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1758 PAPIER-ZEITUNG. No. 67. die beschriebene Wirkung nicht unerklärlich.« Dieser Ansicht kann ich jedoch nicht beipflichten, denn ich glaube, dass die Heilkraft der Waldluft in ihrem grossen Gehalt an Ozon liegt, welches ja in manchen Beziehungen ähnliche (z. B. bleichende) Wirkungen hervor bringt, wie Schwefeldioxyd. Die Anwesenheit von Ozon in den Ab dämpfen der Sulfit- und Natronzellstofffabriken könnte freilich dadurch erklärt werden, dass vielleicht durch den Kochprozess ätherische Oele gebildet werden, bei deren Verdampfung bekanntlich Ozon gebildet wird. Bevor aber das Dunkel, welches gegenwärtig noch über dem Wesen des Kochprozesses und seiner verschiedenen Produkte schwebt, gelichtet ist, -wird sich hierfür kaum ein stichhaltiger Beweis finden lassen. Frische Waldluft steht wohl nur einem sehr geringen Bruch- theil aller Tuberkelkranken zur Verfügung; auch die Sulfit- und Natronzellstofffabriken können nicht so ohne weiteres als Spitäler be nützt werden. Wohl aber hat vielleicht jeder Kranke die Mittel, täglich für einige Pfennige Stangenschwefel zu kaufen und denselben in seinem Wohnzimmer so zu verbrennen, dass die Zimmerluft für einige Stunden mit Schwefligsäuredämpfen geschwängert wird. Solche Kranke, welche nicht an Lungen- oder Kehlkopftuberkulose leiden, sondern an Lupus oder Gelenktuberkulose, könnten vielleicht durch Einspritzung von schwefliger Säure in wässriger Lösung unter die Haut der erkrankten Körpertheile (subkutane Injektionen) geheilt werden. (Wir bitten die Leidenden, noch nicht gleich zur Spritze zu greifen! D. Red.) Es liegt mir natürlich ferne, behaupten zu wollen, dass meine Ansicht unbedingt richtig ist; im Gegentheil, eine solche Behandlung wird erst der wissenschaftlichen Bestätigung sehr vieler ärztlicher Autoritäten, sowie sehr vieler anderer Heilerfolge bedürfen, ehe sie zu einer allgemeineren Anwendung gelangen kann. Auch wird, dieselbe, falls sie überhaupt anwendbar ist, nicht in jedem einzelnen Falle von Nutzen sein; und besonders dort, wo Noth und Elend als Krankenwärter am Lager stehen, wird eine kräftige Suppe oft viel bessere Dienste leisten, als Schwefel, Natron und Ozon. In dieser Beziehung ist eben noch sehr viel zu thun, sowohl von Seiten des Staates, als auch von Seiten der vielen kirchlichen und privaten Wohlthätigkeitsvereine und -Anstalten. Alljährlich gehen ungeheure Summen nach fernen Ländern, nach Afrika, Asien und den Südseeinseln, welche viel besser daheim für Arme und Kranke ver wendet werden könnten; Missionsgebäude und Kirchen werden dort für schweres Geld gebaut und alle sonstigen Mittel aufgeboten, um den Heiden die sehr problematischen Segnungen der unzähligen selig machenden Kirchen zugänglich zu machen. Denn nicht die eine oder die andere Sekte ist es, welche in ein zelnen Ländern thätig ist; nein, die Diener der Kirche sind ärger, als die grimmigsten geschäftlichen Konkurrenten, und all’ die un zähligen Sekten, welche Europa und Amerika in ebenso viele Parteien zerspalten, übertragen ihre unheilvolle zersetzende Thätigkeit auch in die Fremde. So wird statt Friede und Liebe: Zwietracht und Hass gesät. Ein drastisches Beispiel hierfür bietet Uganda im Innern Afrikas, wo sich die Angehörigen eines und desselben Negerstammes vor kurzem in blutigem Religionskrieg zerfleischten. In Ländern aber, welche wie China und Japan auf eine eigene vieltausendjährige Kultur zurückblicken