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No. 55. PAPIER-ZEITUNG. 1425 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalte angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Danziger Antiqua. Im Jahrgang 1887, Seite 460 zeigten wir unsern Lesern die vom Augenarzt Dr. Schneller in Danzig entworfene, von der Schrift giesserei A. W. Kafemann in Danzig herausgegebene »Danziger Fraktur«, welche gegenüber andern Frakturschriften vom augenhygienischen Standpunkt eine Vereinfachung, Verstärkung und, in gewissem Sinne, »Vergröberung« der Formen aufwies. Die damals angekündigte, nach gleichen Grundsätzen behandelte Antiqua ist inzwischen fertig gestellt und in den Graden Nonpareille bis Doppelmittel ausgegeben worden. Wir zeigen nachstehend kleine Proben derselben, deren Wortlaut gleichzeitig einigen Aufschluss über die zu Grunde gelegten Formungsgrundsätze bietet. aber werden sich die drei grössten Grade zu Anschlägen eignen, die auf mehr als einen Meter Entfernung und von mehreren Menschen zugleich gelesen werden sollen. Bei kritischer Betrachtung der einzelnen Buchstabenformen fällt zunächst auf, dass das a eine in der lateinischen Druckschrift gegen wärtig nicht mehr übliche Gestalt erhalten hat. Diese Aenderung ist indess vernunftgemäss und historisch begründet, und wir stehen nicht an, in ihr eine Verbesserung willkommen zu heissen. Die Form Cl, wie sie in der Kursiv und lateinischen Schreib schrift verwendet wird, kommt neben • schon in Halb-Uncial des VII. und VIII. Jahrhunderts vor (siehe Wilh. Arndt, Schrifttafeln, Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung, Tafel 5). Sie blieb in ver schiedenen Nationalschriften (westgothisch, angelsächsisch) lange Zeit erhalten, bis die ausgebildete Minuskel wieder auf die ältere Form zurückgriff, und unter gleichzeitiger Senkrechtstellung des Haupt- Zuges das gegenwärtig übliche Antiqua- C schuf. Dieser Formungs grundsatz wurde auch in der gebrochenen Schrift des Mittelalters beibehalten und tritt noch jetzt in hochgothischen Schriften auf: Hannover. Frankfurt & a A, ebenso in einigen manierirten Schriften des Fraktur stammes : Obgleich somit die Bahnen zur Einführung des einschleifigen a schon geebnet erscheinen, möchten wir der Firma Kafemann im Interesse der Verbreitung der Danziger Antiqua doch empfehlen, auch ein zweischleifiges a in allen Graden schneiden zu lassen, welches Denjenigen geliefert werden könnte, die an dem einschleifigen An stoss nehmen. Damit wäre allen Ansprüchen genügt. In halbgothischen Buchschriften des XV. Jahrhunderts findet man aber schon wieder die einfachere Form , und in der Buch schrift der Renaissance, der Schwabacher, kommt die Form mit Doppel schleife garnicht mehr vor. Ebenso ist sie in allen modernen gothischen und Schwabacher-Buch Schriften vermieden. Angesichts dieser unangefochtenen Rückbildung des Fraktur- a steht einer gleichartigen Rückbildung des Antiqua-a sicher kein stich haltiger Grund im Wege. Man kann sich auch auf das Kursiv- und Schreibschrift-« berufen und die Uebertragung der Form des selben auf die Antiqua um so eher für zulässig erklären, als die heutige Kursiv kaum noch als besonderer Schriftcharakter gelten kann, sondern eigentlich nichts andres ist als eine schräggestellte Antiqua. Ueber die Gründe zur Umformung des a sagt die sonst ziemlich ausführliche Ankündigung kein Wort. Man wird aber ohne weiteres annehmen können, dass die Herausgeber die gewählte Form für deutlicher halten als die gewöhnliche. Sie stehen in dieser Anschauung auch nicht allein. Die von Dr. F. W. Fricke in Wiesbaden herausgegebene Zeitschrift »Reform« ver wendet seit Jahren das einschleifige Cl und ein diesem ähnliches grösseres Zeichen für A. Nachstehendes Beispiel zeigt diese Buch staben und zugleich auch die Rechtschreibung des Vereins für ver einfachte Rechtschreibung. naissance" ausgegangen, die