Volltext Seite (XML)
No. 59. PAPIER-ZEITUNG. 1531 sich am besten zur Wiedergabe strenger, stilisirter Kunstwerke, wie sie hauptsächlich in den weltlichen und kirchlichen Zweigen der dekorativen Kunst und in der Geschichtsmalerei vorkommen. Es sind auch fast ausschliesslich Kunstwerke dieser Art, die zu den hier ausgestellten Kupferstichen als Vorbilder benutzt wurden. Robert Trossin-Berlin bietet eine Vision des heiligen Antonius, Hans Meyer- Berlin den »Krieg« nach Geselschaps Freskobild in der Berliner Ruhmeshalle, Gustav Eilers - Berlin die heilige Cäcilie nach Rubens, Louis Schulz-Dresden eine Klosterscene nach Grützner. Die strengste Richtung des Kupferstichs vertritt Fritz Dinger-Düsseldorf, mit seiner Aurora nach Guido Rein. Hier sieht man bei naher Betrach tung ein klares, lang fliessendes Linienwerk, das in weichen Wellen, durch Schwellungen, Abschwächungen und den Körperformen ange passte Bewegungen die edlen Gestalten herausmodellirt. Einige Bilder von .1. B. Meunier in Brüssel zeigen in hoher Vollendung die wenig geübte Schabmanier, mit der sich ungemein weiche, an feine Kreidezeichnungen erinnernde Halbtöne erzielen lassen. In scharfem Gegensatz hierzu stehen die sehr reichlich vor handenen Radirungen. Statt der weich abgetönten Flächen ein flottes Linien-Durcheinander, statt der peinlichen Durchführung ins Einzelne ein auf kräftige Gesammt-Wirkung abzielendes Hervorheben des Wesentlichen in energischer Nadelführung. Einer der bekanntesten und fruchtbarsten Meister der deutschen Radirung ist Bernhard Mannfeld. Kein andrer hat wohl in den letzten Jahren so viel Platten vollendet, wie dieser auch für Papier- Ausstattung arbeitende Künstler, und keiner hat so viele und so grosse Arbeiten auf der Ausstellung wie er. Mannfeld giebt mit Vor liebe architektonisch interessante Städte-Ansichten wieder, vielfach in grossen, theilweise in riesigen Formaten. Seine stimmungsvollen, als Wandschmuck gedachten Kolossal-Radirungen »Heidelberg«, Köln« usw., die im Verlage von Amsler & Rudhard in Berlin erschienen, sind Vielen bekannt und haben seinen Namen rasch volksthümlich gemacht. Von seinen auf der Ausstellung befindlichen Arbeiten sind zu nennen: Goethe’s Gartenhaus in Weimar; Merseburg; Rathhaus in Löwen; Zwei-Kaiser-Denkmal am Giebichenstein; Schillerplatz in Berlin. Gust. Eilers zeigt ein treffliches Lessingbildniss, Friedr. Böttcher ein grosses Kniestück von Kaiser Wilhelm IL, Karl Köpping unter anderm den verblüffend charakteristischen Kopf eines alten Mannes in einer an Kohlezeichnung erinnernden Ausführungsmanier. Viel tüchtige Sachen, deren Einzel-Erwähnung zu weit führen würde, reihen sich an. Namentlich die Holländer: Dake, Zilcken, de Zwaart und Bauer, haben sehr Tüchtiges ausgestellt. Auch Amerikaner und Engländer bieten achtbare Leistungen. Auf dem Gebiete des Holzschnitts zeigen einige der grössten deutschen Anstalten Proben ihrer Leistungen in grossen verglasten Wandrahmen: R. Brend'amour-Düsseldorf, A. Closs-Stuttgart, Rich. Bong-Berlin. Ihnen reihen sich Martin Hönemann-Berlin, Klose & Wollmerstädt-Berlin an. Unter den amerikanischen Holzschneidern ver dienen namentlich G. Meinshausen- Cincinnati und 0. Grosch-Cincinnati rühmende Erwähnung; von Polen zeichnen sich aus: WladislawKlein, Josef Loskoczynski, Ed. Nicz und Jos. Holewinski, sämmtlich in Warschau. Unter