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1530 PAPIER-ZEITUNG. No. 59. hier vorerst Geselle spielen muss, und sein vielleicht viel jüngerer Meister sagt ihm, das muss hier »so« gemacht werden, dann meint der Herr, es geschehe ihm ‘Unrecht, und das müsse er besser wissen, und verscherzt sich bald das gute Einvernehmen. Aber, wie gesagt, mit Vernunft und gutem Willen kommt der Handwerker hier von allen Einwanderern am besten vorwärts. Das werden wohl die beiden Hauptmassen ‘der Einwanderer, Landarbeiter und Handwerker, die überhaupt auf ein bestimmtes Ziel zusteuern, wissen. Strolche giebt es auch schon genug hier, die treten dann ge wöhnlich als reisende Kaufleute auf, und von letzteren brauchen auch von drüben keine mehr herüber zu kommen, die werden uns jetzt dutzendweise von Buenos-Ayres geliefert. Das Klima ist im Innern ausgezeichnet. Ueber Papierfabrikation weiss ich nicht recht, was, oder vielmehr wie ich Ihnen schreiben soll. Ich sehe für den Leser der P.-Z. nichts Interessantes dabei, wenn ich die hier gemachten Fehler aufdecke. Man wird dann selbstredend Vorschläge zur Besserung von mir for dern, die zu geben nicht in meinem Interesse liegt, nachdem ich schon vor 11/2 Jahren in Voraussicht der Unrentabilität der hiesigen Fabrikation, wie sie jetzt ist, diese verlassen habe und mich als Kauf mann durchschlage. Vor einiger Zeit las ich in der Papier-Zeitung ein Stellenangebot, betreffend eine Papierfabrik in Südbrasilien. Der Stuttgarter Ver mittler bot »120 M.« Monatsgehalt, was sowohl Mark als auch Milreis heissen kann. Wie jemand den Muth haben kann, einen Mann, der die Fähigkeiten eines Werkführers haben soll, für 120 Mark nach Brasilien zu locken, ist mir räthselhaft. Und wenn es 120 Milreis sein sollen, dann ist es auch noch zu wenig, wenn es auch in Süd brasilien ist, wo ja alles billiger sein soll. So gross ist der Unter schied doch nicht. Wie ich später aus der Papier-Zeitung ersah, ist die Stelle bereits besetzt, also nach meiner unmaassgeblichen Ansicht ist wieder einmal einer gründlich »reingefallen«. 120 Mark sind nach heutigem Kurse 78 Milreis. Ob aber der Mann nach Kurs bezahlt werden wird, bezweifle ich. Man wird ihm sagen: 1 Milreis ist 2 Mark, somit bekommst du 60 Milreis. Das ist in Porto Allegre, wo die Fabrik steht, vielleicht soviel wie 60 Mark drüben, hier in Santos noch weniger! Ausserdem ist es noch sehr zweifelhaft, ob die Fabrik überhaupt gedeihen wird. Wenn die Leute schon solche Knickereien in Ge hältern machen, steckt gewöhnlich nicht viel dahinter. Also Vorsicht, liebe Fachgenossen! Ludwig Lucae. Amerikanische Papierfabrik. Von Zeit zu Zeit bringen wir Beschreibungen neuer amerikanischer Papierfabriken, weil dieselben am besten zeigen, ob und welche Neu erungen im Bau solcher Anlagen jenseits des Ozeans eingeführt sind. Eine der neusten Fabriken dieser Art ist die im vorigen Jahre zu Kimberly am Fox river in Wisconsin erbaute Kimberly mill. Der aus dem Winnebago See in vielen Fällen abwärts fliessende Fox-Fluss hat an seinen Wasserkräften eine Reihe von Industrie-Städten ent stehen lassen, von denen Appleton die bekannteste ist. Einige Meilen östlich von Appleton fällt der Fox plötzlich 9 