Volltext Seite (XML)
Ko. 45 PAPIER-ZEITUNG. 1061 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Buchgewerbliche Ausstellung im Buchhändlerhause zu Leipzig- (Fortsetzung zu Nr. 44.) Zum Verständniss der Ausstellungsgegenstände der zweiten Ab- theilung giebt eine im Katalog enthaltene, vortrefflich geschriebene Darstellung der photomechanischen Druckverfahren von Dr. Schulz- Hencke in Charlottenburg - Berlin eine Anleitung, wie sie in der erforderlichen Knappheit besser kaum geboten werden könnte. Wer das Wesen und die Unterschiede dieser Verfahren noch nicht genau kennt und sich in Kürze darüber zu unterrichten wünscht, findet hier alles Wesentliche in gedrängter Form klar und allgemeinfasslich vorgetragen. Nur das in seiner Theorie schwer darstellbare auto typische Verfahren (Lichthalbtonhochdruck) ist etwas zu kurz ge kommen. Der Werth dieser Arbeit gewinnt noch dadurch, dass bei jedem Verfahren gewissenhaft auf die Nummern und Buchstaben der Rah men, Kästen und Gestelle hingewiesen ist, in welchen sich Beispiele desselben finden. Wer daher an der Hand des Kataloges die Ausstellung aufmerksam besichtigt, hat davon ungefähr denselben Vortheil wie z. B, von einem Vortrag mit Demonstrationen. Vielleicht sogar einen grösseren, weil er in der Betrachtung der Beispiele durch Rücksicht nahme auf Andere — an Wochentagen wenigstens — nicht ge stört wird. Die Ausstellung selbst bietet vor andern ähnlichen Veranstal tungen den erheblichen Vorzug, dass nicht allein die fertigen Er zeugnisse, sondern bei allen wichtigeren Verfahren auch die Stadien der Herstellung durch Vorbilder, negative Glasbilder, positive Ko- pieen, Umdrucke auf die verschiedenen Platten, Aetzungen, Abzüge von denselben usw. veranschaulicht werden. Es ist den Veranstaltern mit Unterstützung bedeutender graphischer Anstalten gelungen, eine sehr werthvolle und vollständige Sammlung typischer Arbeitsstücke herbeizuschaffen. Einzelne Verfahren sind sogar durch mehrfache Beispiele vertreten. Besonders die Reichsdruckerei hat sich um die Vervollständigung dieser Sammlung verdient gemacht. Sie lieferte Entwickelungsreihen für Lichtdruck, Glasdruck, Heliographie, Phototypie und Heliogravüre. Max Lichtwitz-Berlin veranschaulichte in ähnlicher Weise die Photo lithographie, Julius Klinkhardt-Leipzig den Lichtdruck und die Auto typie, Albert Frisch - Berlin in besonders anschaulicher Weise den täglich an Bedeutung zunehmenden Farbenlichtdruck. Durch solche Veranstaltungen im Verein mit dem trefflichen Katalog gewinnt die Ausstellung die Bedeutung eines grossartigen Lehr gangs bezw. Unterrichtskursus in den photochemischen Wiedergabe verfahren. Beim Eingehen auf die in den einzelnen Abtheilungen gebotenen hervorragenderen Leistungen will ich auch hier dem Katalog folgen. Wie in Nr. 33, Seite 7G5 bereits erwähnt wurde, sind in dem selben die von Prof. Vogel empfohlenen Verdeutschungen der photo mechanischen Wiedergabe verfahren angewendet. Dasselbe geschah auch bei den an Rahmen und Schildern angebrachten Inschriften in der Ausstellung selbst. Da aber diese neuen Namen noch nicht allgemein bekannt, theilweise auch wegen ihrer Klangähnlichkeit weniger kennzeichnend sind als die alten Namen, werde ich sie den letzteren nur erläuternd an die Seite stellen. I. Flachdruck. A. Photolithographie (Lichtsteindruck). Dies Verfahren, welches für gewerbliche Zwecke eine ziemlich grosse, bei Kunstarbeiten eine untergeordnete Rolle spielt, ist spärlich vertreten. Äusser dem Abzug, welcher der von Max Lichtwitz ge botenen Entwickelungsreihe angefügt ist, findet es sich nur auf einigen Blättern aus dem grossen Werk von Prof. Seder »Die Pflanze«, theilweise in Verbindung mit Tonfarbendruck. Die erwähnte Ent wickelungsreihe zeigt: 1) das von der Glasplatte abgezogene Gelatine-Negativ, 2) das auf Chromogelatine - Papier (Husnik - Papier) übertragene, eingeschwärzte und durch Auswaschen mit warmem Wasser »entwickelte« Bild, 3) das auf Stein übertragene Bild, 4) die blassen, auf dem Gelatinepapier nach dem Umdruck zurück- gebliebenen Bildspuren, 5) den Abdruck vom Stein. Gegenstand der Darstellung ist eine Federzeichnung von E. Doepier d. J.: Glasfenster in deutscher Renaissance. B. Pbotozinkographie (Lichtzinkdruck). In diesem Verfahren, welches sich von dem vorerwähnten nur dadurch unterscheidet, dass Zink als Träger des Bildes dient, leisten Wezel & Naumann in Leipzig Ausserordentliches. Die von dieser Firma angewendete Arbeitsweise wurde im vorigen Jahrgang, Seite 1005, ausführlich