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No. 57. PAPIER-ZEITUNG. 1477 Scheltung eines fränkischen Papiermüllers im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1772 richtete der Besitzer der Papiermühle zu Unter fichtenmühle, Johann Friedr. Quinat, sich eine zweite Bütte ein, wes halb ihm der Papierer Joh. Georg Luber zu Burgthann, auch in der Nähe Nürnbergs und gleichfalls im markgräflich-brandenburg-ans- bachischen Gebiete gelegen, einen »Schändzettel« zusandte. Gegen diese Verrufserklärung suchte Quinat Schutz bei dem markgräfl. Hof-Regierungs- und Justizrath zu Onolzbach (Ansbach). Der Senat I dieses Gerichts gab deshalb unterm 21. Mai 1772 dem Kastenamt zu Burgthann den Auftrag, den Papierer Luber wegen sothanen frevel haften Vergehens vernehmen, denselben aber auch auf’s schärfste und allenfalls durch Arrest anzuhalten, den ausgeschickten Schändzettel wieder zurückzunehmen . Am 30. Mai kam das Kastenamt Burgthann dem ertheilten Auf trage nach. Joh Georg Luber, der damals 14 Jahre auf der Papier mühle zu Burgthann sass, erklärte auf die Frage, warum er diesen Schändzettel gegen Quinat erlassen, dass er dazu bewogen worden sei, weil Quinat entgegen dem den Papierern zukommenden Privi legium auf seiner Papiermühle eine weitere Bütte erbaut habe, obwohl er, Quinat selbst, nebst 14 anderen Ansbacher und Nürnberger Papier müllern, als man zu Nürnberg an Stelle der abgebrannten Pulver- mühle zu Wöhrd (einer Vorstadt Nürnbergs) eine neue Papiermühle habe errichten wollen, sich dagegen beschwert und erklärt hätten, dass sie ein neues Werk durchaus nicht gestatten könnten, infolge dessen die projektirte Anlage auch unterblieben sei. Weil nun ermelter Papierer Quinat auf sein ohnehin grosses Werk auf der Fichtenmühl ein neue Bütten, vielleicht ohne Erlaubniss hochfürst licher gnädigster Herrschaft und ohne Vorwissen derer sämmtlichen im hiesigen Land ansässigen Brandenburgischen und Nürnbergischen Papierer setzen lassen, wodurch er noch einen Gesellen mehrers halten und fördern könnte, hingegen den Burgthanner und anderen Papier machern der Papiervertrieb allerdings vermindert würde, so habe er, Luber, auf Verlangen so diess- als jenseitiger Papierer durch einen fremden, bei ihme gewesenen Gesellen den bei ihrer Profession sonst herkömmlichen Schelt-Zettel wegen dieser eigenmächtig neueingerich- tetenBütenzugeschicket, damit er von seinem Vorhaben abstehen, und die Stadt Nürnberg nicht auf’s Neue darzu gebracht werden möge, dass eine neue Papiermühl an Wöhrd statt der vorigen Pulvermühl (dieselbe war am 12. September in 1766 in die Luft geflogen) un- abtreiblich eingerichtet werde.; Auf Befragen gab Luber ferner an, dass der Schändzettel folgenden Wortlaut gehabt habe: Ich Johann Georg Luber schelte den Papier macher Quinat, dass ihn kein anderer Papierer nicht strafen solle, bis er die neue Büten abstellen würde.« Durch die Strafe wurde der Verruf aufgehoben, sie sollte also erst dann erfolgen, wenn Quinat auf die neue Bütte verzichtet haben würde. Luber machte darauf aufmerksam, dass der Scheltzettel sonstige Beleidigungen nicht ent- hielte. Vor drei Wochen sei Quinat zu ihm gekommen und habe ihm die obrigkeitliche Erlaubniss zur Errichtung einer weiteren Bütte vorgezeigt. Hätte er, Luber, früher von derselben Kenntniss gehabt, so wäre er für seine Person des wohl zufrieden gewesen, doch müsse er es dahingestellt sein