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2442 PAPIER-ZEITUNG. No. 90. liches Absatzgebiet fanden, und wenn es dort einmal stockte, dasselbe spielend in England unterbringen konnten. Indessen vollzog sich aber auf dem mit dem Wohlstände ihres Landes so eng verknüpften Holzschliff- und Zellstoff-Markt eine Wandlung zu dessen Ungunsten, die mit einem Schlage den Norwegern die Augen öffnete. Wie in einem früheren Bericht erwähnt ist, hörte die Ausfuhr von Holzmasse nach Amerika plötzlich ganz auf und schleuderte dadurch die Preise von 3 Lstr. für die Tonne auf 35 sh. herunter, da die einmal hergestellte, im nassen Zustand befindliche Waare um jeden Preis losgeschlagen werden musste, wenn sie nicht gänzlich verderben sollte. Während so Amerika die Holzsschliffindustrie der nordischen Län der dem Untergang nahe brachte, beeinflusste die in England er standene Zellstoff-Industrie diesen zweiten für Norwegen so wichtigen Artikel im höchsten Grade ungünstig und verursachte auch hierin einen Preisrückgang, der jeden Verdienst unmöglich machte. Als mm im verflossenen Jahre die Lage des Holzschliff- und Zellstoff- Marktes jeden Tag kritischer wurde, und die für die genannten Artikel erzielten Preise nicht nur jeden Verdienst ausschlossen, sondern schwere Verluste in Aussicht stellten, kamen einige der meistbe- theiligten Kapitalisten Norwegens zu der Ansicht, dass es höchste Zeit sei zu erwägen, wie dieser Krisis entgegen zu treten sei. Wie früher mitgetheilt, wurde voriges Jahr versucht, die in diesem Jahre endlich zu Stande gekommene Einigung der Schleifer zu bilden, welche gute Absicht jedoch damals an dem unabhängigen Charakter der Norweger scheiterte. Hierdurch wurden die norwegischen Industriellen nunmehr gedrängt, die Verarbeitung des Rohstoffs selbst in die Hand zu nehmen, und man muss gestehen, dass mit grosser Thatkraft darin vorgegangen wurde. Rastlos wurden in den letzten 18 Monaten neue Papierfabriken geschaffen und die bestehenden durch Aufstellung neuer Maschinen vergrössert. Diese Bestrebungen fanden bei den Grosskapitalisten Norwegens kräftige Unterstützung, und Männer wie Banquier Hefty und Generalkonsul Christophersen nahmen sich der Bewegung mit Eifer an. Zunächst gingen die Bohnsdalen Woodpulp- and Paper Mills mit Aufstellung einer neuen Maschine vor und vergrösserten damit ihre Anlage auf 3 Papiermaschinen. Drammenselvens Papier-Fabriken setzten, nachdem sie im Jahre 1890 abgebrannt waren, 2 neue Maschinen in Betrieb. Akerselvens Papierfabriken, die vor wenigen Monaten aus den Händen der in Papierfabrikanten-Kreisen wohlbekannten Brüder Bache-Wieg in die einer Aktiengesellschaft übergegangen sind, er höhten ihren Betrieb auf 5 Maschinen und stellten sich dadurch an die Spitze der gegenwärtigen norwegischen Papierfabriken. Zu den neuesten Unternehmungen gehört die Papierfabrik der Ranheim Cellulosefabrik, die mit einer Maschine ihren Betrieb eröffnet hat und zweifelsohne in den bewährten Händen ihres Direktors Jenssen und ihres Betriebsdirektors Dorenfeldt den Ruf, den sie sich als Cellulosefabrik erworben hat, auch als Papierfabrik verdienen wird. Die aufgestellte Maschine ist schottischen Ursprungs und den an sie gestellten Ansprüchen in jeder Weise gewachsen. Das grösste Unternehmen