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No. 88. PAPIER-ZEITUNG. 2389 Neuheiten. Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreibwaaren-Gewerbes, welche Neues oder Bemerkens- werthes bieten, kostenfrei besprochen. Bei F. Soenneckens Umlegeblock für Notizen ist ein aus weissen Blättern bestehender Block, mit messingenen Doppelhaken in Verbindung gebracht, von denen das eine Paar feststeht, während das andere federnd zurückgebogen werden kann. In der Ruhelage bilden die beiden Hakenpaare, von kräftigen Federn gegeneinanderge presst, zwei Bügel und gestatten das Umlegen der mittels eines Lochpaares in den feststehenden Haken geführten Einzelblätter von der einen Seite nach der andern. Die Blätter mit unerledigten Notizen werden nicht abgenommen, sondern auf die andere Seite um gelegt; man behält daher diese Notizen so lange zur Hand, bis sie erledigt sind. Die Blätter können am Jahresschluss abgehoben, zu- sammengebunden und aufbewahrt werden. Stanzbücher aus dem Verlage von Wezel & Naumann in Leipzig. Unter den diesjährigen Neuheiten der wohlbekannten Leipziger Firma befinden sich drei Büchelchen von jener liebenswür digen, färben- und goldschimmernden Art, die man gewöhnlich nicht kauft, sondern sich schenken lässt. Die Gattung wird gekennzeichnet durch einen farbenreichen Umschlag, der neuerdings gern von der Rechteckform abweicht, durch Verwendung von Karton zur Aufnahme des Textes, der aus leichten poetischen Schöpfungen zu bestehen pflegt und immer mit stimmungsvollen farbigen Vignettenbildchen geschmückt ist. Die Heftschnüre sind meist besonders gediegen und zierlich; sie werden daher auch nicht verborgen, wie bei den Erzeugnissen ernsterer und nüchternerer Art, sondern sie liegen offen zu Tage, sind auch oft mit Troddeln, Quasten und dergleichen verziert. Solche Büchelchen bilden ein eigenes, schon ziemlich ansehnliches Gebiet, welches als verbindendes Glied zwischen Luxuspapier- Industrie und Buchhandel tritt. All-Deutschlands Scheffel-Kalender begleitet die Monate des Jahres mit sinnvollen Citaten aus Scheffels Dichtungen und ent sprechenden Bildchen. Das Januarblatt trägt das Bildniss Scheffels und ein prächtiges Winter-Stimmungsbild in Versen aus »Aventiure«. Als Sinnbild des Februar ist der mit Schellenkappe versehene Kater Hiddigeigei gewählt; im März erscheint Werner Kirchhofer, der Trom peter von Säkkingen; für die Frühlings- und Sommermonate fanden sich prächtige Naturschilderungen in den Liedern des Trompeters, in Aventiure und den Liedern des stillen Mannes. Die Zeit der Weinlese ist mit Versen aus dem »Gaudeamus« gekennzeichnet, die Zeit der Herbststürme durch ein Citat aus den Bergpsalmen. Nur zum Dezember will die prächtige Strophe nicht ganz passen: Der Abend kommt und die Herbstluft weht, Reifkälte spinnt um die Tannen. Die 12 Blätter des Heftchens sind fein gekörnt und an den Rändern unregelmässig gezackt. Schwirrendes Volk sind Insekten verschiedenster Art, die auf allen Staffeln der Stimmungs-Stufenleiter »freudvoll und leidvoll, gedankenvoll, langend und bangend in schwebender Pein«, in hüb schen Bildchen und Versen mit theils scherzhaften, theils scharf So sagt er in seinem Hymnus vom Stutzer: Volk« selbstmörderisch anstürmt. Ei, sie öffnen Thor und Thür Dem beglückten Kavalier. satirischen Beziehungen zu Situationen des Menschenlebens darge stellt sind. Die Illustrationen sind von R. Hansen, die Dichtungen wieder von Hermann Pilz, einem reimgewandten Poeten, der ganz nett zu spotten versteht. Das Verdienst ist eitel. Der Pomadenscheitel Und dazu Schnabelschuh Darum beug sich jeder Vor dem Handschuhleder Vor dem Rock, Vor dem Stock, Vor der Nankinghose Pracht, Dio