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1508 PAPIER-ZEITUNG. No. 58. An die jungen Leute. Mit der Art der Behandlung der obigen Frage hat der Verfasser der in Nr. 56 abgedruckten Einsendung, von dem ich glaube, dass ihm eine wirklich gute Absicht innewohnt, keinen glücklichen Griff gethan. In ein Fachblatt gehören weder Politik noch Religion. Trotzdem halte ich es in diesem Falle für geboten etwas zu erwidern, weil der Artikel leicht missverstanden werden könnte und eine sachliche Auseinandersetzung der beste Weg ist, solches zu verhindern. Vor allem möchte ich darauf hindeuten, dass »Religion« ausschliesslich Herzenssache ist, und es deshalb verfehlt erscheint, wenn man sich ihrer bedienen will, um rein praktische Fragen zu lösen. Vorschriften über Pflichten und Rechte des Kaufmanns giebt das Gesetz; eine Ergänzung des selben bietet die ungeschriebene »bürgerliche Moral«; aus der Religion kann er Nahrung für seine seelischen Empfindungen schöpfen. Die Gesetze sind Zwang, die Religion freier Wille. Das muss so bleiben, denn obgleich ich zugebe, dass ein religiöser Mensch sich viel leichter den gesetzlichen Vor schriften fügen kann, so muss ich es einen taktischen Fehler in der Erziehung des Menschen nennen, wenn man auch die Religion hierzu soweit heranzieht, dass sie zur Bedingung wird. Das ist ein gutes Mittel, sie Einem überhaupt zu verleiden. Um im Verkehr und dem Verhalten der Angestellten gegenüber dem Leiter eines Geschäfts leidliche Verhältnisse zu schaffen, bedarf es keiner religiösen Uebereinstimmung. Wie würde sich auch dies in einem Geschäft gestalten, in dem viele, durch die ihnen anerzogene Religion ganz verschieden artig denkende Menschen thätig sind? Nur gegenseitiges Erkennen und die sich daran schliessende Abhilfe vorhandener Mängel an denjenigen Dingen, welche die Grundlage einer erträglichen Lebensführung bilden, können Un zufriedenheit und Widersetzlichkeit aus der Welt schaffen. - R. T. Der Aufsatz des Herrn D. Z. in Nr. 56 dürfte viel Widerspruch hervor rufen, der sich vielleicht auch in Einsendungen an die Papier-Zeitung kund geben wird. Auch ich möchte mein Scherflein dazu beitragen. Die Weltanschauung zu beleuchten, aus der jener Aufsatz hervorging, ist hier nicht der Ort, doch möchte ich auf einige offenliegende Schäden hinweisen, die sich aus einer Befolgung der in ihm enthaltenen Lehren ergeben müssen. Der Kern der Lehre des Herrn Z. lautet: »Bemüht Euch, im Hinblick auf die Vergänglichkeit alles Irdischen und die Entschädigung, welche das Jenseits Euch für ein mühevolles, aber im Glauben zugebrachtes Dasein bieten wird, alles Missgeschick als gottgewollte Führung und Fügung zu betrachten.« Eine solche Auffassung ist ganz geeignet, die Thatkraft der jungen Leute zu erschlaffen. Wer sieh ihr anschliesst, wird denken: »Der liebe Gott hat das Missgeschick gesandt; er wirds auch wieder von mir nehmen,« und vor lauter Frömmigkeit und Gottvertrauen verpasst der Betreffende die sich bietende günstige Gelegenheit und verliert das Vertrauen zu sich selbst. — »Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott!« ist meines Erachtens eine viel bessere Richtschnur für den Strebenden, und die Winke, welche die Papier- Zeitung in dem ersten, den Meinungsaustausch einleitenden Aufsatz gab, sind weitaus werthvoller als die salbungsvollen Mahnungen des Herrn D. Z. Ein weiterer unheilvoller Einfluss der Lehren des Herrn Z. würde sich ergeben, wenn jetzt die Prinzipale anfangen wollten, sich um die religiösen Anschauungen ihrer Angestellten zu bekümmern und dieselben zu beein flussen. Heuchelei einerseits, offener Widerstand anderseits wären die Folgen, und beides würde nicht zu der erstrebten Besserung der gegen seitigen Beziehungen beitragen. Nur Gerechtigkeit, Wohlwollen, angemessene Entschädigung für tüchtige Leistungen einerseits; guter Wille, Interesse für die gestellten Aufgaben anderseits können ein erspriessliches Zusammenarbeiten fördern. Der kirchlich indifferente Prinzipal, der seinen Mitarbeitern gegenüber den Grundsatz »leben und leben lassen« zur Geltung bringt, verdient höhere Achtung, als der fromme Mann, der im Namen Gottes an den Gehältern seiner Angestellten knausert. P. Das Eingesandt »An die jungen Leute« in Nr. 56, mit D. Z. unter zeichnet, fordert