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No. 74. PAPIER-ZEITUNG. 1963 Wickelwalzen. Bezugnehmend auf meinen früheren Artikel im Jahrgang 1890, Seite 1351, die Herstellung von Wick el walzen betreffend, kann ich heute meine inzwischen gemachten Erfahrungen mittheilen. Während man früher die Wickelwalzen stets nur aus alten abgelegten Filzen der I. und II. Nasspresse anfertigte, wurde später behauptet, diese Filze liessen sich wegen ihrer Abgenutztheit nicht gut verwenden und hätten beim Gebrauche der Walze viel zu kurze Dauer. Von dieser Ansicht ausgehend, verwendete man dann sogenannte Ausschuss filze, also neue Filze in Fehlmaassen oder mit sonst kleinen Fehlern, von Filzfabriken bezogen, mit denen dann die Walzen besponnen wurden. Abgesehen von dem hohen Kaufpreise dieser neuen soge nannten »Wickelfilze« zeigen sich bei deren Verwendung verschiedene Mängel. Der neue Filz ist noch viel zu elastisch und zu wollig und presst sich infolgedessen nicht so fest und dicht zusammen. Ferner wird der neue Filz durch das spätere Aufsaugen von Wasser wieder viel zu weich, um richtig als Glätt-Walze wirken zu können. Der alte ge brauchte Pressfilz hat durch den Gebrauch alle geforderten Eigenschaften schon erlangt, ist viel dichter und weniger elastisch, presst sich in folgedessen viel satter zusammen und nimmt das Wasser nicht so schnell auf. Der alte abgearbeitete Pressfilz muss demnach unbedingt eine viel festere und dauerhaftere Glätt- bezw. Wickelwlze geben als neuer Filz. Die Arbeitszeitdauer der aus alten Filzen gesponnenen Wickelwalze ist mindestens eben so gross wie diejenige einer Walze aus neuen Filzen, und sie kostet kaum 1/, der aus neuem Filz an gefertigten. Man sammle deshalb stets die alten Pressfilze und ver wende sie zu dem angegebenen Zwecke. 0. Zerstörung von Hartwalzen. Carlshütte, 21. August 1891. Vor einigen Tagen schlug ich zufällig beim Durchblättern von Hof- mann’s Handbuch der Papierfabrikation, die Abhandlung über die Her Stellung von Hartgusswalzen auf, als plötzlich ein gewaltiger Knall die Luft erschütterte, und zu gleicher Zeit mehrere Fensterscheiben unseres Bureaus klirrend ins Zimmer fielen. Anfangs duckte ich mich unwillkürlich, wie man es bei dergleichen Vorkommnissen ohne irgendwelchen Nutzen thut, einige Sekunden später wurde mir aber schon die Ursache der Explosion klar. Seit einigen Tagen sind auf unserem Fabrikhofe mehrere Schlosser mit Anbohren von Hartgusswalzen beschäftigt, und in demselben Augen blicke, in welchem, wie oben erwähnt, das Kapitel der Hartgusswalzenher stellung vor mir aufgescblagen lag, ging, kaum 50 Schritt von mir entfernt, allerdings durch Mauerwerk gedeckt, der erste Dynamitschuss los, welcher nichts geringeres bezweckte, als eine der grössten Hartguss walzen, deren mehrere auf dem Hofe liegen, zu zerstören. Bei der gewissenhaften Herstellung von Hartgusswalzen werden nur solche zur Fertigbearbeitung zugelassen, welche ganz tadellose Oberfläche zeigen. Hartgusswalzen, welche für die Papierfabrikation bestimmt sind, z. B. für Feuchtpressen, Satinirwerke oder Kalander müssen bekanntlich hochfeine Politur erhalten, und schon beim Schleifen derartiger Walzen zeigt sich, ob Risse (längs oder quer) im Mantel sind. Dieselben sind oft so un bedeutend, dass sie wohl ganz gut »passiren« könnten, aber von gewissen haften Walzenfabrikanten als Ausschuss betrachtet werden. Diese Ausschuss walzen lagern nun eine Zeit lang im Wege herum, bis sich einige solche sogenannte »Bengels« zusammengefunden