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1642 PAPIER-ZEITUNG. No- 63. Berichte unserer Korrespondenten. Aus Amerika. Sioux City, la., 30. Juni 1891. Hätte die Papier-Zeitung ein sensationelles Feuilleton , wie das nunmehr in amerikanischen Fachblättern vorzukommen pflegt, so könnte ich gegenwärtig den »selbsterlebten« Stoff zu einer netten kleinen Räubergeschichte liefern. Wenn ich gleichwohl eines mir zugestossenen Abenteuers in Kürze Erwähnung thue, so geschieht es weniger des Abenteuers wegen, als um der Redaktion und einer Anzahl von Lesern, die sich um verschiedenerlei Auskunft an mich gewendet hatten, mein langes Stillschweigen zu erklären. Es ist jetzt ungefähr ein Jahr her, seit eine hiesige Musikalien- und Instrumentenfirma der modernen Reklame dadurch die Krone aufsetzte, dass sie regelrechte abendliche Promenadenkonzerte veranstaltete. Jeden Samstag wurde vor ihrem Geschäftslokal eine vom zweiten Stockwerk erreichbare Tribüne errichtet, die über die ganze Breite des Bürgersteiges hinweg ging, sodass weder die Passage des letztem, noch der Zugang zum Geschäftslokale irgendwie gehemmt wurde. Von dieser Tribüne aus gab und giebt heute noch an Samstagabenden von 8 Uhi- an eine flott uniformirte Militärkapelle ein zweistündiges Konzert. Kopf an Kopf gedrängt stehen die Zuhörer nach Tausenden auf beiden Seiten des Bürgersteiges, während die breite Fahrstrasse von Ein- und Zweispännern förmlich blockirt wird. Die sichtbare, unmittelbare Wirkung der Reklame macht sich keineswegs durch einen aussergewöhnlichen Zudrang bei der konzertgebenden Firma bemerkbar, worauf es auch nicht abgesehen sein kann, da deren Hauptgeschäft im Absätze von Klavieren und Orgeln besteht. Es sind vielmehr die in der Nähe befindlichen Zigarren-, Südfrüchte- und Erfrischungsgeschäfte, welche aus der ungewöhnlichen Ansammlung der besten Kaufkraft der Einwohnerschaft einen nicht zu unterschätzenden Vortheil ziehen. Es war am ersten Konzertabend des vorigen Jahres, als ich, den Musikfreund mit dem Berichterstatter vertauschend, mich aus dem Gedränge in die Stille der nächsten Strasse zurückzog, um, auf einem abgebrochenen Telegraphenpfahl ausruhend, eine Berechnung darüber anzustellen, wie hoch sich die Kosten einer derartigen Konzertsaison belaufen mögen. Ich war dabei gerade zu dem Schlusse gelangt, dass die Summe von 1000 Dollar kaum genügen könne, dass diese Art Reklame jedoch zu dem Nobelsten und Erfolgreichsten zu zählen sein dürfte, was amerikanischer Unternehmungsgeist, um nachhaltig in den Ohren des Publikums zu liegen, jemals ausgeheckt habe, als plötzlich zwei junge, verwegen aussehende Kerle von vielleicht sechsundzwanzig Jahren vor mir standen. Einer derselben fragte mich nach der Abgangszeit des letzten Zuges der Lokalbahn, deren Stationsgebäude ich mich gerade gegenüber befand. Auf meine Erklärung, dass der letzte Zug vor wenigen Minuten abgegangen sei, äusserte der Fragesteller Zweifel, worauf ich ihm an dein in einer Tasche meines Ueberziehers befind lichen Fahrplan den authentischen Beweis zu liefern beabsichtigte. In dem Moment, als ich nach dem in meinem Arme hängenden Ueberzieher greifen wollte, versetzte mir der »Zweifler« einen wuchtigen Schlag mit etwas Hartem auf Stirn und Nasenbein, der mich für einige Minuten förmlich betäubte. Als ich — um in der für solche Fälle so treffenden amerikanischen Darstellungsweise zu reden — mich selbst wieder zusammengelesen hatte, fand ich, dass mit den zwei Kerlen mein Ueberzieher verschwunden war, auf den es ohne Zweifel abgesehen gewesen sein muss. Es kommt nämlich sehr häufig vor, dass notorische Whiskey-Trinker, bloss um unter allen Umständen sich einen Schnaps zu leisten, »ihren« Ueberzieher in irgend einem Trinklokal hinterlegen; auch habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass mehr als einmal ein goldgerahmtes Oelbild, das, so schlecht es auch sein mochte, mindestens 2 bis 3 Dollar werth war, für zwei Schnäpse dem Wirthe überlassen wurde. Was meinen Verlust anbetrifft, so wäre derselbe leicht zu ver schmerzen gewesen, wenn sich in dem Ueberzieher nicht ein ganzes Paket Briefe befunden hätte, die insgesammt von Lesern der Papier- Zeitung herrührten, bloss mit dem Unterschiede, dass ein Theil an mich persönlich gerichtet, ein anderer Theil aber von einer befreundeten Firma mir zur fachmännischen Erledigung übersandt worden war. Leider bin ich bei dem nächtlichen Anfalle (im vollen Schein eines grossen elektrischen Lichtes, in nächster Nähe einer Bahn- und einer Feuerwehrstation und nur hundert Schritte vom Polizeihaupt- quartier entfernt) nicht mit dem bekannten blauen Auge davonge kommen. Ich war infolge des wuchtigen Schlages viele Monate lang unfähig, irgend einem über die alltägliche Routine hinausgehenden Gedanken zu folgen und trotz wiederholter Anläufe nicht imstande, schriftliche Arbeiten zu erledigen. Thatsächlich ergreife ich heute zum ersten Male seit Jahresfrist wieder die Feder, und zwar geschieht es in der üeberzeugung, dass ich es der kategorischen Fernhaltung aller Schreiberei und Kopfarbeit verdanke, wenn ich meine Denkfähig- keit zurückerlangt habe. Meine Mappe für die Papier-Zeitung ist inzwischen zum Platzen angeschwollen. Ich werde nach Kräften an deren Aufarbeitung schaffen, und glaube die Üeberzeugung hegen zu dürfen, dass der zusammengetragene Stoff den Lesern viel Neues und Interessantes bringen wird. Von den Zuschriften, welche aus dem Leserkreise der Papier- Zeitung an mich gelangten, rührt, wie schon seit Jahren, die Mehr zahl von lithographischen Kunstanstalten her, die alle für den amerika nischen Markt arbeiten möchten. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, dass viele der grossen amerikanischen Bezieher in mehr als einer Richtung vortheilhafter fahren würden, wenn sie gewisse Arten von Chromodrucken in Deutschland herstellen lassen würden oder könnten. Ein grosser Vortheil bestände zum mindesten darin, dass sie für dasselbe Geld korrektere Arbeit in Zeichnung, Farbengebung und Druck erhalten würden, da die Zahl der hiesigen Kunstanstalten erster Güte, die so gestellt sind, dass sie sich weder am Preise noch an der Zahl der Farbplatten etwas abhandeln lassen, immer noch gering zu nennen ist im Vergleich zur Mittelmässigkeit, die sich namentlich in Ent wurf und Zeichnung bemerkbar macht, und zur Klexerei, die durch rücksichtsloses Weglassen von ganz unerlässlichen Farbtönen den Preis kunstgerechter Arbeit unterbietet, ausartet. Die Gerechtigkeit er fordert übrigens zu erwähnen, dass sehr oft selbst besseren Anstalten die Hände dadurch gebunden werden, dass für einen angelegten Preis nur sechs Farbplatten zur Verwendung gelangen können, während zu einer tadellosen Arbeit deren zehn und mehr angemessen wären. Es ist nicht allein die billigere Arbeitskraft, sondern der billigere Betrieb im allgemeinen, der die deutschen Kunstanstalten, zumal bei deren nach hiesiger Auffassung sehr bescheidenem Nutzen, in den Stand setzt, trotz des hohen Zolles mit amerikanischen Druckereien erfolgreich in Mitbewerb zu treten. Ein paar Hinweisungen auf hiesige Verhältnisse dürften genügen, die Sachlage zu beleuchten. Wer mit fremdem Betriebskapital arbeitet — und nur ein ge ringer Theil unserer Kunstanstalten befindet sich in der glücklichen Lage, mit eigenen Kapitalien auszukommen — kann dasselbe unter 7 bis 10 pCt. kaum erhalten, und da die Banken in der Regel Dar lehen in laufender Rechnung nur gegen Hinterlegung von Accepten, die selten länger als 3 Monate laufen dürfen, bewilligen, so macht die drei- bis viermalige Erneuerung dieser Accepte im Jahr an Kommission auch noch 11/2 bis 2 pCt. aus. Das ist theures Geld. Sonderbar genug für das praktische Amerika befinden sich ferner die meisten der in Rede stehenden Anstalten im Herzen einer Gross stadt, wo Grund und Boden beinahe unerschwinglich theuer sind, in gemietheten Räumen, mit gemietheter Betriebskraft und dabei beständig auf dem »Umzugsfuss«. Die Feuerversicherung ist eine weitere sehr theure Sache. 20 bis 25 auf’s Tausend erscheint im Vergleich zu deutschen Verhältnissen eine enorme Summe, obwohl mir die dortigen Sätze nicht mehr ge nau bekannt sind (2/3 oder 1 auf’s Tausend; d. Red.). Eine wichtige Rolle spielen sodann die Lithographie-Steine, die immer noch aus Deutschland bezogen werden müssen und vermöge der grossen Entfernungen das Drei- und Vierfache des von deutschen Anstalten bezahlten Preises kosten. Rechnet man nun zu all dem Erwähnten noch die viel höheren Preise der Arbeit, der Maschinen und der Farben, so verliert der Schutzzoll viele von seinen »Schrecken« und sogar von seinen 25 Pro zenten. (Fortsetzung folgt.) Alaun-Zusatz bei Bütten-Wechselpapier. (Zur Frage G. in N., Nr. 59, Seite 1554.) Görlitz, 26. Juli. Es ist dringend davor zu warnen, bei der Leimung der in Rede stehenden Bütten-Wecbselpapiere den Alaun-Zusatz stark zu vermehren. Wenn auf der Oberfläche des Papieres noch freie schwefelsaure Thonerde vorhanden ist, so schadet es im hohen Grade der Zeichnung auf der lithographischen Steinplatte, da dadurch die Aetzung (Präparatur) der Lithographie aufgehoben wird. Der Stein nimmt dann 'zwischen der Zeichnung an den leeren Stellen beim Einschwärzen die Druckfarbe an, wodurch die Zeichnung voll ständig verdorben wird, da dieselbe sich dann gewöhnlich nicht mehr reinigen lässt. Es giebt dann nur das eine Mittel, wenn man beim Druck die An fänge dieses Uebels bemerkt: dass vor Auf bringen des Papiers auf dem Stein derselbe trocken gemacht wird, wodurch aber grosser Zeitverlust entsteht. Sollte nicht der beregte Uebelstand daher rühren, dass der verwendete Leim nicht frisch, sondern bereits verdorben war? Mir ist solches Wechselpapier noch nie vorgekommen, welches beim lithographischen Druck am Stein festgeklebt wäre. Beim Typendruck ist überschüssiger Alaun ohne Einfluss. Franz Weingärtner.