Fuss, und die bis 50 Fuss hohen beiderseitigen Felsen weichen auf der Südseite weit genug vom Ufer zurück, um für den Bau einer Fabrik Raum zu lassen. Hier ist der Fluss mit einem 650 Fuss langen Wehr abgedämmt und liefert 3500 Pferdestärken, welche zum grossen Theil von der Kimberly-Papierfabrik ausgenützt werden. Dieselbe besteht nach »The Western Paper Trade« aus Schleiferei, Sulfitstoff- und Papier- nebst Strohpapierfabrik. Die Papierfabrik ist für Bücher- und Druck papiere aus Holz oder Lumpen eingerichtet und mit 2 waagerechter] stählernen Drehkochern für Lumpen von 7X24 und 6X24 Fuss ver sehen. Die 3 Turbinen werden aus einem mit Gement gemauerten und innen mit Eisenblech ausgekleideten Kanal gespeist. In dem 142X56 Fuss grossen Lumpensaal befinden sich 2 Hadernschneider, Sortirtische, Stäuber usw. Von den 12 vorhandenen Holländern, deren jeder Stoff für 1000 Pfd. Papier fasst, dienen 4 zum Waschen und Halbmahlen und haben Walzen von 44" Durchm. und 50" Breite mit 56 Stahlschienen, sowie Grundwerke aus 12 stählernen Ellbogen-Schienen. Die Walzen der Ganzholländer sind eben so gross, aber mit 66 Schienen besetzt, und deren Grundwerke bestehen nicht aus dicken Schienen, sondern aus Stahlblech in Ellbogenform. Jeder Holländer wird von einem 6 zölligen Rohr gespeist und von einem cylindrischen mit Nr. 60 Sieb bedecktem Wascher entwässert. Die Walzenwellen haben 11" Durchmesser, die sich in den Zapfen auf 7" vermindern, und tragen Riemscheiben von 66" Durchmesser und 18" Kranzbreite. Unter diesen Holländern liegen 12 aus Ziegeln gemauerte oben zugewölbte Abtropfkästen von 10X18 Fuss Weite. Der aus den Ganzholländern abgelassene Stoff geht in 2 runde Bottiche von 12X12 Fuss, aus denen 4 Kegelstoffmühlen gespeist werden, die da s fertige Zeug in 4 Stoffbütten abliefern. Der 60X121 Fuss grosse Maschinensaal enthält 2 Papiermaschinen von 106" Siebbreite, 40 Fuss langem Metalltuch und 9 Trocken- cylinder von 48" Durchmesser in unterer, sowie 6 von 36" Durch messer in oberer Reihe. Die Gautschwalzen haben 18" Durch messer, und der Antrieb erfolgt mit Kegelriemscheiben. Die Maschinen stehen, wie bei den meisten neueren Maschinen, eine Treppe hoch auf Gewölben, die aus Ziegel und Gement gemauert sind. Das hier angefertigte Papier geht auf Aufzügen in den darüber liegenden Zuricht-Saal, welcher auch die Kalander aufnehmen soll. Zur Holzverarbeitung dienen 3 Sägen, 8 Rindenschäler, 2 Spalter und 2 Kreis-Hackmaschinen. Die Holzstückchen werden auf endlosen laufenden Tüchern sortirt und von 2 Windflügelpumpen von 55" Durchmesser durch verzinnte Blechröhren in Behälter über den Kochern geblasen. Das zum Schleifen verwendete Holz geht auf Schienen und Roll wagen in die Schleiferei, wo 12 Schleifsteine von ebensovielen Tur binen getrieben werden, die je 120 Pferdestärken entwickeln. Je 2 Turbinen wirken durch Kegelräder auf eine vierzöllige Triebwelle. Dies Zusammenarbeiten soll gleichmässigeren Antrieb bewirken, als wenn jede Turbine unabhängig einen Schleifer treibt, weil sich die durch Ausschalten einer Presse frei werdende Kraft auf viele andre vertheilt. Acht Pappenmaschinen von 74 und 82" Siebbreite ent wässern den erzeugten Stoff. Aus 3 Behältern