Volltext Seite (XML)
1394 PAPIER-ZEITUNG. Aus der Zeit der Privilegien. Skizze von F. C. A. Frege, Magdeburg. Die Papierfabrikation hatte sich bekanntlich von jeher der auf merksamen Förderung seilens der preussischen Könige zu erfreuen, welche die junge Industrie theils durch direkte Geldzuschüsse, theils, den volkswirthschaftlichen Anschauungen jener Zeit gemäss, durch Privilegien, Ausfuhr- bezw. Einfuhr-Verbote zu unterstützen und zu heben suchten. Mit diesen Maassregeln war es aber eine eigene Sache, da dieselben wohl dem Einen Nutzen, dafür aber Anderen Schaden oder doch Nachtheile brachten. Der Widerstreit der Interessen sorgte denn auch mit der Zeit dafür, dass in die Privilegien Löcher ge rissen wurden, und an Stelle ausschliesslicher Berechtigungen solche Privilegien traten, welche den damit Beschenkten nur dasselbe Recht verliehen, welches auch andere besassen, denen das Privileg schon früher ertheilt war, oder später ebenfalls ertheilt wurde. Da nun solche eingeschränkte Privilegien ihren Inhabern anderen Gewerbe treibenden gegenüber immer noch gewisse, wenn auch vielfach nur eingebildete Vortheile gewährten, so wachten die Privilegirten auf merksam darüber, dass sie in ihren Rechten nicht beeinträchtigt wurden und suchten die Verleihung gleichartiger Vorrechte an neue Inhaber auf jede Weise zu hintertreiben. Solche Kämpfe um Privi legien kamen häufig vor, und gerade die Papierindustrie, als eine be sonders durch Vorrechte geschützte, hat davon interessante Beispiele aufzuweisen. Der Handel mit Papier war kein freies Gewerbe, vielmehr waren zu demselben nur gewisse Innungen, Körperschaften und einzelne Personen berechtigt, in Magdeburg z. B. äusser einem Buchdrucker, die Kramer-Innung und das Buchbindergewerk. Einen Fall, in welchem sich letztere Körperschaft eine neue Konkurrenz vom Halse zu halten suchte, will ich zur Veranschaulichung der damaligen Zu stände hier wiedergeben. Der Papiermüller Keferstein zu Kröllwitz bei Halle a. S. hatte in den verschiedenen Bezirken, in welchen er die ausschliessliche oder mit anderen getheilte Berechtigung zum Lumpensammeln besass, besondere, obrigkeitlich bestätigte Beamte, welche die Lumpensammler zu überwachen und die gesammelten Lumpen nach der Papiermühle zu schicken hatten. Einen solchen Lumpenfaktor hatte Keferstein im Jahre 1765 auch in Neuhaldensleben angestellt. Der Faktor Breysach, welcher für ihn in Magdeburg thätig gewesen war, war schon vor längerer Zeit verstorben und der Posten nicht gleich wieder besetzt worden. Diesen Umstand hatte sich der Buchbinder Barby, welcher sich wahrscheinlich mit der Wittwe des früheren Faktors im Ein- verständniss befand, zu Nutze gemacht, und sich der Königl. Kriegs- und Domainenkammer gegenüber als der neue Faktor der Kröllwitzer Mülile ausgegeben. Es war ihm thatsächlich geglückt, von der Be hörde die Bestätigung zu erlangen, ohne dass Keferstein rechtzeitig Kenntniss davon erhielt. Es wäre nun Keferstein ziemlich gleichgiltig gewesen, wer als Faktor für ihn thätig war, wenn derselbe nur die Interessen der Mühle wahrgenommen haben würde. Dies war aber nicht der Fall; Barby hatte sich des Amtes nur bemächtigt, um dadurch besser im stande zu sein, ohne Verdacht zu erwecken, Lumpen aufzukaufen und dieselben dann zu höheren Preisen als er von Keferstein erhalten haben würde, an auswärtige Mühlen zu verkaufen. Nachdem Kefer stein dies erfahren hatte, beantragte