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1534 PAPIER-ZEITUNG. No. 59. Fapier-Fachaus drücke. Von Paul Heichen. Wenn der Kaufmann oder Gewerbtreibende eine neue Waare, einen neuen Stoff vor sich hat, so unterrichtet er sich, bevor er sich näher damit befasst, wohl genau über Beschaffenheit und Zusammen setzung der ihm angebotenen oder angezeigten Neuheit. Den Namen derselben aber nimmt er in der Regel ohne weiteres in Kauf, ohne sich zu fragen: weshalb heisst wohl das Ding gerade so? Welche Ursache hat vorgelegen, gerade diesen und keinen andern Namen dafür zu wählen'? Bei dem Manne, welcher eine Neuheit auf den Markt bringt, liegt aus begreiflichen Gründen das Bestreben vor, dem neuen Ding auch einen neuen Namen zu geben, der es möglichst genau bezeichnet, wenn nicht alle, so doch die hervorstechendsten seiner Eigenschaften zum Ausdruck bringt, auffallend klingt und sich dabei dem Gedächt- niss möglichst leicht einprägt. Einen solchen neuen Namen für eine neue Sache zu finden, ist nicht immer leicht. Diejenigen, welche sich mit der Erfindung von neuen Heilmitteln, Eieck wassern, »Haar-Erzeugern« und dergleichen befassen, wenden sich, wenn sie zu der Wahl eines Namens für die neue Sache gelangt sind, in der Regel an alte Privatgelehrte« — an Leute, die des Griechischen und Lateinischen mächtig sind und aus dem Wortschatz dieser beiden Sprachen ein neues Wort, das einen guten, Eindruck machenden Klang hat, herauszubilden imstande sind. Auch in vielen technischen Fächern findet sich das Bestreben, zu diesem Zweck sich an diese alten und doch immer neu bleibenden Kultursprachen zu wenden. Indessen stösst man hier eben so häufig auf Wörter aus der französischen und englischen Sprache. Im Papier fach liest man z. B. »Biblorhaptes«, »Chromos, »Collodin« neben Me- chanics«, »Scip-Papiere«, »Fancy-Cards«, »Devisen« usw. Bleiben wir einmal gleich bei diesen Wörtern stehen und sehen zu, aus welchen Sprachen sie geschöpft sind. Biblorhaptes« und »Chromoe gehören der griechischen, »Collodin« der lateinischen, die drei folgenden der englischen, das letzte Wort »Devise« der französischen Sprache an. Damit allein, zu wissen, aus welchen Sprachen die Wörter jeweils ent nommen sind, ist uns indessen nicht gedient. Es handelt sich vielmehr darum, zu wissen: aus welchen Wörtern dieser alten Sprachen ist das neue Wort zusammengesetzt, und welche Bedeutung hatten diese einzelnen Wörter dort? Weiss man das, dann ist das Verständniss für den gewählten neuen Ausdruck da, und er haftet leicht im Gedächtniss. Diesem Zweck, die im Papiergebiet vorhandenen, bezw. auf tauchenden fremdsprachigen Bezeichnungen auf ihre Urbestandtheile hin zu erforschen, soll der gegenwärtige Aufsatz dienen. Der Verfasser wird, um die Leser nicht zu ermüden, in zwangloser Folge nur immer kleine Abschnitte bringen. Wenig auf einmal verdaut und merkt sich auch besser als viel auf einmal. Der zu erklärenden Wörter sind im Papierfach nicht wenige. Wer einmal die Probe machen wollte, nachzusehen, was eine einzige Nummer der »Papier-Zeitung an Wörtern birgt, deren Benennung dem Leser nicht sofort klar und verständlich ist, der würde zu seinem sicher nicht geringen Erstaunen zu dem Ergebniss gelangen, dass eine solche Nummer (wohl mit Anzeigentheil'? D. Red.) etwa sieben- bis achthundert solcher Wörter birgt. Und das, trotzdem die »Papier- Zeitung« gewiss ihr redliches Theil dazu beigetragen hat, die Fremd wörter auf dem Gebiete des Papierfachs auf das nothwendigste Maass zu beschränken! Die Reihenfolge, in welcher die einzelnen Ausdrücke und Wörter zur Erklärung gelangen sollen, wird willkürlich sein, je nachdem sie sich beim Lesen oder im Gespräche usw. finden. Abweichende Ansichten der Leser der Papier-Zeitung« werden gern berücksichtigt und dem all gemeinen Urtheil durch Veröffentlichung unterbreitet werden. Die »Papier-Zeitung« wird auf diese Weise auch der Sache der allgemeinen Sprachforschung nützen; denn die in diesem Wissenszweige arbeiten den Gelehrten unterlassen es leider häufig, die neuere Technik bei ihren Arbeiten in Betracht zu ziehen. Schlägt man in ihren Werken nach, um sich Auskunft über den und jenen Ausdruck aus irgend welchem neuern technischen Fache zu suchen, so wird man in der Regel im Stiche gelassen. Das Wort Cellulose stammt her von dem französischen Wort: la cellule, an welches, mit Abstossung des Schluss-e, die von Chemikern für gewisse organische Urstoffe beliebte Endung -ose an gehängt worden ist. Cellule ist die Verkleinerungsform von la