Volltext Seite (XML)
Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Graphische Muster-Anstalt. J. M. Richters Buch- und Kunstdruckerei in Würzburg. Eine der interessantesten und wirksamsten graphischen Geschäfts- empfehlungen, die uns je zu Gesicht kamen, ist die von der Buch- und Kunstdruckerei J. M. Richter in Würzburg bei Gelegenheit der 75 jährigen Jubelfeier derselben ausgegebene Denkschrift. Die selbe verdient sowohl inhaltlich wie vermöge ihrer typographischen und buchbinderischen Ausstattung als Muster e'iner geschickten und vornehmen Reklame hingestellt zu werden. Die Denkschrift erhielt die Form eines handlichen, 104 Seiten umfassenden Oktavbandes. Holzfreies chamois Papier, rothe Rand einfassung der Seiten, rothgedruckte Abtheilungs-Ueberschriften und zahlreiche, zum Theil auf eingeschaltete Blätter gestrichenen Papieres gut gedruckte Abbildungen heben die Arbeit bereits aus der Reihe der Alltags-Erscheinungen heraus. Hierzu kommt der mit farbigem Plattendruck ausgeführte Kalikoband. von dessen kobaltblauem Grunde i sich allegorische Figuren und eine schwungvolle Titel-Inschrift | kessel von J. Rochow in Offenbach und Siederöhren und Feuerung nach System Halbtenbrink. Die Vorzüge des auch in der Papier-Zeitung s. Z. besprochnen Dervaux’schen Kesselreinigungsapparats werden aus einandergesetzt und dessen Wirkungsweise durch Abbildung ver- deutlicht. Dann folgt eine Besichtigung der ausgedehnten elektrischen Beleuchtungsanlagen, der Akkumulatoren, der Stereotypie, des Setzer und des Maschinensaales, der König & Bauerschen Rotationsmaschine, der Heizungsanlagen, des elektrischen Feuermelders und der von Scheiter & Giesecke in Leipzig bezogenen Fahrstühle. Eine besondere Einrichtung des Hauses ist das »Graphische Aus kunfts-Bureau«, in welchem die Auftraggeber Gelegenheit finden, sich über das Wesen aller graphischen Verfahren und ihre Eignung zum gegebenen Sonderzweck zu unterrichten. Um von den Anschauungs mitteln dieser Abtheilung ein Bild zu geben, sind in dem be treffenden Abschnitt Proben der für die Buchdruckschnellpresse sich eignenden Verfahren eingefügt. Die Beschreibung der Raum-Aus nutzung in den Arbeitssälen und der wirksamen Lüftungsvorrichtungen lässt erkennen, dass ein erfreulicher menschenfreundlicher Geist die Erbauer der neuen Fabrikanlage leitete. Auch ein Brause- und Dampf bad ist vorhanden. Ein bei der kurzen Beschreibung der Thätigkeit des Setzer eingeschaltetes Korrekturschema wird Manchen, welche die Korrektur-Signalsprache« der Buchdrucker noch nicht kennen, eine willkommene Beigabe sein. .Stntrsl ae chgang, instörudeere S-h 1,* 4, r i .0MeX. -4% plöa Ji h > 2 2 2E 292es, e von Zeitungen, mit mächtiger Fanfare der neuheitsdurstigen Welt die Ereignisse des Tages hinausposaunend. Telegraph, Eisenbahn und Telephon, die mächtigen Stützen des Zeitungswesens, stehen zur Seite und vollenden das prächtige Bild. Die thronende weibliche Figur in Fig. 3 ist als Sinnbild der Strebsamkeit gedacht. Sie legt den rechten Arm auf die Weltkugel, während sie in der linken Hand Aehren, die Früchte des Fleisses, hält. Seitlich steht eine Büste Gutenbergs, und auf dem Sockel steht der alte Gruss der Buchdrucker: »Gott grüss’ die Kunst!