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No. 30. PAPIER-ZEITUNG. 697 Zur Klarstellung. Vor kurzem brachten mehrere amerikanische und europäische Zeitungen Notizen, dass unsere New Yorker Filiale eine Zoll strafe entrichtet hätte. Wie wir vernehmen, ist seitens einiger concurrirender Firmen, welche jeden Anlass zur Schädigung unserer Firma erwünschen, diese Angelegenheit so dargestellt, als ob es sich hier um eine Unterbewerthung zwecks Erreichung eines billigeren Zollsatzes und dadurch bedingter Erleichterung unserer amerikanischen Cellulose-Importe handelte. Wir finden uns daher veranlasst, das Folgende zu veröffentlichen. Seit Antritt der neuen (schutzzöllnerischen) Regierung und des damit verbundenen Beamtenwechsels haben wir mit den un erhörtesten Zollschwierigkeiten zu kämpfen. — Der eine Consul genehmigt, was ein anderer für unstatthaft erklärt; fast jeder Consul legt die Bestimmungen des Zolltarifs in anderer Weise aus. Während früher sämmtliche Consulatsfacturen an den betreffenden Verschiffungs häfen herausgemacht werden konnten, verlangt die neue Regierung, dass dieselben in dem Bezirk des betreffenden Productionsplatzes aus gefertigt werden müssen. Hierdurch sind wir gezwungen, die Consulatsfacturen zum Theil durch Leute ausfertigen zu lassen, welche keine Ahnung von dem Artikel Cellulose und von der Aufmachung der betreffenden Consulatsfacturen haben; ferner tritt dadurch sehr häufig der Fall ein, dass die Waare früher in New York eintrifft als die Consulatsfactura. Um diesem sowohl für die amerikanische Regierung, als für uns unbefriedigenden Zustande ein Ende zu machen, haben wir bei dem Staatssecretär in Washington beantragt, ent weder sämmtliche Consulatsfacturen bei einem europäischen Consulat ausfertigen, oder aber den Zoll bei Ankunft der Waare in New York durch einen Regierungsbeamten feststellen zu lassen. Die Entscheidung auf unsere Eingabe steht noch aus. Inzwischen sind nun von dem New Yorker Zolleinnehmer aus einer grossen Anzahl von Zollfacturen 5 herausgesucht worden, welche angeblich nicht den Bestimmungen gemäss ausgefertigt sind. Die gesammte beanspruchte Zolldiferenz auf diese Facturen beträgt 255 Dollars, während der Verkaufswerth der betreffenden Facturen 31500 Dollars ausmacht. Die Zolldifferenz beträgt also nicht 1 Proceat vom Verkaufswerth der Waare. — Dass es sich also hier nicht um eine Unterbewerthung zur Erreichung billigeren Zolles und leichteren Importes (der ganze Zoll beträgt überhaupt nur 10 Procent vom Werthe der Waare am Productionsplatz), sondern lediglich um gegentheilige Auffassung einzelner Positionen der betr. Zollfacturen seitens des New Yorker Zollamtes bei einzelnen Sendungen handelt, wird jedem Unbefangenen einleuchten. Wir haben gegen die beanspruchte Zolldifferenz Protest eingelegt, da wir die Sicherheit haben, dass die bezügl. Facturen vollkommen den erhaltenen Consulats-Instructionen gemäss aufgemacht sind. Nachstehend geben wir einen Artikel der »New York Mercantile and Financial Times« in Uebersetzung wieder, welcher sich über diese Angelegenheit verbreitet. Nachdem wir in Vorstehendem den Sachverhalt klargelegt, theilen wir hierdurch mit, dass wir von nun an Jeder mann, welcher fernerhin diese Angelegenheit in fälschlicher Weise gegen unsere Firma darstellen sollte, sofort gerichtlich zur Verantwortung ziehen werden. Hamburg und New York, März 1890. A. Wertheim & Co. Mercantile & Financial Times. New-York. Zoll -Complicationen. Die Natur unserer Zollregulative ist derartig, dass dieselbe eine endlose Folge von Complicationen und Disputen zwischen den Importeuren und den Vertretern der Regierung mit sich bringt. Zuweilen ist der eine Theil im Rechte, zuweilen der andere; sehr