beschrieben. Inzwischen wurde das Ver fahren anscheinend noch weiter vervollkommnet, und die gezeigten Farbendrucke nach Vorlagen englischer Meister z. B. können als Leistungen ersten Ranges gelten. Besonders schön sind 4 in leuch tenden Farben ausgeführte Bilder von Kavalleristen der englischen Armee nach Harry Payne. Äusser der Leipziger Firma hat nur noch die Wiener Staats druckerei einige Erzeugnisse in dieser Technik ausgestellt. Ent wickelungsreihen sind wegen der Uebereinstimmung des Verfahrens mit dem photolithographischen nicht gegeben. C. Lichtdruck (Lichtleimdruck). Lichtdruck ist dasjenige Flachdruckverfahren, mittels dessen Halbtöne der Vorlage ohne besondre Mühwaltung, gewissermaassen von selbst, und dabei mit grosser Feinheit und Zartheit wieder gegeben werden können. Es kommt daher von allen photochemischen Druckverfahren der Photographie am nächsten und wird mit Vorliebe da verwendet, wo es sich um eine bis in feinste Einzelheiten genaue und dabei nicht zu kostspielige Wiedergabe des Vorbildes handelt. Auf der Ausstellung ist Lichtdruck, sowohl mit Bezug auf Menge als auch auf Güte des Gebotenen, vorzüglich vertreten. Die Arbeiten in einfarbigem Lichtdruck, die unter Benutzung grauer, bläulicher, grünlicher und photographiefarbiger Töne aus geführt wurden, zeigen bei allen ausstellenden Firmen ziemlich gleichartig gute Beschaffenheit. Schober-Karlsruhe glänzt durch grosse Aufnahmen kunstgewerblicher Gegenstände, besonders Tafel aufsätze; Stengel & Markert in Dresden bieten stimmungsvolle Land schaften in dunkelblauem Ton, Obernetter - München namentlich Wiedergaben alter Stiche. Die Wiener Staatsdruckerei bietet schöne, ausnehmend naturgetreue Wiedergaben von Urkunden des Papyrus Rainer, in welchen z. B. die eigenartige Struktur des ägyptischen Papyrus mit seiner doppelten, kreuz und quergelegten Faserschicht sehr gut wiedergegeben ist. Dieselbe Staatsanstalt zeigt auch Arbeiten in einer nicht näher beschriebenen, kurzweg als »Asphaltverfahren« bezeichneten Arbeitsweise. Die damit hergestellten Bilder sehen genau aus wie Lichtdrucke, vielleicht mit etwas gröberem Korn. Es scheint sich hier um dasselbe Verfahren zu handeln, welches zuerst von Grell Füssli & Co. in Zürich angewendet, dann von Wezel & Naumann erworben und dieser Firma im Deutschen Reiche patentirt wurde. Von diesem Verfahren hat, wie mir mitgetheilt wurde, auch die Wiener Staatsdruckerei Lizenz erworben. Sie wendet dasselbe indess nur gelegentlich an, mehr zu Studienzwecken als für prak tische Arbeiten. Die von der Staatsdruckerei ausgestellten Drucke sind einfarbig, während die beiden obengenannten Firmen das Ver fahren mehr zum Farbendruck benutzen und damit vortreffliche Er gebnisse erzielen. Es ist möglich, dass unter den von Wezel & Naumann ausgestellten Farben-Arbeiten einige nach diesem Verfahren hergestellt sind, — genau lässt sich das durch blossen Augenschein nicht feststellen. Die hübschen Landschaftsbilder aber, die Grell Füssli & Co. in dieser Technik lieferten, und zu deren Herstellung und Vertrieb sich neuerdings eine Aktiengesellschaft »Photochrom Zürich« gebildet hat, sind leider nicht vertreten. Die Entwickelungsreihe des einfachen Lichtdrucks ist durch zwei Beispiele veranschaulicht. Dasjenige der Reichsdruckerei zeigt eine Fabrikansicht, das von Julius Klinkhardt gelieferte ein Renais sancezimmer. Die einzelner Stufen sind bei beiden Beispielen folgende: 1. Negativ, welches mittels eines vor dem Objektiv eingeschalteten Dreieckprismas mit verspiegelter Hypothenuse verkehrt aufge nommen wurde. 2. Platte aus starkem Glase, mit Chromgelatine überzogen, unter vorstehendem Negativ belichtet, ausgewaschen und eingeschwärzt. 3. Abzug. Die zahlreichen und wohlgelungenen Farbenlichtdrucke, welche die Ausstellung aufweist, lassen erkennen, dass dieses schöne Verfahren grossen Beifall findet, und schon ziemlich viele Anstalten sich mit seiner Pflege erfolgreich befassen. Man kann es gegen wärtig als das vornehmste aller Farbendruckverfahren bezeichnen. Es zeichnet sich aus durch die Gefügigkeit, mit der es Gel-, Pastell- und Aquarellmalerei ziemlich gleich gut wiederzugeben vermag. Be sonders bestrickend wirkt die dabei erreichbare Weichheit der Töne. Dass aber auch grosse Krft und Energie durch Farbenlichtdruck ausgedrückt werden kann, beweisen auf der Ausstellung hauptsächlich die Arbeiten von Meissner & Buch in Leipzig. In aller Stille hat sich diese Firma, die bekanntlich schon lange auf chromolithographischem Gebiete Bedeutendes leistet, auch für