für je 2000 Kubikfuss Holz werden drei senk rechte Bronze-Kocher von 9 Fuss Durchmesser und 32 Fuss Höhe mit gehacktem Holz gefüllt. Jeder Kocher bläst in eine gemauerte Grube von 16 Fuss Durchmesser und 13 Fuss Tiefe aus und soll täglich 5 Tonnen lufttrockenen Sulfitstoff liefern können. Der ge waschene, gereinigte und gemahlene Sulfitstoff wird zu den erwähnten 8 Pappenmaschinen gepumpt und von diesen entwässert. Die Sulfit lauge wird durch Verbrennen von Schwefel in 5 Kalkbottichen und 9 Lösungsbottichen hergestellt und in 8 anderen Bottichen aufbewahrt. Die Stroh-Anlage enthält einen Kugelkocher von 16 Fuss Durch messer und einen cylindrischen Drehkocher von 7X24 Fuss. Das in 4 Holländern eigner Art verarbeitete Stroh geht noch durch eine Kegelstoff-Mühle und dann auf eine Papiermaschine mit 2 Sieb- cylindern und 19 Trockencylindern von 44" Durchmesser. Das Stroh wird weit ab auf dem hohen Felsenland gelagert und ge schnitten und auf einem Riementräger zu den Kochern gebracht, so dass der Fabrik keine Feuersgefahr von den Strohvorräthen entstehen kann. Die Dampfkessel werden mit Holzabfällen und etwas Kohle geheizt. Die Fabrik ist elektrisch erleuchtet und liefert in 24 Stunden 20 Tonnen Druckpapier, 10 Tonnen Strohpackpapier, 15 Tonnen Sulfitstoff und 15 Tonnen Holzschliff. Vervielfältigende Künste auf der Internationalen Kunst-Ausstellung zu Berlin. Auf den Kunst-Ausstellungen, die in früheren Jahren im Landes- Ausstellungspalast zu Berlin stattfänden, bildeten Erzeugnisse der vervielfältigenden Kunst — wenn sie überhaupt vorhanden waren — nur ein bescheidenes Anhängsel, an dem die grosse Menge der Be sucher eben so theilnahmlos vorüberlief wie an den Grund- und Aufrissen der architektonischen Abtheilung. Auf der diesjährigen Internationalen Ausstellung sind jedoch die Schwarzweisskünste: Kupferstich, Stahlstich, Radirung und Holzschnitt, nach Menge und Beschaffenheit erheblich besser vertreten, und der farbensatte Aus stellungswanderer lässt sein Auge auf den ruhigen, monochromen Bildern, die ganze Wandflächen einnehmen, gern verweilen. Äusser gedruckten Bildern sind auch tüchtige Grau- in Grau-Malereien, welche als Vorlagen zu Holzschnitten oder Autotypieen gedient haben, mehrfach vertreten, dagegen sind alle photochemischen Wiedergabe- Verfahren ausgeschlossen. Wer rasch zu den Kunstdrucken gelangen will, benutzt mit Vortheil den am meisten links gelegenen Eingang zum Hauptgebäude, durchschreitet die linksseitige Abtheilung der Skulpturenhalle und findet, sich immer an der Fensterwand des Gebäudes haltend, hinter den Abtheilungen Amerika und Holland, in den Kojen 58 bis 61 die ersten Vertreter der vervielfältigenden Kunst, welchen in den an schliessenden Kojen des Halbrundbaues zahlreiche weitere Beispiele folgen. Die hier gebotene Zusammenstellung von Kunstdrucken ist na mentlich dadurch interessant, dass sie Gelegenheit zum Vergleichen der Leistungen von Künstlern verschiedener Nationalität bietet. Man lernt dabei einige sehr tüchtige ausländische Kräfte kennen, insbe sondere einige amerikanische und polnische Holzstecher, deren Ar beiten zu den besten des Fachs gehören. Kupferstich mit seinen glatten, wohlberechneten Linien eignet