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1396 PAPIER-ZEITUNG. No. 54. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiterund Berichterstatter erh: lten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Verleger- und Druckerzeichen. Von Paul Heichen. I. Der Brauch, neben dem Druckernamen oder an Stelle desselben ein sinnbildliches Zeichen, ein sogenanntes »Signet«, zu führen, kam bei den Meistern der Buchdruckerkunst frühzeitig in Aufnahme, in Deutschland sowohl als in den anderen Kulturländern. Ein solches Zeichen hatte ungefähr die Bedeutung, welche gegenwärtig den Fabrik zeichen oder Schutzmarken zukommt. Es galt als Ursprungs zeichen und erscheint weniger oft in der Form eines Monogramms, als in der eines Geschäftswappens, welches zugleich ein Kunst werk und ein Symbol sein, womöglich auch ein redendes Wappen vorstellen musste. In der Regel ist es von einem Wahlspruch oder Motto, meist in lateinischer, oft auch in griechischer, in jener ersten Druckzeit aber fast niemals in deutscher Sprache, begleitet. Seine Wahl erfolgte wohl immer unter dem Beirath der zu dem Druck hause in Beziehung stehenden Gelehrten, und mit seiner Ausführung wurden, wie sich oft nachweisen lässt, hervorragende Künstler be traut. Hans Holbein, Jost Amman, Lucas Cranach, Tobias Stimmer und andere haben manches schöne Signet gezeichnet. Die Entwickelung des Signets geht im Grunde genommen Hand in Hand mit der Entwickelung, welche die Illustration nimmt. Je mehr diese Raum im Buche gewann, je besser anderseits auch die ornamentale Ausstattung des Buchs mit Titelunirahmungen, Leisten, Schlussstücken und Zierbuchstaben wurde, desto grössere künst lerische Bedeutung gewann das »Signet«. Es macht alle Wand lungen des Stils und Geschmacks mit, erscheint zuerst gewöhnlich als einfaches Schild, als schlichte Tafel oder nüchternes Wappenbild, häufig als Metallschnitt, auch mit geschrotenem Grande, Schrift und Verzierung noch gothisch, wird zur immer reicheren Komposition im Geist und Geschmack der Renaissance ausgebildet und kommt in der Hochrenaissance kaum ohne prächtige architektonische Umrahmung vor. Ein solches »Signet« wurde häufig als genügend erachtet, die Her kunft des Buches zu erweisen, so dass man ihm auch allein, ohne weitere Ursprungsangabe begegnet. In der Zeit der Wiegendrucke, als man den ausgebildeten, ein ganzes Blatt füllenden Titel noch nicht kannte, stand es am Schluss des Buches, später regelmässig auf dem Titel, wo es manchmal erheblichen Raum einnahm. Das Signet ist ein Unternehmerzeichen. In der Jugend der Buchdruckerkunst, wo jeder Drucker sein eigner Verleger war und den Vertrieb seiner Werke selbst übernahm, bezog es sich auf den Drucker. Manche derselben liessen sich bei jedem neuen Unter nehmen auch ein neues Signet zusammenstellen, gewöhnlich mit Bei behaltung der Sinnbilder und Wahlsprüche. Später, als sich ein be sonderer Stand der buchgewerblichen Unternehmer ausbildete, und anderseits Lohndruckereien entstanden, nahm der Verleger das Recht, dem Buche seinen Stempel aufzudrücken, für sich in Anspruch. Die Fälle, in welchen neben dem Verlegersignet auch noch eine Drucker marke vorkommt, sind sehr selten, und allmälig verschwand das Signet als Druckerzeichen gänzlich. Auch neuere Anregungen zur Schaffung von Druckerzeichen fanden wenig Anklang, und wo man heutzutage ein solches noch findet, steht es bescheidentlich auf der Rückseite des Titels, oder am Schlüsse des Buchs. Das Signet ist Verlags Zeichen geworden. Während von dem Erfinder der Buchdruckerkunst ein solches Druckerzeichen oder »Signet nicht bekannt ist, zeigen