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1730 PAPIER-ZEITUNG. No. 66. wissenschaftlichen Werken scheint das Publikum einfach nichts mehr wissen zu wollen. Im Fachverein »Cercle de la Librairiee berechnete man, dass die französischen Verleger augenblicklich 3 Millionen Bände auf Lager haben, die sich seit einem halben Jahr noch nicht um ein Tausendstel vermindert haben. Für das Stocken des Absatzes machen die Ver leger in erster Linie die Zeitungen, Wochen- und Monatsschriften, in zweiter die neuerdings aufgekommenen Sammlungen moderner Bücher zu billigsten Preisen, erst in dritter die hier keine grosse Rolle spielenden Leihbibliotheken verantwortlich. Alles, was sich dazu nur irgend eignet, also jeder Roman, jede Novelle, jede Folge von Essays, erscheint zuerst in einer grossen Zeitschrift oder Monats schrift, wird dann von zahlreichen Provinz-Tagesblättern und billigen Pariser Wochenschriften, die einen Vertrag mit der »Socit des Gens de Lettres« haben, nachgedruckt und bringt dem Verfasser auskömm liches Honorar ein. Das Publikum kennt nun das Werk, und wenn es als Buch erscheint, kauft es dieses nicht. Will aber jemand sich ein Buch anschaffen, so kauft er sich eins aus der Sammlung »Romans des Auteurs clbres, das bei 60 Centimes Ladenpreis für 50 Cen times abgegeben wird. Man sucht nach Mitteln, um diesem Zustande abzuhelfen; aber das ist natürlich nicht leicht. Ein Verleger schlägt vor, die vorhandenen drei Millionen Bände einfach an Käsehändler zu verkaufen, aber das erscheint Vielen zu durchgreifend. Ein anderer empfiehlt, diesen Riesenbestand zu »verramschen«, das heisst für 50 Centimes (len Band ins Publikum zu werfen, wodurch doch den Verlegern anderthalb Millionen Franken zufliessen würden; doch bezweifelt man mit vollem Rechte, dass das Publikum geneigt sein würde, auch nur ein Zehntel des Büchervorraths den Verlegern zu diesem Preise abzunehmen. Man räth den Schriftstellern ernstlich, einmal zwei Jahre lang keine Romane zu schreiben, so dass das Publikum gezwungen sein würde, seinen immerhin vorhandenen Bedarf aus den aufgehäuften Beständen zu befriedigen. Zu etwas Aehnlichem wird es wohl kommen; jeden falls weigern sich die Verleger schon jetzt, Neues zu unternehmen. Klischees. Die Verleger illustrirter Zeitschriften und Werke halten sich meist für berechtigt, Klischees der von ihnen für ein Verlagswerk erworbenen Zeichnungen anderweitig zu verkaufen, obwohl sie in vielen Fällen dieses Recht nicht besitzen. Wohl kommt es vor, dass Verleger die ihnen angebotenen oder auf Bestellung gelieferten Zeich nungen ausdrücklich zum unbeschränkten Verlags- resp. Verviel fältigungsrecht erwerben, häufiger jedoch ist ein solches unbeschränktes Recht nicht ausgemacht. In der Mehrzahl der Fälle liefert der Künstler seine Zeichnungen zu einem bestimmten Zwecke, z. B. für die Redaktion des X-Blattes oder zur Illustrirung der Y’schen Er zählungen usw. In diesen Fällen dürfen die Zeichnungen nur für das X-Blatt resp. für Y’schen Erzählungen verwendet werden, der Verleger ist aber keineswegs zum Verkauf der Abgüsse berechtigt, ebensowenig wie der Käufer eines Klischees neue Abgüsse davon herstellen und verkaufen darf. Jeder Verleger, welcher Klischees der erworbenen Zeichnungen zu verkaufen beabsichtigt, bedinge sich das unbeschränkte Verviel fältigungsrecht aus, sonst kann der Künstler, wenn er seine Zeich nungen in einem andern Blatte oder Werke