« Eine Rohrpostanlage bewirkt den Verkehr zwischen Expedition und Setzerei einerseits, Redaktion und Setzerei anderseits. Zum Betriebe dieser Rohrpost befindet sich im Maschinensaal eine an der Transmission hängende Luftpumpe, welche in einem grossen, luftdichten Behälter die Luft bis auf 5 Atmosphären verdichtet. Von diesem Behälter laufen zu den Mündungsstellen der Rohrpost dünne Röhren, durch welche bei geöffnetem Hahn die Luft in die Kammer bläst und die in letzterer befindliche Büchse in einigen Sekunden an ihr Ziel befördert. Die Festschrift bezeichnet den Bau in seinen dem Verkehr dienenden Theilen als einheitliches Kunstwerk, und nach den Mit theilungen über die Einrichtungen der Fabrik wird auch diese wahr scheinlich als eine sehenswerthe Musteranstalt gelten dürfen. Die gutgeschriebene Festschrift selbst erscheint sehr geeignet, die Aufmerksamkeit der Fachwelt und der graphischen Kundenkreise auf diese Anstalt hinzulenken und dürfte den Erwartungen, welche man an ihre mit vielen Kosten verbundene Ausgabe knüpfte, zweifellos entsprechen. Die Beschreibung und Abbildung der im Vorderhaus befindlichen Empfangs-, Expeditions- und Repräsentationsräume lässt erkennen, dass die Erbauer nicht allein Sinn für das rein Zweckmässige, sondern auch Geschmack und ausge bildeten Kunstsinn besitzen. Allego rische Malereien inmitten reicher Holz- Architektur, hohe Spiegel und Schau kästen mit Drucksachen schmücken die Wände, und wenn man nach den bei gegebenen Abbildungen urtheilen darf, haben diese Räume das Aussehen von Festsälen. Da es als sympathisches Zeichen für die Freude am Beruf gelten kann, wenn grosse Firmen ihre Geschäftsräume an gemessen schmücken, und da es immer noch an gelungenen Ausführungen fehlt, welche Anregung zur Verbreitung dieses schönen Brauchs bieten könnten, geben wir einige dieser Abbildungen wieder. Fig. 1 zeigt den Expeditionsraum, Figg. 2 und 3 die beiden in demselben an gebrachten dekorativen Haupt - Bilder. Fig. 2 stellt nach der Erklärung der Festschrift das blühende, nimmer ra stende Geschäftstreiben des Würzbur ger General-Anzeigers dar. Eine edle weibliche Figur sitzt zwischen Bergen Fig- 1. wirksam abheben. Die Hauptfigur ist eine geflügelte aufschwebende weibliche Gestalt, welche einen Lorbeerkranz in der Linken, einen Schild mit dem Allianzwappen der Buchdrucker und Schriftgiesser in der Rechten hält. Ein am Boden hockender kindlicher Genius hält zwei Schilder, von denen der eine mit dem Wappen von Bayern und Würzburg, der andere wahrscheinlich mit dem Wappen der Familie Richter geschmückt ist. Die Zeichnung ist künstlerisch schön und lässt den heraldischen Verstoss, Schilder im Schilde darzustellen, übersehen. Auf dem in wirksamen Farben ausgeführten Titelblatt nimmt eine Ansicht des Geschäftsgrundstückes aus der Vogelschau den besten Platz ein. Ein weiteres Blatt enthält die Lichtdruckwiedergabe einer Vorderansicht des vornehmen Neubaues der Firma in der Plattners- gasse, und der folgende erste Theil des Buchs bringt eine Ent- wickelungsgeschichte der Anstalt mit dem Bildniss des Gründers und verkleinerten Abbildungen der verschiedenen, von der Firma heraus gegebenen Zeitungs-Unternehmungen. Soweit würde die Denkschrift von andern ihrer Art nicht ab weichen; aber was nun folgt, ist eben so eigenartig wie für jeden Fachmann interessant. Der nächste Theil enthält nämlich eine sehr sachgemässe Beschreibung der wichtigsten Betriebsabtheilungen nebst Abbildung der zur Verwendung gekommenen meist hoch vervollkomm neten Maschinen und Einrichtungen, unter Angabe der Bezugsquellen. Der Leser wird zum Dampfmaschinenraum geleitet, wo eine Wheelock- Maschine der Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik steht; dabei werden ihm alle wesentlichen und von andern Formungen abweichen den Theile erklärt; dann geht es zum Kesselhaus mit einem Röhren-