oft ist die Meinungsverschiedenheit auf beiden Seiten aufrichtigen Characters, und Niemand ist zu tadeln. Solches ist der Fall mit der Angelegenheit, welche die Zollhaus-Autoritäten in der Sache bezüglich einiger Verschiffungen von chemischem Holzstoff, importirt durch die hiesige Firma A. Wertheim & Co., augenblicklich beschäftigt. Es scheint dass eine Anzeige gegen diese Firma wegen Unterbewerthung gemacht wurde, aber eine sorgfältige und unpartheiische Prüfung zeigt klar genug, dass die Anzeige auf einer falschen Auffassung basirt. In Wirklichkeit konnte dies auch nicht anders sein, da die Herren Wertheim & Co. zu den ge- achtetsten und verlässlichsten Firmen unseres Handelsstandes zählen. Dass die Preise der streitigen Sendungen niedrig sind, vielleicht niedriger als der Durchschnitt, ist richtig, aber dieses ist leicht und nachweislich begreifbar. Wertheim & Co. sind die bedeutendsten Importeure von chemischer Holz masse in diesem Lande, in Wirklichkeit importiren dieselben mehr als allo anderen Firmen zusammengenommen, da sich deren Importe im letzten Jahr auf ca. 1,500,000 Dollars oder 65 Procent des Gesammt-Importes dieses Artikels beliefen. Die Firma hat die Production von ca. 70 Fabriken in Norwegen, Schweden, Deutschland und Oesterreich abgeschlossen. Als eine natürliche. Folge involviren solche En gros-Transactionen niedrigere Preise als Einzelkäufe. Aber dieselben sind nicht niedriger als jeder andere Kaufmann solche sich verschaffen kann, welcher gewillt ist, eine derartig ausgedehnte Transaction zu unternehmen. Da das Gesetz erfordert, dass der Zoll von dem Werth der Waare an dem Herstellungsplatze zu bezahlen ist, so waren diese Verschiffungen zu diesem Werth eingesetzt. Wenn diese Werthe zufällig niedriger als der Durchschnitt sind, und niedriger als die amerikanischen Fabrikanten wohl produciren können, so ist dieses nur eine jener natürlichen Schwankungen legitimer concurrirender Operationen. Dass die Abschätzung der streitigen Verschiffungen gegen die Herren Wertheim & Co. entschieden, beweist in Wirklichkeit nichts, insofern als nur ex parte«- Beweis möglich war. Aber es wird unnöthig sein, diesen Punkt der Angelegenheit im Detail zu discutiren, angesichts der Thatsacho, dass die Herren Wertheim & Co. gegen den Differenzzoll protestirt und einen Process gegen den Zolleinnehmer eingeleitet haben, so dass die ganze Angelegenheit im Gerichtshof erörtert wird. Auf dem Processwege kann die Firma den vollen Beweis für die Richtigkeit und Natur der Contracte und für die Richtigkeit der Marktwerthe beibringen, und es ist ziemlich sicher, dass das Gericht gegen die Regierung entscheiden wird, und dass die Zoll- differenz zurückzuerstatten ist — genau wie in dem berühmten Hutbesatz-Prozess, welcher vor einigen Monaten so viel Aufmerksamkeit erregte. Zu gleicher Zeit ist es angebracht, zu constatiren, dass die Beamten der Regierung in dieser Angelegenheit vollständig in gutem Glauben, gehandelt hatten. Es ist nicht deren Schuld, sondern die Schuld der ganzen Einrichtung unseres Zollsystems selbst, dass dieselben nicht eine Sache entscheiden können, wie ein Gerichtshof es kann. Die Herren Wertheim & Co. erkennen dieses selbst an und tadeln weder den Zolleinnehmer, noch seine Unterbeamten. Auch haben dieselben nicht, wie dies vielleicht natürlich gewesen wäre, gegen die Zulassung eines Concurrenz- Importeurs, welcher gleichzeitig Vertreter der inländischen Zellstoff-Fabrikanten ist, Einwendungen erhoben. Dieselben berufen sich bezüglich der streitigen Werthe lediglich auf deren Richtigkeit und Conformität mit den Bestimmungen, und wir glauben nicht fehl zu gehen in der Annahme, dass dieselben als Sieger aus dem Streite hervorgehen werden. [47219