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No. 84. PAPIER-ZEITUNG. 2275 statt der Buchstaben Punkte: man Fig. 2. heute thun. Von dieser Art der Buchstaben-Notirung geben die vorstehenden drei »Neumirungen« ein Bild: Die erste Zeile gehört dem achten Jahrhundert an und ist dem Anti- phonar (Sammlung von Kirchengesängen) von St. Gallen, die 2. Zeile, aus dem neunten Jahrhundert, dem Antiphonar von Murbach, die dritte Zeile, aus dem zehnten Jahrhundert, dem Antiphonar von Montpellier entlehnt. Unter »Neumirung« hat man die Schreibung durch »Neumen« zu verstehen. Mit »Neumen«, einem althochdeutschen Wort »niumo« Klang, Gesang, Lied, entstammend, bezeichnet man die den alten Kirchengesängen als Schluss angehängten Tonreihen, welche bald artikulirte Worte enthielten, meist aber nur auf einen Vokal, beson ders auf a, erklangen; ferner: Noten im Mittelalter, welche in Punk ten, Bäckchen, Strichen usw. bestehen.' Die Buchstaben setzte man später auf höhere und tiefere Linien, wofür man die Bezeichnung Tabulatur wählte, und endlich nahm Musikalien. I. Der Musikalienhandel wird zum Theil selbständig, zum Theil als Nebenzweig des Buchhandels betrieben, und zwar im allgemeinen in derselben Weise wie dieser. Er hat auch gleich diesem seinen geschäftlichen Mittelpunkt in Leipzig; indessen macht sich bei ihm die überwiegende Bedeutung Berlins als Marktgebiet wohl noch ein dringlicher geltend, als dies beim Buchverkauf der Fall ist. Unsere Drucker-Ahnen mögen, als sie sich mit Versuchen, Noten im Buchdruck anzufertigen, herumquälten, wohl kaum eine dunkle Vorstellung von der Bedeutung gehabt haben, welche der Musikalien handel in unserem Jahrhundert gewinnen sollte. Erst die grossartige Entwickelung der graphischen Technik inner halb der letzten drei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts hat, im Verein mit der durch die fabrikmässige Erzeugung von Musikinstrumenten für Konzert und Haus (Klavier, Harmonium) kräftig geförderten Neigung zu musikalischen Genüssen, die grossartige Ausdehnung ermöglicht, welche der Musikalienhandel jetzt gewonnen hat. Eine Geschichte des Musikalienhandels wäre noch erst zu schreiben. Anfänge zu ihr finden sich in den verschiedenen Musik-Geschichten, in den zahlreichen Wörterbüchern über Musik und Musikwissenschaft. Aber ein ähnliches Werk, wie der Buchhandel es in der »Geschichte des Buchhandels« von Friedrich Kapp, nach dessen Tode fortgesetzt von Kirchhoff, besitzt, fehlt dem Musikalienhandel leider noch. Und sicherlich ist dieser Mangel hier nicht minder fühlbar, als er es dort war. Die Zeiten, wo man sich Noten von den Bläsern der Stadtmusikanten, des theuren Kaufpreises der gedruckten Ausgaben wegen, durch Abschreiben herstellen liess, sind noch garnicht so lange vorbei. Der Schreiber dieses Artikels erinnert sich noch recht gut aus seiner Knabenzeit, die in die fünfziger Jahre fiel, der willkommenen Einnahme, die sich in den kleinen Städten für notenschriftkundige Leute aus dem Abschreiben beliebter Klavierstücke schaffen liess. Heute kann man solche Stücke schon für 60 Pf. kaufen, und heute würden auch die Urhebergesetze solche handschriftliche Verviel fältigung nicht mehr gestatten. II. Die Tonschrift selbst ist sehr alt. Sie war zuerst eine Buchstaben-Tonschrift, d. h. man bediente sich der Buchstaben zur Bezeichnung der Töne. Die ältesten Spuren einer solchen finden sich bei den Chinesen und bei den ihnen stamm verwandten alten Indiern. Die »sieben Prinzipe« der Chinesen und die »Septaka« des Sanskrit entsprachen bereits voll ständig der diatonischen Skala der Griechen, wie unserer heutigen. Aus dem altgriechischen Tonsystem, oder doch aus einer Verquickung mit ihm hat sich langsam unser europäisch-abendländisches Ton system entwickelt. Die erste Entwickelungsstufe bildet die lateinische Buchstaben-Notation, zu . welcher den Grund nicht, wie vielfach irrthümlich angenommen wird, der römische Papst Gregor der Grosse (f 604), sondern bereits der römische Weltweise . . . _A.„. ~ 4, • - 7 n Vderurt om nef fuel rerrae . - - Jz- •///////19 Fig 3. Die anfangs ziemlich grosse Zahl der Linien, deren jeder Ton eine brauchte, verringerte man später auf fünf, und setzte die Töne auch zwischen die Linien: ... J _ A n//. )3 A f f hk MmUmlk -kl kh K^k'b hkhkk. Boetius ( 524) gelegt hat. Derselbe dachte freilich nicht daran, die Notenschrift zu reformiren, sondern er wählte für die damals üblichen 15 Töne die Benennung nach dem lateinischen Alphabet etwa so, wie er bei seinen mathematischen Untersuchungen Linien und Winkel mit den ersten Buchstaben des Alphabets bezeichnete, und wie wir’s noch Diese letztere Erfindung soll übrigens schon Guido von Arezzo, dem man auch das Klavier verdanken soll, um 1028—1036 gemacht haben, während die Geltung der Noten durch ihre verschiedene Form ein Mönch Franco von Köln festgesetzt haben soll. Man hat es an Bemühungen, die Notenschrift zu verändern und zu vereinfachen, nicht fehlen lassen; zuletzt machte der italienische Abbe Nichetti in Padua 1832 einen solchen Versuch. Es giebt auch eine Noten-Stenographie, aber die jetzige Einrichtung der Tonbe- Zeichnung ist noch nicht verdrängt worden. (Fortsetzung folgt.)