 1. Dezember 1891. Wer jetzt einen Gang durch die Strassen von Paris macht, kann sich der überall auf ihn eindringenden Vorstellung nicht erwehren, dass ugenblic klich die Saison der Festmahlzeiten, der Gesellschaften und Bälle beginnt Man mag dem Gesellschaftsleben noch so fern stehen: die Schaufenster lassen überall etwas von der dabei ent wickelten Pracht und Lebensfreude sehen. Da sind Speisekarten ausgestellt, bald mit Goldverzierung, ball in buntfarbiger Malerei, die mit ihrer sorgfältigen Ausführung das Behagen des eingeladenen Feinschmeckers erregen und seine fröhliche Laune erhöhen sollen. Oben n stehen die Karten von Pergamentpapier, eine breite Gold verzierung von Banken und Gitterwerk tragend, welche zugleich dem Rande seine Form giebt. Noch reicher ist dieselbe Karte mit einem durchbrochenen Goldgitter am unteren Rande. Ein schmales durch brochenes Spalier n it Weinlaub scheidet oft die Karte in zwei Hälften. Der rechtsseitige schmälere Theil ist für die Weine bestimmt. Ziemlich kostspielig sind jene gediegenen Blätter mit Radirungen, welche vorzugsweise Gestalten oder Scenen aus den Bildern bekannter Meister wiedergeb- n. Diese Karten entbehren jeden Goldschmuckes. Die aus glattem Papier mit farbiger Malerei hergestellten Speise karten zeigen vorzugsweise Jagdscenen. Da die Mode in Frankreich den Damen thätigen Antheil am Jagdvergnügen gestattet, so sicht man auch kleine allerliebste Jagd scenen mit schneidigen Reiterinnen, welche den Eifer wiederspiegeln, mit welchem sich das schöne Geschlecht dieser Beschäftigung hin- giebt. Auch komische Scenen sind dargestellt; z. B.: der Jäger zieht einen gekochten Hummer aus der Tasche, die erschreckte Köchin lässt dabei die Pfanne fallen. Ein anderer Jäger in Filzschuhen und Pelz sitzt m Lehnstuhle und schiesstauf einen ausgestopften Hasen, den eine Frau auf Rollen vorbeizieht. Mehr noch als die Jäger müssen aber die Köche herhalten. Hier streiten zwei schneeweiss gekleidete Tyrannen der Küche um die Fischwaaren, dort prüfen sie die ausgestellten Gemüse vorräthe, in der Ferne sieht man hochgethürmte Gemüsewagen abladen; die Markthalle mit ihrem Leben und Treiben entrollt sich so vor uns. Ein radfahrender Kuchenbäcker prallt gegen einen Meilenstein und sein Kunstwerk in roth und weissem Zuckerguss erleidet einen ver hängnissvollen Sturz. Ein Pudel schaut von der Strasse aus durchs geöffnete Fenster ins Speisezimmer hinein; man sieht die Ecke des gedeckten Tisches, welche den Uebergang zur eigentlichen Speisen folge bildet. Vor einem grossen Porzellanschrank steht ein Mädchen in weissem Häubchen und putzt mit rothgekanteter Serviette die Teller ab; eine Frau mit altmodischer, goldgestickter Kopfbedeckung und Schlüsselbund nimmt aus einer Truhe reiches Silbergeschirr-. Ein Diener in Livree mit zwei Flaschenkörben kommt die Treppe herauf, ein zweiter folgt; zwei junge Spielleute stimmen ihre In strumente, und überall sieht man die Tischecke mit dem sich all- mälig verlierenden Damastgewebe. Harlequin und Columbine müssen auch zur E heiterung der Gäste erscheinen. Er spielt die Geige vor dem geschlossenen Ladenfenster der Modistin Columbine; eine Alte schliesst die Thür, während Columbine zum Dachfenster lein herausschaut. Dann wieder plaudert Harlequin, in der Dach rinne liegend, mit seiner Angebeteten, während die Alte argwöhnisch durch die geöffnete Thür auf die Strasse guckt. Neu und sehr gelungen ist folgendes Muster: Am Fusse der Karte deuten einige leichte Striche den gedeckten Tisch an, auf jeder Seite steht ein langer Bronceleuchter mit brennendem Lichte; von einem zum andern ist oben ein goldenes Netz gespannt; eine Kanone befindet sich auf einer Seite, gegenüber ein winziges Häus chen, an dessen Thür ein langer, dünner, gelbgekleideter Jüngling klopft. Auf der zweiten Karte hängt eine kleine rosa Tänzerin an seinem Arm. Er schiesst aus der Kanone Braten, Schinken, Torten, Weinflaschen, sie hält ihr Gacekleid ausgebreitet, um die schönen Sachen aufzufangen. Im Netz ist ein Tisch aufgehängt, an welchem sich das Paar gegenüber sitzt Sämmtliche Beine von Tisch, Stühlen und Tischgenossen hängen in ihren verschiedenen Längen durch das Maschennetz hindurch; er zündet die Lunte an der Kerze an, während sie sich hinter seinem Rücken auf das Kanonenrohr schwingt. Die kleine Tänzerin fliegt in zwei Hälften in die Luft, der gelbe Liebhaber fällt vor Schreck um, und das Netz fängt am Lichte Feuer. Dieses Muster, für sechs Karten berechnet, ist mit köstlicher Feinheit gezeichnet. Auf einer andern Karte wandern Männer und Frauen in langer Reihe von unten nach oben. Die Oberen erscheinen natürlich viel kleiner; man stellt sich vor, sie gingen zum Gastmahle. Einige Veränderung in diesem Muster bringen Regen, Sonnenschein und Sturm durch ihre Wirkung auf die Wandernden hervor. Wieder