bereits die »Drucke von Fust und Schöffer das neben stehende Doppel-Signet. Dasselbe muss wohl als das erste aller Druckerzeichen angesehen werden. Es stellt zwei durch eine Schnur verbundene Schilde dar, die an einem Aste hängen. Der (unheraldisch gesprochen) linkeSchild ist derjenige Fust’s mit zwei übers Kreuz gelegten, an den Enden mit Haken versehenen Stäben oder Fig i. Doppelhaken; der rechte, Schöffers Schild, trägt einen durch zwei Doppelhaken gebildeten, von drei Sternen um gebenen Sparren. Dieses Anhängen eines oder zweier Schilde an einen Ast blieb lange im Gebrauch, und mittel- oder unmittelbaren Nach ahmungen dieses Fust-Schöffer’schen Signets begegnet man häufig, wie in späteren Theilen dieses Aufsatzes gezeigt werden wird. Bei Schöffers Sohn Johann erscheint dasselbe Zeichen bereits in eine figürliche Dar stellung, Schäfer mit ihren Beenden, (Schöffer = Schäfer) eingefügt. Fig. 2. Als eines der ältesten Drucker- signete wird auch dasjenige des Aldus Manutius zu gelten haben, dessen Geschlecht 1488—1597 zu Venedig blühte. Es stellt einen Anker mit Ring dar, um den sich, mit dem Maule nach unten, ein Delphin windet. Der Begründer der Familie, Aldus Manutius, förderte nicht allein die Wissen schaften durch Ausgabe von zahlreichen griechischen und lateinischen Klassikern, einer griechischen und lateinischen Grammatik usw., sondern trat auch schöpferisch auf dem Ge biete der Schrift auf. Er liess von lateinischer Schrift 14, von griechischer 9, von hebräischer 3 Grade schneiden und war un ablässig um Verbesserung der Schriftformen bemüht. Fig. 3 zeigt einen Kapitel-Anfang aus seiner Aristoteles-Ausgabe und giebt zugleich ein Bild von der damaligen ornamentalen Buch- Ausstattung. IIOPPYPIOY IZArOrH. N TO £ vekkelsXevozes ( Bs 7hu R 70,d AesonA x3 604dv jilf) fvdl/OlA 7 y’ocevs eii.‘ r n'n 6dve% _»1, \ * , J 2 m ovuPPMK09B,**‘ 3 dgdolv,s Ac‘ 2,z meldogcswraemd£ecf pevoluwc 3 oN n 0vTv 3tü)^cct t <ru<j r TtfjMV(rDl med Fig. 3. Dieser grösste aller italienischen Drucker war auch der erste, der die Ausschmückung des Buch-Einbands mit Hilfe des Buchdrucks zu erreichen strebte und neben andrem Buchdruck-Zierat sein Signet auf Lederbänden abdracken liess. Er war ferner der erste Drucker, welcher einige Abdrücke auf besserem, feinerem oder stärkerem Papier herstellte, ist also der Begründer der sogenannten »Liebhaber-Aus- gaben«, und wählte schliesslich auch zuerst für seine Bücher die Oktavform. Die ausserordentliche Beliebtheit seiner musterhaft rich ¬ tigen Klassiker-Ausgaben (Aldinen«) und der eifrige Begehr nach denselben auf allen Messen und an allen Bücherplätzen wurde Ur sache zu einem nicht minder eifrigen Nachdruck. Aldus beklagt sich nicht allein hierüber, sondern auch dass ihm, wie alles, auch sogar sein »Signet nachgemacht werde. In der That findet sich dasselbe mehrfach im 15. und 16. Jahrhundert; sogar noch bei einem Pariser Drucker des 17. Jahrhunderts, Robert Coulombel. Der Anker tritt als Signet auch noch anderweitig auf. Mit einer Schlange umwunden, führten ihn die Genfer Drecker Jean Crespin, 1550—1571, und Eustache Vignon 1571—90; in umgekehrter Form mit den Anfangsbuchstaben seines Namens der Hagenauer Wilhelm Selz, 1528—29. Der Nachdruck der Aldus’schen Bücher-Ausgaben wurde besonders von der Familie Junta zu Florenz betrieben. Der Begründer der selben, Luca Antonio, verfolgte als Grundsatz bei allen seinen Unter nehmungen: billiger Preis bei guter Arbeit, und gelangte dadurch zu bedeutenden äusseren Erfolgen. Sein Geschlecht blühte bis 1624. Sein Signet war die Lilie von Florenz; es theilte das Schicksal des