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No. 76. PAPIER-ZEITUNG. 2027 bei Laugenerzeugungsapparaten der Fall ist, bei welchen das Gas durch einen Injektor vorwärts bewegt wird. Bohrt inan den Thurm jedoch an irgend einer Stelle, oben oder unten an, so stösst er sehr stark aus, ein Beweis, dass im Thurm kein Zug, keine Verdünnung der Gase eingetreten, sondern dass Druck darin vorhanden ist, und dass das Gasgemenge unter Druck darin aufwärts streicht. Ferner hatte ich an wannen Sommertagen Gelegenheit durch Temperaturmessungen nachzuweisen, dass infolge der Abkühlung durch das niederströmende Wasser das bei den Regulir-Löchern l oben ausströmende Gas manchmal sogar um einige Grade kälter war als die umgebende äussere Luft. Fig. i. In einem gewöhnlichen Schornstein findet nun bekanntermaassen das Aufsteigen der Verbrennungsgase nur durch Zug statt, der da durch hervorgebracht wird, dass die aufströmenden Gase wärmer, also leichter sind, als die äussere Luft. Es herrscht also im Schornstein Luftverdünnung oder Depression, und derselbe wird, wenn man ihn an einer Stelle öffnet, dort Luft einsaugen. Ein solcher Zug infolge der Erwärmung der Gase tritt nun wohl in dem aufsteigenden Theile c des Kühlrohres ein; sind die Gase jedoch, da das eiserne Kühlrohr ein guter Wärmeleiter ist, oben abgekühlt, so findet der Gasstrom im wesentlichen nach folgendem Gesetze statt. Der Absorptionsraum a des Thurmes und der absteigende Ast b des Gasrohres bilden mit einander ein Kommunikationsgefäss, und die Gase, als ausdehnbar flüssige Körper, halten sich darin nach demselben Gesetz das Gleich gewicht wie zwei verschiedene tropfbar-flüssige Körper in einem und demselben Kommunikationsgefäss; d. h. die Höhen der Flüssig keitssäulen verhalten sich umgekehrt wie die spezifischen Gewichte der betreffenden Flüssigkeiten, wobei bekanntermaassen eine Verschieden heit des Querschnittes der beiden Arme des Gefässes ohne Belang ist. Dasselbe Verhalten zeigt sich hier. Das aus den Oefen strömende Gas ist Schwefeldioxyd, verdünnt durch sehr viel Stickstoff und unver brauchte Luft (bez. Sauerstoff) und wohl auch etwas Schwefeltrioxyd. Das im Thurm vorhandene Gas enthält dieselben Bestandtheile, nur dass das Schwefeldioxyd und Schwefeltrioxyd grösstentheils gebunden sind und, soweit ersteres nicht im freien Zustande in Lösung gegangen ist, beide eine nach Maassgabe ihrer Bindung äquivalente Menge Kohlensäure aus dem im Thurm vorhandenen kohlensauren Kalk bez. Dolomit frei gemacht haben. Indem wir nun von den geringen Mengen Schwefeltrioxyd ab- sehen, können wir die Gase in beiden Kommunikationsräumen als einerseits schweflige Säure, anderseits Kohlensäure, verunreinigt durch gleiche Mengen von Stickstoff und Luft, betrachten. Da die letzteren beiden sich ohnedies, nachdem sie im ganzen Systeme gleichmässig vertheilt sind, das Gleichgewicht halten, so wird es für unseren Zweck nur auf die beiden erstgenannten Gase, Schwefeldioxyd und Kohlendioxyd, ankommen. Nach der Formel CaCo-Soz = CaSos—Co sieht man, dass durch 1 Molekül schweflige Säure immer 1 Molekül Kohlensäure frei gemacht wird. Das spezifische Gewicht (Luft = 1 gesetzt) der beiden Gasarten ist: So2=2,25 und Co2=1,53. Dieselben werden sich folglich nach oben citirtem Gesetz für Kommunikationsgefässe bei einem Höhen- verhältniss (a:b) von 225:153 oder näherungsweise 3:2 das Gleich gewicht halten. Will man ein gleichmässiges Ueberfliessen der Kohlensäure im Thurm oben bewirken, so ist es selbstverständlich, dass man das Gasrohr b um ein klein wenig höher macht, als es diesem Gesetz (225:153) entspricht, damit die schwerere schweflige Säure stets auf die leichtere Kohlensäure drückt und dieselbe so langsam zum Aus tritt oben aus dem Thurme zwingt. Es wird daher auch nach den Erfahrungen der Praxis mit Recht empfohlen, das Höhenver hältniss des Thurms zum Rohr innerhalb der Grenzen 3:2 und 4:3 zu halten, eine Ansicht, welche in obigen Auseinandersetzungen ihren wissenschaftlichen Beweis erhält. Für den Betrieb ist es selbstverständlich, dass der Auftrieb der in den Oefen sehr stark erhitzten Röstgase im Ast c ebenfalls noch mitwirkt, dass ferner durch Absorption derjenigen Menge Schwefel dioxyd, welche als »freie Säure« sich in der Lauge wiederfindet, eine schwache Verdünnung der Gase eintritt, woraus wieder ein Nach drängen der Röstgase aus den Oefen sich ergiebt. Es genügt aus diesen Gründen, dass das hier angegebene Verhältniss, wie wir oben gesehen haben, nur näherungsweise eingehalten wird. Bei Neuanlagen aber dürfte es sich jedenfalls empfehlen, dasselbe so zu wählen, dass für ein gleichmässiges Abfliessen des Gasstromes die günstigsten Be dingungen obwalten. II. Innere Einrichtung. Die Thürme selbst, deren wir zwei im Betrieb hatten, besassen nicht, wie dies beim alten Mitscherlich-System üblich ist, unten einen einzigen Rost, auf welchem sodann die ganze Last der Kalkfüllung bis oben hinauf ruhte, sondern sie waren durch zehn hölzerne, in etwa gleichen Abständen übereinander angebrachte Einzelroste I—X in ebensoviele Abtheilungen getheilt, zu welchen letzteren man von aussen und oben durch verschliessbare Oeffnungen, Klappen k, welche mit Papier abgedichtet wurden, gelangen konnte. Alle Abtheilungen wurden für sich mit Kalktuff beziehungsweise Dolomit gefüllt. Der Vortheil, der dadurch erreicht wurde, bestand darin, dass, falls bei Betriebsstörungen eine theilweise Verstopfung des Thurmes eintrat, der Ort dieser Verstopfung durch Oeffnen der in verschiedener Höhe befindlichen Klappen k leicht festgestellt werden konnte. Ferner bildete der ganze Thurm auf diese Weise nicht eine einzige gleich mässige Kalksäule, sondern dieselbe wurde immer durch die bei den Klappen bleibenden Hohlräume unterbrochen. Der Gasstrom hatte daher mehr Raum für seine Aufwärtsbewegung und der Thurm bei frischer Füllung, wie man gewöhnlich sagt, einen besseren »Zug.« Die Einrichtung hatte aber auch ihre Nachtheile, insofern als dabei weniger Kalk (etwas mehr als 2 Doppelwaggon bei frischer Füllung) in den Thurm gelangte, und dem Gase daher weniger Absorptionsfläche dargeboten wurde. Ferner bilden sich bei ununterbrochen gefüllten Thürmen durch Lösung des Kalkes während des Betriebes Hohlräume, welche ein Einstürzen der darüber befindlichen Kalkmassen hervor rufen, wodurch eine Neulagerung der Steine und eine Auflockerung derselben, folglich wieder ein Verbessern des »Zuges« stattfindet.