den Zeichnungen für vervielfältigende Kunst befindet sich eine Todtentanz-Reihe von Hans Meyer mit beigesetzten, ziemlich schwachen Versen, eine Anzahl Buchtitel von Pasco y Mensa in Barcelona, Hans Looschen’s Zeichnungen zum illustrirten Faust des Deutschen Verlagshauses in Berlin und eine Serie entzückend aus geführter Bildchen von Borys Jankowsky in Paris. Wer sich für farbige Kleinmalerei und Kalligraphie inter- essirt, darf nicht versäumen, die Koje 18 aufzusuchen. Hier finden sich prächtige Adressen, Diplome und Fächer-Malereien, darunter Arbeiten von Adolf Menzel, Anton von Werner, Carl Gehrts, E. Doep- ler d. J., Max Koch, E. A. Fischer-Körlin, Karl Hoffacker, Eugen Klimsch und Anderen. Eine gänzlich neue Einrichtung der Ausstellung ist der Pracht werk-Saal, Raum 49, wo eine reichliche Anzahl neuerer Pracht werke auf Tischen und in Glasbehältern ausgelegt ist. Es lohnt sich, hier einige Stunden zu verweilen und eine Durchsicht der kostbaren, ohne jede Förmlichkeit zugänglichen Bücher vorzunehmen. Was in den Schränken verwahrt ist, wird auf Wunsch gern herausgegeben, und bequeme Sitze erleichtern das Studium. Im ganzen liegen etwa 150 Werke aus, darunter die neuesten Arbeiten von Allers, die »Studien-Mappen deutscher Meister« aus dem Verlage von C. T. Wiskott-Breslau, eine Anzahl künstlerischer Bilder bücher, das »Kaiserbuch« von Hans Herrig mit einer in Initialen, Kopfleisten und Rand-Ornamenten der jeweils beschriebenen Zeit an gepassten Ausstattung, die grossen Gallericwerke der Berliner National galerie und der Esterhazy-Galerie in Budapest, »das Werk« von Menzel, das Neue Testament«, im Charakter der Handschriften-Malerei des Mittelalters, herausgegeben von Max Pasch, und viele andre nach Inhalt und Ausstattung interessante Werke. In Nr. 47 gaben wir den Klagen Ausdruck, welche über Mängel des Haupt-Katalogs der Ausstellung allgemein laut geworden waren. Ein Theil der dort gerügten Missstände ist, wie wir anerkennend her vorheben wollen, in dem neuerdings herausgegebenen »Katalog und Führer« vermieden. Diese neue Ausgabe hat zunächst kleineres Format und weder Bilder-Wiedergaben noch Anzeigen-Zuthaten ; nur einige Saal-Ansichten sind als Erinnerungsbilder eingestreut. Die An ordnung des Stoffes erfolgte nicht nach Künstlernamen auf Grund des Alphabetes, sondern nach den Räumen, in welchen die Bilder untergebracht sind. Jeder Saal bildet ein Kapitel für sich, in welchem die mit A B C D bezeichneten Wände die nächstkleineren Abthei- lungen bilden. Wenn man demnach Aufklärung über die Bedeutung eines Bildes sucht, so stellt man fest, an welcher Wand des betreffenden Saales es sich befindet, schlägt den entsprechenden Wand-Abschnitt auf und kann durch Beachtung von Zahl und Namen den gesuchten Vermerk rasch finden. Jeder Saal-Abtheilung ist eine Grundrissskizze voran gestellt, in welche an Ecken und Wandmitten die Nummern von Anhalt bietenden Bildern eingefügt sind. Ein angehängtes alpha betisches Verzeichniss der Künstlernamen weist auf die Seite oder Seiten hin, wo sich Auskunft über Bilder des betreffenden Meisters befindet. Auf solche Weise kann man, was früher unmöglich war, fest stellen, wo jedes einzelne Bild seinen Platz hat. In dieser neuen Katalog-Ausgabe haben auch sämmtliche Bilder Platz gefunden, deren Einlieferung durch den späten Schluss der