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No. 68 PAPIER-ZEITUNG. 1791 Buchgewerbe. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Verleger- und Druckerzeichen. Von Paul Heichen. (Fortsetzung zu Nr. 67.) Das ebenfalls zur Gruppe der Familienwappen gehörige Verlags zeichen Fig. 109 ist wohl das älteste aller gegenwärtig im Buchhandel ge führten Signete. Es gehört der altberühmten Göttinger Verlagsbuchhand lung Vandenhoeck & Ruprecht. Die Bedeutung dieses Hauses und be sonders seines jetzigen Besitzers, des Herrn Ruprecht sen., für den deut- schenBuchhandelmageine kurze biographische Schilderungentschuldigen. Abraham van den Hoeck, von Geburt ein Holländer, welcher seit 17 20 in seiner Heimath, dann in London, zuletzt in Hamburg als Drucker-Ver leger gearbeitet hatte, folgte im Jahre 1735 der Aufforderung des dama ligen Universitäts-Kanzlers in Göttingen, Gerlach von Münchhausen, sich in dieser Stadt niederzulassen, wo er äusser anderen Vortheilen das Vorrecht der Portofreiheit geniessen sollte. In dem betreffenden Berufungsschreiben wird er von dem genannten Kanzler ausdrücklich verpflichtet, »seine niedlichen Elzevier-Schriften mit nach Göttingen zu bringen«. Auf dem Wasserwege (Elbe, Nordsee, Weser) bewirkte er die Uebersiedelung von Hamburg nach der neuen Heimath, wo es ihm aber, trotz aller günstigen Vorbedingungen, nicht gelingen wollte, weder im Buchhandel noch in der Druckerei Erfolge zu erzielen, so dass er wiederholt den Vorsatz fasste, Göttingen den Rücken zu wenden. Sein Tod im Jahre 1750 brachte das Geschäft in den Besitz seiner Wittwe Anna, und ihrer Thatkraft gelang es in sehr kurzer Zeit, den Rückgang aufzuhalten und das Geschäft binnen zwei Jahr zehnten zu einer solchen Höhe zu bringen, dass es bald zu den ersten in Deutschland zählte. Unterstützt wurde sie hierbei von 'ihrem Buchhalter Carl Friedrich Günther Ruprecht, der aus Schleusingen gebürtig war und als Neffe eines berühmten Professors in guten Beziehungen zu der Universität stand. Ruprecht wurde von der kinderlosen Frau Vandenhoeck zum ausschliesslichen Erben eingesetzt. Nach ihrem Tode aber, der am 6. März 1787 eintrat, zeigte es sich, dass sie ihr Vermögen zu hoch geschätzt und mehr Legate ausgesetzt hatte, als Mittel zur Deckung der selben vorhanden waren, so dass die nunmehr »Vandenhoeck & Ruprecht« zeichnende Handlung volle vierzig Jahre daran abzutragen hatte. Trotz dem gelang es Ruprecht, die Handlung zu hoher Blüthe zu entwickeln; und sein Sohn Carl August Adolf, der 1812, fünf Jahre vor des Vaters Tode, im Alter von 22 Jahren im Verein mit seinem Schwager Dank werts die Leitung des Geschäfts in die Hand nahm, gab ihm eine solche Ausdehnung, dass die Verlagsthätigkeit alle Wissenszweige umfasste und die berühmtesten. Vertreter der damaligen Wissenschaft in dem Vandenhoeck & Ruprecht’schen Kataloge verzeichnet waren. Der jetzige Besitzer, Carl Joh. Fr. W. Ruprecht, 1821 geboren, übernahm die Handlung nach des Vaters Tode am 20. Mai 1861, nachdem er schon am 1. Januar 1848 als Theilhaber vom Vater in das Geschäft aufgenommen worden war. 1874 verkaufte er das als »Akademische Buchhandlung« schon seit längerer Zeit vom Verlag abgezweigte Sortiment, um sich ausschliesslich dem Verlag zu widmen, dessen Thätigkeit er auf die Pflege von Theologie, Sprach- und Arznei wissenschaft und Bücherkunde beschränkte. Seit 1888 unterstützen ihn die beiden Söhne Dr. Wilhelm (geb. 1858) und Gustav (geb. 1869). Der schreitende Greif in dem Wappen links (Fig. 109) ist das Signet des Begründers. Es kommt in den Druckwerken desselben, neben anderen Signeten, bis in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts vor. Der Ochsenkopf rechts, mit dem Stern darüber, ist das Ruprecht’sche Wappen. Die Hinzu- Fig. 109. fügung desselben zu dem Wappen Vanden- hoeck’s bewirkte der Grossvater des jetzigen Besitzers, der schon oben genannte, aus Schleusingen gebürtige Carl Friedr. Günther Ruprecht, um das Jahr 1787. Nach dem noch im Besitze der Hand lung befindlichen Originalschnitt in Kristall (!) liess der verstorbene Leipziger Verleger J. J. Weber (s. Seite 1563 der Papier-Zeitung, Nr. 60), der sich eine Zeitlang