zum Mensch den Menschen macht. Büchlein stellt eine alterschwache, Der Umschlag zu diesem blüthenumrankte Strassenlaterne dar, gegen welche das »schwirrende Ungemein drollige Kerlchen sind darunter, prächtig ge- Mylius’ bequeme Postkarten sind laut Umschlag-Inschrift und von drei darstellt, zeichnet Büchlein Alle tisch. Fig. 1 ist ein den äusseren Umrissen entlang ausgestanztes Figürchen, zwischen dessen gespreizten Beinen der geheimnissvoll aus klingende Text steht. Welcher Art das in Aussicht gestellte »Ver gnügen« ist, bemerkt man, wenn man den unteren Theil des Figürchens emporklappt. Dabei stellt sich heraus, dass das als Ständer benutzte, gleichgeformte, im oberen Theile mit dem Vorderblatt befestigte hintere Blatt eine zweite Darstellung derselben Figur, freilich in etwas veränderter Lage, enthält. Fig. 2 zeigt in der Ruhelage den bärtigen Kopf ohne thierische Zuthat. Zieht man aber an einem oben vorragenden Kartonstreifen, so werden plötzlich durch einen hübsch ersonnenen Mechanismus Hörner und Ohren herausgeschnellt. »für Leute, die keine Zeit haben«, bestimmt. Dieser nicht gerade kleinen Menschengattung wird die Aufgabe des Postkartenschreibens unglaublich leicht gemacht. Drei Viertel bis fünf Sechstel der Post- karten-Rückseiten sind mit flotten Zeichnungen und scherzhaften In schriften bedeckt, als deren Hersteller sofort Fritz Reiss zu erkennen wäre, auch wenn sein Name nicht auf dem Umschlag stünde. Die Ausfüllung des letzten Viertels oder Sechstels wird noch dadurch erleichtert, dass die einleitenden Worte zu der pflichtgemässen Mit- theilung bereits vorgedruckt sind. Entschuldigungen spielen eine grosse Rolle und das gleissnerische »Nächstens mehr!« ist fast über all vertreten. Es ist erstaunlich, mit was für hübschen phantastischen Bildchen der Zeichner die nicht gerade sehr gedankentiefen Mit- theilungen zu beleben verstand. Auch die Inschriften zeigen die eigenartige Frische, die wunderlichen, aber reizvollen Schriftformen, welche wir z. B. von den Umschlägen der Monatshefte des »Daheim« her kennen, und in welchen Fritz Reiss seine amerikanischen Vor bilder durch bessere Formbeherrschuug noch übertrifft. Es sind im ganzen 10 Karten, bestehend aus mattgetöntem Karton von ver schiedener Färbung. Ein Löschblatt liegt bei, und das Ganze ist in einem hübsch verzierten, mit Tasche versehenen Umschlag untergebracht. Wunschkarten von J. Miesler in Berlin SO. Die neuen Wunschkarten, welche uns zugingen, sind meist heitern Charakters und bieten eine reichhaltige Blumenlese lustiger Karikaturen. Der Leichtgläubige, der Hochmüthige, der Geizige, der Geck, der Ein gebildete, der »Vernagelte« (mit Hufnägeln im Schädel) bekommen ein reichliches Maass bittern Spottes zugemessen. Einige Glückwünsche (es ist freilich nicht immer Glück, was gewünscht wird) sind in das Gewand der Invaliditäts- und Altersversicherungskarten gekleidet und enthalten drastische Anspielungen auf die verschiedenen Bedeutungen des »Klebens«. Von den Scherzkarten geben wir nachstehend zwei Beispiele: Lose Gesellen heisst ein Büchlein mit humoristischen Bildern von E. Unger und Dichtungen von Hermann Pilz. Die »lustigen Gesellen« sind Gnomen, wie sie Unger gern im mehr oder minder freundschaftlichen Umgang mit Fröschen, Schnecken, Insekten usw. Du bist, mein freund, bas glaube mir, Dom Schicksal falsc geboren, u Deinem (Seifle fehlen Dir Die Rörner unb bie Ohren! Fig. 2. vorzüglich in der Farbe. Künstlerisch steht dieses den dreien am höchsten. Werkchen bieten hübsche Gaben für den Weihnachts denkst stets: Kommen, sehen, siegen! Du schieler Erpel, komm’ mal ‘ran! Dann machen wir Dir ein Vergnügen, Wie’s gar kein schn'res geben kann! Fig. 1.