findet als in jenem, für welches er sie ursprünglich lieferte, diese späteren Vervielfältigungen als verboten erklären und die entsprechenden Rechtsmittel ergreifen. Erlaubt ist wohl der Abdruck solcher Zeichnungen, welche zur Erläuterung eines grösseren Schriftwerkes dienen, in welchem also der Text die Hauptsache ist und den Hauptwerth des Werkes aus macht. Es wird jedoch auch ein starker Handel getrieben mit Klischees humoristischer Zeichnungen, bei welchen also der Text nebensächlich ist, da derselbe sehr häufig von jeder Redaktion dein Klischee sozusagen »auf den Leib geschrieben« wird. Künstler wie Verleger befinden sich oft in grosser Unkenntniss bezüglich der ihnen zustehenden Rechte, und diesen beiden Um ständen ist es zu danken, dass der Klischeehandel bisher noch ver- hältnissmässig wenig Konflikte hervorrief. (v. Biedermann, Recht für Urheber usw.) Abschaffung' des Berechnens.« Äusser auf Einführung neunstündiger Arbeitszeit ist das Bestreben der im U.-V. d. B. organisirten deutschen Schriftsetzer auf Abschaffung der Akkordlöhnung, des sogenannten Berechnens, gerichtet. Dio letztere Be strebung begegnet vielfachen Bedenken, auch in Gehilfenkreisen. Wie be rechtigt diese Bedenken, namentlich bei Arbeiten, welche regelmässige und pünktliche Lieferung einer ziemlich hohen Arbeitsleistung fordern, also namentlich bei Zeitungen, ist, beweist folgendes Vorkommniss. Dasselbe ist um so interessanter und beweiskräftiger, als es sich in der Druckerei eines bekannten Führers der »jungen Richtung« der Sozialdemokratie ereignete. Herr Wilhelm Werner hatte als Mitinhaber der Druckereifirma Maurer, Werner & Co. in Berlin, welche u. a. die sozialdemokratische »Berliner Volkstribüne« verlegt und druckt, bei seinen Gesellschaftern durchgesetzt, dass die Arbeiter des Geschäfts durchweg 30 M. Wochenlohnerhalten sollten. Herr Werner wäre nach seiner Angabe zufrieden gewesen, wenn die Einzelnen nur eine Arbeit im Werthe von 25 M geljefert hätten. Aber dem Wochen lohn von 30 Maik entsprach häufig, wie das »Berliner Tageblatt« mittheilt, nur eine Arbeitsleistung von 1,50 M. (Soll wohl heissen: 15 M. I). Red) Die Setzer leisteten so wenig, dass die »Volkstribüne« sehr oft nicht zu richtiger Zeit erscheinen konnte, obgleich mit vielen Ueberstunden gearbeitet wurde. Alles Zureden, sich mehr »heranzuhalten«, fruchtete nichts, und die Geschäftsinhaber gelangten allmälig zu der Ueberzeugung, dass ihr Geschäft zu Grunde gehen würde, wenn sie nicht andere Maassregeln ergriffen. Die Anordnung, einen Nachweis über die Leistungen zu führen, lehnten die Setzer mit Entschiedenheit ab. Deshalb wurde, zunächst bei acht Setzern, das Berechnen eingeführt, was zur Folge hatte, dass die Zeitung zur rechten Zeit erscheinen konnte, ohne dass Ueberstunden erforderlich waren, und dass ausserdem zwei Setzer entbehrlich wurden. Es wurden auch zwei Setzer entlassen. Dieselben hatten nämlich, als einer der Geschäftsinhaber, der durch Lärm und Streit bei der Arbeit gestört wurde, energisch Ruhe gebot, statt dieser Aufforderung nachzukommen, die Marseillaise angestimmt, und zwar unter besonderer Betonung der Worte »Nieder mit der Tyrannei!« Einer der beiden Entlassenen hielt sich für gemaassregelt und versuchte die Unterstützung des U.