celle »die Zelle«, bedeutet also »Zellchen«. Das französische Stamm wort celle führt seinen Ursprung auf das lateinische cella zurück, welches wiederum als Grundwort das Zeitwort cedere »weichen, nachgeben« hat. Die von andrer Seite häufig gehörte Ansicht, Cellu lose sei auf das lateinische celare verbergen, verheimlichen« zu rückzuleiten, ist irrig. Das Wort »Cellulose« ist durch »Zellstoff« sehr gut verdeutscht und vielfach verdrängt worden. Zellstoff kennzeichnet viel klarer als Cellulose Natur und Herkunft des rein dargestellten pflanzlichen Faserstoffs, empfiehlt sich daher zur allgemeinen Einführung an Stelle des Fremdworts. Gummi reicht in seinem Ursprünge bis in das graue Alterthum zurück, bis zu dem ägyptischen oder koptischen Worte cama, aus welchem die Griechen xiniu, die Römer »gummi« gebildet haben. Der koptischen Form »cama« ähnelt heute am meisten noch das von den Spaniern gebildete Wort goma«; die Italiener haben »gomma , die Franzosen »gomme« gebildet. Ueber Buch sagt das Deutsche Wörterbuch- von Grimm Folgendes: Dies Wort führt unmittelbar in die heidnische Zeit. Wie den Griechen B68%og 8/82o6 Bast, Rinde« und dann, weil der Stoff bemalt, beschrieben wurde, »Schrift, Brief und »Buch«, wie ferner den Römern »über« Bast« und Buch bedeutete, so ging unseren Vorfahren, die ihre Schrift auf Steine und zum gewöhnlichen Gebrauch auf buchene Bretter ritzten, die Vorstellung des Eingeritzten über auf »Buche«, den Namen des Baums, aus dessen Holz Bretter und Tafeln am leichte sten geschnitten werden konnten. Noch im heutigen »Buchstab« weist der zweite Theil des Wortes auf den hölzernen Stab deutlich hin. Nicht anders bezeichnete auch »Codex« und tabula sowohl das beschriebene Holz als hernach das Buch. — An »biegen« (flectere, plicare) zu denken, verbietet sowohl die uralte Beschaffenheit der Schrift, als die Abweichung der Diphthonge und Kehllaute in beiden Wörtern.« Carton haben wir den Franzosen, die Franzosen den Italienern, welche die Form cartone« haben, entlehnt; dem »cartone« liegt das Woit carta, Papier« zu Grunde mit dem vermehrenden Anhängsel »one«. Ebenso verhält es sich mit Cartouche, italienisch cartoccio, spa nisch cartucho, das gleich dem ersten das italienische Wort »carta«« zum Stamme hat. Das französische Wort Couvert, das die Franzosen aber be kanntlich in dem in Deutschland üblichen Sinne nicht gebrauchen, ist das -participe passe« (Mittelwort der Vergangenheit) von dem Zeitwort couvrir, bedecken, das wiederum seinen Ursprung in dem lateinischen cooperire (von co = cum und operire, bedecken) hat. Das französische Wort Email, das sich in manchen unserer Gewerbszweige fest eingebürgert hat, hat als Grundwort, nach dem bereits genannten Wortforscher Diez, das deutsche Wort Schmelz, vom- Althochdeutschen smelzan, smaltjan, schmelzen. Wir haben hier, wie es mit Kalk der Fall ist, das wir von den Römern haben, von den Franzosen mit der Sache auch das Wort bekommen. Glace, das wir ebenfalls mit der Sache von den Franzosen (glace = Eis) haben, geht zurück auf das lateinische glacies, Eis, unter An lehnung an das Sanskrit-Wort jala, das Kälte und Wasser bedeutet. Das Wort Papier, das wir aus dem Französischen haben, stammt nicht, wie man gewöhnlich hört, von dem griechisch - lateinischen papyrus, sondern von dem Eigenschaftswort papyrius. (Diez.) Chlor entstammt dem Altgriechischen z2ops, gelb, gelblich. Ampere, der berühmte französische Physiker, schuf den Namen für jenen chemischen Stoff, der 1774 von Scheele entdeckt, von Lavoisier als »zusammengesetzter Körper« studirt und 1809 in Frankreich von Gay-Lussac und Thenard, in England von Davy als einfacher Stoff« erkannt wurde. Pergament stammt gleich dem altfranzösischen parcamin aus dem lateinischen Worte pergamenum her, nämlich: carta perga- mena, »Papier aus Pergamus«, wo es während eines Krieges zwischen Aegypten und dem pergamenischen Reich infolge eines vom ersteren Staate erlassenen Ausfuhrverbots erfunden worden sein soll. Die mittellateinische Form ist: pergamentum; Lessing, auch Goethe schrieben noch: Pergamen. Falzen ist das gleiche Wort mit falten, das nach Grimm auf das lateinische Zeitwort plicare zurückzuführen ist. Kalk ist das lateinische calx und wurde als Begriff mit dem Stoffe von den Römern übermittelt. Mennige ist das lateinische minium (rothes Bleioxyd). Ueber das Wort moire weichen die Ansichten der Wortforscher sehr von einander ab. Die englischen Wortforscher geben als Ab stammung das englische Wort »hairs, welchem ein asiatisches Wort