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No. 100. PAPIER-ZEITUNG. 2729 Die Nonne. Von August Harpf. Erst nachdem ich meine gleichnamige in Nr. 85 abgedruckte Abhandlung vollendet und an die Papier-Zeitung abgeschickt hatte, kamen mir zwei kleinere Flugschriften in die Hände, welche die Nonne noch eingehender beschreiben, ihre Lebensweise erörtern und die Art und Weise auseinandersetzen, wie man sich dieses Wald Ver derbers am besten erwehrt. Die eine führt den Titel: »Die Nonne. Naturgeschichtliche Be schreibung der Nonne, Darlegung der Lebensweise und des forstlichen Verhaltens derselben, sowie der Maassnahmen zur Bekämpfung der Nonne.« Herausgegeben 1891 von Rieger in München auf Veran lassung der betheiligten bayerischen Staatsministerien. Die andere heisst: »Die Nonne, ihre Lebensweise und Bekämpfung, zu beziehen durch Wilhelm Frick in Wien. Herausgegeben vom k. k. österreichischen Ackerbau-Ministerium.« Beides sind sehr empfehlenswerthe Beschreibungen, welche in Bezug auf das Thier, und seine Lebensweise im Grossen und Ganzen dasjenige enthalten, was ich bereits in meinem oben genannten Aufsatz darlegte. Das an zweiter Stelle genannte Büchelchen enthält sehr schöne und interessante Abbildungen, und das genannte Ministerium hat mir auf mein Ansuchen gestattet, diese Abbildungen zur Veröffentlichung in der Papier-Zeitung zu benutzen. Fig. 1 ist die Abbildung eines von der Nonnen- raupabgefressenen Rothbuchenblattes in natür- licherbrösse. Man sieht wie das Thier nur den unteren kräftigeren Theil mit den zahlreichen Rippen herausgefressen hat, während es fast zwei Drittel des Blattes übrig liess und zur Erde warf, woraus sich ergiebt, wie gross der Schaden bei dieser äusserst verschwenderischen Lebensweise sein muss. Fig 2 zeigt ein mit Baumflechten bewach senes Fichten-Rindenstück; e und e1, sind rosen- rothe, frisch gelegte Eier, e l und e3 bereits dunkel- gefärbte, also ältere Eier, rs ist ein sogenannter Raupen spiegel, in welchem die kleinen, eben ausgekrochenen Räupchen noch zusammensitzen. Fig. 3 ist ein sehr stark vergrössertes Ei mit durchschimmerndem Räupchen. Fig. 4 ist ein Stück Eischaale, stark vergrössert. Fig. 5 ist ein angefressener Kiefernzweig, auf welchem eine erwach sene Raupe von gewöhnlicher Färbung, sowie oben eine Puppe zwischen den Nadeln festgesponnen sitzen. Fig. 6 ist ein Fichtenzweig mit einer dunkelgefärbten Nonnen- raupe, welche auch-liier und da vorkommt. Fig. 7 stellt mehrere Stücke Raupenkoth dar; derselbe ist walzen förmig, bis 4 mm lang, 2 bis 3 mm dick, im frischen Zustande grünlich, trocken bräunlich gefärbt; er findet sich, wenn die Bäume von den Raupen befallen sind, massenhaft am Boden im Walde. Fig. 8 ist ein Stück Fichtenrinde mit Puppen, welche in den tiefem Borkenrissen verborgen sitzen. Zu diesen Abbildungen ist zu be merken, dass mit Ausnahme der Figuren 3 und 4 alle anderen in mässiger Verkleinerung dargestellt sind. Fig. 9 zeigt einen sitzen den weiblichen Nonnenschmetterling und lässt die dachförmige Flügel stellung beim Ruhen erkennen. Von Interesse für die Leser der Papier-Zeitung dürfte es sein in Ergänzung meiner oben genannten Abhandlung noch Einiges über die Lebensweise und die Bekämpfungsarten der Nonne zu erfahren. Die Nonne, welche äusser mit ihren von mir bereits genannten Namen Psilurs, Liparia und Ocneria (nicht Ocheria, wie in Nr. 85, S. 2298 fälschlich gesetzt ist) auch noch Bombyx monacha genannt wird, tritt nach den bisherigen Erfahrungen in grossen Massen nur im Flach- und Hügellande auf, während von bedeutenderen Verheerungen durch Nonnenfrass in den Wäldern der höheren Gebirge, also wohl vor zugsweise in den Alpenländern, bis jetzt noch nichts bekannt ge worden ist. Ihre Vermehrungsfähigkeit aber ist, wie ich schon in meinem ersten Aufsatz betonte, geradezu unheimlich. Wurde doch berechnet, dass, günstige Umstände vorausgesetzt, und unter Berücksichtigung des wahrscheinlichen Abganges durch Krankheiten und Feinde ein Weibchen in fünf Jahren sich auf mehr als vier und eine halbe Million vermehren kann. Da nun, wie wir aus dem Folgenden ersehen werden, die Schmetterlinge gerade mit Vorliebe dunkle schattige Wälderaufsuchen, so müssten eigentlich die schalten reichen Alpenthäler für sie der rechte Aufenthaltsort sein. Aber da ihr Auftreten, wie die Erfahrung lehrt, in den Alpenländern dennoch nicht massenhaft ist, so dürfte dieser Umstand jedenfalls in dem strengen Winter, wie er im Hoch- g'ebirge alljährlich auftritt, seine Begründung finden. Die Nonnenraupen selbst haben einige Lebensgewohnheiten, welche sehr wichtig für die Bekämpfung dieses Insektes sind. Die jungen Räupchen können nämlich sämmtlich spinnen und zwar so lange, bis sie etwa halbwüchsig sind; sie machen von dieser Eigenschaft einen ausgedehnten Gebrauch, indem sie sich, durch Vögel, Insekten oder durch den Wind beunruhigt, sofort an einem Faden von dem Baume herablassen. Bei starkem Winde zerreissen diese Fäden, und die Räupchen werden oft weit weggeweht, was natürlich der Verbreitung des Insektes nur dienlich ist. T Werden die Raupen grösser, so verlieren sie die Eigenschaft des Spinnens, und erst kurz vor der Verpuppung spinnen sie wieder einige Fäden zum Schutze der Puppe. Auch in dieser Entwickelungsstufe werden sie oft vom Winde heruntergeworfen, oder sie lassen sich bei irgend einer Beunruhigung freiwillig fallen. An kalten und nassen Tagen, oder bei brennender Sonnenhitze, sowie auch wenn sie sich häuten, steigen die Raupen von selbst herunter, um sich am Fusse des Stammes, in Ritzen der Rinde oder zwischen Flechten und Moos zu verbergen und so gegen die Unbill der Witterung, oft in Gruppen von 10—15 Stück, Schutz zu suchen. Eine Folge dieses freiwilligen oder unfreiwilligen Herabfallens, sowie des Herabsteigens ist ein fortwährendes Wandern der Raupen zwischen Boden und Baumkronen, indem dieselben gezwungen sind, um Nahrung zu suchen, wieder längs des Stammes in die Kronen hinaufzusteigen. Ist ein Baum kahl gefressen, so müssen sie auch heruntersteigen, um anderwärts neue Nahrung zu suchen. Dabei gehen natürlich viele zu Grunde, aber die Natur ist ja sehr verschwenderisch mit ihren Gaben, und viele andere finden Nahrung und arbeiten so an der Zerstörung des Waldes weiter; der Frass bewegt sich hier bei von den unteren Partieen der Krone aufwärts gegen den Wipfel. Der sogenannte »Flug« der ausgebildeten Falter findet, .wie ich