Volltext Seite (XML)
PAPIER-ZEITUNG. 1083 die bei Abwesenheit der Säure wieder braun werden und das Bleichen erschweren. Bei Gegenwart von Kalk binde dieser wahrscheinlich solche Stoffe und sei dadurch sehr nützlich. Dr. Müller meint, der Kalk wirke beim Chlorkalk ebenso, indem er die aus Inkrusten entstehenden Stoffe binde, wie daraus hervor gehe, dass man den Zellstoff besser bleicht, wenn man erst nur wenig Chlorkalklösung anwendet, die Flüssigkeit auswäscht und dann von neuem bleicht. Prof, von Baeyer hält es für sicher, dass die von der schwefligen Säure umgewandelten Stoffe bei Gegenwart eines Ueberschusses der konservirenden schwefligen Säure und auch von Kalk bei hoher Temperatur weiss bleiben, ohne denselben sich aber umwandeln, d. h. dass der Stoff umschlägt, wie dies häufig wahrgenommen wird. Komm.-E. Behrend benützt seit 9 Monaten einen Kocher mit Schutzkruste, der noch unversehrt, wie neu ist. Allerdings müsse aber die Lauge genug Kalk zur Bildung der Kruste enthalten. 7. Es wird beschlossen, durch den Vorsitzenden bei der Reichs tagskommission zur Berathung der »Gewerbegesetz-Ergänzung« dahin vorstellig zu werden, dass nicht auch noch Feiertage neben den Sonntagen festgestellt werden, und dass die Zellstoff - Kocher an Sonntagen durcharbeiten dürfen. 8. Auf Anfrage des Prof. v. Baeyer, ob schon Versuche mit Ver wendung der Abgänge gemacht wurden, berichtet Herr Reuther über solche. Er hat die Ablaugen des Sulfitstoffs eindampfen lassen, aber nirgends Abnehmer oder Verwendung für diese Rückstände ge funden. Sie verbrannten auch nicht allein, sondern erforderten dazu noch Aufwand von Brennstoff. Herr Sauerländer hat auch vergebliche Versuche in dieser Richtung gemacht, und selbst bei Verwendung der Rückstände zur Herstellung von Presskohlen, wobei der hohe Gehalt der eingedickten Lauge an Klebestoffen nutzbar gemacht werden sollte, wurde kein nennens- werther Erfolg erzielt. Herr Ziegelmeyer hat Natron- und Sulfitlauge durch den elektrischen Strom dreier Bunsen’scher Elemente zersetzt. In beiden Fällen fand sofort Gasentwicklung statt, und die vegetabilischen Stoffe lagerten sich ab. Der Vorsitzende schliesst die Versammlung um 2 Uhr. An die Versammlung schloss sich ein Festmahl, dem auch Herr Ministerialrath von Ganghofer beiwohnte. Unter den zahlreichen Tisch reden zeichnete sich die des Prof, von Baeyer durch wissenschaftlichen Inhalt aus. Er erläuterte, dass alle Chemiker mit grösstem Interesse die Thätigkeit der Zellstoff-Fabrikanten verfolgen, welche geeignet sei, werthvolle Aufschlüsse über das noch in vielen Punkten dunkle Leben der Pflanzen zu geben. Er widmete sein Iloch dem Verein. Der Abend vereinigte die Fachgenossen und die genannten Gäste auf dem Hofbräukeller. Freitag, 30. Mai, früh 7 l l 2 Uhr, fuhren unter Führung des Herrn Direktor Ph. Dessauer 15 Genossen mit der Bahn nach Starnberg, von dort mit dem Dampfer nach Tutzing, wo ein Frühstück ein genommen und ein prächtiger Aussichtspunkt bestiegen wurde. Um Mittag ging es mit der Bahn nach Murnau und von da in bereit stehenden Wagen nach dem in den Bergen gelegenen Bad Kohlgrub, wo ein vorzügliches Mittagsmahl (3 M. das Gedeck) vorbereitet war. Ein,Ausflug auf die Faller Alp und s’Hörnle, unmittelbar hinter dem Bad, füllte den Tag aus. Die ausgezeichnete Verpflegung, die mit allem Komfort ausgestatteten Zimmer, die wundervolle Aussicht und die Aufmerksamkeiten der Besitzer, Herren Faller und Buchmüller, liessen bedauern, dass programmgemäss am nächsten Morgen früh nach Oberammergau weiter gefahren werden musste. Viele nahmen sich vor, wenn möglich einmal mehrere Wochen im dortigen Gebirge zu verleben, da man in Kohlgrub bei mässigen Preisen eine Ver pflegung findet, die weit über das hinausgeht, was man in Ober bayern gewöhnt ist. Die geplante Fusswanderung musste des ungünstigen Wetters wegen leider unterbleiben und die Fahrt bis Oberammergau fort gesetzt werden, wo beim Bürgermeister sofort Anweisung auf die von Herrn Dessauer vorher bestellte Wohnung genommen wurde. Jedes Gemeindemitglied hat nämlich einige Betten für Fremde auf gestellt, die zu 3 M. für die Nacht und etwas für Bedienung ver- miethet werden. Bürgermeister Lang führt die Liste, und seine Tochter, welche »im Passion« die Jungfrau Maria spielt, vertheilte unsere Gesellschaft in drei verschiedene Häuser. Die Gemeinde hat auch beschlossen, dass Diejenigen, welche die Nacht von Sonn abend zum Sonntag im Oberammergau schlafen, das erste Anrecht auf Plätze »im Passion« haben. Ebensowenig wie die Wohnung fanden wir die Speisen in den von uns besuchten Wirthschaften so theuer, wie manche Blätter berichten, und hatten Sonntag im Stern ein recht gutes Mittagessen (Preise 11/2 und 3 