lassen, ob nicht die anderen Papierer dagegen Beschwerde geführt haben würden. Im übrigen hätten ihn die anderen Papierer zu dem Schändzettel verleitet. Es zeigte sich dabei, dass die Papierer dem Quinat überhaupt nicht grün waren, denn es werden an dieser und anderen Stellen mancherlei Beschwerden über ihn laut. Es wird ihm vorgeworfen, dass er den Preis der Lumpen so in die Höhe treibe, dass die anderen Papierer zu Grunde gehen müssten, dass er den Ballen Papier von schlechten Sorten um 4—5 Gulden wohlfeiler den Nürnberger Kaufleuten liefere, als die anderen Papierer, welchen dieses Vorgehen grössten Schaden und Nahrungsabbruch bringe. Seine Angabe, es verderbe und verfaule ihm sonst sein Zeug, wird als Unwahrheit bezeichnet, da er seinen sämmtlichen Zeug mit einer Bütte binnen einem halben Jahre, längstens binnen 30 Wochen gänzlich verarbeiten könne. Im übrigen gab Luber dem Beamten das Versprechen, sich nicht weiter in die Sache zu mischen, keinen weiteren Widerspruch gegen die Errichtung einer zweiten Bütte zu erheben und den Schändzettel zurückzunehmen, obgleich er und sein Kamerad, der Papierer Loschge in Burgthann, »gar wenig Lumpen in den über 250 Mann nicht starken Oberamt Burgthann und Schönberg beibringen, mithin dergleichen zu ihrer Profession fast alles auswärts besonders aus Dinkelsbühl mit schweren Kosten erkaufen und beiführen lassen müssen, wovon auch der Quinat die besten oder weissen Lumpen durch die Lumpenkäufer herauszuziehen suchet. Nachdem sich also Luber zur Zurücknahme des Schändzettels bereit erklärt hatte, schien die Sache im wesentlichen erledigt zu sein. Allein mit der Erfüllung des gegebenen Versprechens eilte es ihm durchaus nicht, so dass unterm 19. Juni der Rath und Kastner Kaerl in Schwabach, zu dessen Amt die Fichtenmühle gehörte, die Rück nahme in Erinnerung brachte. Am 3. Juli war die Angelegenheit immer noch nicht geordnet. Vorgenannter Beamte nahm deshalb an diesem Tage Quinat zu Protokoll, dass Luber Einwände gegen die Rücknahme mache, ihm dadurch grossen Verdruss bereite und ihn in seiner Nahrung und Gewerbe hindere, da die Handwerksstrafe eines Gescholtenen von Woche zu Woche immer höher steige. Nach dem es nun bei dem Papiererhandwerk eingeführt sei, dass, wenn einer gescholten worden, er sich bei einer benachbarten Werkstätte abstrafen lassen und die Kosten tragen müsse, so er mit Recht gescholten worden, dieselben entgegengesetzten Falles aber auf den Urheber der Scheltung zurückfallen, so habe er, Quinat, weil seine Gesellen schwierig geworden seien, da kein fremder Geselle mehr einen Handwerksgruss in seine Papiermühle gebracht oder an genommen, in voriger Woche bey dem benachbarten Papierer Meyer zu Röthenbach bei St. Wolfgang angebracht, dass er seine Sache ausmachen wolle; nachdem er nun zu gleicher Zeit dem gedachten Meyer davor gut gestanden, dass der Papierer Luber die Schändung zurücknehmen werde, und dass er, Meyer, von demselben nichts zu besorgen haben solle, so habe Meyer vor die Abwandlung der Schän dung vor ihn und seine Gesellen 24 Gulden angenommen, welche von denen Gesellen der beeden Werkstätten verzehret worden. In so ferne hätte also die Sache ihre Endschaft, dass die Gesellen nunmehro in seiner Papiermühl wiederum fort arbeiten dürften, jedoch unter der ausdrücklichen Condition, dass der Papierer Luber nun- mehro auch die Schändung, wie er Quinat darvor gutgestanden, revociren