als Titelschrift sich grosser Beliebt heit erfreut, und hat derselben einige Eigenschaften der »Clarendon« gegeben. Wenn daher auch die Danziger Antiqua zunächst nicht viel Aussicht hat, als Buchschrift verwendet zu werden, so wird sie doch oft als deutliche, wirksame und schöne Anzeigen- und Titelschrift einen nicht minder bedeutsamen Beruf erfüllen. Ganz besonders gut Cicero. mussten. Der Unterschied in der Dicke dieser Strichformen durfte nicht zu gross sein, nämlich die Grundstriche etwa nur 112—2 mal so dick als Verleugnet Herr □ seinen ersten Artikel »Kleinverläge« nicht, so muss er die Frage mit »ja« beantworten, denn er empfahl derartigen Kleindruckern den Betrieb des Verlagshandels. Ich dagegen widersprach und sagte »nein!« »Ein Geschäft, welches man nicht versteht, soll man nicht betreiben, da dies niemals zu etwas Gutem führen kann.« Der Leser kann sich hiernach selbst seine Meinung bilden. In der Erwiderung auf meine Abhandlung giebt Herr • schon zu. dass nicht jeder Buchdrucker die Fähigkeit dazu (d. h. zum Verlagshandel) be- Kleinverläge. Auf die zweite Abhandlung »Kleinverläge« des Herrn • in Nr. 50 könnte ich noch Verschiedenes erwidern; da ich indessen nicht beabsichtige, auf alle Nebensächlichkeiten nochmals näher einzugehen, so unterlasse ich dies. Um zu einem Schluss zu kommen, empfiehlt es sich, den Kern der ganzen Streitfrage aus der Hülle von Nebensächlichkeiten zu lösen. Dieser Kern ist die Frage: Kann ein Buchdrucker, welcher nichts vom Verlags buchhandel versteht und kein grosses Anlagekapital zur Verfügung hat, ein Verlagsgeschäft mit Erfolg betreiben? Nonpareille. Der von Augenärzten aufgestellte Grundsatz für Form und Stärke der Buchschrift lautet: Schrift, die längere Zeit in Leseentfernung (ca. 1/3 m) ohne Anstrengung gelesen werden soll, muss so eingerichtet sein, dass jeder wesentliche Strich ihrer Buchstaben noch in 1 m Entfernung erkannt wird. Diesem Grundsatz kann nur Genüge geschehen, wenn kein wesentlicher Strich dieser Buchstaben schmäler als 0,2 mm, kein Zwischenraum zwischen zwei Strichen schmäler als 0,3 mm gemacht wird. Dieser Petit. Zwischenraum muss auch mindestens eingehalten werden an den oberen und unteren Enden der Buchstaben, wo deren Striche natur gemäss etwas verstärkt werden. Nach diesen Grundsätzen wurde zunächst in der „Danziger Schrift“ die „Bourgeois“ hergestellt. Um Bourgeois. sie nicht unschön zu machen, sind dabei noch folgende Grund sätze beobachtet. Zunächst erschien es nothwendig, um das Auge nicht zu ermüden, in die Dicke der zu den Buchstaben gehörigen Striche und in die der zwischen denselben befind- Corpus. liehen Zwischenräume einige Abwechselung zu bringen. Es versteht sich, dass dabei die in der Schreibeschrift als „Haarstriche“ bezeichneten, also die Auf- und Binde striche die dünneren, die Grundstriche die dickeren sein Das höRste löb, das einem menen erteilt vörden kan, ist das treuer pflifterfüllung. Hlrin lgt ausgedrükt, das er di im zugevifenen arbeiten mit aufvendung aller gaben unt kräfte, di im zur ferfügung steen, ausfürt. Ver feine pflift villig tüt, dem vird fi leift. Mit ärger arbeiten, tüt fo venig güt vi mit ärger essen. (R [geschrieben R] — ch, s (8) = sch, Wenn die »Danziger Antiqua« um vieles freundlicher wirkt als die »Danziger Fraktur«, so ist dies wohl hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben, dass Antiquaschrift die Anwendung der angeführten Formungsgrundsätze, insbesondere die Verdickung der Haarstriche, weit besser verträgt als Fraktur, und dass an ihren Formen nichts vereinfacht zu werden braucht, weil — nichts vereinfacht werden kann! Offenbar ist man von der beliebten „Etienne“ oder , Re- Mittel. die Haar- und Bindestriche. Die Länge dieser Striche musste ausserdem zu ihrer Dicke Tertia. in einem gewissen Verhältniss stehen. Text. Danzig. Wiesbaden. Karlsruhe Doppelmittel.