M). Sonnabend wurde noch zu einem Ausflug nach dem tief in den Bergen gelegenen »Linderhof« benutzt, wo König Ludwig II. neben dem Schloss eine Grotte erbaute, die den Venusberg (aus Tannhäuser) darstellt, und auf deren See er in dem Schwanen-Nachen umher zu fahren pflegte. Die mit elektrischem Licht magisch beleuchtete Grotte ist eben so schön wie interessant, da sie die Schwärmerei des unglücklichen Monarchen für Richard Wagner am deutlichsten zum Ausdruck bringt. Es berührt höchst sonderbar, wenn man dann im Schlosse nicht nur eine Nachbildung der Bauten Ludwigs XIV., sondern sogar eine Reiterfigur dieses Verwüsters der Pfalz mit verherrlichender Inschrift sieht. Um 12 Uhr mittags wurden die Wasserwerke des Schlosses von einem hoch gelegenen Behälter aus in Betrieb gesetzt und gewährten inmitten der tiefdunklen mit Fichten bewaldeten Berge ein prächtiges Schau spiel. Nach dem in der Wirthschaft eingenommenen Mittagmahl wanderten die meisten Genossen zwei Stunden lang auf den hoch gelegenen Brunnenkopf, mussten aber dann in strömendem Regen eine Stunde lang absteigen und in den Wagen nach Oberammergau zu rückfahren. Sonntag früh 8 Uhr begann das Passionsspiel, zu dem es nummerirte Plätze unter Dach zu 8 und 10 und näher zur Bühne im Freien zu 5 M. und weniger giebt. Wir enthalten uns eines näheren Eingehens auf das vielfach beschriebene Theater, wollen aber bemerken, dass man von allen, auch von den billigsten Plätzen aus gut sieht. Die grossen, von 500 und mehr Personen ausgeführten Volks szenen, die Eigenart des Theaters im Freien und die Darstellung durch einfache Bauern verleihen diesem religiösen Schauspiel einen eigenen Reiz, wenn es auch die ursprüngliche Naivität etwas ein- gebüsst haben mag. Die lange Ausdehnung mancher Auftritte, die Chöre usw. stellen zwar die Geduld der Zuschauer sehr auf die Probe, dieselben halten aber doch beinahe ausnahmslos von 8—12 und 1/22—1/26 Uhr aus. Man hört unter ihnen die verschiedensten Sprachen, sehr viel Englisch und sieht Schaaren von Land leuten, besonders Tiroler. Nach Schluss der Vorstellung fahren oder gehen die meisten Zuschauer nach Oberau und besteigen dort die Extrazüge nach München. Die Zellstoff-Fabrikanten machten es ebenso, nur Schreiber dieses mit 4 Gefährten fuhr nach Kohlgrub zurück, wo es Allen so gut gefallen hatte, am folgenden Morgen nach Hohenschwangau, und von Füssen mit Bahn nach München. Bei dem alten Schloss Hohenschwangau liegt nämlich das von Ludwig II. erbaute Neuschwanstein, eine deutsche Ritterburg im edelsten Styl, in wundervoller Lage zwischen mehreren Bergseen und nahe am Lech. Während Herrenchiemsee und Linderhof die Zeit Ludwigs XIV. verherrlichen und vielfach Flittergold und Ting aufweisen, ist hier alles echt, gediegen und deutsch, nur leider nicht ganz fertig. Der grösste Theil des ursprünglichen Planes soll jedoch noch ausgeführt werden, und es wird fortwährend daran gebaut. Oesterreichische Papier-Industrie. Der Verein der Oesterreichischen Papierfabrikanten hat an das österreichische Abgeordnetenhaus eine Petition gerichtet, in welcher er um Aufhebung der Zollfreiheit bittet, welche bedrucktes Papier beim Eintritt nach Oesterreich bisher genoss. Der Verein stützt sein Gesuch auf den Umstand, dass viele österreichische Verleger ihre Verlagswerke, der billigeren Herstellung wegen, im Deutschen Reiche drucken lassen, wobei naturgemäss auch deutsches Papier verwendet wird, und wünscht, dass der Zolltarif künftig keinen Unterschied mehr zwischen bedrucktem und unbedrucktem Papier mache. Welliges Papier. Der Herr X. in Nr. 41 sieht in früheren Berichten über den Uebelstand von »welligem Papier« manchen dankenswerthen Wink, vermisst aber dabei ein Mittel, die dort gerügten Uebelstände zu verbessern. In dieser Angelegenheit und unter Berücksichtigung der weitern Aeusserungen des Herrn X erlaube ich mir noch einige Worte zu sprechen. An dieser Stelle habe ich im Dezember 1888 schon darauf hingewiesen, dass durch gutes Feuchten das Uebel vermindert wird. Durch Feuchten allein die Beulen, Falten und Runzeln aus dem Papier zu entfernen ist jedoch unmöglich, wie schon aus den Betrachtungen über die Entstehungs - Ursachen des Uebelstandes hervorgeht. Wenn auch in einer Feinpapierfabrik welliges Papier auf das Vollkommenste und Rationellste durch Feuchten geebnet wird, so kommt der Fabrikant mittelfeiner Stoffe dennoch mit dem Feuchten nicht halb soweit, wie aus meinen damaligen Betrachtungen hervor gehen mag. Es giebt eine ganze Anzahl Fabriken, die demjenigen viel Geld bezahlen würden, der den alten Fehler auf so einfache Weise ein für allemal beseitigte. Durch gutes Feuchten lässt sich viel gut machen, aber eine absolute Beseitigung des Uebelstandes ist auch