können, wo Künste und Wissenschaften schon lange vor dem Eindringen der Europäer in vielen Beziehungen höher ent wickelt waren, als in Europa selbst, in diesen Ländern, wo sich der einheimische Priesterstand auf eine mehr als zweitausendjährige Entwicklung der Philosophie und Theologie stützen kann, da stellt sich den fremden Missionaren noch die ganz gewaltige Macht der einheimischen Priester entgegen. Dieselben schüren offen und geheim den Widerstand gegen das Eindringen fremder Religionen, und dieser anfangs religiöse Widerstand geht schliesslich in allge meinen Hass und in Verfolgung alles Fremden über. Ein Beweis hierfür ist der gegenwärtige blutige Aufstand des Pöbels gegen die fremden Messionen und Ansiedelungen am Yangtse-kiang in China. Auch das Attentat des japanischen Polizisten Tsuda Sanzo gegen den Thronfolger von Russland am 11. Mai d. J. ist als eine solche Folge des fanatischen Fremdenhasses anzüsehen. Der Attentäter, welcher nunmehr zu lebenslänglichem schwerem Kerker verurtheilt ist, wollte nach seinem eigenen Geständnisse den Grossfürsten ermorden, weil er glaubte, dass dessen Japan-Reise eine geheime militärische Re- kognoszirung sei zum Zwecke der späteren Unterwerfung Japans durch Russland. Diese verhängnissvolle Ansicht, welche Tsuda Sanzo veranlasste, als vermeintlicher Retter seines gefährdeten Vaterlandes zum Mörder werden zu wollen, war aber nicht etwa in seiner eigenen Phantasie entstanden, sondern sie war nur der Abglanz eines in weiten Kreisen der japanischen Bevölkerung verbreiteten und sogar in mehreren Zeitungen ernstlich behaupteten Gerüchtes, dessen Ur sprung auf die fremdenfeindliche und von den Anhängern der alten Religion geschürte Strömung zurückzuführen ist. Die Missionare ernten in ihrer oft keineswegs beneidenswerthen Laufbahn nicht nur keinen Dank — oder höchstens einen blutigen, wie in China — sondern sie sind auch häufig die absichtslosen, aber mittelbaren Ursachen zur Trübung der Handels- und politischen Be ziehungen einzelner Länder, wie die angeführten Beispiele zur Ge nüge zeigen. Deswegen glaube ich, dass die alljährlich den Missions zwecken geopferten Summen viel besser in der Heimath selbst ver wendet werden könnten, umsomehr, als ja weder Chinesen noch Japaner nach den sehr zweifelhaften Segnungen fremder Religionen lechzen und sich viel glücklicher fühlen in ihren eigenen, durch tausendjährige Kultur ausgebildeten Anschauungen. Warum will man sie also nicht nach ihrer eigenen Faon selig werden lassen? Ich lebe nun fast zwei Jahre hier im Inneren Japans, der einzige Christ unter Tausenden sogenannter Heiden, und ich muss sagen, dass es hier in vielen Beziehungen schöner und besser ist, als unter den so genannten Christen im Heimathlande. Dies alles gehört zwar nicht zum Thema, ich wollte es aber auch einmal zur Sprache bringen, weil sich Handel und Missions wesen nicht berühren, wie nur zu oft irrthümlich geglaubt wird, sondern weil das Missionswesen nur zu häufig Handel und Wandel durchkreuzt. Von dem eigentlichen Thema, der Heilkraft der schwefligen Säure, bin ich dabei allerdings ziemlich weit abgekommen; ich habe aber zu Anfang meine hierauf bezüglichen Ansichten, gestützt auf die an mir selbst beobachtete Heilwirkung, dargelegt, und es sollte mich freuen, wenn diese Zeilen Herrn Dr. Oerm, welchem ja die Priorität auf diesem Gebiete zukommt, Stoff und Anregung zum weiteren Ausbau seiner Heilmethode geben würden. Emil