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2610 PAPIER-ZEITUNG. No. 96. in dieser Ausführung, von 13,2 cm Breite und 11,2 cm Länge in blass -fliederfarbenem Tone zeigte ein durchgehendes Muster von langstieligen Kleeblüthen — dem auch in Deutschland so bekannten Cicer oder Kicherklee, dessen akazienartige Blätter dem Charakt-r des Langgezogenen sehr gut entsprechen. In der linken oberen Ecke der vierten Seite befand sich ein Adler in grauer Bronce, der ein violettes Band mit Devise hielt. Auf dieser Seite des Briefbogens beginnt man zu schreiben. Der Briefumschlag ist d r Breite des Bogens entsprechend natürlich lang und schmal und trägt das Monogramm oder die Krone in der rechten Ecke, zeigt aber niemals die Devise. Ganz neu ist auch hellgraues Papier, auf dem oben eine in Farben ausgeführte Vogelschaar vorüber zieht, während die grössere untere Hälfte des Bogens eine Landschaft zeigt, die schwach, aber deutlich in dunklerem Grau angegeben ist; man möchte sagen, es sei nur der Schatten einer Landschaft. Die Zeichnung muss leicht genug sein, um bei der darübergehenden Schrift nicht zu stören, und doch muss sie darunter zur Geltung kommen. Eine» wirkliche Ueberraschung ist hellgrünes Papier mit einem dichten färbigen Veilchenstrauss in der obern rechten Ecke, denn auf der nächsten Seite sieht man die Rückseite der Blätter und Stengel in ganz matten Farben. Die dritte Seite hat in der untern rechten Ecke eine einzelne farbige Blüthe, deren Kehrseite beim Wenden des Blattes sichtbar wird. Eine so reiche Ausschmückung des einzelnen Bogens lässt der Phantasie viel Spielraum. Die obere rechte Ecke des Bogens könnte z. B. ein Spinnennetz enthalten mit einer grossen, weiss leuchtenden Spinne, die zweite Seite vielleicht dieselbe Zeichnung nebst einer metallig glänzenden Fliege — einem schönen dunkel blauen Brummer, der sich dem verhängnissvollen Gewebe nähert Dann könnte auf der 3. Seite die Spinne ihr Opfer fesseln, und auf der 4. Seite müsste ein’ vom Winde zerrissenes Netz, in welchem ein Paar schillernde Flügel hängen, das traurige Ende der Geschichte erzählen. Oder man lässt eine Schaar Ameisen schräg über die obere Hälfte des Briefbogens laufen, während auf der anderen Seite vereinzelte Ameisen umherirren, hier ein geschäftiges Thierchen mit seiner grossen, weissen Puppe, dort zwei fleissige Bauleute, die ein Stückchen Baumrinde oder eine Kiefernadel fortschleppen. Auch aus dem Briefumschlag könnte sich eine kühne Ameise hervordrängen. Alle jene bekannten Bilder, wie Thierköpfe, Harlequins, Chinesen, die tausend Gestalten, die immer wieder auftauchen, würden neuen Heiz und neues Leben gewännen, wenn die nächstfolgenden Seiten eine Art Fortsetzung brächten. Sollte diese Ausführung den einzelnen Bogen zu kostspielig machen, so könnte eine durchgehende Idee beim Schmuck eines ganzen Kartons festgehalten werden. Die Franzosen streben auf andern Gebieten schon lange danach, eine Idee nach allen Seiten hin zu erweitern und auszuführen - z. B. bei Speisezetteln und Gratulationskarten — und haben meist glückliche Einfälle dabei. So z. B. ist der bekannte Löwenzahn mit seinen steifstehenden Knöspchen, seinen leuchtenden gelben Blüthen, seiner wolligen Samendolde ein Schmuck für mehrere Pogen, auch die Rosskastanie hat verschiedene Entwickelungsperioden: die bräunlich glänzende kräftige Blattknospe mit einem kaum entwickelten Blatt, dann die Blüthe, dann die