in mancher Beziehung die gegentheiligen Ansichten heraus, so dass ich es mir nicht versagen kann, dem Herrn Folgendes zu entgegnen: Aus dem Gesammt-Inhalt des Artikels folgere ich, dass der Einsender ein älterer Herr ist, der mit »schlechten Zeiten« und manchen geschäftlichen Unannehmlichkeiten verschont geblieben ist; auch vielleicht in der glücklichen Lage war, ein flottes Geschäft zu übernehmen, kurzum ein gut situirter Mann ist. Von dem Standpunkte betrachtet, lässt sich gegen die Moral des Artikels nichts einwenden; ich halte es auch für ehrenwerth, dass ein Geschäfts-Inhaber auf die religiöse Stellung seiner Angestellten Werth legt, soweit hier eine fremde Einmischung überhaupt angängig ist. Dass er aber ein Blühen und Gedeihen des Geschäftes lediglich auf ein christlich- frommes Gemüth und Gottvertrauen zurückführt, das ist doch offenbar eine kindliche Ansicht, die gewiss sehr vereinzelt dasteht und zur Nachahmung kaum empfohlen werden dürfte. Es liessen sich vielleicht genügende Bei spiele anführen, dass trotz Frömmigkeit und reger Arbeit ein Kaufmann nicht nur nicht vorwärts, sondern auch zurückgegangen ist. Davon will ich nicht reden, sondern einige kleine Beispiele anführen, dass die »jungen Leute« nicht immer Schuld daran sind, dass ihnen ein Fortkommen un möglich gemacht wird. Ich schicke dabei voraus, dass ich selbst gezwungen bin, meinen Lebensunterhalt bei fremden Leuten zu suchen. In einem Alter von 22 Jahren, nachdem ich des Königs Rock ge tragen, suchte ich eine meinen Kenntnissen entsprechende Stellung. Eine Anzeige in der Papier-Zeitung hatte wenigstens den Erfolg, dass sich ver schiedene Firmen meldeten. Erwartungsvoll öffnete ich die Angebote und begann die Korrespondenz mit einer Firma, die mich um Angabe der Gehalts- Ansprüche ersuchte, und mir als tüchtiges Geschäft bekannt war. Meine Zeugnisse und mein Können gaben mir die Hoffnung, ein leidliches Unter kommen zu finden, das in einer Forderung von 1200 M. im Jahr gipfelte. Die sofort erfolgte Antwort des Geschäfts-Inhabers schob die Beantwortung der Gehalts-Frage bei Seite und forderte mich zur persönlichen Besprechung auf. Ich folgte dieser Einladung, regelte alle sonstigen Fragen und Be dingungen in glatter Weise — bis auf die Gehalts-Ansprüche. Ueber diese äusserte sich der Prinzipal wie folgt: »Ich zahle Ihnen im Monat 25 M. bei freier Station; sodann müssen Sie mit einem andern Herrn (der, nebenbei bemerkt, kränklich war!) ein Schlafzimmer theilen. Im übrigen ist das Leben hier fröhlich und heiter (wörtlich!).« Natürlich verzichtete ich unter solchen Umständen auf ein fröhliches und heiteres Leben und dampfte von dannen. Vielleicht beantwortet mir Herr D. Z. die Frage, ob er den Herrn, der angeblich fromm war, für christlich hält, und es für recht findet, dass das flottgehende Geschäft mit solchen Grundsätzen auf Kosten des Personals gehoben werden soll? Ein anderes Bild. Eine Papier-Firma bot einem meiner jüngeren Be kannten eine Stellung als Stadt-Reisender an und bewilligte ein Gehalt von 60 M. im Monat, wollte sich, als dies nicht angenommen wurde, auch zur Zahlung von 800 M. im Jahr herbeilassen. Einen Kommentar hierzu halte ich für überflüssig, möchte jedoch auch in diesem Falle Herrn D. Z. fragen, wie er sich diese Firma »würdiglich im Evangelio Christi« wandelnd denkt? Meine kurz gefasste Ansicht geht dahin: Den strebsamen und tüchtigen Gehilfen sollte ein anständiges und auskömmliches Gehalt bewilligt werden, dann wird der Prinzipal bald in der Lage sein, die Spreu von dem Weizen trennen zu können und sich Mitarbeiter heran zu bilden, die sein Interesse wahrnehmen und, wo es nöthig ist, gern bereit sein werden, auch einmal längere Zeit als vorgeschrieben die dringenden Arbeiten zu erledigen. S. 24AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAP 3 n"rinn*. Papier-Waaren-Fabrik s‘aräy"ix.; 3 Carl Koch’s Nachfolger t 2 Frankfurt a M. 2 4 » 2 —*—* Special-Fabrikate: ► 4 Das Neueste in • geprägten Etiquettes, Musterdüten,; 3 ANHÄNGE-ETIQUETTES, 2 3 Leinwand-Papieren. U5201SE ; Reichhaltigste Collectionen. Hoher Rabatt. ; vvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvVTVvvvvvvvvvvv• Wilh. Köllmann, Barmen. Fabrik aller Arten von Maschinenmesser. 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