er in einer längeren, die näheren Umstände darlegenden Eingabe an die Königl. Kriegs- und Domainen- Kammer dem Buchbinder Barby die von demselben erschlichene offene Ordre wieder zu entziehen und das Einsammeln von Lumpen, sowie den heimlichen Handel damit bei hoher Strafe zu untersagen. Er hatte in seiner Eingabe unter anderem hervorgehoben, dass Barby die seiner Mühle entzogenen Lumpen an Mühlen verschicke, »von welchen die Bedürfnisse der hohen Landes-Collegiorum nie Nutzen gehabt, und die sich auch fast aller Liefferungen des so sehr ge pressten Patron-Papier mitten im Kriege entzogen.« Statt dessen sei es ihm überlassen, diese Sorten zu verfertigen, wodurch er sich in der Kriegszeit der grössten Gefahr aussetzte, da er nie vor einem feindlichen Ueberfall sicher gewesen sei. Keferstein ersuchte ferner um die Erlaubniss, dem an Stelle des verstorbenen Breysach anzu stellenden Faktor das in Kröllwitz verfertigte Papier in Kommission geben zu dürfen, »um es in Magdeburg zu distractiren«, da das Amt eines Lumpenfaktors allein den Mann nicht zu ernähren imstande sei. Er wies bei diesem Anträge darauf hin, dass auf diese Weise die Kgl. Kammer stets in der Lage sei, das Papier von diesem Lager ohne Weitläufigkeit nach Bedarf zu entnehmen. Nachdem Keferstein auf diese Eingabe hin aufgefordert war, zunächst die Persönlichkeit namhaft zu machen, welche er als Faktor in Magdeburg anstellen wolle, liess er durch einen seiner früheren Beamten die Anzeige machen, dass er den Faktor Bergemann in Neuhaldensieben für Magdeburg anstellen wolle. Bergemann würde sich dann in Magde burg niederlassen und von hier aus die Geschäfte in Neuhaldens ¬ leben mit besorgen. Im übrigen wiederholte er die gestellten An träge nachdrücklich und ergänzte dieselben noch durch die Bitte, dem Barby zu befehlen, er solle alle noch in seinem Besitz befindlichen Lumpen an den neuen Faktor Bergemann ausliefern. Die Königliche Kammer setzte nun den Magdeburger Magistrat von den Keferstein’schen Anträgen in Kenntniss und befahl demselben, sich darüber zu äussern, »ob wider dessen Gesuch in Ansehung des dabei mit zu treibenden Handels mit Papier etwas erhebliches zu er innern sei?« Diesem Befehl kam nun der Magistrat zunächst dadurch nach, dass er denjenigen Personen, welche Papierhandel trieben und daher bei der Sache interessirt waren, die Keferstein’schen Anträge zustellen und demnächst die Betheiligten zur Aeusserung darüber vor laden liess. Es ist nun auffallend, dass die Kramer-Innung hierbei ganz übergangen wurde, obgleich dieselbe nach ihrem Privileg vom 29. Januar 1714 ebenfalls zum Handel mit Papier berechtigt war. Wahrscheinlich haben die Mitglieder der Kramer-Innung zu jener Zeit gar keinen, oder nur ganz geringfügigen Gebrauch von dieser Berechtigung gemacht, so dass es infolgedessen übersehen wurde, dieselben ebenfalls zu vernehmen. Es wurden also nur vorgeladen: 1) der Buchdrucker Bansa und 2) das Buchbinder-Gewerk, dessen einzelne Meister sämmtlich durch ihre Unterschrift die Erklärung ab geben mussten, dass sie sich den Aeusserungen ihres Obermeisters in jeder Beziehung anschlössen. Der Buchdrucker Bansa (oder Pansa, wie sich die Familie später schrieb) scheint ein persönliches Privileg besessen zu haben, da er allein vorgeladen, und in der Vorladung auf eine etwaige Stellung in der Buchdrucker-Innung nicht Bezug genommen wurde. Er hatte gegen die von Keferstein geplante