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Beleidigung „in Vertretung“. Ein Bezieher der Papier-Zeitung erzählt uns eine interessante Beleidigungsgeschichte, deren Richtigkeit wir nicht feststellen können, die aber glaubhaft klingt und lehrreich ist, und die wir daher, unter Weglassung aller Namen, als Mahnung zur Vorsicht nachstehend wiedergeben. Ich bin Angestellter einer Pergamentpapierfabrik in Süddeutschland. Im März laufenden Jahres beschwerte sich ein Berliner Papierhändler über eine von uns an denselben gemachte Sendung Papier. Ob die Reklamation be gründet war, will ich dahingestellt sein lassen; das demnächst erfolgende richterliche Urtheil wird dies klarstellen. In seiner Ansicht, die Sendung Sei tadellos gewesen, und der betr. Papier händler zu Reklamationen überhaupt geneigt, beauftragte mich mein Chef, dem Händler einen »massiv groben Brief« zu schreiben. Er las denselben dann durch, erklärte, dass er in seinem Sinne abgefasst sei, beauftragte mich aber, um den Anschein zu erwecken, als sei er nicht anwesend, folgender maassen zu unterzeichnen: i v [Firma] s G... Der Empfänger des Briefes verklagte mich darauf wegen gröblicher Be leidigung, da ihm eine »schikanöse Handlung, die über die Rechtschaffenheit hinaus ginge«, vorgeworfen worden war. Auf die Zuschrift des betreffenden Rechtsanwalts wollte ich die Klage durch Ehrenerklärung und Zahlung der Kosten niederschlagen; damit war aber mein Chef nicht einverstanden, sondern er sagte: »ich solle seinen Namen nicht in den Mund nehmen« und die Sache so darlegen, als hätte er von der Abfassung und Absendung dieses Briefes keine Ahnung gehabt. Er sprach den Wunsch aus, dass die Klage, falls die von mir gegebene Ehren erklärung nicht als genügend angesehen werde, laufen möge, wobei er ausdrücklich sagte: »Ich zahle die Sache, wenn’s eine Strafe für Sie geben sollte!« Ich hatte also nichts mehr zu riskiren und liess der Sache ihren Lauf. Als die Kosten vor der Verhandlung auf 30 M. standen, wurde ich nochmals vom klägerischen Anwalt ermahnt, die Kosten, solange sie noch niedrig seien, zu übernehmen, wovon ich meinem Chef Mittheilung machte und seine Er klärung einholte. Dieselbe lautete dahin, die Kosten seien hier schon unver schämt hoch getrieben, soviel könnte es am Ende garnicht ausmachen. »Lassen Sie die Klage durchführen«, waren seine Worte, — »ich bezahle ja die Sache nachher!« Nun wurde das Untheil gefällt. Es lautete auf eine Geldstrafe von 10 M. nebst 50 M. Kosten. Als ich meinem Chef die Kosten-Rechnung vorlegte, erklärte er, »dies sei für ihn zu viel Geld bei dem schlechten Geschäftsgänge, und er könne das nicht zahlen«. Ich war wie aus den Wolken gefallen, denn das war nicht nur nicht respektabel, sondern unwürdig gehandelt. Auf meine Antwort, dass ich nicht wüsste, wie ich dazu käme, diesen Verlust zu tragen, gab er mir zurück, »ich solle mich doch pfänden lassen«. Ich drohte ihm mit Klage, aber er weigert sich, äusser 12 M., die er mir vergüten will, noch etwas zu zahlen. Er streitet mir jetzt sogar rund weg ab, dass er mir s Z. den Auftrag gegeben habe, diesen groben Brief zu schreiben. Als ich gegen ihn Klage auf Schadenersatz einleitete, kündigte er mir die Stellung und behandelt mich jetzt derart, dass ich lieber heute als morgen hier austreten, resp. davonlaufen möchte. Ich habe aber Familie, die ich erst kürzlich auf Zureden meines Chefs hierher kommen liess, ohne einen Pfennig Reise-Vergütung zu erhalten. So habe ich durch den Umzug etwa 150 bis 200 M. Schaden, dazu die peinigende Befürchtung, heute oder morgen mangels Zahlungsfähigkeit thatsächlich durch Pfändung blamirt zu werden. G. Unzüchtige Bilder. Im Laufe der letzten Monate sind gegen eine Anzahl Berliner Klein- und Grosshändler sowie Fabrikanten Strafanzeigen ergangen, weil sie sich am Verkaufe von Bildern, Karten, Plakaten usw. be- theiligt hatten, bezw. haben sollten, deren Verbreitung laut § 184 des R.-St -G.-B. mit Strafe bedroht ist. Während in einzelnen Fällen kostenlose Freisprechung erfolgte, endeten die meisten Fälle mit Verurtheilung zu Geldstrafe. Der Inhaber einer angesehenen chromolithographischen Anstalt schreibt uns hierüber Folgendes: Wenngleich eine Sichtung der oft sehr drastischen Scherzkarten usw. mitunter ganz am Platze und auch den Händlern nur erwünscht ist, so ist doch hierbei schon wiederholt und speziell in letzter Zeit des Guten etwas zu viel geschehen und mehrfach das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden. Es sind z. B. aus den Schau- und Verkaufskästen der Händler Bilder beschlagnahmt worden, welche ihnen kurze Zeit darauf zurückgegeben wur den, weil sie harmloser oder doch nur bedingungsweise zweideutiger Natur waren. In anderen Fällen wurden einzelne Händler wegen Führung von Bildern bestraft, die gleichzeitig und seit Jahr und Tag als Schau- und Reklame - Plakate in zahlreichen Schaufenstern