Nemethy. Nothlage der Papierindustrie. Vorschläge zur Milderung. Aus Oesterreich. Die Nothlage in der Papierindustrie ist allgemein. Die Berichte aus allen Ländern lauten dahin, dass der Absatz immer schwieriger wird und die Preise fortwährend zurückgehen. Der Betrieb ist in vielen Fällen schon verlustbringend. Der Zwischenhandel liegt auch darnieder. Was heute ge kauft wird, ist morgen schon zu theuer. Wer soll den Muth haben, viel zu kaufen? Die Ursache dieser Erscheinungen liegt in der Ueberproduktion. Die Fabriken sind in den letzten Jahren wie Pilze aus der Erde geschossen. Die alten Fabriken haben sich bedeutend vergrössert, um leistungsfähiger zu werden. Wir besitzen nun eine Unzahl Papierarsenale, welche die Welt mit ihren Produkten überfluthen. Neue Papierfabriken sind im Bau. Die Maschinenfabriken sind vollauf beschäftigt, eine stattliche Zahl neuer Maschinen fertigzustellen, die in der nächsten Zeit das Papierbombardement noch ver stärken werden. Die Zellstoffindustrie hat die Erzeugungsfähigkeit der Papierindustrie in ungeahnter Weise gesteigert und bereits ungeheure Ausdehnung angenommen. Man kann kaum begreifen, wo die erzeugten Mengen verbraucht werden sollen. Die amerikanischen Papiermacher haben sich in früheren Jahren gegen die Verwendung von Sulfitzellstoff ablehnend verhalten, in den letzten drei Jahren jedoch viel davon verwendet. So lange Amerika die europäische Uebererzeugung aufnimmt, ist eine Krisis nicht zu besorgen. Grosse Zellstofffabriken sind jedoch in Amerika im Bau und viele andere geplant. Binnen wenigen Jahren wird Amerika seinen Bedarf selbst decken und sogar den europäischen Markt ernstlich be drohen, da es grosse Wasserkräfte, Holzreichthum und billige Frachten hat. Bei uns steigen die Holzpreise, die Arbeitslöhne, die Steuerlasten und vermindern unsere Konkurrenzkraft. In dem Augenblick, wo wir den amerikani schen Markt verlieren, ist der Krach der Zellstoffindustrie da. Aus den Zellstofffabriken werden Papierfabriken, wie es s. Z. mit den Holzschleife reien gi schah. Wie der Papiermarkt bei diesem kaninchenhaften Zuwachs von neuen Papierfabriken aussehen wird, kann sich jeder unbefangene Fachmann vor stellen. Erbaut wird keiner davon sein. Gegen solche Erscheinungen, die sich mehr oder weniger auf allen Ge bieten der Industrie abspielen, lässt sich schwer kämpfen. Wir leben in einer industriellen Sturm- und Drangperiode. Es ist ein fortwährendes Jagen, Rennen, Hasten. Einer überbietet oder unterbietet den Anderen, eine Er findung jagt die andere, und Niemand kann zur Ruhe kommen. Wie ist da zu helfen? Vielfache Versuche in einigen Industriezweigen, durch Vereinbarungen zu helfen, sind misslungen und haben die Lage durch angeregte Neu gründungen noch verschlechtert. Andere Vereinbarungen für bestimmte Ab satzgebiete haben sich besser bewährt, sind jedoch nur bei sehr vertrauens würdigen Theilnehmern durchführbar. Es schafft auch grosse Erbitterung bei den Abnehmern, wenn sie einer bestimmten Fabrik zugewiesen sind. Eine Erzeugungs-Vereinigung wäre allein im Stande, das Uebel an der Wurzel zu heilen. Die grosse Gesellschaft und selbst der Staat nehmen aber Stellung gegen jede derartige Vereinigung, obwohl solcher Widerstand nur dann berechtigt ist, wenn die Vereinigung einen ungebührlichen Nutzen herausschlägt oder sich in empfindlicher Weise auf Kosten der Verbraucher bereichern will. Wenn jedoch die Fabrikanten aus Noth und Selbsterhaltungstrieb sich ver-