haben, und man keinen Platz mehr für derartige Erzeugnisse von »verfehltem Beruf« hat, odar gern das dazu verwendete vorzügliche Material wieder anderweitig benutzen möchte. Das Zerstören der Walzen ist mit Schwierigkeiten verknüpft. Sind es kleinere Walzen, so nimmt man sie unter ein Fallwerk und zerschlägt sie hier mit verhältnissmässig wenig Umständen; sind die »Bengels aber grösser, so ist die Zerkleinerung schon eine heiklere Sache, besonders wenn sie »voll« sind. Wir haben nun deren einige, wie schon erwähnt, von verschiedenen Seiten angebohrt, indem wir sie mit etwa 200 mm tiefen, 20 bis 25 mm im Durchmesser haltenden Löchern versahen. Nachdem von einem eigens auf solche Zerstörungsarbeiten reisenden Sachverständigen das Sprengmaterial eingebracht war, wurde eine Lunte angelegt, an deren Ende sich ein starkes Zündhütchen befand, welches durch den Schlag bei der Explosion auch das Dynamit entzündete und so die kolossalen Wandstärken, die bis 250 mm be trugen, zum Platzen brachte. Die gesprengten grossen Klumpen bohrt man wieder an und verfährt nach der vorher beschriebenenWeise. Rh. Untreue. Leipzig, 5. September 1891. Mit grossem Interesse habe ich den Aufsatz »Untreue« in Nr. 71, Seite 1875 gelesen und gebe dem Einsender in vielen Beziehungen voll kommen Recht Was wird derselbe aber erst sagen, wenn ich ihm mit- theile, dass eine hiesige Firma einen Reisenden, der von einer Konkurrenz firma wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung entlassen und später deswegen zu 8 Monaten Gefängniss verurtheilt worden war, bis zu seinem Straf- antritt für sich reisen liess und ihn auch sofort nach Verbüssung der Strafe wieder aufnahm, trotzdem jener Firma die strafbaren Handlungen dieses Reisenden sehr gut bekannt waren! Bemerken möchte ich noch zu dem Artikel »Untreue«, dass lange nicht so viele Unterschlagungen und Veruntreuungen von Inkassis seitens der Reisenden vorkommen würden, wenn die Herren Chefs ihre Vertreter standes gemäss entlohnen und ihnen anständige Spesen zahlen würden. Mit 10) bis 125 M. Gehalt und 8—10 M. Tagesspesen, wie gewisse Firmen hier zahlen, kann kein einigermaassen anständiger Kaufmann dauernd auf die Reise gehen. Solch Gehalt reicht gerade für die Garderobe, und die Spesen — ? ? ? Es giebt ja leider auch Reisende, welche bei ganz gutem Gehalt usw. Unterschlagungen begehen, wie es z. B. bei dem oben angeführten der Fall war. Denen ist aber nicht zu helfen, die Katze lässt auch das Mausen nicht. Aber diese Fälle stehen nur vereinzelt da; gewöhnlich wird der Grund darin liegen, dass das betreffende Haus seinen Reisenden z. B »8 M. Spesen, Bahn gelder extra« gewährt hat! Nachher Moral predigen ist sehr leicht, löscht aber das Verschulden der kargen Geschäftsleitung nicht aus Ein Reisender. Verdeutschung. Zur Verdeutschung von »Bureau« und »Comptoir« sind in der Papier- Zeitung viele Vorschläge gemacht worden. Ich möchte für diese Wörter »Schreiberei« empfehlen. Nur anfänglich kann es Einem etwas komisch vor kommen, wenn man in die »Schreiberei« gehen soll, während man bisher gewohnt war, die »Schreiberei« auf und im Schreibtisch zu finden, aber bald wird man dies so selbstverständlich finden, wie längst schon bei »Gerichts schreiberei« und dergl. Den Lithographen könnte man »Steinzeichner« oder »Steinschreiber« nennen, ähnlich dem Holzschneider, Kupferstecher usw. Den Träger der lithographischen Arbeit könnte man als »Schreibstein«, die Arbeit selbst als »Steinstich« bezeichnen. Dass das Wort »Sonder« nicht für alle