jedoch ist die Erweiterung der Union Sulfit- und Holzstofffabrik in Skien zu einer Papierfabrik, die zweifel los, wenn nicht alle Erwartungen täuschen, eine Anlage ersten Ranges wird. Der Betrieb soll mit 6 Füllner’schen Maschinen zu Anfang nächsten Jahres eröffnet werden. Die Anlage ist derart ein gerichtet, dass eine Erweiterung bis auf 15 Maschinen stattfinden kann. Die Fabrik wird ihre eigenen Sulfitwerke und Holzschleifen haben und verfügt über eine Wasserkraft, die selbst bei 15 Papier- machinen noch nicht ausgenutzt werden kann. Im Laufe {dieses Jahres kommen in Norwegen also 16 neue Papiermaschinen in Betrieb und bringen die norwegische Papier fabrikation auf 32 Papiermaschinen, die sich auf 17 Anlagen vertheilen. F. S. Berichte unserer Korrespondenten. Aus Brasilien. Rio de Janeiro, 10. Oktober 1891. Rascher als ich glaubte, kann ich mein Versprechen erfüllen, da ich einen Abstecher nach Rio machen musste und bei dieser Gelegen heit Lämmert y Cia., d. h. die Companhia Typographica do Brazil, wie die Firma jetzt lautet, besuchte. Diese Anstalt wurde 1835 von den jetzt verstorbenen Herren Eduard und Heinrich Lämmert gegründet und darauf von deren Schwiegersöhnen weitergeführt. Im letzten Jahre in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, legt auch dieses Haus Zeugniss von deutscher Emsigkeit und Ausdauer ab. Die technische Leitung liegt Herrn Affonso Bruck ob, der mir bereitwilligst Einsicht in die verschiedenen Abtheilungen gewährte. Das Verkaufslager in der Rua d’Oeridor, der elegantesten Strasse Rios, bietet reiche Auswahl der feinsten und geschmackvollsten kauf männischen Bedarfsartikel. Das Haus liefert ausserdem jährlich 150 Tausend Abreiss- und 80 Tausend gewöhnliche Kalender, sowie monatlich 10 Millionen zweifarbige und numerirte Kupons. Wie Seckler in Sao Paulo seinen Hauptabsatz bei den Eisenbahnen hat, so liefert Lämmert hauptsächlich für Banken. Letzterer ist ferner Herausgeber des „Almanak", des brasilianischen Adressbuches, welches über 2000 Seiten stark ist; auch giebt er ins Portugiesische übersetzte Bücher heraus. Endlich betreibt die Firma die Schriftgiesserei in grossem Maassstab und ist darin Lieferantin der meisten brasilianischen Druckereien. Herr Bruck überreichte mir ein Musterbuch, welches in umfang reicher Form die elegantesten Typen, Vignetten und Klichees, meist deut schen Ursprungs, enthält. Die Werkstätten liegen in der Rua dos Invalides. Da ihre Räum lichkeiten nicht ausreichen, so sind Neubauten in Angriff genommen, doch ist jedes Plätzchen auf das Zweckmässigste ausgenützt, und es herrscht peinliche Ordnung. Ich zählte 14 verschiedene Schnellpressen, darunter mehrere von König & Bauer, sowie eine unmontirte und eine Maschine, die auf der Pariser Ausstellung die goldene Medaille erhalten hatte. Sehr schöne Arbeiten sah ich in der Schriflgiesserei und Galvanoplastik, sowie vorzügliche Leistungen in Lithographie, Zinkographie, Vergolderei und Buchbinderei. Zum Betriebe der Maschinen dient eine zwölfpferdige Dampfmaschine. Seit neuester Zeit ist die Anfertigung von Banknoten für die Banko Union de Sao Paulo eingeführt. Mit Papierfabrikation ist auch hier nichts los; es arbeitet nur eine Quetsche, die aber so elende Pappe liefert, dass sich ein Besuch nicht