Papier niederlage nichts einzuwenden, obgleich er selbst, wie ausdrücklich erwähnt ist, mit Papier handelte. Die Buchbinder dagegen erhoben Einwendungen. Gegen die Anstellung des Faktors und diejenigen Keferstein’schen Anträge, welche den Buchbinder Barby betrafen, hatte das Buchbinder-Gewerk allerdings keine Einwendungen zu er heben, da das Gewerk als solches dadurch nicht berührt wurde. Genau genommen war auch das Gewerk nach diesem Theil der An träge gar nicht gefragt. Gegen die Papierniederlage und den Papier handel erhoben die Buchbinder indessen lebhaften Widerspruch, welcher mit musterhafter Weitläufigkeit begründet wurde, so dass es schwierig ist, aus dem langen Schriftstück den Kern der Sache heraus zuschälen. Als Beispiel dafür brauchen wir nur folgende Ausführung herauszugreifen. Keferstein sei kein Magdeburger Bürger, und wenn er auch das Bürgerrecht gewinnen wollte, so sei er doch nicht in Magdeburg etablirt, und wenn er sich auch in Magdeburg etabliren wolle, so sei er doch nicht innungs- oder gewerksfähig, und es könne ihm daher auch nicht gestattet sein, mit seiner Papierniederlage in Magdeburg eine Nahrung zu treiben, sei es mm indirekt durch einen Faktor, oder direkt. . Diese ganze Aeusserung ist ebenso, wie wir sie liier wieder gegeben haben, auch im Original ein einziger Satz! Ausserdem behaupteten die Buchbinder, »dass eine Steigerung der Preise des Papiers und eine Aufkäuferei durch diese Niederlage intendiret werde«, bleiben aber den Beweis für diese, durch Einrücken der Schrift noch besonders hervorgehobene Behauptung schuldig. Sie geben nicht einmal an, auf welche Thatsachen sich ihre Behauptung stützt; da doch in den Gesuchen Keferstein’s, welche ihnen mitgetheilt waren, nichts enthalten ist, was auf eine solche Absicht schliessen liesse. Geschickter sind die folgenden Ausführungen der Buchbinder. Sie bestreiten zunächst das Bedürfniss. Es seien in Magdeburg bereits so viel Personen berechtigt, mit Papier zu handeln, dass Mangel an Papier niemals entstehen könne, wenn nur die Zufuhr reichlich genug bliebe. Im Besitz der Niederlage würde Keferstein in der Lage sein, den zum Papierhandel berechtigten Magdeburger Bürgern den Einzel verkauf seines Papiers zu entziehen, da er dann selbst im Einzelnen verkaufen könne. Dann würde Keferstein aber jedenfalls auch an anderen Orten Papier aufkaufen, und es würde dann »von seinem Gutdünken abhängen, dem publico mit den Papieren hart zu fallen«, und weil kein anderer Papierhändler etwas bekommen könne, so würde »vor das commercium selbst ein grosser Nachtheil daraus ent stehen«. Da nun die Rechte des Magistrats, wie der Stadt selbst, darunter leiden würden, wenn an fremden Orten domicilirende Per sonen in Magdeburg Niederlagen von Waaren hielten und vermittels derselben »eine beständige bürgerliche Nahrung« trieben, so hofften die Buchbinder, dass der Magistrat sie in ihren Rechten nachdrück lich schützen werde, besonders, wie sie zum Schluss noch hinzu- fügen, »da der Keferstein, wenn er nur viel und gute Papiere hierher liefern und nicht, wie bisher geschehen, die guten nach Leipzig und anderen Orten, die schlechten und untauglichen Papiere hierher bringen wollte, viel Abnehmer finden würde«. Die Aeusserung der Buchbinder, Keferstein würde in der Lage sein, dem publico mit den Papieren »hart zu fallen«, findet ihre Er klärung in dem Umstände, dass Friedrich der Grosse durch Erlass