unbeanstandet ausgestellt werden durften, ganz abgesehen von solchen, die als Kunst - Erzeugnisse ausserhalb des § 184 stehen. (Vgl. Nr. 11, Seite 270 und Nr. 36, Seite 932. D. Red.) Infolgedessen ist bereits von mehreren Interessenten der Wunsch nach einer festen Zentralstelle, welche über Zulässigkeit oder Ablehnung aller derartigen für den Handel bestimmten Bildwerke befragt werden kann und endgiltig zu entscheiden hat, lebhaft rege geworden, und Zweck dieser Zeilen ist es, Alle, die sich für diese Sache interessiren, sei es als Händler oder als Fabrikanten (auch solche, welche sich für ihr eigenes Geschäft sogen. Reklame-Plakate anfertigen lassen) zu ersuchen, ihre Meinung darüber auszu sprechen. Nach Ansicht des Einsenders dürfte, da das Reichsgesetz in Frage kommt, eine Petition an den Reichstag um Einsetzung einer derartigen Zensurstelle in Berlin Erfolg haben und geeignet sein, alle gewissenhaften und respektablen Händler für die Folge vor derartigen unangenehmen Er örterungen, in die sie oft ohne das geringste eigene Verschulden mit hinein gezogen werden, zu bewahren. Interessenten wollen ihre Ansichten gefl. der Redaktion der Papier- Zeitung zugehen lassen. M. * * * Wir sind zur Entgegennahme solcher Erklärungen und Weiter gabe derselben an den geschätzten Einsender gern bereit. Auch für Mittheilung von Vorkommnissen, welche Stoff zur Beurtheilung der Frage liefern, wären wir dankbar. Eines jener oben erwähnten, von der Polizei beanstandeten, später aber wieder freigegebenen Erzeugnisse liegt uns vor. Es ist eine Doppelkarte mit Verschlussklappe, mit dunkelbraunem vollem Aufdruck auf dem hellbraunen als Rand stehen gebliebenem Grunde der Aussenseite. Auf der Klappe steht die Inschrift: »Reise-Souvenir«. Klappt man die Karte auf, so sieht man links den Text: REISE - ERINNERUNG an die Schweiz. —••c Ein Blick auf die Jungfrau. — ••• — Man sieht so viel, man reist so weit, Doch eine Sehenswürdigkeit Gewährt uns stets den höchsten Reiz: Das ist die Jungfrau in der Schweiz. Rechts ist eine Hochgebirgslandschaft mit Sennhütte und Alphorn bläsern dargestellt. Der rechtsseitige Theil dieses Bildes lässt sich wiederum aufklappen, und man erblickt dann eine auf einem Sessel sitzende weibliche Figur mit unbekleidetem Oberkörper, welche dem Beschauer den Rücken zuwendet. Das Ganze ist zwar nicht grade geistreich, aber so überaus harmlos, dass schon ein starkes Maass von Prüderie dazu gehört, eine Verletzung des Anstandes darin zu erblicken. Diese Karte wurde einem Kleinhändler in Dresden aus der Aus lage polizeilich beschlagnahmt und er darauf vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurtheilt. Der Grosshändler, welcher diese Karte geliefert hatte, wurde ebenfalls in Anklagezustand versetzt, bestritt aber bei der Verhand lung mit Erfolg, dass diese Karte unsittlich gemäss § 184 des St.-G.-B. sei, und wurde von demselben Amtsgericht freigesprochen. Fort mit dem Respektblatt! Berlin, 1. August. Von den zahlreichen Geschäftsbriefen aus dem Auslande, die ich täglich erhalte, sind die meisten ohne »Respektblatt«. Namentlich amerikanische, englische und französische Firmen benutzen einfache Blätter zum Briefwechsel. Sie verwenden dafür aber auch meist erheblich besseres Papier, als man es in Deutschland findet, und legen Werth auf die Ausstattung des Briefkopfes, der oftmals aussieht, wie ein kleines Kunstwerk. Ich halte es für viel respektvoller, wenn man zum Briefwechsel ein Blatt guten, kräftigen Papieres verwendet, als einen unansehnlichen dünnen Bogen Den von der Redaktion der Papier-Zeitung gegebenen Hinweis auf den früheren Zweck des Respektblattes halte ich für wesentlich und entscheidend. Das Respektblatt hatte Sinn, solange es als Briefumschlag diente; jetzt nicht mehr. Man wende dasselbe Geld, das man bisher zur Anschaffung von 1000 Bogen brauchte, zur Anschaffung von 1000 Blatt an, — dann wird auch das Papierfach keine Einbusse erleiden H. Boshafte Sachbeschädigung. Der Papierschneider und Sattler August Wimmer aus Trostberg in Baiern war in der Papierfabrik von Eduard Zimmermann in Speier beschäftigt, hatte aber Kündigung erhalten, weil er erklärte, dem bis her innegehabten Posten nicht mehr vorstehen zu können. In der Nacht vor seinem Weggange, am 17. April zwischen 3 und 4 Uhr morgens, zerschnitt er mittels eines scharfen Messers das drillirte Metalltuch durch 5 bis 6 Querschnitte und richtete dadurch grossen Schaden an. Auf gestellten Strafantrag der Firma Eduard Zimmermann wurde Wimmer am 23. Juli in der Schöffengerichtssitzung zu Speier wegen böswilliger vorsätzlicher Sachbeschädigung zu 2 Monaten Gefängniss und Tragung der Kosten des Verfahrens verurtheilt. Ausstellung in Chicago. Die Abordnung der Vereinigten Staaten, welche für Betheiligung der europäischen Industrie an der Weltausstellung zu Chicago wirken soll, ist in Berlin eingetroffen und im Kaiserhof abgestiegen.