verlohnt. Projekte liegen massenhaft vor, werden wohl aber nie ausgeführt, am wenigsten bei gegenwärtiger Krisis. Ich wurde von einem Kollegen ersucht, einen Besuch bei einem dieser Herren Projektenmacher ab zustatten, um etwas Propaganda zu machen. Ich lehnte jedoch ab, weil es verlorene Zeit gewesen wäre. Zuerst sollen die Herren das Geld herbeischaffen, dann stehe ich zur Verfügung. Die Krisis ist nun da, und gekracht hat es auch schon ver schiedene Male. Der Kurs steht derartig schlecht, dass die nöthigsten Bedürfnissartikel um 10 bis 20 Prozent gestiegen sind. Die Noten der neuen Emissionen, die nur zu 1/s garantirt sind, werden miss trauisch betrachtet. Mir ist es vorgekommen, dass ich Noten von der Banko Union Sao Paulo hatte, und mir dieselben nicht abgenommen wurden. Ich muss hier jedoch Noten von der Banko dos Estados Unidos do Brazil annehmen, die wieder in Sao Paulo nichts gelten, und von hier nach Sao Paulo fährt man nur 12 Stunden! Das sind schöne «Vereinigte Staaten«! Vorgestern hatte ich Gelegenheit, den Muth der Brasilianer kennen zu lernen. Ich ging ahnungslos mit Bekannten nach dem Hotel, als wir plötzlich zwischen tumultuirendem Volke und an rückender Kavallerie waren. Es war vor dem Theater, wo Studenten, 16 bis 18jährige Maulhelden, die Künstler ausgepfiffen hatten, was zur Prügelei, Hinauswerfen und Krakehl auf der Strasse geführt hatte. Doch kaum hörte man das Getrappel der Pferde, so waren mit fabel hafter Schnelligkeit Platz und Strassen menschenleer. Ich musste mich nur wundern, wo die Leute alle so schnell hingekommen waren. Meine Begleiter versicherten mir, diese Krakehle seien etwas so All tägliches, dass nicht einmal mehr die Zeitungen Notiz davon nähmen. — Viel Geschrei und wenig Wolle! Kürzlich prügelten sich unsere beiden grössten Finanzmänner, Con- selheiro Mayrink und Conde de Fiqueredo, — allerdings nur mit Worten; Kommissionen des Senates und der Regierung wurden zur Prüfung der finanziellen Lage ernannt, aber der Kurs blieb gleich, trotz der offenen Meinungsäusserung des Barons Rothschild, von der ich schon meldete. Ernste Besorgnisse sind jedoch nicht zu hegen, Aenderungen erfolgen hier über Nacht, und sollte sogar ein Regierungswechsel eintreten, so muss man sich eben anfangs fügen, und wenn die Luft wieder etwas rein ist, fängt man wieder mit Schimpfen an. Glücklicherweise sind jedoch die meisten dieser Maulhelden 20jährige Advokaten und ihr Anhang unreife Studenten, die auf die Masse des Volkes nicht ein wirken, sondern nur das Mitleid ernster Männer erregen können. W. Leonhardt. Krankenkassen. Antwort auf die Frage Seite 2386 in Nr. 88. Als Vorstandsmitglied hiesiger Ortskrankenkasse von etwa 800 Mit gliedern, deren Vorsitz ich bereits seit dem 1. Dezember 1884 inne habe, möchte ich meine Ansicht dahin äussern, dass die Ortskrankenkasse un zweifelhaft im Recht ist, wenn sie die weitere Zahlung an die 3 kranken Mitglieder ablehnt, weil die Betriebskrankenkasse nicht bloss für die gesunden Mitglieder des Betriebes errichtet ist, sondern für sämmtliche in dem Be triebe beschäftigte Personen. Das Gesetz spricht nicht von kranken und gesunden Personen, sondern nur von Personen, die der Versicherungspflicht unterliegen. Dies trifft bei den 3 kranken Mitgliedern zu, da die Betriebs-