-V. d. B. in Anspruch zu nehmen Der Vorstand ver weigerte dieselbe. Der Zurückgewiesene appellirte an die allgemeine Vereins- Versammlung und suchte es in derselben so darzustellen, als ob seine Ent lassung nur die Folge einer persönlichen Abneigung Werners gegen ihn sei. In seiner Entgegnung schilderte Werner die Zustände in seinem Geschäft in der oben erwähnten Weise. Die Versammlung musste wohl von der Wahr- heit dieser Darstellung überzeugt sein, denn sie entschied für Herrn Werner gegen den entlassenen Setzer. Bücher - Einfuhr der Schweiz. 1890 wurden 13 801 Doppel- Zentner Bücher im Werthe von 7 178 080 Franken aus Deutschland eingeführt. Wöchentlich gehen 2 Bücherwagen von Leipzig nach der Schweiz ab, ausserdem gehen regelmässige Sendungen von Stuttgart nach allen Plätzen der Schweiz. Ein grosses lateinisches Wörterbuch soll, wie die Voss. Ztg. meldet, auf Kosten des Preussischen Staates herausgegeben werden. An der Spitze der zur Mitarbeit herangezogenen Altphilologen steht Prof. Martin Hertz in Breslau. Das Lexikon soll zehn Bände in Gross-Quart zu je 1200 Seiten stark werden. Die Zeit der Fertig stellung des Lexikons bemisst Hertz auf 18 Jahre, sechs für Sammlung des Materials und doppelt soviel für Ausarbeitung und Drucklegung. Für die Sammlung des Materials sollen fünfzig Gelehrte angeworben werden; mit der Ausarbeitung des Wörterbuches selbst sollen neben der leitenden Kommission zehn Gelehrte als Hilfskräfte (drei Assistenten und sieben Unterassistenten) beschäftigt werden. Die Gesammtkosten veranschlagt Hertz auf 500 000 M. Zeitschrift für Gebrauchsmuster. Unter der Bezeichnung »Mittheilungen aus dem kaiserlichen Patentamte, Anmeldestelle für Gebrauchsmuster« wird künftig ein Blatt erscheinen, in welchem die amtlichen Bekanntmachungen des Patentamts, Anmeldestelle für Ge- brauchsmnster, insbesondere also die gemäss §§ 3 und 8 des Gesetzes vom 1. Juni 1891, betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern im Reichsanzeiger erfolgenden Bekanntmachungen über die Eintragung und Löschung von Gebrauchsmustern in der Musterrolle zum Abdruck gelangen. Im nichtamtlichen Theile sollen wichtigere Vorgänge auf dem Gebiete des Gebrauchsmusterwesens und Entscheidungen der Anmeldestelle und der Gerichte, welche von allgemeinem Interesse sind, mitgetheilt werden. Der Verlag der Zeitschrift ist der Verlags buchhandlung Carl Heymanns Verlag, Berlin W 41, übertragen worden. Ein Berliner Makulaturhändler hatte eine seiner Arbeiterinnen der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil dieselbe sich ein unter der Makulatur befindlich gewesenes Buch mit nach Hause genommen hatte. Der Werth desselben belief sich, nach Gewicht berechnet, auf 8 Pfennige. Die Angeklagte versicherte, sie habe sich nur »etwas zum Lesen« mitnehmen wollen und hätte das »langweilige Buch« ganz gewiss zu rückgebracht. Allgemeine Heiterkeit erregte es im Gerichtssaal, als das Buch vorgelegt wurde. Es war ein alter Jahrgang des Justiz ministerialblatts. Der Gerichtshof glaubte der Angeklagten und sprach sie frei. Grossbritannien führte 1890 für 420 691 997 Lstr. Waaren ein und für 328 252 118 Lstr. aus. Deutschlands Antheil an der Einfuhr beträgt 26 073 331 Lstr. (darunter Papier und Pappe mit 564 564 Lstr., Lumpen 204 303 Lstr.), an der Ausfuhr 30 516 281 Lstr. Die Gesammt-Papier-Einfuhr belief sich auf 1 918 037 Lstr., Tapeten wurden für 58 857 Lstr. und Lumpen für 2 462 056 Lstr. eingeführt. Ausgeführt wurden für 159 516 Lstr. Tapeten, Papier aller Art für 1 519 455 Lstr., Schreibwaaren für 969 826 Lstr. und Lumpen für 404 658 Lstr.