stachligen, grünen Fruchthüllen, die sich schon braun färben und sich öffnen, schliesslich das herbstliche zusammen gerollte Blatt, das oft die heruntergefallenen braunen Früchte bedeckt. In jüngster Zeit streben die Kunstgärtner nach Veredlung und Vervielfältigung der Orchideen. Auf der letzten Pariser Blumen ausstellung sah man weit über 150 verschiedene Gattungen, deren phantastische Blüthen bald an Schmetterlinge, Libellen, ja sogar an Kobolde und Zwerge erinnerten. Diesen reizvollen farbenprächtigen Blüthenformen sollten die Zeichner für Luxuspapiere neue Muster entlehnen. Neuerdings sieht man hier Papier, das links auf breitem Bande ein ganzes Beet von kleinen Tulpen oder Stiefmütterchen zeigt, die Zeichnung hat keine Perspektive. Ueberhaupt liebt man viele und sehr kleine Blüthen von einer Gattung. Einem ganz entgegengesetzten Geschmack entspricht die gelblich oder grau getönte Nachahmung von Krokodilshaut mit ihren starken Rippen. In der Ecke steht ein in Gold ausgeführtes »le jourd’hui«, oder dieneben einandergestellten Initialen. Wer bescheidenere Ansprüche an die Ausstattung stellt und möglichst viel Raum für den schriftlichen Erguss haben wäll, wird zufrieden sein mit den dunkelfarbigen schrägen Ecken, die das Monogramm oder ein goldenes Insekt tragen, und die nur wenig Platz fortnehmen. Oft scheint ein Stück broschirter Seide über die Ecke ' geklebt zu sein; auch Nachahmungen des jetzt so beliebten japanischen Leders mit seinen tausend wechselnden Mustern, japanische Masken , zwischen Blumenranken usw., dienen zum Eckenschmuck. Die i Briefkarten sind zweitheilig, etwa 14 cm breit. Sie zeigen in der Mitte ein sehr kleines Monogramm oder Insekt, einen Buchstabe I vom Halbmond umschlossen, einen ganz kleinen geflügelten Drachen, 1 i oder sie tragen breite grosse runde oder eckige Siegel in Roth, i Gold und Silber, die fast wie amtliche Siegel aussehen. Oft zeigen i die Karten abgerundete Ecken, die vergoldet sind. Ringsherum Gold- r schnitt anzubringen, ist wenig mehr üblich, dafür presst man den • Schnittseiten oft ein kleines Muster, wie fliegende Schwalben, Sterne i usw. auf, das nur im Paket zur Geltung kommt. Neu ist ein ; dreieckiges, oder zweispitziges gothisches Siegel, wie man es an alten s Städte-Urkunden sieht. W. s Hektographen-Masse. Berlin, 24. November 1891. Der Patent-Anspruch von 0. Kwaysser & R. Ifusak lautet: »Das Trocken-Kopirverfahren, unter Anwendung der oben beschriebenen ; Platte für das Negativ, bestehend aus einer Mischung von Gelatine, Gly cerin und Wasser und den oben beschriebenen Tinten, wodurch es ermög licht ist, auf trockenem Wege, ohne Anwendung von Kopirpressen, scharfe , Kopieen in beliebiger Anzahl auf jedem glatten Papier zu erzeugen.« l’atentirt ist also eigentlich das Verfahren, das Hektographiren selbst; man kann aber auch herauslesen, dass die in der Patentschrift Nr. 5271 in der Zusammensetzung beschriebene Masse patentirt ist. Um also das Patentgesetz nicht zu verletzen, muss man entweder die ' patentirte Masse, resp. die Hektographen durch die Firma Lewitus beziehen, ' oder aber die durch unterzeichnete Firma hergestellten Ihn’schen Ver- vielfältigungs - Apparate, bzw. Ihn’sche Vervielfältigungs-Masse führen, da diese laut reichsgerichtlichen Erkenntnisses nicht durch das Kwaysser & Husak’sche Patent berührt werden. Julius Rosenthal, Alexandrinenstrasse Nr. 97, Verfertiger der Ihn’schen Vervielfältigungs-Apparate. ,, „ Ihn’schen ,, ,, Masse. Berlin, 25. November 1891. Das Patent Nr. 5271, ertheilt am 30. August. 