mit dem Gedanken trug, die Signete der älteren deutschen Buchhandlungen in seiner »Illustrirten Zeitung« zu bringen, einen Holzstock schneiden, von welchem das hier zum Abdruck gebrachte Klischee herrührt. Die Handlung benutzt übrigens ihr Signet regelmässig wieder erst seit fünfzehn Jahren. Bis dahin, und seit Anfang des Jahrhunderts, erschien auf den Vandenhoeck- Ruprecht’schen Verlagswerken kein Signet. Auch Vandenhoeck und der älteste Ruprecht pflegten sie im vorigen Jahrhundert weniger auf dem Titel, als am Schlüsse der Bücher anzubringen. Ein älteres Signet dieser Göttinger Handlung aus dem Jahre 1702, von Bernigeroth gestochen, zeigt Fig. 110. Das Monogramm weist den Buchstaben H auf, durch welchen sich unten ein V schlingt. Dem Fig. no. Merkur mit dem Caduceus in der Hand sitzt eine Frauengestalt, auf ein Schild mit dem Gorgonenhaupt gestützt, gegenüber. Dazwischen sitzen Genien als Vertreter der Musik und Rhetorik. VII. Anlehnungen an die heraldische Wappenschablone zeigen fol gende Signete: 1. Wilh. Braumüller, k. k. Hof- und Universitäts- Buchhandlung in Wien, mit dem Wahlspruch: »Per noctem ad lucem« (durch Nacht zum Licht), Fig. 111. Als der in dem thüringischen Walddörfchen Zillbach als Sohn des dortigen Pfarrers am 19. März 1807 geborene Wilhelm Braumüller, 1836 auf Grundlage der kleinen Hand lung »R. v. Mösle’s Wittwe« in Wien seine selbständige Geschäftsthätig- keit begann, befand sich der Buchhandel Oesterreichs noch auf einer recht niedrigen Stufe. Dass dem heute anders ist, darf als wesentliches Verdienst Braumüllers betrachtet werden. Eine Geschichte seines Verlags bedeutet eine Geschichte der wissenschaftlichen Literatur mit der geistigen Bewegung in Oesterreich und zeigt ihn als den ziel bewussten Schöpfer eines österreichischen wissenschaft lichen Verlags, dessen Aufschwung wiederum den Aufschwung alles geistigen Lebens in Oesterreich bedeutet. Alle Wissenschaften sind in dem vorzüglich bearbeiteten Kataloge, den Braumüller zu seinem goldenen Buchhändler- Jubiläum am 1. Februar 1871 herausgab, vertreten; die medizinisch chirurgischen Werke mit den bewährten pathologisch-anatomischen Atlanten und einer »Bade-Bibliothek«, die in mehr als hundert Bänden die Kurorte Europa’s zumeist durch die Ortsärzte selbst beschreibt, bilden den Glanzpunkt. Die Herstellungskosten beliefen sich bis zum Jahre 1871, nach 22 jährigem Bestände, für in dem Kataloge auf gezählte 1050 Werke bereits auf 1 600 000 Gulden, wovon auf Hono rare an Verfasser 562 000 Guld., für Satz und Druck 515 000 Guld., für Papier 411000 Guld., für Holzschnitte, Kunstbeilagen usw. 82 000 Guld., und auf Buchbinder-Löhne 30 000 Guld. entfielen. Hohe Auszeichnungen von Regierungen sowohl wie von wissenschaft lichen Körperschaften lohnten das Wirken dieses hervorragenden Mannes. Mit der Verleihung des Ordens der eisernen Krone war die Erhebung der Familie Braumüller in den erblichen Adelstand verbunden. Am 26. Juli 1884 setzte der Tod diesem an Arbeit und Ehren reichen Leben ein Ende. 2. Das v. Grumbkow’sehe Hofverlags-Wappen (Fig. 112), 1277 zurück urkundlich nachzuweisen ist. Blasonirung: Im silbernen Schild ein aufwärts fliegender blauer Pfeil; Helmschmuck: silberner Halbmond, darüber 3 sechsstrah- lige goldene Sterne; Helmdecken: blau mit Silber. Pommerscher Uradel. Die Richtung des 1878 gegrün deten Verlags ist wissenschaftliche und schönwissenschaft liche Literatur. Spezialität: Heraldik und Genealogie, heral dische Stickerei-Vorlagen, Staats- und Innungswappen, Ver lag des Lehnerdt’schen Ortsverzeichnisses des deutschen Reiches usw. und des Neuen Allgemeinen Gustav-Adolf-Kalenders (95 000 Auflage). 3. Das von Rudolf Seitz in München gezeichnete Signet der Berliner Verlagsbuchhandlung Walther & Apolant (Fig. 113) zeigt auf dem über Kriegsgeräth gelegten Schilde die »drei Ringe« aus dem Lessing’schen Schauspiele »Nathan der Weise«, wodurch der Verleger anzeigen wollte, dass er, um mit dem Reichskanzler v. Caprivi zu reden, »das Gute neh men möchte von jeder Seite, die es bietet«. Die Richtung des Walther-Apolant’schen Verlages fällt daher mit keiner Parteirichtung oder Konfession Fig. 111. welches bis