Fälle den besten Ersatz für »Extra« und »Separat« geben kann, dürfte aus manchen Wortverbindungen klar werden. Ich möchte deshalb auf einen anderen Ersatz der letzteren Fremdausdrücke hinweisen, welcher in manchen Fällen sinnentsprechender ausfällt, und zwar auf das Wort »Eigen«. Statt »Sonderrichtung« ist manch mal »Eigenrichtung« zutreffender. R. Papiersackmaschinen. Die Firma Jas. T. Pearson, vormals Pearson, Richmond u. Co. in Burnley, England, widmet ihre Thätigkeit ausschliesslich der Herstellung von Papiersackmaschinen, welche selbstthätig aus end losen Bahnen Papiersäcke mit glatt geschlossenem oder gefaltetem Boden, sowie dreieckige Düten von beliebiger Form fertigen und die selben gleichzeitig bedrucken. Jede Maschine ist zur Herstellung von 12 verschiedenen Sackgrössen eingerichtet und liefert nach Ver sicherung des Fabrikanten 100 bis 200 Stück in der Minute, durch schnittlich 10 000 Stück in der Stunde. Der in die Maschine ein geschaltete Druckapparat, anscheinend eine kleine Rotationsmaschine, übt auf die Schnelligkeit des Ganges keinen verzögernden Einfluss aus, sondern läuft in der höchst erreichbaren Schnelligkeit mit. Die Selbstkosten belaufen sich nach Angabe des Fabrikanten bei Anwendung der Maschinen 1 und 2 (für Säcke mit Falzboden) auf 20 Pf. das Tausend, bei Anwendung mittelguter Papiere. Bei Maschine 3a (für Säcke mit glattem Boden, auch mit Seitenfalz) stellen sich 1000 Stück auf 15 bis 20 Pf. Es leuchtet ein, dass sich bei dieser Herstellungsweise aus der Bahn, unter gleichzeitigem Aufdruck der Inschrift, gegenüber der Handarbeit mit vorhergehendem oder darauffolgendem Aufdruck wesentliche Vortheile erzielen lassen. Die uns vorgelegten Sackmuster zeigen gute, gleichmässige Arbeit, vor allem einen festen Bodenschluss. Ein Zackenrand am offenen Ende deutet darauf hin, dass das Papier mehr gerissen als geschnitten wird. Der Boden wird in einfacher und haltbarer Weise durch Zusammenfalten zweier Dreieckzipfel gebildet und gewinnt durch das stellenweise drei- und mehrfache Uebereinanderliegen des Papiers an Festigkeit. Die Maschinen können Papier aller Art verarbeiten, auch Stroh- papier. Stereotyp-Einrichtungen werden mitgeliefert. Die Sack- maschine der Firma Pearson, welche 1889 auf der Pariser Ausstellung thätig war, erhielt die goldene Medaille. Papierne Flaschen. Fässer, Schüsseln, Eimer usw. aus Papier haben die Bewunderung der Zeitgenossen erregt, sind auch mehrfach in Gebrauch gekommen, aber trotz mancher erneuter Versuche meist wieder verschwunden. Jetzt hören wir, dass auch die vor einigen Monaten in New Jersey, Amerika, entstandene Fabrik papierner Flaschen »The American Paper Bottle Company« zu Grunde gegangen ist, und dass ihre sämmtlichen ausländischen Patente bei der Zwangsversteigerung für 41 Dollar verkauft wurden. Die Versuche, Papier anstelle von Holz, Metall, Glas zu den ver schiedensten Gebrauchsgegenständen zu verwenden, scheitern vielfach daran, dass diese nicht die Eigenschaften der als Vorbilder dienenden Waaren besitzen, dass sie auf die Dauer weder Reibung ertragen noch wasserdicht bleiben. Bei Fässern hat Papier, welches erst aus Lumpen oder Holz angefertigt wird, mit dem noch billigeren von der Natur fertig gelieferten Holz in Wettbewerb zu treten. Wenn Flaschen aus Papier die gebräuchlichen aus Glas verdrängen sollen, müssen sie ebenso wasserdicht bleiben, den Flüssigkeiten unverändert widerstehen und mindestens eben so billig sein. Es ist sehr zu bezweifeln, dass sich dies mit Papier erreichen lässt.