müsse. Weilen nun der mehrgedachte Luber ihme diejenige Strafe, welche er gedachtermassen auf die Papiermühl zu Röthenbach vor sich und seine Gesellen habe bezahlen müssen, ohne das geringste Verschulden, mithin höchst unbilliger Weise zugezogen, die also auch ihme Quinat nicht aufgebürdet werden könne, sondern der Luber zu bezahlen ohnwidersprechlich schuldig seye, so wolle er unterthänigst bitten, dass an das hochfürstliche Ober- und Kastenamt Burgthann der gnädigste Befehl ertheilt werden möchte, dass der ofternannte Papierer Luber nicht nur zu schleuniger Revocirung der Schändung, sondern auch zu Erstattung der obenerwähnten Strafe mit 24 Gulden angehalten werde, weilen sonsten einem ehrlichen Manne übel gesagt sein würde, wenn ein anderer aus Neid oder andern schändlichen Absichten ihn nur nachgefallen und ungestraft in Kosten und Schäden zu versetzen es wagen dürfte, dazumalen dergleichen Missbräuche mit unbilliger Schändung durch Kayserliche und Reichs- auch landes herrliche Verordnungen hoch verboten seien. Infolge dieses Vorgehens wurde vom Kastenamt Burgthann Termin auf Donnerstag, den 16. Juli, anberaumt, an welchem der Schänd zettel zerrissen werden sollte. Wie ein Protokoll von diesem Tage ausweist, welches in Gegenwart Sr. Excellenz des Herrn Geheimden Raths, Obrist Jäger und Obrist Forstmeisters dann Ober Amtmanns Baron von Seckendorff und des Raths und Amtsvogts Leidner zu Schönberg als Amtsverwesers zu Burgthann, sowie der beiden Papierer Luber und Quinat aufgenommen wurde, ist der Schändzettel in der That im Beisein der Vorgenannten in vier Theile zerrissen worden. Luber versprach, alles aus dem Wege zu räumen, was einigen weitern Aufstand gegen Quinat unter den Papiermachersgesellen erregen könnte und ihn, Quinat, für einen ehrlichen Mitmeister zu erkennen. Damit war die Scheltungsangelegenheit aber immer noch nicht ganz aus der Welt geschafft, denn noch hatte Luber die 24 Gulden nicht bezahlt, die Quinat für die Abwaschung dem Meyer in Röthen bach entrichtet hatte. Ausserdem beanspruchte Quinat auch noch den Ersatz aller übrigen ihm erwachsenen Kosten, welche er ebenfalls auf 24 Gulden berechnete. Die Bezahlung dieser nicht unbedeutenden Beträge fiel dem Luber sein- schwer, so dass sich Baron Seckendorff des äusserst lamentirenden« Mannes annahm und an den Ansbacher Gerichtshof berichtete, wie Luber mit Kindern beladen sei, gegen andere Papierer einen gelingen Vertrieb habe und daher in geringem Vermögen stehe, dass Luber sonst ein frommer, sich wohl aufführender stiller Unterthan ist, der sich aus Einfältigkeit zu Ausstellung be rührten Scheltzettels verleiten lassen«, weshalb die weiteren Ansprüche des Quinat abgewiesen werden möchten. Das Gericht zu Ansbach aber stellte sich ganz entschieden auf Quinats Seite und verfügte unterm 12. August, dass Luber alle Kosten zu bezahlen habe, wobei die dem Luber angedrohte Strafe annoch vorbehalten bleibt.« Trotzdem liess sich Luber unterm 18. August nochmals zu Proto koll vernehmen, um eine Aufhebung dieses Beschlusses herbeizuführen. Er erklärte, dass er tief betrübt sei, und es ihm schmerzlich falle, bei seiner Herrschaft durch die Schändung angeschwärzt und in un- nöthige Kosten gestürzt worden zu sein. Er machte wiederholt darauf aufmerksam, dass ihn die Papierer Meyer von der Oberfichtenmülile, Röder auf dem Königshammer, Knödel zu Mühlhof, welche sich be-