Ausstellungen in Wien, Stuttgart usw. verzögert wurde. Fort mit dem Respektblatt! Der Zopf ist bekanntlich nicht nur im fernen China, sondern auch heute noch bei uns zu finden. Vorurtheile scheinen in unserm Vaterlande um so fester zu wurzeln, je mehr man das Thörichte der selben eingesehen hat. Der grosse Haufen, die öffentliche Meinung, mag z. B. überzeugt sein, dass das Hutabnehmen auf offener Strasse namentlich im Winter schädlich sei und sehr wohl durch den militärischen Gruss ersetzt werden könne, aber es bleibt beim Alten. Auch die Geschäftswelt pflegt trotz ihrer internationalen Be ziehungen und ihres dadurch gewonnenen freieren Gesichtspunktes noch manchen gediegenen Zopf. Das temperirte »Wohlgeboren«, »Hochwoh'geboren« usw. ist ja wohl aus Geschäftsbriefen verschwunden, ein anderes will sich daraus aber noch immer nicht verdrängen lassen, das ist das respektlose »Respektblatt«. Es gilt als Erforderniss des »guten Tons«, einen Brief stets nur mit daranhängendem freien Blatt zu versenden, auch wenn nur wenige Zeilen auf der ersten Seite stehen; der Empfänger kann aber mit dem Anhängsel garnichts anfangen. Geschäftsleute, die ihre Eingänge auf heben, sind sogar oft genöthigt, das leere Blatt abzureissen, um die Sammelmappen nicht mit unnützem Ba last zu füllen. (Wir machen es stets so und verwenden die leeren »Respektblätter« in höchst respekt loser Weise zu Papier-Zeitungs-Manuskripten. D. Red.) Äusser diesem einen Nächtheil zeitigt das Respektblatt noch eine Anzahl anderer Umständlichkeiten, aus denen folgende herausgegriffen werden mögen: 1. Das Respektblatt kostet jahraus jahrein eine Menge nutzlos verschwendeten Papiers. 2. Werden Einlagen in dem Briefe versendet, so verdoppelt das Respektblatt oft das Porto, oder man ist gezwungen, dünneres Brief papier zu verwenden, das nichts weniger als »respektvoll ist. 3. Beim Kopiren der Briefe bereitet das Respektblatt allerlei Hindernisse und verleitet zu respektwidrigem Thun. Da es bei »ganzen« Briefbogen lästig ist, eine beschriebene zweite Seite umzu schlagen und dann zu kopiren, so fängt man lieber auf der vierten B'attseite an und schreibt auf der ersten weiter. Sehr häufig wird der Briefkopf auf der vierten Seite vorgedruckt, sodass der Schreiber zu der geschilderten respektwidrigen Reihenfolge 4, 1, 2, 3 gezwungen ist, wenn ein Brief 3 oder 4 Schreibseiten in Anspruch nimmt. Der unglückliche Empfänger kann, wenn er sich durch diese konfuse An ordnung durchgefunden hat, einen solchen Brief garnicht heften; wird das Schreiben am Rücken eingeklemmt, so steht die erste und wichtigste Titelseite am Ende und der Brief fängt mit 2 an. Wird die offene Seite geheftet, so ist das Innere verschlossen. — Sind denn diese Schwierigkeiten, die man dem Empfänger ganz unnöthig bereitet, ein Beweis besonderer Hochachtung? — 4. Die Bestellung halber und ganzer Briefbogen vertheuert den Druck der Briefköpfe, namentlich wenn fertig gefalztes, in Lagen zu 5 Bogen liegendes Papier verwendet wird, das, um es bedrucken zu können, erst ausgezogen oder aufgeschlagen werden muss. Dann entsteht manchmal noch ein Schaden, der den Drucker trifft, insofern, als es übersehen wird, die 4. Seite oder die 1. Seite zu bedrucken, je nachdem der Besteller es aufgegeben oder früher schon gehabt hat. Diesen vielen Bedenken gegenüber hat das Respektblatt gar-