ein anderes Muster zeigt in schwachen Umrissen eine Säulenhalle. Links unten trägt eine farbig gekleidete junge Maurin Früchte auf dem Kopfe, — oder ein Beduine bringt Flaschen, oder eine Türkin hält eine Platte mit Konfekt. Die ziemlich grossen Figuren eines Fischers mit Netz und einer Fischerin mit rundem Korbe, den sie balancirt, bilden ebenfalls zwei zusammenhängende Muster. Einige niedliche Sepiazeichnungen mit weissen dick aufgesetzten Lichtern bieten am Kopfe der Karte einige Scenen, die am Fusse ihre Fortsetzung finden. Man sieht einen von Radfahrern gezogenen Wagen mit Damen darin, unten Wagen und Reiter zu Pferde. Dann: Eine Menge Kutschen mit Laternen, dicht zu sammengedrängt, mit ungeduldigen Pferden und langsam sich aus ihren Pelzen wickelnden Gästen, unten tanzende Paare unter einem Kronleuchtr. Ebenso: Kühne Steiger in einer Gebirgslandschaft; ein Herr hält sich am Aste und hilft seiner Begleiterin, dahinter folgt ein Führer mit dem wohlbeladenen Esel; unterhalb sieht man Jäger und Jägerinnen. Auch zu den Chinesen hat man wieder seine Zuflucht genommen und ihrem Leben drollige Scenen, ihren Malereien und Geweben einige echt chinesische Muster entlehnt. Hierbei sind vielfach shillernde broncefarbige Töne angewendet. Die Verzierung findet sich zumeist am Fusse der Karte. Da sieht man einen Chinesen zu Pferde ritter lich beim zerbrochenen Wagen halten, dessen Räder eine wunderliche Rosette bilden, und fragt sich, welcher der beiden kleinen Damen er einen Sitz hintenauf anbieten wird. Andere Bewohner des himm lischen Reiches überschreiten den Fluss, der sie vom Hause des Gast gebers trennt, reitend, watend oder auf dem Rücken eines Dieners sitzend. Drei kleine Laternenträger mit gewaltigen Laternen, die rothe Glasscheiben haben, laufen ihren Herren voraus, die auf phan tastischen Reitthieren folgen. Ein grosser grüner viereckiger Kasten steht auf Rädern, die rosa und blau bemalt sind. Vom hohen grünen Bocke treibt der rosagekleidete Kutscher das Lastthier an, während ein anderer in den Farben der Sonne hinten auf dem niederen Tritt brett steht und die kostbare Last des Wagens, einen bauchigen Krug, bewacht. Auf breiten Kartenrändern findet man das oft auf Vasen und Krügen vorkommende altchinesische Muster: ein geflügelter rosa farbener Drache ruht auf breiten farbigen Blüthen und Blättern. Wo das reichere Muster ein zweites Gethier zeigt, ist es gewöhnlich dunkelblau. Karten mit durchgehend ganz weissem Muster haben in der Ecke die grosse vielblättrige chinesische Rose in leuchtenden Farben mit goldigen Blättern. Ein anderes durchgehendes Muster ahmt chinesische Gewebe in gelber und weisser Seide rach, oder in Rosa und Grau. Das Wort »Menu« ist hier mit phantastischen Lettern in feuerrother Farbe aufgedruckt. Soeben erschienen neuere Muster. Die Karte stellt ein Stück Birkenrinde dar; links in der Ecke sind eine goldene Mondsichel und eine auf grünem Aste sitzende naturfarbene Eule angebracht. »Menu« steht in starken goldenen Lettern daneben. Die längliche Karte scheint links losgelöst zu sein, dahinter erscheint auf Gold grund die sehr lang gezogene Schrift in Blau oder Grün. In der linken Ecke einer andern Karte ist ein kleines Spiegelglas ange bracht; sein Rahmen mit Handhabe ist in erhabenem Golddruck ausgeführt. Ein gothisches Doppelfenster mit grünen Butzenscheiben umgiebt das M der Ueberschrift. Auf breitem Rande oben und zur Seite befindet sich eine Wasseilandschaft; bewegliche Schiffe zum Aufstellen sind hier angebracht Letztere finden sich auf anderen Karten durch Frösche oder Schwäne ersetzt. Sehr zierlich sieht auch eine Reihe aneinander geknüpfter Veilchenblüthen aus, welche ein quergespanntes rothes Band hält. W. * * * Soweit die Beschreibung eine Vorstellung von dem Aussehen der Tischkarten zu geben vermag, scheinen einige derselben deutschen Ursprungs zu sein, oder doch die gleichen Motive auf zuweisen, welche wir auf Erzeugnissen deutscher Luxuspapierfabriken schon kennen lernten. D. Red. Blechpapier, Zum Umschnüren von Paketen kommen in Amerika Bandstreifen in Gebrauch, welche aus dünnem, zwischen zwei Papierschichten eingeklebtem Metallblech bestehen. Unser amerikanischer Korre spondent machte bereits früher auf die vielseitige Verwendung auf merksam, welche das einseitig oder beiderseitig mit Papier fest ver bundene Metallblech in Amerika findet, erwähnte aber diese An wendungsart nicht. Man schneidet die Bandstreifen mit der Scheere in beliebiger Grösse zu, biegt sie um den Gegenstand herum und drückt die Enden fest zusammen. Auf diese einfache Weise entsteht ein leichter, aber für viele Zwecke völlig ausreichender Verschluss. Durch farbige Streifen kann das Aussehen der Bänder gehoben werden. Lieferantin solcher Blechpapierbänder ist die Firma J. H. F. Dixon, 116 North Seventh Street, Philadelphia.