1878 an 0. Kwaysser und R. Husak, ist noch heut in Kraft. Es schützt das Verfahren, Schriftstücke, die mit einer aus Anilinfarbe bereiteten violetten oder rothen Tinte geschrieben sind, auf eine aus Gelatine und Glycerin bestehende Platte zu übertragen und von dieser eine Anzahl Abzüge abzunehmen. Die hierzu verwendete Masse, welche nach der Patentschrift aus 1 Theil Gelatine, 4 Theilen Glycerin, 2 Theilen Wasser bestehen soll, war in ähnlicher Zusammensetzung lange vor Erfindung des Hektographen bekannt und im Gebrauch, nämlich als Buchdruck-Walzen masse. Sie kann als solche jederzeit von den zahlreichen Walzenmasse- fabrikanten bezogen werden und ist in ihren gelatine- und wasserreicheren Qualitäten ohne weiteres als Bett zur Aufnahme und Wiederabgabe des Schrift-Spiegelbildes geeignet. Namentlich die sogenannte »Zusatz-Walzen- mässe« kann meist ohne weiteres als Hektographenmasse dienen. Auch die Anilintinte, mit der man die zu hektographirenden Schriftstücke herstellt, bietet in ihrer Zusammensetzung nichts Neues. Die Patentschrift erwähnt zwei Tintensorten, eine violette und eine rothe: 1. Violett. 1 Theil Methylanilinviolett gelöst in 7 Theilen Wasser und 1 Theil Alkohol. 2 Roth. 2 Theile ossigsaures Rosanilin, gelöst in 10 Theilen Wasser und 1 Theil Alkohol. Eine ganze Anzahl anderer Farbstoffe in abweichenden Mischungsver hältnissen mit Wasser und Alkohol ist ebenfalls zum Hektographiren ge eignet. Demnach dürfte sich weder gegen Anfertigungund Verkauf von Walzen masse, noch gegen Anfertigung und Verkauf von konzentrirter Anilintinte etwas einwenden lassen. Wohl aber ist das Verfahren geschützt, und wer dasselbe anwendet, ohne die Bestandtheile von dem Patentinhaber oder seinen Vertretern be zogen zu haben, begeht einen Eingriff in das noch zu Recht bestehende Pa tent Nr. 5271. Ebenso kann möglicherweise eine Patentverletzung darin erblickt werden, wenn ein Händler die zum Hektographiren geeignete Walzenmasse als »Hekto graphenmasse« verkauft, oder die zum Hektographiren geeignete konzentrirte Anilintinte als »Hektographentinte«. Der gemeinsame Verkauf von Walzenmasse und Anilintinte als »Ein richtung zum Hektographiren« bedeutet zweifellos einen Eingriff in das Patent. R. Berlin, 25. November 1891. Mit Bezug auf die in Nr. 94 enthaltene Anfrage, »Hektographen-Masse« betreffend, glaube ich in nachstehender Darlegung den unumstösslichen Sach verhalt in dieser Angelegenheit berichten zu können. Es ist richtig, dass das Hektographen-Patent 5271 von der Firma .1. Lewitus in Wien erworben ist und bisher zu vollem Recht besteht, auch bis zur Auflösung des Patentes bestehen wird, da Lewitus die Patentgebühr bis jetzt bezahlt hat und auch voraussichtlich für die noch fehlenden Jahre bezahlen wird. Die in den Handel gebrachten Hektographen- oder Verviel fältigungs-Blätter, sowie Simplex-Duplikator-Platten sind unstreitig Patent verletzungen. Wenn Lewitus seit Jahren seine Rechte gegen diejenigen Geschäfte, welche sein Patent verletzten oder verletzen, nicht wahrgenommen hat, so ist dies sein eigener Wille und sein eigener Schaden gewesen. In früheren Jahren, 1880—82, waren die Hektographen-Prozesse an der Tages-Ordnung, und in einem Fall ist von der Königlichen - Staatsanwalt- nschaft in einem Patentverletzungsprozesse die Bezeichnung der Buchdruck-